Skip to main content

16.05.2022 | Plattformökonomie | Interview | Online-Artikel

"ECSP ermöglicht Crowdinvesting in vielen EU-Ländern"

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

4:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Mit der neuen EU-weiten Regelung für Schwarmfinanzierungsdienstleister wird diese Finanzierungsform in manchen europäischen Staaten erst möglich. Im Gespräch mit Springer Professional erläutert Crowdinvesting-Experte Andreas Zederbauer Ziele und die Umsetzung in Deutschland.

Springer Professional: Seit November 2021 gilt die neue europäische Verordnung über Schwarmfinanzierungsdienstleister (ECSP) in allen EU-Mitgliedsstaaten. Können Sie grob die wichtigsten Punkte skizzieren, die dort geregelt werden? 

Andreas Zederbauer: Die EU-Verordnung sorgt für eine Harmonisierung der Regeln, unter denen Crowdinvesting europaweit stattfinden soll und darf. Damit wird Crowdinvesting in manchen europäischen Ländern überhaupt erstmalig möglich, etwa im osteuropäischen Raum, wo es bisher noch keine entsprechenden Regelungen gab. Gesetze, die Crowdinvesting bisher auf nationaler Ebene etwa in Deutschland oder Österreich geregelt haben, werden nicht ersatzlos gestrichen, vielmehr können und müssen sich Plattformen entscheiden, ob sie ihre Dienstleistungen künftig im Rahmen der neuen EU-Verordnung erbringen wollen, oder weiterhin unter den bisherigen Bedingungen agieren möchten. 

Empfehlung der Redaktion

2022 | Buch

Crowdinvesting

Grundlagen – Anwendungsgebiete – Regulatorik

Den Kern dieses Buches bildet die Darstellung der Finanzierungsalternative Crowdinvesting im Vergleich zu anderen Finanzierungsformen sowie deren Jurisdiktionen in ausgewählten Ländern. Mario Baumgärtner klärt auf, welche rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmen und Investoren in Deutschland, der Schweiz, den USA, Frankreich, den Niederlanden und Schweden existieren.

Was ändert sich für Plattformanbieter in der Praxis?

Aktuell muss eine Plattform für jedes einzelne Crowdinvesting-Projekt, das sie auch für Investoren im Ausland zugänglich machen möchte, eine Genehmigung einholen. Das ändert sich künftig: Im Zuge der EU-Regelung braucht es einmalig die Erteilung einer Konzession, die mit strengen Auflagen und Anforderungen verknüpft ist. Zuständig für die Erteilung dieser Konzession ist die nationale Aufsichtsbehörde im jeweiligen Herkunftsland der Plattform, also etwa die Bafin oder die Finanzmarktaufsicht (FMA) in Österreich. Ist diese Hürde genommen, darf man als Plattform seine Dienstleistungen mit der EU-Lizenz grenzüberschreitend anbieten, ohne laufend für jedes Projekt in jedem einzelnen europäischen Markt um Genehmigung ansuchen zu müssen. Die Einhaltung der Regeln wird von den Aufsichtsbehörden natürlich laufend kontrolliert. Das maximale Projektvolumen wird künftig fünf Millionen Euro pro Emittent und Jahr betragen. 

Wie wirkt sich die Neuregelung, insbesondere durch das sogenannte Schwarmfinanzierungs-Begleitgesetz, auf den Plattformen der Anbieter aus? Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?

Zum jetzigen Zeitpunkt hat sich auf den Plattformen noch gar nichts verändert, da bisher noch keine deutschsprachige Plattform lizensiert werden konnte. In Deutschland wurde das Begleitgesetz unseres Erachtens nach durch sogenanntes Goldplating verunglimpft und es wurden überbordende Haftungsregeln für das Anlegerinformationsblatt geschaffen. Unseres Wissens nach ist aus diesem Grund noch kein Lizenzantrag bei der Bafin eingegangen. In Österreich wurde das Schwarmfinanzierungsgesetzt am 30. Dezember 2021 erlassen und sieht Haftungen, die über die ECSP-Verordnung hinausgehen, nicht vor. Deswegen gibt es aktuell bei der österreichischen FMA schon mehrere Anträge von Plattformen auf Erteilung der Konzession, die bearbeitet werden.  

Ziel der Verordnung war unter anderem, einen einheitlichen Rechtsrahmen zu schaffen, der es auch kleineren Unternehmen ermöglichen sollte, sich über den Weg der Schwarmfinanzierung zusätzliches Kapital zu beschaffen, wenn Bankkredite etwas für Investitionen nicht ausreichen. Ist das aus Ihrer Sicht geglückt?

Ob eine bestimmte Nachfrage ausreichend abgedeckt werden kann, ist natürlich auch stark vom vorhandenen Angebot abhängig. Unsere Plattform fokussiert sich seit der Gründung darauf, insbesondere kleineren und mittelständischen Bauträgern und Immobilienentwicklern ein zusätzliches, alternatives Finanzierungsangebot zu machen. Die Tatsache, dass die EU-Verordnung den Plattformen die Expansion erleichtert und Hemmschwellen für eine grenzüberschreitende Tätigkeit abgebaut werden, wird voraussichtlich für eine größere internationale Konkurrenz unter den Plattformen sorgen. Kleinere Unternehmen könnten daher auch von einem steigenden Angebot profitieren und sollten eine größere Auswahl haben, um für sich jene Plattform(en) zu identifizieren, bei der beziehungsweise denen sie die besten Argumente für eine Kooperation ausmachen.

Nun soll das ECSP nicht nur Unternehmen helfen, sondern auch Risiken für Anleger und Investoren mindern. Welche konkreten Vorteile bietet es den Geldgebern – auch im Hinblick auf grenzüberscheitende Investments?

Ein ganz wesentlicher Punkt für Anleger ist mit Sicherheit, dass es Crowdinvesting-Plattformen im Zuge der neuen EU-Verordnung gestattet sein wird, bankübliche Sicherheiten wie Pfandrechte und Bürgschaften in ihre Angebote zu integrieren. Wurde bisher primär mittels qualifizierten Nachrangdarlehen agiert, können künftig auch besicherte Wertpapiere und Darlehen vermittelt werden. Damit gibt es im Fall von Projektverzögerungen erhöhte Druckmittel gegenüber dem Emittenten, auch moralisch kann er verstärkt in die Pflicht genommen werden. Dass es für die Erteilung der EU-Lizenz strenge Auflagen gibt und deren Einhaltung auch von den jeweiligen nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden kontrolliert wird, trägt ebenfalls zum erhöhten Schutz der Investoren bei.

Wo hat der gesetzliche Rahmen aus Sicht der Praxis noch Lücken oder Nachbesserungsbedarf?

Da es sich hier um einen ganz neuen Rechtsrahmen handelt, mit dem es bisher noch keinerlei Praxiserfahrungen gibt, die man evaluieren könnte, wäre es aus unserer Sicht verfrüht, hier bereits ein erstes Fazit zu ziehen. Wir vertreten die Auffassung, dass alle dazu eingeladen sind, sich auf die neuen Rahmendbedingungen einzustellen und etwas daraus zu machen. 

Zur Person 

Nach Stationen bei "SIXT Leasing" und "SIXT rent a car" wurde Andreas Zederbauer 2001 Vorstand der Autobank AG und baute dort unter anderem das Geschäftsfeld "Online Sparen" auf. 2008 machte sich der Jurist im Bereich Vermögens- und Unternehmensberatung selbständig. Die 2015 gegründete dagobertinvest zählt mittlerweile zu den führenden Anbietern im DACH-Raum. Über die Plattform wurden bislang knapp 250 Projekte erfolgreich finanziert. Mehr als 110 Millionen Euro vermittelte sie an Bauträger und Immobilienentwickler.


print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

Das könnte Sie auch interessieren