Plug-in-Hybride sind derzeit für Fahrzeughersteller eine besonders attraktive Form der Elektrifizierung. Weil der zur Verbrauchsmessung vorgeschriebene Fahrzyklus in Europa nach ECE-Norm R 101 keine CO2-Werte für die extern geladene und verbrauchte Elektrizität ausweist, kommen sehr niedrige Kraftstoffverbrauchs- und damit CO2-Emissionswerte gesetzlich zum Tragen. Volvo kann daher für sein größtes SUV, den XC90, der in der Plug-in-Variante den Zusatz T8 Twin Engine trägt, einen Benzinverbrauch von 2,5 l/100 km Benzin angeben. Das entspricht 59 g CO2/km. Die Redaktion von Springer Professional und den Fachzeitschriften ATZ und MTZ hat den XC90 – mit einer Systemleistung von 295 kW eines der derzeit leistungsstärksten Plug-in-Hybridfahrzeuge – einem Alltagstest unterzogen.
Nach dem Systemstart kann der Fahrer zwischen sechs vorgegebenen Fahrmodi wählen oder in den Individual-Modus schalten. Die Grundeinstellung "Hybrid" soll laut Volvo für den alltäglichen Einsatz am besten geeignet sein. Das Antriebsmanagement wechselt darin je nach Lastanforderung und Ladezustand der zentral im Mitteltunnel platzierten Batterie zwischen Verbrennungs- und Elektromotor. Der elektrische Speicher verfügt über eine Kapazität von 9,2 kWh. Bei niedrigen Geschwindigkeiten bleibt der Verbrenner meist ausgeschaltet. Statt eines Drehzahlmessers visualisiert das auf einem Display rechts neben dem Tachometer angezeigte Instrument die Last – und zeigt flexibel, je nach Ladezustand, den Bereich an, in dem rein elektrisch gefahren werden kann. Der Fahrer entwickelt damit schnell ein Gefühl, wie er das Fahrpedal betätigen muss, damit die Lastgrenze zum Verbrenner nicht überstiegen wird.
Vierzylinder-Ottomotor mit 118 kW/l
Im Stop-and-Go-Verkehr ist der Volvo XC90 T8 Twin Engine angenehm leise zu fahren. Die von GKN Driveline zugelieferte elektrische Hinterachse ist mit 59 kW Leistung und einem maximalen Drehmoment von 240 Nm ausreichend dimensioniert, um die mit Insassen und Beladung schnell 2,5 t übersteigende Fahrzeuggesamtmasse allein anzutreiben. Der Ottomotor startet, was die Vibrationen anbetrifft, kaum wahrnehmbar zu. Ein Kurbelwellen-Startergenerator zwischen Verbrennungsmotor und Getriebe dient mit 34 kW als Anlasser. Akustisch ist der 236 kW starke Ottomotor jedoch sofort präsent – insbesondere dann, wenn hohe Lasten abgerufen werden. Mit nur 2,0 l Hubraum folgt er Volvos Downsizing-Trend. Denn die zugrunde liegende "Scalable Platform Architecture" erlaubt laut Michael Fleiss, Vice President Powertrain bei Volvo, nur noch den Einsatz von Vierzylinder-Motoren, wie er im Interview "Wir erschließen Effizienzpotenziale über ein Verständnis der Details" aus der MTZ 2-2016 beschreibt. Um die hohe spezifische Leistung von 118 kW/l und ein Drehmoment von maximal 400 Nm zwischen 2200 und 5400/min darstellen zu können, ist das Aggregat mit der internen Bezeichnung B1APHEV sowohl durch einen mechanisch angetriebenen Kompressor als auch einen Abgasturbolader aufgeladen. Zum Vergleich: Der Porsche Cayenne S E-Hybrid verfügt über eine ähnlich hohe Systemleistung von 306 kW. Sein Verbrennungsmotor leistet 245 kW bei 3,0 l Hubvolumen. Das ergibt eine in Relation moderate spezifische Leistung von 86 kW/l.
Wer die maximale Systemleistung des XC90 abrufen will, wechselt in den "Power"-Modus. Das SUV ist darin, auch dank einer straff ausgelegten Fahrwerksabstimmung, recht sportlich zu fahren. Die reinen Fahrleistungsdaten – eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 5,9 s und eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h – sind Fahrzeugen mit deutlich größerem Hubvolumen ebenbürtig. Auch wenn die Traktion aus dem Stand oder niedrigen Geschwindigkeiten über alle vier Räder erfolgt, ist dennoch zu spüren, dass die Antriebsmomente zwischen Vorder- und Hinterrädern nicht gleich verteilt werden können. Dadurch, dass keine mechanische Verbindung zwischen den Achsen existiert, sind insbesondere auf kurvigen Landstraßen Antriebseinflüsse des leistungsstarken Verbrennungsmotors in der Lenkung zu spüren. Den Allradantrieb stellt Volvo nur über die Steuerung des Verbrennungsmotors und der elektrischen Hinterachse dar.
Realverbräuche weichen deutlich ab
Bei den bekanntermaßen abweichenden Realverbräuchen und rein elektrischen Reichweiten von Plug-in-Hybriden erlebten wir ein geteiltes Bild beim XC90. Wir wählten den "Pure"-Modus, der den elektrischen Betrieb priorisiert und nur bei höheren Leistungsanforderungen den Verbrennungsmotor zuschaltet, um die maximale elektrische Reichweite zu ermitteln. Mit dem auf ein Minimum reduzierten Einsatz von elektrischen Zusatzverbrauchern und sehr defensiver Fahrweise gelangen 37 km – Volvo gibt "bis zu 40 km" an. Das entspricht einer Abweichung von 7,5 Prozent und ist vergleichsweise akzeptabel. Wer nach längeren elektrisch gefahrenen Abschnitten auf die Autobahn abbiegt, sollte sich im Klaren darüber sein, dass der Ottomotor hier einen Kaltstart erfährt – und ihn durch dementsprechend defensive Fahrweise auf Betriebstemperatur bringen.
Der kombinierte Durchschnittsverbrauch von 2,5 l Benzin auf 100 km ist – dem geltenden Messzyklus geschuldet, realitätsfern. Mit extern voll aufgeladener Batterie konnten wir im Hybrid-Modus 42 km zurücklegen, bis diese leer war – dabei verbrauchte der Ottomotor auf 100 km hochgerechnet bereits 3,3 l Super 95. Nach weiteren 58 km und damit 100 km zurückgelegter Wegstrecke stieg der Benzinverbrauch auf 6,5 l Benzin. Die bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 97 km/h außerorts defensiv zurückgelegt wurde. Ohne extern nachzuladen erreichten wir nach 200 km einen Durchschnittsverbrauch von 7,9 l/100 km. Das sind in Anbetracht der Fahrzeugklasse und des hohen Gewichts zwar respektable Werte – aber weit vom Messzyklus entfernt. Insgesamt hinterlässt der Praxistest des Volvo XC90 T8 Twin Engine damit einen ausgewogenen Eindruck, was seinen Antriebsstrang anbetrifft. Aber auch die Frage, ob sich Endkunden über den tatsächlichen Energiebedarf – sowohl in Form von extern geladener Elektrizität als auch Kraftstoff – durch den aktuell gültigen Messzyklus im Klaren sind. Doch die Antwort darauf muss der Gesetzgeber geben, nicht Volvo.