Knapp ein Drittel der Frauen und ein Viertel der Männer informiert sich genauer über die Inhalte von Gütesiegeln.
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Ob Blauer Engel, RAL-Gütezeichen oder GOTS-Siegel – viele Produkte und Dienstleistungen sind heute mit Gütesiegeln versehen. Wer sie vergibt und wofür sie stehen, ist den Konsumenten nicht immer klar. Unternehmen werben jedoch gern mit solchen Qualitätslabels und kreieren auch immer wieder neue.
Wie Gütesiegel das Konsumentenverhalten tatsächlich beeinflussen, hat das Marktforschungsinstitut Dr. Grieger & Cie. untersucht. Es befragte im Winter vergangenen Jahres repräsentativ 1.222 Deutsche zu 37 häufig verwendeten Prüfzeichen. Im Fokus standen die Aspekte Bekanntheit, Verbrauchereinstellungen, Käuferreichweite, Zielgruppen, Imagetransfer zwischen Siegel und Produkt sowie Einfluss auf Kauf- und Preisbereitschaft.
Bekannte Siegel wirken besser
- Die bekanntesten Prüfzeichen sind das Stiftung Warentest-Siegel (96 Prozent), das Deutsche Bio-Siegel (90 Prozent) und das TÜV Süd-Siegel (89 Prozent).
- Siegel, die von Umweltorganisationen oder staatlichen Institutionen vergeben werden, genießen mehr Vertrauen als die von gewinnorientierten Firmen, wobei letztere (zum Beispiel Ökotest, TÜV Süd) häufig nicht als solche erkannt werden.
- Insbesondere bekannte Siegel wirken sich positiv auf die vermutete Warenqualität aus.
- Beim direkten Vergleich von Produkten mit und ohne Gütesiegel, zeigt sich eine im Schnitt um 4,2 Prozent höhere Kaufwahrscheinlichkeit für Produkte mit einem solchen Siegel.
- Die Bereitschaft, dafür auch mehr Geld zu bezahlen – durchschnittlich 2,3 Prozent –, steigt jedoch erst, wenn sich die Käufer näher mit den Prüfkriterien befasst haben.
Wissen erhöht die Kaufwahrscheinlichkeit
Ein weiteres Ergebnis belegt, dass Informationen sehr wichtig für den erfolgreichen Einsatz von Gütesiegeln sind: Studienteilnehmer, die sich eingehend mit einem konkreten Gütesiegel beschäftigt hatten, kauften im folgenden Monat signifikant häufiger Produkte mit dem entsprechenden Label. Dies betraf insbesondere Bio- und Fair-Trade-Produkte.
Gerade die Wirkung der auf Nachhaltigkeit bezogenen Gütesiegel beurteilen Sophie Hieke, Klaus G. Grunert und Josephine Wills dagegen eher skeptisch. In dem Forschungsaufsatz "Nachhaltige Gütesiegel und ihre Rolle im Verbraucherverhalten" kommen sie zu dem Schluss, "dass Europäische Verbraucher diese momentan (noch) nicht besonders stark in ihre Produktentscheidungen miteinbeziehen." Als mögliche Gründe nennen sie mangelndes Vertrauen in die Glaubwürdigkeit der Siegel, Unsicherheit über die Vergabe-Organisation oder auch mangelnde Erhältlichkeit von Produkten mit entsprechenden Gütesiegeln (Seite 92).
Vertrauen durch Transparenz
Angesichts des Gütesiegel-Dschungels und der Schwierigkeit der Verbraucher, zertifizierte von ungeprüften Qualitätslabels zu unterscheiden, weisen Rainer Friedel und Edmund A. Spindler auch auf die Verantwortung von Entwicklern und Anbietern von Zertifizierungsprogrammen hin.
Zu viele und schwache Zertifizierungssysteme setzten den Orientierungswert von Zertifikaten aufs Spiel, schreiben die Springer-Autoren in ihrem Plädoyer "Zertifizierung – ja. Aber effizienter und transparenter" auf Seite 554. Zudem gelte es, das Vertrauen aller Zertifikatsnutzer aufrechtzuerhalten. Dies gelinge nur, "wenn die Grundlagen des gesamten Zertifizierungsprozesses, von den definierten Anforderungen bis hin zu den Methoden der Überprüfung und Bewertung, für alle Stakeholder und Interessenten transparent sind" (Seite 558).