Dynamische Rahmenbedingungen wie der demographische Wandel oder der Klimawandel erfordern eine Flexibilität, die bestehende Infrastruktursysteme nur schwerlich gewährleisten können. Die bisherige Annahme, dass zentrale Systeme bei mittleren bis hohen Siedlungsdichten technische und ökonomische Vorteile gegenüber dezentralen Systemen haben, muss vor dem Hintergrund der erforderlichen Anpassungsfähigkeit in Frage gestellt werden. Der vorliegende Beitrag stellt einen innovativen Ansatz integrierter Infrastrukturlösungen vor, der ursprünglich für schnell wachsende urbane Räume Asiens entwickelt wurde. Vor dem Hintergrund sich verändernder Rahmenbedingungen und dem bestehenden Investitionskostenrückstand in Deutschland wird die Übertragbarkeit dieses Ansatzes bzw. einzelner Komponenten davon kritisch überprüft. Handlungsoptionen für die Anpassung bestehender Infrastruktursysteme der Siedlungswasserwirtschaft in der Bundesrepublik werden abgeleitet und Anpassungsstrategien aufgezeigt.
Laut DIN 4045 umfasst Grauwasser alle Abwasserströme, die nicht mit Fäkalien versetzt sind. Da im Kontext semizentraler Anlagen im ersten Schritt eine Wasserwiederverwendung zunächst nur zur Toilettenspülung angedacht ist, wird der aufzubereitende Grauwasserstrom auf die am geringsten verschmutzten Ströme begrenzt, um die Aufbereitung zu Brauchwasser zu vereinfachen.
Grundsätzlich ermöglicht der Ansatz auch eine getrennte Behandlung von Bio- und Restabfällen, die eine Verwertung des Gärrückstandes beispielsweise zur landwirtschaftlichen Nutzung ermöglichen könnte. Aufgrund der anfallenden Abfallmengen in hoch verdichteten urbanen Räumen existieren lokal jedoch kaum Abnehmer für diese Produkte, so dass diese zur Verwertung über lange Strecken ins Umland transportiert werden müssten. Entsprechend entfällt im semizentralen Ansatz die Trennung von Bio- und Restabfällen, da – von Einzellösungen abgesehen – von einer Deponierung des Gärrückstandes auszugehen ist.
Die Reduzierung der Leitungslängen und -durchmesser geht im Rahmen des semizentralen Ansatzes mit einer doppelten Leitungsführung zur Wasserwiederverwendung einher. Eine Flexibilitätseinbuße sehen die Autorinnen hierin nicht, da die Wasserqualitäten jederzeit beeinflussbar und auch Teilsysteme unabhängig voneinander nutzbar sind.
In Lübeck erfolgte Ende der 1990er Jahre die Umstellung vom Misch- auf das Trennsystem in Form eines Ersatzes des Mischwasserkanals durch einen Schmutzwasser- und einen Regenwasserkanal. Die Stadt Karlsruhe stellte bereits in den 1960er und 1970er Jahren ganze Stadtteile von Misch- auf Trennsystem um, indem der alte Mischwasserkanal für das Schmutzwasser verwendet und ein neuer Regenwasserkanal verlegt wurde (Dörr/Haas 2009).
Potenziale flexibler integrierter semizentraler Infrastruktursysteme in der Siedlungswasserwirtschaft Neue Handlungsspielräume für die Infrastrukturentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland?