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2000 | Buch

Politische Kommunikation und Wählerverhalten

Ein internationaler Vergleich

verfasst von: Rüdiger Schmitt-Beck

Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Vorbemerkung
Zusammenfassung
Dieses Buch ist die gekürzte Fassung meiner im November 1999 von der Fakultät für Sozialwissenschaften der Universität Mannheim angenommenen Habilitationsschrift. Wie die meisten größeren wissenschaftlichen Arbeiten wäre auch diese nicht ohne die Unterstützung anderer Menschen zustandegekommen. Unsere sozialen Netzwerke üben ja nicht nur, wie auf den folgenden Seiten gezeigt, politische Einflüsse auf uns aus. Sie stellen auch Ressourcenquellen dar, ohne die Situationen besonderer Herausforderung schwieriger zu bewältigen sind. Das begründet Dankesschulden.
Rüdiger Schmitt-Beck
1. Einleitung
Zusammenfassung
Allgemeine, gleiche und freie Wahlen auf der Basis des offenen, über Argumente ausgetragenen pluralistischen Wettbewerbs gehören zu den konstitutiven Merkmalen der repräsentativen Demokratie. Sie sind das wichtigste Medium, durch das Führungsämter besetzt und die politischen Eliten legitimiert werden, und sollen gewährleisten, daß die politische Willensbildung an die Interessen und Prioritäten der Bürger rückgebunden bleibt. In der Gestalt des Instruments periodisch abgehaltener Wahlen ist die Bedingung der Möglichkeit einer regelmäßigen Selbstkorrektur des politischen Entscheidungsprozesses institutionalisiert, die nach Maßgabe der Präferenzen der Bürger erfolgt. Dieses Korrektiv kann freilich nur funktionieren, wenn es auch einen Bezug zum politischen Geschehen hat.
Rüdiger Schmitt-Beck
2. Ein altes neues Thema: Informationen und Wählerverhalten in westlichen Demokratien
Zusammenfassung
“Mass Political Behavior: Is There More to Learn?” — So lautet der provokante Titel einer jüngeren Bilanz des Forschungsstandes der Wahlsoziologie (Dunleavy 1990). In der Tat wird man schwerlich bestreiten können, daß dieser Zweig der Politikwissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten einen hohen Kenntnisstand erreicht hat. Er verfügt über einen etablierten Theorienkanon und der Stand der Methodenentwicklung ist hoch. Der Fundus an qualitativ hochwertiger, kumulativer Forschung ist kaum überschaubar; neuere Übersichtsarbeiten legen hiervon Zeugnis ab (Dennis 1991; Dalton/Wattenberg 1993; Bürklin/Klein 1998; Roth 1998). Gleichwohl sind aber durchaus noch Fragen offen, die der intensiveren Bearbeitung harren. Dabei geht es weniger darum, die Erklärungskraft wahlsoziologischer Modelle noch um weitere entscheidende Grade zu verbessern; hierfür gibt es wohl kaum noch Spielräume. Aber über die individuellen Entscheidungsprozesse, welche zur Entstehung von Wahlentscheidungen fuhren, und über die Art und Weise, wie diese mit den Charakteristika der politischen und sozialen Umwelten interagieren, in welche die einzelnen Wähler eingebettet sind, ist noch relativ wenig bekannt (Lau 1986: 121; Rivers 1988: 737). Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang nicht zuletzt auch die Frage, inwieweit die Entscheidungen verschiedener Wählergruppen auf dieselbe oder aber auf systematisch unterschiedliche Weise zustande kommen (Rivers 1988).
Rüdiger Schmitt-Beck
3. Reden, Lesen, Zuschauen: Interpersonale Kommunikation und Massenkommunikation als Quellen politischer Informationen
Zusammenfassung
Man kann sicherlich nicht behaupten, daß die Bedeutung der interpersonalen Kommunikation und der Massenkommunikation für das Wählerverhalten von der politikwissenschaftlichen Forschung bislang völlig ignoriert worden wäre. Mehrere, vorwiegend jüngere Untersuchungen setzten sich bereits mit der Bedeutung interpersonaler Interaktionsnetzwerke für die politischen Orientierungen der Wähler auseinander (vgl. Abschnitt 8.1). Und die politische Kommunikationsforschung hat eine reichhaltige Literatur über die Bedeutung von Massenmedien bei Wahlen vorgelegt (vgl. Abschnitt 9.1). Fast vollkommen vernachlässigt wurde in den vergangenen Jahrzehnten jedoch die simultane Analyse von interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation. “Media and interpersonal effects tend to be separate research agendas in political science.” (Lenart 1994; 4) Aber auch für andere Sozialwissenschaften ist dieselbe Desintegration der analytischen Auseinandersetzung mit diesen beiden Informationsquellen kennzeichnend (Reardon/Rogers 1988). Die Folge ist nicht nur ein eklatanter Mangel an empirischen Befunden, welche einen Vergleich der beiden Kommunikationsformen erlauben, sondern auch — und dieses Forschungsdefizit mitbegründend — theoretische Fragmentierung. “Communication theory lacks integration. Today there is one set of theories for interpersonal communication, and a different set of theories for mass media communication.”
Rüdiger Schmitt-Beck
4. Datenbasis und Analysestrategie
Zusammenfassung
Die Analysen, die in den nachfolgenden Kapiteln vorgestellt werden, stützen sich auf Daten, die von nationalen Teilprojekten eines internationalen Projektverbundes erhoben wurden (Datenbeschreibungen siehe Anhang 1). Im Rahmen des “Comparative National Elections Project (CNEP)” wurden in den frühen 90er Jahren anläßlich nationaler Hauptwahlen repräsentative Stichproben von Wählern aus mehreren westlichen Demokratien nach ihren politischen Kommunikationsgewohnheiten und nach ihrem politischen Verhalten befragt. Vier dieser Länder — die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Spanien und die USA1 — wurden für die vorliegende Studie ausgewählt. Die Erhebungen wurden durchgeführt anläßlich der Bundestagswahl 1990, der britischen Unterhauswahl 1992, der Wahl zu den spanischen Cortes im Jahr 1993 und der amerikanischen Präsidentschaftswahl 1992. Aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen der west- und der ostdeutschen Wähler war es notwendig, in den neuen und den alten Bundesländern getrennte Stichproben zu befragen. Im folgenden wird also eine vergleichende Analyse von Wählern aus fünf Gesellschaften in vier Ländern präsentiert.
Rüdiger Schmitt-Beck
5. Politische Prädispositionen und Wählerverhalten
Zusammenfassung
Auf lange Sicht betrachtet zeichnen sich die Ergebnisse nationaler Hauptwahlen in westlichen Demokratien durch eine beachtliche Stabilität aus (Bartolini/Mair 1990). Diese Persistenz des Wählerverhaltens ist darauf zurückzuführen, daß die Entscheidungen der Wähler stark durch langfristig wirksame Determinanten geprägt werden, die sich bei jeder Wahl in ähnlicher Weise auswirken. Lebensgeschichtlich früh erworbene und stabil verinnerlichte Grundloyalitäten sorgen als individuelle politische Prädispositionen dafür, daß die meisten Wähler immer wieder in derselben Weise abstimmen. Wie ein Anker halten sie die einzelnen Wähler fest und begrenzen so als Trägheitsmoment die Fluktuationen der Wahlergebnisse im Aggregat (Converse 1966).
Rüdiger Schmitt-Beck
6. Gesellschaftliche Reichweite und Rezeptionsmuster von interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation
Zusammenfassung
Sollte sich bei den späteren Analysen ein politischer Informationskanal als einflußreich erweisen, so ist es wichtig zu wissen, wieviele, aber auch welche Bürger über diesen Kanal erreicht wurden. Denn nur Wähler, welche die Überzeugungsbotschaften einer bestimmten Quelle rezipieren, können auch von diesen überzeugt werden. Aus der doppelten Grundlage sowohl der Einflußstärke als auch der gesellschaftlichen Reichweite und Rezeptionsintensität kann durch Aggregation der Umfang abgeschätzt werden, in dem Informationsquellen den Ausgang von Wahlen mitbestimmen. Daher sind folgende Fragen von Interesse: Wieviele Wähler wurden in jeder der untersuchten Gesellschaften über die interpersonale Kommunikation und über die Massenkommunikation von politischen Informationen erreicht? Wie intensiv war die Rezeption politischer Informationen über jeden dieser beiden Kanäle? Welchen Stellenwert hatten die unterschiedlichen Arten von Rollenbeziehungen und die verschiedenen Arten von Massenmedien für die Vermittlung politischer Informationen? Welche Merkmale von Wählern gingen mit einer höheren und welche gingen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit einher, über jeden dieser unterschiedlichen Kanäle politische Informationen zu empfangen? In diesem Zusammenhang von besonderem Interesse: Welche Bedeutung hatte die politische Involvierung der Wähler im Hinblick auf die Rezeption politischer Informationen? Und schließlich: Wie waren die verschiedenen Informationskanäle hinsichtlich ihrer Rezeptionsintensität miteinander verknüpft? Das folgende Kapitel soll diese Fragen beantworten.
Rüdiger Schmitt-Beck
7. Rezeption von Informationen unterschiedlicher politischer Richtungen
Zusammenfassung
Folgt man bei der Untersuchung politischer Einflüsse der interpersonalen Kommunikation und der Massenkommunikation den Überlegungen des RAS-Modells, so erscheint es angezeigt, Informationsquellen, deren Überzeugungsbotschaften verschiedene politische Richtungen begünstigen, analytisch möglichst weitgehend voneinander zu trennen. Dem RAS-Modell zufolge werden politische Einflüsse von Informationsquellen nämlich nur oder zumindest besser erkennbar, wenn Informationsflüsse isoliert werden, die mehr oder weniger ausgeprägt eine der Seiten im politischen Wettbewerb bevorzugen (siehe Abschnitt 4.2). Sowohl im Hinblick auf die Teilhabe von Wählern an politischen Diskussionen mit den Mitgliedern ihrer Primärumwelten als auch hinsichtlich ihrer Rezeption von Medienbotschaften wurde diesem Gesichtspunkt in vielen früheren Untersuchungen zu wenig Rechnung getragen. Wird diese Maxime nicht befolgt, so werden die empirisch gefundenen Zusammenhänge mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht sehr eindrucksvoll ausfallen, selbst wenn sich dahinter Einflüsse in substantiellen Größenordnungen verbergen. Diese bleiben dem analytischen Blick jedoch verborgen, weil sie in gegensätzliche Richtungen wirken und sich per saldo wechselseitig aufheben. In der vorliegenden Studie soll deswegen, soweit dies möglich ist, zwischen Quellen unterschiedlicher politischer Ausrichtung unterschieden werden.
Rüdiger Schmitt-Beck
8. Interpersonale Kommunikation und Wahlentscheidungen
Zusammenfassung
In diesem Kapitel wird analysiert, welche Einflüsse die interpersonale Kommunikation in den fünf für die Untersuchung ausgewählten Gesellschaften auf die Entscheidungen der Wähler ausübte. Nach einer Bilanz des Forschungsstandes wird untersucht, ob politische Gespräche dazu beitrugen, daß Wähler für oder gegen bestimmte Parteien bzw. Kandidaten stimmten. Weitere Fragestellungen beziehen sich auf die Speziflka dieser Einflußprozesse: Welche Unterschiede bestanden zwischen den verschiedenen untersuchten Gesellschaften im Hinblick auf die Bedeutung der interpersonalen Kommunikation für das Wählerverhalten? Waren bestimmte Arten persönlicher Beziehungen wirksamer als andere? Inwieweit moderierten politische Prädispositionen, die politische Involvierung sowie die Glaubwürdigkeit, die Diskussionspartnern zugeschrieben wurde, die von diesen ausgehenden Effekte? Gab es diesbezüglich interkulturelle Unterschiede? Auf diese Befunde aufbauend wird dann bestimmt, wie groß die Einflüsse der interpersonalen Kommunikation waren. Abschließend wird der Frage nachgegangen, welche Konsequenzen die interpersonalen Einflußprozesse für das Abschneiden der Parteien und Kandidaten bei den untersuchten Wahlen hatten.
Rüdiger Schmitt-Beck
9. Massenkommunikation und Wahlentscheidungen
Zusammenfassung
Das letzte Kapitel hat gezeigt, daß die interpersonale Kommunikation eine wichtige Quelle von Informationen darstellt, die in die Entscheidungen der Wähler einfließen. In diesem Kapitel wird in analoger Weise der Frage nachgegangen, ob auch die Massenkommunikation imstande ist, das Wählerverhalten zu beeinflussen. Wiederum wird den Analysen eine Forschungsbilanz vorangestellt. Sodann wird erkundet, wie sich die fünf untersuchten Gesellschaften im Hinblick auf die Bedeutung der Massenkommunikation unterschieden, ob Medieneffekte insbesondere von bestimmten Medienangeboten ausgingen und inwieweit politische Prädispositionen sowie die politische Involvierung der Wähler diese Effekte moderierten. Den Abschluß bilden Schätzungen der Einflußstärken der verschiedenen Medien sowie Hochrechnungen der Auswirkungen dieser Einflüsse auf die von den Parteien und Kandidaten erzielten Wahlergebnisse.
Rüdiger Schmitt-Beck
10. Zum Verhältnis von interpersonaler Kommunikation und Massenkommunikation
Zusammenfassung
Die beiden vorangegangenen Kapitel haben gezeigt, daß sowohl die interpersonale Kommunikation als auch die Massenkommunikation imstande sind, die Entscheidungen der Wähler zu beeinflussen. Jedoch wurde bislang jede dieser Formen der politischen Informationsvermittlung für sich gewürdigt, ohne mögliche Bezüge zum jeweils anderen Informationskanal zu beachten. Im folgenden Kapitel geht es nun darum, diese Analysen fortzuführen, indem — an die klassischen Betrachtungen von Katz/Lazarsfeld (1955) anknüpfend — beide Informationsquellen gemeinsam unter die Lupe genommen werden. Gerade die simultane Analyse beider Kommunikationsformen stellt — wie in Abschnitt 3.1 erläutert — ein stark vernachlässigtes Forschungsfeld dar. Die nachfolgend präsentierten Analysen gehen im wesentlichen aus von den Modellen, die in den Abschnitten 8.2 und 9.2 entwickelt wurden, und kombinieren bzw. modifizieren diese vor dem Hintergrund unterschiedlicher Fragestellungen.
Rüdiger Schmitt-Beck
11. Fazit: Converse, Lazarsfeld und das Verhalten der Wähler in fünf Gesellschaften
Zusammenfassung
Diese Untersuchung griff ein Thema auf, das von der Politikwissenschaft lange vernachlässigt worden war und erst in jüngerer Zeit wieder zum Gegenstand verstärkter Forschungsbemühungen avancierte: die Bedeutung der politischen Informationen, welche durch die Kommunikationsadern der Gesellschaften westlicher Demokratien verbreitet werden, für die Wahlentscheidungen der Mitglieder dieser Gesellschaften. Hinter dieser Schwerpunktsetzung stand die Überlegung, daß der Wandel politischer Präferenzen in Reaktion auf aktuelles politisches Geschehen voraussetzt, daß die Wähler in der einen oder anderen Form darüber informiert werden, was in der Politik vorgeht, und insbesondere auch, wie diese Vorgänge bewertet werden können. Würden die Wähler bei ihren Wahlentscheidungen keine neuen Informationen berücksichtigen, könnten sie immer nur anhand ihrer verinnerlichten Prädispositionen abstimmen. Unter solchen Voraussetzungen könnten Wahlen kaum ihre essentielle Funktion der Kontrolle der politischen Entscheidungsträger erfüllen, denn ihre Ergebnisse würden stets nur die tradierte soziopolitische Segmentierung der Gesellschaft reflektieren. Kurz- oder mittelfristiger politischer Wandel wäre dann nicht möglich. Die politischen Eliten bräuchten sich nicht darum zu sorgen, welche Resonanz ihr Entscheidungshandeln in der Wählerschaft findet. Die Anpassungsfähigkeit des politischen Systems an neue Bedürfnisse und Problemlagen würde empfindlich beeinträchtigt.
Rüdiger Schmitt-Beck
Backmatter
Metadaten
Titel
Politische Kommunikation und Wählerverhalten
verfasst von
Rüdiger Schmitt-Beck
Copyright-Jahr
2000
Verlag
VS Verlag für Sozialwissenschaften
Electronic ISBN
978-3-322-80381-8
Print ISBN
978-3-531-13526-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-322-80381-8