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2008 | Buch

Planungshandbuch Radverkehr

verfasst von: Ass. Prof. DI Dr. Michael Meschik

Verlag: Springer Vienna

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Über dieses Buch

Der Radverkehr kann wesentlich und nachweisbar zur Lösung innerörtlicher Verkehrsprobleme, zum Klimaschutz und zur Volksgesundheit beitragen.

Das Planungshandbuch bietet in kompakter Weise relevante Grundlagen und technische Details zur Wahl und Dimensionierung einer funktionierenden Infrastruktur für den Radverkehr. Um ein gutes Umfeld für die Akzeptanz und die Förderung des Radverkehrs zu schaffen wird auch auf die „Soft Polices" – also die organisatorischen und sonstigen Fördermaßnahmen – eingegangen. Beispiele aus der Praxis der Planung, der Umsetzung sowie des öffentlichen Umgangs ausgewählter europäischer Kommunen ergänzen und veranschaulichen die im Buch aufgezeigten Planungsstrategien.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1.. Kurzfassung
Auszug
Abschnitt 3 begründet, warum es großen Nutzen für die Gesellschaft und die Individuen bringt, den Radverkehr zu fördern. Der Beitrag des Radverkehrs zur Nachhaltigkeit in allen drei maßgebenden Bereichen — Ökonomie, Ökologie und sozialer Chancengleichheit — wird betont, ebenso die Chance, mit einer Förderung des Radverkehrs die katastrophalen Auswirkungen des Verkehrssektors auf die Klimaveränderungen wesentlich zu mindern. Maßgebende Wissenschafter erwarten stark steigende Aufwendungen im Gesundheitswesen durch zunehmende körperliche Immobilität der Menschen in den reichen Ländern. Dieser Entwicklung wird man entgegensteuern müssen. Hier kann der Radverkehr die so genannte Volksgesundheit verbessern: Durch sinnvolle Bewegung, wie Rad fahren, wird die körperliche Verfassung nachweislich gestärkt. Die Förderung des Radverkehrs wäre aus all diesen Gründen eine konsequente und sowohl wirkungsvolle als auch kostengünstige Lösungsstrategie.
2.. Abkürzungen und Erläuterungen
Auszug
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden die Begriffe „Radfahrer“, „Fußgeher“, „Planer“ usw. verwendet. Es sind bei allen Formulierungen ausdrücklich immer beide Geschlechter gemeint, also Radfahrerin und Radfahrer usw. Die meisten Bestandteile von Verkehrsanlagen sind in der StVO (1960 i.d.g.F.) in der jeweils geltenden Fassung im § 2 definiert.
3.. Ziele und Auswirkungen der Radverkehrsförderung
Auszug
Radverkehr hat zahlreiche positive Auswirkungen auf die Umwelt, auf eine nachhaltige Gesellschafts- und Verkehrsstruktur und nicht zuletzt auf die Gesundheit und das körperliche Wohlbefinden der Rad Fahrenden selbst. Zudem sind sowohl Fördermaßnahmen als auch die Infrastruktur für den Radverkehr im Vergleich mit dem motorisierten Verkehr ausgesprochen billig. In diesem Abschnitt werden diese positiven Auswirkungen des Radverkehrs für Umwelt, innerörtlichen Verkehr und Gesundheit mit Fakten belegt, um die Förderung des Radverkehrs zu rechtfertigen.
4.. Stellung des Radverkehrs im Verkehrssystem
Auszug
Ausgehend vom Fahrrad und von den Rad Fahrenden können gewisse Charakteristika abgeleitet werden. Von der Verkehrsnachfrage her unterscheiden sich Rad Fahrende nicht wesentlich von anderen Gruppen von Verkehrsteilnehmern. Die Verkehrsteilnahme von RF ist stark geprägt von den lokalen Möglichkeiten, die dem Radverkehr eingeräumt warden — vom Verkehrsangebot. Tabelle 4.1 zeigt charakteristische Maße und Eigenschaften von Fahrrädern.
5.. Radverkehrsförderung
Auszug
Bauliche Infrastrukturmaßnahmen sind eine Voraussetzung für funktionierenden Radverkehr. Radverkehrsförderung muss darüber weit hinausgehen und ganzheitlich betrieben werden. Neben den baulichen Maßnahmen (Anlagen für den Radverkehr, Öffnung der Einbahnen, bewachte Parkhäuser, Bike & Ride, Abstellanlagen etc.) müssen verschiedene organisatorische und verkehrspolitische Maßnahmen („Soft Policies“) umgesetzt und muss Öffentlichkeitsarbeit betrieben werden. Erst wenn der Radverkehr im Bewusstsein aller Akteure (Politiker, Interessenvertretungen, Handel, Gesundheitswesen etc.) verankert ist, wenn ein „fahrradfreundliches Klima“ herrscht, ist mit einer nennenswerten Bedeutung des Fahrrads (Wegeanteil) zu rechnen. Noch immer unerreicht in der ganzheitlichen Förderung des Radverkehrs ist der niederländische Masterplan Fiets, in dem alle Belange des RV mit realistischen Zielen behandelt, Maßnahmen zur Zielerreichung formuliert und die verbindlichen Ergebnisse auch eingefordert werden (Masterplan Fiets 1999).
6.. Planungsgrundlagen, Infrastruktur und Netzgestaltung
Auszug
Vor der detaillierten Planung von Anlagen für den Radverkehr sollten der Bedarf ermittelt sowie die ungefähre Lage der einzelnen Verbindungen und deren Bedeutung in der Netzhierarchie festgelegt werden. Wenn klar ist, wie wichtig eine Anlage ist und wo diese in etwa verlaufen soll, können eine geeignete Organisationsform gewählt und die Anlage baureif geplant werden. Folgende wesentliche Arbeitsschritte sind dabei zu unterscheiden:
(1)
Erfassen der Ist-Situation: Abgrenzen des Planungsgebiets, Erheben der Verkehrssituation, der Unfallsituation etc.
 
(2)
Entwickeln einer zukünftig zu erwartenden Verkehrssituation, aus welcher der zu berücksichtigende Bedarf sowie Quellen und Ziele samt deren verbindende Wunschlinien des Radverkehrs ermittelt werden können.
 
(3)
Planen des Radverkehrsnetzes in hierarchischer Form (Festlegen von Hauptrouten, untergeordnetem Netz und flächenhafter Erschließung).
 
(4)
Festlegen des Organisationsprinzips (getrennte Anlagen oder gemeinsame Führung mit anderen Verkehrsarten) nach RVS 03.02.11 (1990) entsprechend den örtlichen Verkehrs- und Raumverhältnissen.
 
(5)
Auswählen geeigneter Anlageformen unter Berücksichtigung der umliegenden Nutzungen (Funktion der Straße, Belastungen und Aufteilung auf Modi etc.) nach RVS 03.02.13 (2001).
 
(6)
Trassierung und Detailplanung der Querschnitte und Verflechtungsbereiche.
 
7.. Trassierungsgrundlagen
Auszug
In diesem Abschnitt werden die Bausteine der Infrastruktur von RVA behandelt, deren Kenntnis grundlegend für eine gute Projektierung und gelungene Umsetzung ist. Ausreichend dimensionierte Anlagen gewährleisten eine gute Qualität des Verkehrsflusses auf Radverkehrsanlagen.
8.. Anlageformen und Querschnitte
Auszug
Aufgrund der Unterschiede im Geschwindigkeits- und Verkehrsverhalten zwischen Fußgehern, Fahrrädern und Kfz sind diese drei Verkehrsarten nur bedingt verträglich und nur bedingt auf gemeinsamen Verkehrsflächen zu führen. Grundsätzlich sind verschiedene Verkehrsarten (Fußgeher, Rad Fahrende, Kfz-Verkehr) dann voneinander zu trennen, wenn große Geschwindigkeitsunterschiede vorliegen oder eine Gruppe in großer Anzahl auftritt und über die andere(n) dominiert. Wenn der Platz für eine ordnungsgemäß getrennt geführte RFA (dort, wo diese erforderlich wäre) nicht ausreicht, kann durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung (ideal T30) die Situation für die RF wesentlich verbessert und oft eine getrennte Anlage unnötig werden. Getrennte Führungen der einzelnen Verkehrsarten auf jeweils eigenen Anlagen benötigen deutlich mehr Fläche als gemischte Verkehrsführungen. Mischverkehr ist daher in innerörtlichen Altbaubereichen häufig die einzige Alternative.
9.. Radfahren gegen die Einbahn
Auszug
Einbahnen sind Straßen, in denen Fahrzeugverkehr nur in eine Richtung zulässig ist. Die Gründe für diese Art der Verkehrsbeschränkung können sein:
  • Verhinderung von Schleichverkehr in Wohngebieten;
  • Schaffung von Parkflächen;
  • Vereinfachung von Kreuzungen;
  • Verhinderung von Begegnungen von Fahrzeugen, die mehr als die zur Verfügung stehende Breite benötigen.
10.. Knotengestaltung und Fahrbahnquerungen
Auszug
In diesem Handbuch werden schwerpunktmäßig kleinere Kreuzungen und Kreisverkehre sowie innerörtliche Grundstückszu- und -abfahrten behandelt, da diese sehr häufig — praktisch überall — anzutreffen sind. Die Führung des RV an Knoten und bei Querungen muss möglichst einfach und leicht verständlich gestaltet werden (Abb. 10.1).
11.. Radverkehr an KreisverKehrsanlagen
Auszug
Konventionelle Kreuzungen werden vermehrt durch Kreisverkehrsanlagen ersetzt. Verflechtungen von Verkehrsströmen können kontinuierlicher ablaufen, und der stetige Verkehrsfluss im Kreisverkehr verringert im Vergleich zu ampelgeregelten, niveaugleichen Kreuzungen Geschwindigkeiten, Emissionen, Verlustzeiten, Unfallrisiko und Unfallschwere. Kreisverkehre sind allerdings problematisch für nicht motorisierte Verkehrsteilnehmer, da sie deren Wege verlängern und nicht unbedingt sicherer abwickeln (Marady 2004). Dies gilt vor allem dann, wenn der RV nicht mit dem im Kreisverkehr geführten Hauptverkehrsstrom, sondern — wie der Fußgeherverkehr — außen herum geführt wird.
12.. Unter- und Überführungen, Brücken
Auszug
Brücken werden vorwiegend an natürlichen Hindernissen (Gräben, Gewässer etc.) erforderlich, Unter- und Überführungen bei kreuzenden Verkehrswegen. Die Anforderungen an diese Bauwerke aus der Sicht der RF sind ähnlich und können daher in diesem Abschnitt zusammengefasst werden. Alle niveaufreien Querungen für den RV sollen ohne wesentliche Höhenüberwindung oder über möglichst flache Rampen befahrbar sein und in der Fahrlinie des RV liegen, d.h. möglichst keine Umwege verursachen. Wegen der Steigungsempfindlichkeit der Radfahrer sollen kurze, steile Rampen nur in Sonderfällen zur Anwendung kommen. An der Qualität und Befahrbarkeit von Unter- und Überführungen für den RV sieht man oft, welche Bedeutung und Finanzmittel dem RV zugemessen werden. Diese Anlagen können sinnvoll sein, wenn:
13.. Leiteinrichtungen für den Radverkehr
Auszug
Bodenmarkierungen dienen dazu, Verordnungen mit Wirkung auf die Benutzer öffentlich kenntlich zu machen. Die rechtliche Verpflichtung gilt für alle Verkehrsteilnehmer. Es ist durch qualitativ gute Planung, Überprüfung der praktischen und rechtlichen Konsequenzen, sowie durch regelmäßige Wartung und Instandhaltung sicherzustellen, dass die angebrachten Bodenmarkierungen folgenden Kriterien entsprechen:
  • Der Zweck der Markierungen muss ohne Interpretationsspielraum eindeutig erkennbar sein. Alle Verkehrsteilnehmer müssen verstehen können, welche Verhaltensweisen von ihnen gefordert werden.
  • Bodenmarkierungen müssen in gutem Zustand sein, um gut sichtbar und rechtzeitig erfassbar zu sein.
  • Die vorgegebenen Verhaltensweisen müssen der Fahrdynamik und den Charakteristika der RF möglichst entsprechen (brauchbare Aufstellflächen, fahrbare Richtungsänderungen, äusreichende Sichtfelder etc.).
  • Die vorgegebenen Verhaltensweisen müssen rechtssicher sein und dürfen keine Konflikte mit anderen Vorschriften hervorrufen (Verkehrszeichen, andere Bodenmarkierungen etc.).
14.. Radfahren und Öffentlicher Verkehr
Auszug
Ausgehend von einer zumutbaren Wegzeit zur ÖV-Haltestelle von 10 Minuten ergeben sich bei einer Geschwindigkeit von 1,2 m/s (etwa 4,3 km/h) zu Fuß eine maximale Entfernung von etwa 720 m und ein theoretisches (kreisförmiges) Einzugsgebiet von 1,63 kmö. Mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 15 km/h, die mit einem Fahrrad erreicht wird, ergeben sich ein Einzugsradius von 2,5 km und eine Einzugsfläche von beinahe 20 kmä. Es vergrößert sich das Einzugsgebiet auf das Zwölffache, und es verbessert sich die Erreichbarkeit des ÖV wesentlich. Neben der Erhöhung der Nachfrage an der betroffenen ÖV-Haltestelle ist auch für den Weg zum Bahnhof mit einer Substitution von Kfz durch Fahrräder zu rechnen — diebstahlsichere Abstellanlagen vorausgesetzt. Folgende Voraussetzungen sind zu erfüllen, um das Fahrrad als potenziellen Zubringer zu ÖV-Haltestellen etablieren zu können:
15.. Ruhender Radverkehr
Auszug
Die Qualität der Abstellmöglichkeit ist ein Schlüsselkriterium für die Verwendung des FR als Alltagsverkehrsmittel (siehe Abschnitt 4.3.2).
16.. Sicherheit
Auszug
Die Unfallgefährdung von RF im Straßenverkehr wird oft mit jener anderer Verkehrsteilnehmergruppen verglichen. Pkw-Insassen sind pro zurückgelegten Kilometer sicherer unterwegs. Dabei wird oft übersehen, dass Autos in der gleichen Zeit viel weitere Strecken zurücklegen als RF, deren Wege im Schnitt viel kürzer sind. Die Unfallgefährdung pro Zeiteinheit, welche im Verkehrssystem verbracht wird, oder je zurückgelegten Weg ist eine fairere Vergleichsbasis. Laut einer in Graz durchgeführten Untersuchung hatten RF gegenüber Pkw-Insassen zwar eine viermal größere Unfallgefährdung je gefahrenen Kilometer, allerdings nur eine etwas höhere Unfallgefährdung je Stunde Fahrt und sogar ein etwas geringeres Risiko je zurückgelegten Weg (Sammer 1984).
17.. Oberflächengestaltung, Baulichedetails
Auszug
Die Oberfläche von Radverkehrsanlagen ist im Hinblick auf die geringe Federung eines normalen Fahrrads möglichst ebenflächig und griffig auszuführen. Hinsichtlich der Materialwahl ist neben dem Fahrradverkehr auch auf die Benutzung mit Inline-Skates Rücksicht zu nehmen. Diese benötigen eine wesentlich ebenflächigere Oberfläche, wobei auch für Inline-Skater die Griffigkeit ein wichtiges Kriterium darstellt.
18.. Rechtliche Aspekte
Auszug
Die in der österreichischen StVO (1960 i.d.g.F.) häufig zitierte „(Sicherheit,) Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs“ (einleitend im § 7 „allgemeine Fahrordnung“, insgesamt mehr als vierzigmal verwendet) bezieht sich grundsätzlich auf alle Verkehrsarten. Die Auslegung der StVO in der (baulichen) Praxis sollte folglich die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer gleichermaßen berücksichtigen. Dabei sind innerorts die Erfordernisse der nicht motorisierten Verkehrsteilnehmer vor die Bedürfnisse der Kfz zu stellen; schließlich wohnen, arbeiten und bewegen sich die Menschen hier und haben ein Recht auf Sicherheit und eine lebenswerte Umwelt. Außerorts steht die Priorität des Kfz-Verkehrs ohnehin nicht in Frage. Wenn man die positiven Auswirkungen des Radverkehrs (siehe Abschnitt 3.2) auf die Nachhaltigkeit — vor allem auf Umwelt, Sicherheit und Gesundheit — bedenkt, sollte der Radverkehr viel stärker gefördert werden als bisher. Dies würde auch den bestehenden rechtlichen Verpflichtungen entsprechen: Österreich hat das Kyoto-Protokoll unterzeichnet und sich zur Reduktion der CO2-Emissionen (Basis 1990) um 13 % bis 2012 verpflichtet; alle neun Bundesländer sowie 708 Städte und Gemeinden Österreichs (Stand Jänner 2008) sind Klimabündnis-Mitglieder (Klimabündnis, http://www.klimabuendnis.at 05.02.2008).
Backmatter
Metadaten
Titel
Planungshandbuch Radverkehr
verfasst von
Ass. Prof. DI Dr. Michael Meschik
Copyright-Jahr
2008
Verlag
Springer Vienna
Electronic ISBN
978-3-211-76751-1
Print ISBN
978-3-211-76750-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-211-76751-1