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22.11.2022 | Produktion + Produktionstechnik | Infografik | Online-Artikel

In kleinen Schritten zur klimaneutralen Produktion

verfasst von: Thomas Siebel

4:30 Min. Lesedauer

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Wie können produzierende Betriebe einfach und wirkungsvoll Emissionen einsparen? Eine aktuelle Studie bewertet die möglichen Maßnahmen und identifiziert die Low Hanging Fruits für die Zero-Emission-Fabrik.

Etwa 80 % der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz haben Umweltziele in ihrem Unternehmen festgelegt, zwei Drittel davon wollen spätestens bis zum Jahr 2030 die eigenen Klimaziele erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt das Unternehmen Ingenics und das Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in einer kürzlich veröffentlichten Studie. Das Bewusstsein über die Verantwortung zu umweltfreundlicherem Handeln ist in weiten Teilen des produzierenden Gewerbes angekommen, ist Alexander Sauer, Leiter des Fraunhofer IPA, überzeugt. Es sei beruhigend zu sehen, "dass einige Unternehmen proaktiv tätig werden und den regulatorischen Anforderungen vorwegeilen".

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Energieeffizienz-Benchmark

In seiner einfachsten Form ist ein „Benchmark“ ein Referenzpunkt. Er dient als Vergleichsmaßstab. In Unternehmen ist „Benchmarking“ ein Verfahren, um Ergebnisse, Arbeitsmethoden oder Prozesse imVerhältnis zur bestmöglichen Praxis zu bewerten.

Motiviert werden die Firmen neben dem ökologischen Nutzen vor allem durch die Aussicht auf eine höhere Wettbewerbsfähigkeit im Zusammenhang mit einer nachhaltigeren Produktion – und durch die Einsicht, dass weitere regulatorische Vorgaben ohnehin kommen werden, insbesondere hinsichtlich der Kreislaufwirtschaft und der Minimierung des Wasserbedarfs.

Signifikanter Informationsbedarf in den Betrieben

Der Befund einer proaktiven Industrie kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass ein großer Teil der Unternehmen noch einen langen Weg bis hin zur emissionsfreien Produktion zu gehen hat. Die Studie offenbart nämlich auch, dass fast ein Drittel der Unternehmen ihre Ziele heute noch nicht einmal zu 20 % erreichen. Vor allem kleinen und mittleren Unternehmen fehlt eine zielgerichtete Strategie. Drei Viertel der Unternehmen wünschen oder brauchen externe Unterstützung bei der Identifizierung von Maßnahmen für eine emissionsärmere Produktion.

Es besteht laut der Studie also ein signifikanter Informationsbedarf sowohl im Bereich technologischer Lösungen und ihrer Wirtschaftlichkeit als auch hinsichtlich des regulatorischen Rahmens. Diesem Informationsbedarf zu nachzukommen, ist laut der Studie Aufgabe von Wirtschaft, Forschung und Politik.

Low-Hanging-Fruits der Emissionseinsparung

Die Unternehmensberatung Ingenics und das Fraunhofer IPA haben im Rahmen ihrer Studie nun untersucht, inwiefern Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz heute schon die von ihnen emittierten Treibhausgase erfassen, bewerten und verringern. Grundlage der Studie ist neben einer Literaturrecherche eine Umfrage unter 186 Personen aus unterschiedlichen Branchen, insbesondere aus dem Automobilbau, der Elektrotechnik und Elektronik, dem Konsumgüterbereich, der Luftfahrt, dem Maschinen- und Anlagenbau und der Metallerzeugung und -bearbeitung. (Die Autoren weisen darauf hin, dass zum Teil mehrere Leute aus dem gleichen Unternehmen befragt wurden.)

Daraus haben die Autoren Maßnahmen abgeleitet, mit denen Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes ihre Emissionen wirkungsvoll senken können. Neben dem ökologischen Nutzen haben die Autorinnen und Autoren dabei bewertet, inwiefern sich Maßnahmen, die in einem Unternehmen erfolgreich umgesetzt wurden, auf ein beliebiges anderes Unternehmen übertragbar sind und wie hoch der finanzielle und organisatorische Aufwand für die Umsetzung einer Maßnahme ist.

Einkauf von Grünstrom und digitale Verwaltung wirken

Damit gibt die Studie auch einen Überblick über die sogenannten Low Hanging Fruits der nachhaltigeren Produktion. Er bietet insbesondere solchen Unternehmen Orientierung, die sich in einer frühen Phase des ökologischen Umbaus befinden und nach Möglichkeiten suchen, in kleinen Schritten und zu überschaubaren Kosten wirkungsvoll Emissionen einzusparen.

Im Bereich der Energie ist eine solche Maßnahme etwa der Einkauf von zertifiziertem Grünstrom und, mit Abstrichen wegen des etwas höheren Umsetzungsaufwands, die Einführung eines Energiemanagementsystems. Die Installation von Solaranlagen oder die Bereitstellung von erneuerbarer Fernwärme ist dagegen vergleichsweise aufwendig. Im Managementbereich wirkt etwa die Einführung digitaler Verwaltungssysteme, um Ressourcen bei Papier und Druck einzusparen, oder, je nach Umfang, die Unterstützung von lokalen oder globalen Kompensationsprojekten.

Pay-per-Use und Lean Production sparen Ressourcen

Viele Maßnahmen zur Materialeinsparung wie Design for Recycling oder Leichtbau sind aufgrund der unterschiedlichen Produkte und Produktionsverfahren nur schwer firmenübergreifend übertragbar. Eine Ausnahme bilden die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die die Kreislaufführung von Produkten begünstigen, beispielsweise Pay-per-Use. Sehr gut und mit geringem Aufwand übertragbar sind hingegen etliche Maßnahmen im Mobilitätsbereich, beispielsweise die Förderung von Mitarbeitenden zur Nutzung von Fahrrad oder öffentlichem Nahverkehr. Die wirkungsvollste ökologische Maßnahme ist jedoch schwer und mit Aufwand umzusetzen: der Umstieg von globalen auf lokale Lieferketten.

In der Fabrikstruktur lassen sich andernorts erfolgreiche Maßnahmen der Lean Production gut auf die eigene Herstellung übertragen, wenn auch der Aufwand für die Umsetzung nicht ganz gering ist. In einer bestehenden Fabriken ließe sich darüber beispielsweise eine auftragsbezogene Fließfertigung realisieren oder Materialflüsse entsprechen ökologischer Kriterien umgestalten. Die wirkungsvollste Maßnahme, die Sanierung der technischen Gebäudeausrüstung und -infrastruktur, ist hingegen mit vergleichsweise hohem finanziellen Aufwand verbunden.

To-dos für Industrie, Forschung und Politik

Abschließend formulieren die Autoren konkrete Aufgaben für Industrie, Forschung und Politik. Unternehmen sollten sich erreichbare und gleichzeitig ambitionierte Ziele definieren und diese gezielt in Umsetzungsprojekten erreichen. Die Klimaziele sollten dabei im strategischen Management verankert werden. Die Forschung solle technologische und organisatorische Grundlagen niederschwellig zur Verfügung stellen. Forschungsaktivitäten sollten dabei gezielt an den Bedarfen der Industrie ausgerichtet werden.

Die öffentliche Hand solle klare und verständliche Rahmenbedingungen schaffen. Dafür sollten unter anderem "Fördermaßnahmen zur Umsetzung zielführender Maßnahmen" etabliert werden und gezielt jene Branchen angesprochen werden, die bislang schwach bei der ökologischen Transformation abschneiden. Insgesamt solle die öffentliche Hand hinsichtlich der Wirksamkeit verschiedener Maßnahmen sensibilisieren.

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