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28.11.2024 | Polymerwerkstoffe | Nachricht | Nachrichten

Fast 200 Jahre altes Problem bei Polymeren gelöst

verfasst von: Mathias Keiber

2:30 Min. Lesedauer

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Forschende trotzen den Regeln der Materialwissenschaft – mit Molekülen, die gespeicherte Länge freisetzen, um Steifigkeit und Dehnbarkeit voneinander zu entkoppeln.

Forschende der University of Virginia School of Engineering and Applied Science (UVA) haben ein Polymerdesign entwickelt, das das Lehrbuch der Polymertechnik neu zu schreiben scheint – indem es widerlegt, dass ein Polymer umso weniger dehnbar ist, je steifer es ist. Man habe sich einer grundlegenden Herausforderung gestellt, "die seit der Erfindung von vulkanisiertem Gummi im Jahr 1839 als unlösbar gegolten hatte", sagt Liheng Cai, Assistenzprofessor für Materialwissenschaft und Chemie an der UVA.

Damals entdeckte Charles Goodyear zufällig, dass durch das Erhitzen von Naturkautschuk mit Schwefel chemische Vernetzungen zwischen den strangförmigen Kautschukmolekülen entstehen. Dieser Vernetzungsprozess ermöglicht ein Polymernetzwerk, das den klebrigen Kautschuk, der in der Hitze schmilzt und fließt, in ein haltbares, elastisches Material verwandelt. Seitdem galt als ausgemacht, dass man auf eine gewisse Dehnbarkeit verzichten muss, wenn man ein Polymernetzwerkmaterial steif machen will.

Faltbare Flaschenbürsten-Polymernetzwerke

Nun hat Cais Team unter Leitung des Doktoranden Baiqiang Huang mit sogenannten "faltbaren Flaschenbürsten-Polymernetzwerken" das Gegenteil bewiesen. Anstelle von linearen Polymersträngen ähnelt die Struktur eben der einer Flaschenbürste – viele flexible Seitenketten, die von einem zentralen Rückgrat ausgehen. Die Arbeit erscheint auf dem Cover der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Science Advances.

"Unser Team erkannte, dass wir durch die Entwicklung faltbarer Flaschenbürsten-Polymere, die zusätzliche Länge in ihrer eigenen Struktur speichern können, Steifigkeit und Dehnbarkeit voneinander trennen können. Mit anderen Worten: Wir können Dehnbarkeit einbauen, ohne die Steifigkeit zu opfern", sagt Cai. "Unser Ansatz ist anders, weil er sich auf das molekulare Design der Netzwerkstränge und nicht auf die Querverbindungen konzentriert."

Rückgrat wie ein Akkordeon

Entscheidend sei, so Cai, dass das Rückgrat wie ein Akkordeon, das sich beim Dehnen entfalte, zusammenfallen und sich ausdehnen könne. Werde an dem Material gezogen, wickle sich die verborgene Länge im Inneren des Polymers ab, sodass es sich bis zu 40-mal stärker dehnen könne als Standardpolymere – ohne dabei an Festigkeit zu verlieren.

Die Seitenketten bestimmen die Steifigkeit, sodass Steifigkeit und Dehnbarkeit unabhängig voneinander gesteuert werden können. Es handle sich also um eine universelle Strategie für Polymernetzwerke, da die Komponenten, aus denen die faltbare Flaschenbürsten-Polymerstruktur bestehe, nicht auf bestimmte chemische Typen beschränkt sei, so Cai.

Vernetzte Polymere in fast allen Alltagsprodukten

Steifigkeit und Dehnbarkeit sind miteinander verbunden, da sie auf demselben Baustein basieren: den durch Querverbindungen verbundenen Polymersträngen. Traditionell besteht die Möglichkeit, ein Polymernetzwerk zu versteifen, darin, mehr Querverbindungen hinzuzufügen. Dadurch wird das Material zwar steifer, bricht aber umso leichter.

Vernetzte Polymere sind in fast allen Alltagsprodukten enthalten, von Autoreifen bis hin zu Haushaltsgeräten. Zunehmend werden sie auch in Biomaterialien und medizinischen Geräten eingesetzt. Einige Anwendungen, die Cais Team für ihr Material vorsieht, sind Prothesen und medizinische Implantate, verbesserte tragbare Elektronik und Muskeläquivalente für weiche Robotersysteme, die sich wiederholt beugen, biegen und dehnen.

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