Die Elektrifizierung vor allem des Pkw-Verkehrs wird die Nachfrage nach modernen Batterien vervielfachen. Europäische Maschinen- und Anlagenbauer können beim Bau neuer Batteriezellfabriken profitieren.
Der GigaCoater von Dürr wurde für Batteriezellen-OEMs entwickelt und kombiniert größere Substratflächen mit schnelleren Beschichtungsgeschwindigkeiten.
Dürr AG
Die Elektromobilität und der Bedarf für große stationäre Batteriespeicher werden die Nachfrage nach modernen Akkus weiter nach oben treiben. Das verheißt grundsätzlich auch gute Zeiten für die Hersteller von Maschinen und Anlagen zur Fertigung von Batteriezellen und Batteriepacks. Gerade in Europa, wo bislang fast keine Zellfertigung existiert und die EU-Kommission bis 2030 einen Selbstversorgungsgrad von 90 % erreichen will. Doch der Markt ist komplex, die Chancen für europäische Unternehmen sind schwer einzuschätzen.
Der Markt für moderne Batterien wird vor allem von der Elektrifizierung der Pkw-Motoren angetrieben: 2024 wurden weltweit Akkus mit einer Kapazität von 894 GWh in neuen Elektrofahrzeugen verbaut – 27,2 % mehr als im Vorjahr, wie die koreanischen Marktforscher von SNE Research ermittelten. Und 7,5-mal so viel wie 2019. Für das Jahr 2030 erwarten die Berater von Roland Berger, dass in Pkw und leichten Nutzfahrzeugen (3.492 GWh) sowie schwereren Nutzfahrzeugen (396 GWh) Batterien mit fast 3.900 GWh auf die Straßen kommen. Dazu kommen vor allem noch große stationäre Akkuspeicher (852 GWh), sodass sich der Bedarf insgesamt auf rund 5.100 GWh summieren soll, verteilt auf unterschiedliche chemische Zusammensetzungen vor allem der Kathoden. VDMA und Porsche Consulting sprechen in einer gemeinsamen Studie für 2030 von einem Batteriemarktvolumen von rund 550 Mrd. Euro pro Jahr.
Diese Batterien müssen natürlich produziert werden, was ein erhebliches Umsatzpotenzial für Fabrikausrüster bringt. "Für deutsche und europäische Maschinen- und Anlagenbauer bietet sich eine historische Wachstumschance", betonen die Autoren der Studie von VDMA und Porsche Consulting. "Das Marktvolumen bis 2030 beträgt für Maschinen- und Anlagenbauer allein im Batteriebereich 300 Milliarden Euro." Zurückhaltender rechnen die Marktforscher von Interact Analysis. Die Briten erwarten für die acht Jahre von 2022 bis 2029 ein kumuliertes Volumen von rund 190 Mrd. US-Dollar. Im Jahr 2029 soll der Markt etwa 30 Mrd. US-Dollar umfassen.
Kontinuierliches Wachstum: Der weltweite Markt für Maschinen und Anlagen zur Batteriezellproduktion soll bis 20209ein Volumen von rund 30 Mrd. Euro pro Jahr erreichen.
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Noch ist der Markt komplett in asiatischer Hand
Derzeit ist allerdings praktisch der komplette Markt in asiatischer, vor allem chinesischer Hand, so VDMA und Porsche Consulting: "Chinesische Maschinenbauer setzen aktuell als Komplettanbieter den Standard. Lediglich 8 % der High-Tech-Ausstattung solcher Fabriken kommt aus Europa." Damit seien es auch asiatische Unternehmen, welche die Industriestandards bestimmen.
Diese Ausgangslage sehen VDMA und Porsche Consulting nicht nur als schlechte Nachricht, sondern auch als Ansporn für europäische Maschinen- und Anlagenbauer. Technologisch sei die europäische Industrie auf Augenhöhe, es fehlten aber Komplettanbieter, während chinesische Unternehmen bereits Turnkey-Lösungen anböten. Selbst wenn europäische Unternehmen nur ihren achtprozentigen Marktanteil halten wollten, entspräche das einem jährlichen Wachstum von 33 % (=Marktwachstum). Auch hier sind die Experten von Interact Analysis konservativer in ihren Prognosen: Sie gehen bis 2029 von einem jährlichen Wachstum im Ausrüstungsmarkt für Batteriezellfabriken von 7 % aus.
Schneller werden, kooperieren und Komplettlösungen anbieten
Der Appell der Studienautoren von VDMA und Porsche Consulting: schneller werden und kooperieren. In der Untersuchung, der den Titel "Battery Manufacturing 2030: Collaborating at Warp Speed" trägt, fordern sie, dass europäische Maschinenbauer sich zusammentun, um gemeinsam ebenfalls als Anbieter von Komplettlösungen auftreten zu können. Ansätze dafür existieren. So haben etwa Dürr, Grob und Manz 2022 eine Kooperation begonnen, die genau das zum Ziel hat: Produktionstechnik für Batteriezellfabriken aus einer Hand anzubieten. Zwar ist Manz im Februar ins Insolvenzverfahren gegangen. Aber Dürr und Grob machen weiter und wollen die von Manz hinterlassene Lücke durch eigene Lösungen weitgehend schließen. Erste gemeinsame Projekte seien bereits in der Umsetzung, heißt es.
Potenzial hat der Markt für Technologie zur Batteriezellfertigung auf jeden Fall. Allerdings sollten Anbieter auch die Unwägbarkeiten im Blick behalten. So ist seit rund einem Jahr extrem deutlich geworden, dass der Hochlauf der Elektromobilität auch ins Stocken geraten kann. In der Folge wurden viele Absichtserklärungen zum Bau neuer Batteriezellfabriken zurückgezogen.
Das zeigen auch Zahlen des PEM-Instituts der RWTH Aachen. Im Juni 2023 zählten die Forscher für Europa noch geplante Batteriefabriken mit einer Produktionskapazität von 2014 GWh pro Jahr. Im Dezember 2023 waren es nur noch 1.897 GWh. Und bis Dezember 2024 waren die Planungen auf nur noch 1.424 GWh zusammengestrichen worden. Den stärksten Rückgang registrierten die Experten für Deutschland, wo die Planungen der Investoren von Juni 2023 bis Dezember 2024 von 544,5 auf 127 GWh zurückgefahren wurden.
Dabei gehen westliche Batteriezell-Newcomer in einer sehr schwierigen Ausgangssituation an den Start. Denn asiatische und vor allem chinesische Hersteller haben nicht nur längere Erfahrung mit der Technologie, sie sitzen auch auf großen Überkapazitäten und werfen Zellen zu Niedrigpreisen auf den Markt.
Newcomer fordern Finanzierungszahlungen
Bei der Zellherstellung erleben Neulinge das, was einst Tesla-Chef Elon Musk bezogen auf Probleme in seiner anlaufenden Autofertigung als "Produktionshölle" bezeichnete. Yann Vincent hat dafür gerade den Begriff "Tal des Todes" geprägt. Davon berichtete der CEO des Batterieherstellers ACC (Automotive Cells Company) in einem Brandbrief, den er kürzlich auf Linkedin veröffentlichte. Das Joint Venture des Batterieunternehmens Saft (TotalEnergies) und der Automobilkonzerne Stellantis und Mercedes-Benz lerne beim Ramp-up der eigenen Gigafactory gerade, dass "Elektrochemie ein industrieller Prozess ist, der schwierig zu kontrollieren und sehr teuer" sei. Man erlebe, "dass die produzierten Mengen nicht so hoch sind, wie geplant und das CapEx [Capital Expenditure] und OpEx [Operational Expenditure] höher als erwartet" seien.
Genau diese Qualitätsprobleme sehen Beobachter als wichtige Ursache für das Scheitern des europäischen Batteriehoffnungsträgers Northvolt. Der war im März in Schweden ins Insolvenzverfahren gegangen – was wiederum Vincent zu seinem Beitrag motiviert hatte. Auf Linkedin betonte er: "Ja, mittelfristig können wir wettbewerbsfähig werden." Wegen der Probleme brauche man aber kurzfristig "ein Unterstützungssystem mit Finanzierungszahlungen für Hersteller in der Anlaufphase der Produktion."
Kapazitäten nicht einmal zur Hälfte ausgelastet
In einer solchen Situation sind Konkurrenten, die aufgrund von Überkapazitäten einen Preiskampf vom Zaun gebrochen haben, besonders bedrohlich. "Getrieben durch hohe Fördersummen haben die Hersteller in den vergangenen Jahren ihre Kapazitäten so stark erweitert, dass die weltweite Nachfrage 2023 zu 268 % gedeckt war und die Werke der Batteriehersteller theoretisch nur zu 37 % ausgelastet waren", rechnen die Berater von Berylls vor. Es sei damit zu rechnen, "dass erst 2040 der Bedarf so zu den Kapazitäten aufgeschlossen hat, dass die Hersteller ihre Zielauslastung von 80 % zumindest annähernd erreichen". Die Marktforscher von Interact Analysis haben für Lithium-Ionen-Batterien im Jahr 2024 eine Zielauslastung von rund 46 % berechnet. Einem Absatz von 1.353 GWh (+ 23 %) hätten Kapazitäten von 2.967 GWh (+ 27,6 %) gegenübergestanden.
Allerdings sind die Überkapazitäten zunächst einmal ein regionales, vor allem chinesisches Phänomen. "Wir erwarten keine Überkapazität außerhalb von China", sagt Wolfgang Bernhart, Partner bei Roland Berger und einer der Autoren des jüngsten "Battery Monitor" von Roland Berger und des Lehrstuhls Production Engineering of E-Mobility Components (PEM) der RWTH Aachen. Da China derzeit deutlich mehr Batterien produziere, als der eigene Markt nachfrage, würden die Überschüsse exportiert. "Das führt weltweit zu fallenden Preisen, die allerdings nicht auf Dauer so niedrig bleiben können, denn schon jetzt arbeiten manche der Zulieferer und Produzenten in China nicht mehr kostendeckend", sagt Bernhart. Dennoch setze der Preisverfall vor allem europäische Hersteller unter Druck.
Wettbewerbsvorteil durch Verkleinerung des CO₂-Fußabdrucks
Von vornherein auf verlorenem Posten stehen Batteriehersteller in Europa dadurch aber noch nicht. Denn die Fertigung der Akkus bürdet den E-Autos, die ja Klimagase möglichst vermeiden sollen, einen sehr großen CO₂-Rucksack auf. Die Berater von McKinsey schätzen, dass bei der Produktion eines batterieelektrischen Fahrzeugs (BEV) über die gesamte Lieferkette betrachtet etwa doppelt so viel CO₂ entsteht wie bei der Herstellung eines Autos mit Verbrennungsmotor. Und dieses Plus gehe praktisch komplett auf das Konto der Lithium-Ionen-Akkus. Sie stehen laut McKinsey-Schätzung für 40 bis 60 % der gesamten Treibhausgasemissionen der BEV-Produktion.
Und diesen großen CO₂-Block wollen europäische Hersteller massiv verkleinern. Die Nichtregierungsorganisation T&E (Transport & Environment) hat berechnet, dass der Vorteil von Europa im Vergleich zu Zellen aus China bei 37 % liege. Setze man nur Strom aus regenerativen Quellen ein, steige er auf über 60 %. Der Studie "Battery Monitor" zufolge wollen die europäischen Hersteller die Emissionen bei der Herstellung von Batteriezellen auf 30 bis 40 kg CO₂ pro Kilowattstunde senken; das entspreche etwa einem Drittel bis zur Hälfte des aktuellen CO₂-Fußabdrucks von Batteriezellen. Ein Teil dieser Einsparungen müsse zwar bei der Rohstoffbeschaffung erzielt werden. Aber der Erfolg hänge auch von den Maschinen- und Anlagenbauern ab: Auch "Innovationen wie Trockenbeschichtung oder Lasertrocknung, die den Energiebedarf wichtiger Produktionsprozesse senken", seien für die Senkung der Klimagasemissionen wichtig, so die Studienautoren. So haben auch Dürr und Grob sich auf die Fahnen geschrieben, "den Energieverbrauch bei der Zellfertigung zu minimieren".
"Auch wenn derzeit eher die Kostenreduktion Priorität hat, könnte ein kleinerer Klima-Fußabdruck der Batterien zum Wettbewerbsvorteil der Europäer werden", sagt Professor Achim Kampker, Leiter des RWTH-Lehrstuhls PEM. "Zumal es unwahrscheinlich ist, dass europäische und auch nordamerikanische Unternehmen bei gleichen Produkten und Technologien den chinesischen Vorsprung bei Kostenstrukturen und Rohstoffzugang jemals einholen können."
Neue Zellchemien erfordern oft auch neue Fertigungstechnologie
Und auch die Überkapazitäten sind zumindest aus Sicht der Lieferanten von Maschinen und Anlagen für Batteriezellfabriken nicht so bedrohlich, wie man auf den ersten Blick vermuten könnte. Denn durch den Druck, die Batterien immer leistungsfähiger und billiger zu machen, werden zügig immer neue Zellchemien entwickelt.
Viele der Neuentwicklungen erfordern auch neue Produktionstechnologie. Das Capgemini Research Institute kam kürzlich bei der Befragung von Experten aus der Industrie zu der Erkenntnis: "Für die Fertigung der zukünftigen Zellgeneration müssen 76 % der Batteriehersteller ihre Produktionsanlagen modernisieren oder neue bauen."
Das unterstreichen auch die Experten von Interact Analysis. "Mit der allmählichen Kommerzialisierung neuer Batterietechnologien wie Festkörperbatterien und Natrium-Ionen-Batterien unterscheiden sich die Produktionsprozesse und Ausrüstungsanforderungen von denen herkömmlicher Lithium-Ionen-Batterien". Das schaffe den Anbietern von Anlagen für die Batteriezellfertigung neue Geschäftsmöglichkeiten.
Zudem wird mit der zunehmenden Elektrifizierung von Wirtschaft und Gesellschaft ein weiterer neuer Markt entstehen: Anlagen für das Batterierecycling, in denen die wertvollen Rohstoffe aus den Akkus zurückgewonnen werden.