Die Betriebswirtschaftslehre als geisteswissenschaftliche Disziplin und als angewandte Wissenschaft ist, verglichen mit anderen Wissensgebieten, verhältnismässig jung.
Das betriebliche Rechnungswesen, auch noch heute “der grösste Teil der Arbeit in dem Schreibwerk des Betriebes”1), hat zugleich unternehmensinterne und unternehmensexterne Anforderungen abzudecken. Dies setzt die geordnete Aufschreibung aller betrieblichen Aufwands- und Ertragszahlen sowie der Kosten- und Erlösinformationen voraus. Um die “Ordnung” im Sinne einer systematischen Gliederung und Identifizierung aller Geschäftsvorfälle sicherstellen zu können, ist ein Ordnungssystem erforderlich, das als Kontenrahmen bezeichnet wird.
Der heute erreichte Stand der prozesskonformen Grenzplankostenrechnung, die zu schaffenden Voraussetzungen, die verfügbaren betriebswirtschaftlichen und softwaregestützten Verfahren, die erreichten Zielsetzungen und empfohlenen Nutzanwendungen werden in den folgenden Abschnitten in der “klassischen” Einteilung
Kostenarten- und Kostenstellenrechnung,
Kalkulation und Kostenträgerrechnung sowie
kurzfristige Ergebnisrechnung und Deckungsbeitragsrechnung
dargestellt. Diesen Teilbereichen der Kosten- und Leistungsrechnung liegen einige grundsätzliche Gesetzmässigkeiten, Methoden und Verfahren zugrunde, die den speziellen Ausführungen der Abschnitte B.2 bis B.5 vorangestellt werden sollen.
Als geisteswissenschaftliche Disziplin kennt die Betriebswirtschaftslehre, im Gegensatz etwa zu den naturwissenschaftlichen Fächern, im allgemeinen keine spektakulären “Quantensprünge” bezüglich neuer Erkenntnisse oder Methoden, sondern fast ausschliesslich, basierend auf bewährtem und erarbeitetem Gedankengut, evolutionäre Entwicklungen. Hinzu kommt, dass die Übernahme der Ergebnisse dieser schrittweisen Weiterentwicklung betriebswirtschaftlicher Methoden und Verfahren in die betriebliche Praxis keineswegs in allen Betrieben innerhalb eines relativ kurzen Anpassungszeitraums erfolgt, sondern, anders als beispielsweise bei der Nutzung neuer technischer Methoden (etwa der Einführung numerischer Steuerungen von Werkzeugmaschinen) und für den Betriebswirt eigentlich nicht ganz verständlich, oftmals über einen sehr langen Zeitraum verteilt.
Die Entwicklung der kommerziellen Informationsverarbeitung bzw. der Datenverarbeitung1) verlief in den letzten 30 Jahren ungewöhnlich stürmisch. Aus heutiger Sicht und unter Berücksichtigung der erkennbaren Entwicklungstendenzen, erscheinen daher die Möglichkeiten, die der Kostenrechnung zu Beginn der kommerziellen Informationsverarbeitung, d.h. vor etwa 30 Jahren zur Verfügung standen, aussergewöhnlich bescheiden.
Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit war es, den gegenwärtig erreichten Stand der Kosten-, Leistungs- und Ergebnisrechnung als eine umfassende betriebswirtschaftliche Plattform zu definieren, auf der alle heute erkennbaren Anwendungsentwicklungen aufbauen. Diese von Wissenschaft und Praxis anerkannte bzw. angewandte betriebswirtschaftliche Plattform ist die prozesskonforme Grenzplankostenrechnung. Sie ist aus umfangreichen und teilweise kontrovers geführten Theoriediskussionen der letzten Jahrzehnte hervorgegangen und entspricht dem heutigen praktischen Erkenntnisstand der Industrie- und Dienstleistungsbetriebe. Sie basiert auf dem Grundgedanken des prozesskonformen Rechnens und der isomorphen, zahlenmässigen Abbildung des geplanten bzw. im Ist erfassten Mengen- und Werteflusses der betrieblichen Prozessketten.