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2025 | Buch

Psychologie als Wissenschaft

Grundlagen, Probleme und Herausforderungen

verfasst von: Peter Michael Bak

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Buch widmet sich der Psychologie als Wissenschaft. Die Psychologie hat sich zwar längst als Wissenschaft etabliert, dennoch sind noch viele grundlegende Fragen in Bezug auf den Untersuchungsgegenstand und die wissenschaftliche Herangehensweise offen. Es geht um Fragen wie: Kann man die Psychologie wie eine Naturwissenschaft betreiben oder entzieht sich menschliches Verhalten und Erleben einer solchen Herangehensweise? Wie versucht die Psychologie ihre wissenschaftlichen Ziele zu erreichen? Was verstehen wir eigentlich unter Beschreiben, Erklären oder Vorhersagen in der Psychologie? Und was können wir unter psychologischen Theorien, Hypothesen und Prüfungen genau verstehen? Welche aktuellen Probleme behindern den wissenschaftlichen Fortschritt und was kann man dagegen unternehmen? Ohne auf solche Fragen eine Antwort geben zu können, kann man Psychologie als Wissenschaft nicht wirklich betreiben. Aber auch die psychologische Anwendungspraxis muss darauf Antworten finden, wenn es beispielsweise darum geht, Interventionen zu rechtfertigen und zu begründen. Das Buch gibt zu diesen Fragen einen Überblick, benennt Probleme und Schwierigkeiten der Wissenschaft Psychologie und gibt Anregungen, wie man die Psychologie wissenschaftlich weiterentwickeln kann.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
1. Einführung
Zusammenfassung
Der Schein trügt: Oft verbergen sich hinter den scheinbar offenkundigen Tatbeständen schwierige, manchmal kaum zu beantwortende Fragen. Das gilt auch für selbstverständliche Dinge, die wir tagtäglich benutzen und von denen wir uns meistens keine genaue Vorstellung machen. Wer weiß beispielsweise schon, wie eine Kaffeetasse hergestellt wird, aus welchem Material sie geformt wurde, welche physikalisch-chemischen Bausteine dafür nötig sind und welche unsichtbaren Kräfte dafür sorgen, dass der Kaffee im Becher bleibt und nicht auf dem Schreibtisch landet. Nicht jeder von uns besitzt die entsprechende Expertise und kennt sich z. B. mit den vier fundamentalen Wechselwirkungen der Physik aus. Oder denken wir an ein Auto: Wie hier aus unterschiedlichen Materialien gefertigte Bauteile zusammenspielen, damit wir von A nach B kommen, ist für die meisten von uns ein großes Rätsel. Um die Dinge verwenden zu können, müssen wir auch nicht viel davon wissen, nur verstehen, wie man sie benutzt und was wir im Fall des Falles zu tun haben, wenn ein Problem damit auftaucht. Wer aber den Dingen auf den Grund gehen möchte, vielleicht sogar etwas Neues entdecken möchte, der kann sich nicht mit der oberflächlichen Betrachtung begnügen, sondern wird versuchen, die Sachverhalte, Strukturen, Elemente und Prozesse zu verstehen und zu erklären, wird danach streben, zu erkennen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“, um Goethes Faust zu zitieren, der für diesen Erkenntnisdrang sprichwörtlich steht. Erst recht gilt das für alle, die Wissenschaft betreiben wollen und deren Anliegen es ist, auf diesem Weg zu mehr Wissen zu gelangen. Ein solches Wissen dient uns dann auch als Begründung für konkretes Handeln in Anwendungszusammenhängen. Wir sind in der Corona-Pandemie der Jahre 2020–2022 Zeuge davon geworden, wie z. T. weitreichender Entscheidungen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen begründet worden sind. Auch in der Psychologie wollen wir Wissen und menschliches Erleben und Verhalten erklären und davon ausgehend unser Handeln begründen und mit Fakten untermauern, etwa wenn es um bestimmte Interventionen in Beratung, Training, Therapie oder Personalauswahl geht. Und genau darum, um die Fragen, was (psychologisches) Wissen ist, welche Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen es in der wissenschaftlichen Psychologie gibt und mit welchen Problemen wir es auf dem Weg zu mehr Fachwissen zu tun haben, soll es in diesem Buch gehen.
Peter Michael Bak

Teil I

Frontmatter
2. Der Körper als Gegenstand der Psychologie
Zusammenfassung
Die Vernachlässigung des Körpers in der Psychologie ist überraschend, da die Beziehung zwischen Körper und Geist zumindest für unsere Alltagserfahrung eine Selbstverständlichkeit darstellt. Wir gehen joggen, bewegen also unseren Körper, wenn es uns danach ist oder wir uns aus Gründen einer besseren Fitness dazu verpflichtet fühlen, und wir gehen zum Bäcker, wenn wir Lust auf eine Puddingschnecke haben. Waren wir joggen, dann fühlt sich unser Körper und wir uns insgesamt gut, nach der kalorienreichen Puddingschnecke dagegen vielleicht schlecht, weil wir ein schlechtes Gewissen haben und wir uns satt fühlen. Mancher Gedanke liegt uns im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Magen, andere beflügeln uns. Unser Denken beeinflusst also unser Verhalten und unser Verhalten beeinflusst unser Denken, ganz zu schweigen von den berühmten „Schmetterlingen im Bauch“, wenn wir uns verlieben. Und auch der gesamte Bereich der Psychosomatik beschäftigt sich, der Name legt es bereits nahe, mit den Wechselwirkungen zwischen der Psyche und dem Körper (Soma). Selbstverständlich sind auch unsere Wünsche, Absichten und Ziele mit unseren Bewegungen und Handlungen assoziiert und bilden den Startschuss für komplexe Verhaltensabläufe. Es ist daher erstaunlich, dass der Körper so lange in der wissenschaftlichen Psychologie eine eher untergeordnete Rolle gespielt hat und es erst in den letzten Jahren zu einer Renaissance des Körperlichen gekommen ist. Mittlerweile gibt es für die Wechselwirkung zwischen Psychischem und Körperlichen zahlreiche experimentelle Belege. So führt z. B. das Aktivieren stereotyper Informationen zu stereotyp-konformen Verhaltensweisen. Umgekehrt folgen einem bestimmten Verhalten entsprechende mentale Zustände. Einige Beispiele: In einer Studie von Mussweiler (Mussweiler, 2006) schrieben die Versuchspersonen, die unauffällig veranlasst wurden, sich auf die für übergewichtige Menschen stereotype, korpulente Art und Weise zu bewegen, einer mehrdeutigen Zielperson anschließend beispielsweise mehr stereotyp-übergewichtige Merkmale zu als Personen aus einer Kontrollgruppe. Eine Erklärung dafür ist, dass das Verhalten entsprechende Wissensbestände im Gedächtnis salienter (zugänglicher) macht. In einem anderen Experiment reagierten Teilnehmer in einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe, wenn sie vorher dazu veranlasst wurden, sich langsam zu bewegen, schneller auf altersstereotypische Wörter als Teilnehmer einer Kontrollgruppe (Mussweiler, 2006). Und auch das Transaktionale Stressmodell (Lazarus & Folkman, 1984) geht von Wechselwirkungen zwischen psychischen und physischen Prozessen aus. Stress, der sich körperlich bemerkbar machen kann, hängt danach von unseren kognitiven (mentalen) Bewertungen ab. Neuere Erkenntnisse zur Epigenetik legen darüber hinaus nahe, dass sich psychische Faktoren wie Stress sogar dauerhaft auf die Wirkung bestimmter Gene auswirken können ( Binder, 2019). Und unter den Stichworten „Grounded Cognition“ oder „Embodiment“ lassen sich Studien und Theorien zusammenfassen, die dem Körper bei kognitiven Prozessen eine prominente Rolle zuschreiben. Mentale Repräsentationen, unser Wissen und unsere Erfahrungen sind danach nicht auf kognitive Prozesse reduzierbar, vielmehr besitzen Begriffe und Konzepte, unser Gedächtnis auch eine körperlich-sinnliche Repräsentation (zur Übersicht siehe Barsalou, 2008, 2020; vgl. auch Gallese & Lakoff, 2005). Was damit gemeint ist, lässt sich an einer Studie von Tucker und Ellis (1998) illustrieren. Sie präsentierten ihren Versuchspersonen aufrechte oder auf dem Kopf stehende Alltagsobjekte. Die Aufgabe bestand darin, mittels Tastendruckes der rechten oder linken Hand diese Objektorientierung zu klassifizieren. Bei allen Objekten handelte es sich um Gegenstände mit Griffen (z. B. Teekanne, Bratpfanne), die so präsentiert wurden, dass der Griff in der Hälfte der Versuche nach rechts, bei den anderen Versuchen nach links ausgerichtet war. Es zeigte sich nun, dass die Antwortlatenz in den Fällen kürzer war, in denen der Griff mit der Seite der antwortenden Hand übereinstimmte. Dieses Ergebnis wird als Beleg dafür angesehen, dass die Objektwahrnehmung (kognitiv) bereits eine Form von motorischer Aktivität (körperlich) auslöste, die auf die Griffe gerichtet war, obwohl die manuelle Interaktion mit den Objekten gar nicht Teil der Klassifikationsaufgabe war. Wahrnehmung (kognitive Prozesse) und Verhalten (Körper) sind aus dieser Perspektive keine getrennten Systeme, sondern stehen in unmittelbarer Beziehung zueinander. Noch deutlicher wird dieser Zusammenhang bei den ideomotorischen Bewegungen (auch als Carpenter-Effekt bekannt; Carpenter, 1852). Darunter versteht man unwillkürliche Bewegungen, die allein durch Vorstellungen oder Beobachtungen ausgelöst werden.
Peter Michael Bak
3. Verhalten als Gegenstand der Psychologie
Zusammenfassung
Verhalten ist im Gegensatz zu geistigen Prozessen sichtbar und dadurch objektiv beobachtbar, was die Behavioristen dazu veranlasste, auf Geistiges als Untersuchungsgegenstand zu verzichten, wie folgendes Zitat von Watson (1926/2017, S. 6) illustriert:
Peter Michael Bak
4. Mentale Geschehnisse als Gegenstand der Psychologie
Zusammenfassung
In so manchem Krankenhaus kann man auch heute noch das Ritual beobachten, dass nach dem Tod eines Patienten die Fenster geöffnet werden, „damit die Seele den Raum verlassen kann“, womit wir bei einer wichtigen Frage angelangt sind. Wie können wir uns das Verhältnis von Seele und Körper vorstellen (Abschn. 4.1)? Ganz unabhängig von der Antwort auf diese Frage, gibt es ein Erleben, das wir als bewusstes Erleben bezeichnen, also das, von dem wir Notiz nehmen, jene Gedanken, Gefühle und Eindrücke, die wir bemerken. Von diesen bewussten mentalen Prozessen (Abschn. 4.2) lassen sich die nicht bewussten mentalen Prozesse (Abschn. 4.3) unterscheiden, von denen wir annehmen, dass sie die bewussten Prozesse zum Teil bestimmen oder beeinflussen. Die Psychologie präsentiert sich vor diesem Hintergrund als eine zweigeteilte Wissenschaft (Abschn. 4.4).
Peter Michael Bak

Teil II

Frontmatter
5. Beschreiben als Ziel der Psychologie
Zusammenfassung
Wenn wir im Alltag Situation und Sachverhalte beschreiben, dann schildern wir Vorgänge, zählen Geschehnisse, Merkmale oder Eigenschaften des Beschreibungsgegenstandes auf, häufig mit dem Ziel, einer anderen Person ein bestimmtes Bild davon zu geben. Diese Beschreibung kann unterschiedlichen Zwecken dienen. So beschreiben wir Situationen, in denen wir waren, um andere an dem Geschehen teilhaben zu lassen, um Zeugnis davon abzulegen, um andere zu bestimmten Schlussfolgerungen zu verleiten, um unser Handeln nachvollziehbar zu machen und es auch zu rechtfertigen oder um für Verständnis dafür zu sorgen, was anschließend geschah. Alltagsbeschreibungen sind oft aufgrund unserer selektiven Wahrnehmung unvollständig und durch unser Erzählinteresse gelenkt, häufig aus dramaturgischen Gründen hier und da aufgebauscht, oder es werden Aspekte hinzugefügt oder weggelassen. Die Unvollständigkeit, die Abhängigkeit von der jeweiligen Perspektive und die Interessengelenktheit kann man auch daran erkennen, dass zwei Personen vom gleichen Sachverhalt häufig unterschiedliche Beschreibungen abgeben, insbesondere, wenn sie selbst am Geschehen beteiligt waren oder ein bestimmtes persönliches Interesse verfolgen.
Peter Michael Bak
6. Erklären als Ziel der Psychologie
Zusammenfassung
In unserer Umgangssprache sprechen wir von Erklärung häufig, wenn wir damit eine Erläuterung meinen. Im Alltag soll eine Erklärung Unklarheiten beseitigen, uns einen Sachverhalt verstehbar, nachvollziehbar, klassifizierbar, einleuchtend oder deutlich machen. Wenn wir z. B. etwas nicht richtig verstehen, dann fragen wir nach: „Erklär mir das bitte genauer“. Auch meinen wir mit Erklären die Beantwortung einer Warum-Frage: „Warum ist Anna so deprimiert?“ Antwort: „Weil sie eine schlechte Note in Mathe hat“. Es gibt aber noch andere alltägliche Formen der Erklärung. Eine sehr differenzierte Analyse liefert Passmore (1962, S. 106 f.), der neun verschiedene Verwendungsformen unterscheidet.
Peter Michael Bak
7. Vorhersagen als Ziel der Psychologie
Zusammenfassung
Schauen wir uns auch hier zunächst an, wie Prognosen im Alltag angestellt werden (Abschn. 7.1) und betrachten anschließend Prognosen im Kontext der Wissenschaft (Abschn. 7.2).
Peter Michael Bak

Teil III

Frontmatter
8. Beobachtung in der Psychologie
Zusammenfassung
Beobachtung ist einerseits ein Interpretationsprozess, der nur auf Grundlage von (bereits vorhandenen) theoretischen Annahmen (Abschn. 8.2) stattfinden kann. Beobachtung ist andererseits eine Methode zur Entwicklung und Prüfung theoretischer Annahmen (Abschn. 8.3). Zudem lassen sich verschiedene Beobachtungsarten unterscheiden (Abschn. 8.4). Schauen wir uns das nach einigen Vorbemerkungen zum Alltagsverständnis des Beobachtungsbegriffs (Abschn. 8.1) genauer an.
Peter Michael Bak
9. Theorien in der Psychologie
Zusammenfassung
Die Beispiele zeigen, selbst innerhalb der Psychologie gibt es keine einheitliche Vorstellung dessen, was eine Theorie ist, auch wenn es zwischen den hier angeführten Definitionen inhaltliche Überschneidungen gibt. Theorien, so lernen wir, können Systeme, Aussagen, Erklärungen und Wissen sein. Wir versuchen das genauer zu verstehen und wollen uns zur Beantwortung der Frage nach der Theorie in der Psychologie nach einigen Vorbemerkungen (Abschn. 9.1) die wissenschaftliche Verwendung des Theoriebegriffs (Abschn. 9.2) näher ansehen.
Peter Michael Bak
10. Hypothesen in der Psychologie
Zusammenfassung
Hypothesen sind noch nicht geprüfte Annahmen. Sie können sehr spekulativ sein, wenn nur wenige Gründe für ihre Geltung angegeben werden können oder bereits gut belegt sein. Im Alltag nutzen wir den Begriff „hypothetisch“ häufig, um unsere Unsicherheit bei Behauptungen zu betonen, ein Argument zu entkräften oder den spekulativen Charakter einer Äußerung zu betonen. Wir sagen dann beispielsweise „Hypothetisch könnte dies und jenes der Fall sein“. Es gibt also bestimmte Annahmen, die etwas als möglich erscheinen lassen, sicher sind wir uns aber nicht. Ähnlich wie bei dem Begriff „Theorie“, verwenden wir den Ausdruck „hypothetisch“ auch, um eine Äußerung als vage und unzuverlässig zu etikettieren oder wenn wir damit auf die Besonderheit einer Situation hinweisen wollen. Wir sagen dann beispielsweise: „Hypothetisch magst Du ja Recht haben, aber in dem Fall ist es eben anders …“.
Peter Michael Bak
11. Prüfung in der Psychologie
Zusammenfassung
Wenn wir im Alltag von Prüfung sprechen, dann meinen wir die Untersuchung eines Sachverhalts oder Gegenstands hinsichtlich solcher Kriterien wie Funktionstüchtigkeit, Qualität, Richtigkeit, allgemein also, ob das, was wir da prüfen, vereinbarten, vorgeschriebenen oder erwarteten Bedingungen entspricht. Wir prüfen beispielsweise die Beschaffenheit einer Sache, wenn wir den Geschmack eines Weins prüfen. Wir prüfen aber auch im Sinne eines Akzeptierens, wenn wir einen Antrag auf Sozialleistungen prüfen. Prüfen meint aber auch das Feststellen bestimmter Eigenschaften, wenn wir z. B. die zulässige Höchstgrenze bestimmter Stoffe in Nahrungsmitteln prüfen. Zudem prüfen wir auch andere, z. B. Studierende und wollen damit feststellen, ob sie sich bestimmtes Wissen oder Kompetenzen angeeignet haben. Und wir wollen die Richtigkeit einer Annahme prüfen, z. B. wenn wir eine Klausur korrigieren und prüfen, ob die Antworten auch richtig waren. Allgemein können wir Prüfung auch als Untersuchung eines Ist-Zustandes beschreiben, die uns mögliche Abweichungen zu einem Soll-/Muss- oder Kann-Zustand anzeigt. Dieser Soll-/Muss-/Kann-Zustand ist uns im Alltag nicht in jedem Fall bewusst oder gar explizit festgelegt, häufig prüfen wir gegen subjektives Befinden. In der Wissenschaft ist die Prüfung dagegen ein explizites Verfahren.
Peter Michael Bak

Teil IV

Frontmatter
12. Probleme der Erfolgsgeschichte Psychologie
Zusammenfassung
Kennzeichen dieser Dauerkrise, die letztlich wissenschaftlichen Fortschritt im Wege steht, sind theoretischer Stillstand (Abschn. 12.1), Fehlentwicklungen in der Wissenschaftspraxis (Abschn. 12.2) sowie eine eklatante Theorie-Praxis-Diskrepanz (Abschn. 12.3).
Peter Michael Bak
13. Was fehlt der Psychologie?
Zusammenfassung
Neben all diesen Missständen fehlt es der Psychologie aber an einer „theoretischen Psychologie“ (Abschn. 13.1). Damit einhergehend bedarf es begrifflicher Klarheit bzw. müssen begriffliche Unschärfen bei vielen psychologischen Konstrukten beseitigt werden (Abschn. 13.2).
Peter Michael Bak
14. Systematizität als Ziel der Psychologie
Zusammenfassung
Wir halten in erster Linie ein klares Fach(selbst-)verständnis für nötig, das die Erkenntnismöglichkeiten und -grenzen der Wissenschaft Psychologie beinhaltet. Dazu gehören auch entsprechende erkenntnistheoretische und methodische Überlegungen, die man nicht nur als intellektuelle Spielerei einiger Weniger betrachten darf, sondern als fundamentale Voraussetzung psychologischer Wissenschaft und Anwendung. Außerdem gilt es „Aufzuräumen“, d. h. es wäre wünschenswert, verstärkt an der Integration theoretischer Konzepte zu arbeiten und dies auch als unterstützenswertes Ziel wissenschaftlicher Arbeit anzusehen. Unzureichende Erklärungen, pseudowissenschaftliche Vorstellungen und Wissenslücken können so identifiziert und offene Fragen gezielt beantwortet werden. Dies würde der Beliebigkeit psychologischer Annahmen, Beschreibungen und Erklärungen vorbeugen und den wissenschaftlichen Status des Faches absichern bzw. ausbauen. Da die psychologische Forschung immer auch Anwendungsaspekte berührt, ist diese Forderung nicht nur für den grundlagenwissenschaftlichen Prozess bedeutsam, sondern auch für die angewandte Forschung und die Anwendungspraxis. Wer meint, die praktische Psychologie müsse sich weniger für solche Diskussionen aus dem „Elfenbeinturm der Wissenschaft“ interessieren, weil es hier in erster Linie um die Anwendung psychologischen Wissens geht, muss sich die Frage gefallen lassen, anhand welchen Wissens sich denn Interventionen aller Art rechtfertigen und begründen lassen, von denen ganze Lebensläufe, Beziehungen, Arbeitsverhältnisse etc. betroffen sein können. Es ist klar, dass die einzige Möglichkeit für solche Rechtfertigungen und Begründungen eine wissenschaftlich solide Psychologie ist. Ein Rahmenkonzept, wie man diese anspruchsvollen Ziele erreichen könnte, ist die Systematizitätstheorie der Wissenschaften (Hoyningen-Huene, 2009, 2013).
Peter Michael Bak
15. Abschließende Gedanken zum Stand und zu Herausforderungen der Psychologie
Zusammenfassung
Verhalten und Erleben von Menschen ist anders zu beschreiben, zu erklären und zu prognostizieren als Planetenbewegungen oder Elektrizität. Dennoch sind einige Probleme „hausgemacht“ und betreffen Prozesse der Theoriebildung, Theorieentwicklung und -prüfung. An vielen Stellen könnten wir es schon als Fortschritt sehen, wenn Begriffe und Konzepte expliziter beschrieben würden, wenn sie genauer definiert wären und wenn ihre empirische Messung oder Umsetzung klarer und vor allem standardisierter verlaufen würde. Begriffliche und theoretische Schärfung muss allerdings auch gelernt und gelehrt werden. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit den hier vorgelegten Konzepten, Fragen und Problemen ist daher auch im Rahmen des Psychologiestudiums zu fordern. Wir haben schließlich zu zeigen versucht, dass mehr Systematizität ein Weg sein könnte zu mehr Wissenschaftlichkeit. Um das zu leisten, brauchen wir mehr Wissen, mehr theoretische Auseinandersetzungen mit dem Ziel der Theorievereinheitlichung, mehr Klarheit und Präzision bei den verwendeten Konzepten und Operationalisierungen, einen stärkeren Fokus auf echte Erklärungen und ein Problembewusstsein, das nötig ist, um entsprechende Schwächen zu erkennen und in Angriff zu nehmen. Das Ziel des Buches war es, dazu einen Beitrag zu leisten, in dem ich versucht habe, die fachwissenschaftlichen Grundlagen, Probleme und Herausforderungen aufzuzeigen. Wenn uns diese Klarheit, Präzision und theoretische Schärfe nicht gelingt, dann läuft die Psychologie Gefahr, ihren wissenschaftlichen Anspruch nicht mehr gerecht zu werden. Die Teile, die wissenschaftlich genug sind, wandern in Nachbardisziplinen, die diese Probleme schon hinter sich haben und im Sinne Kuhns „Normale Wissenschaften“ sind. In Teilen geschieht dies bereits, wenn man an kognitive Neurowissenschaften denkt oder Teile der Biologischen Psychologie. Die Teile der Psychologie, die noch nicht so weit sind, werden dann in die Beliebigkeit verfallen, sich vielleicht schlechter oder besser „verkaufen“ lassen, aber letztlich anderen Wissensarten wie der Esoterik oder der „Folk Psychology“ kaum nachstehen. Insofern sind die an anderer Stelle bereits geforderten Bemühungen um eine theoretische Psychologie (Fahrenberg, 2015) zu unterstreichen. Schließen möchte ich mit dem Wunsch, dass dieses Buch vielleicht dazu beitragen möge, genau dieses Bemühen zu unterstützen und damit die Voraussetzungen für eine wissenschaftlich fundierte zukunftsfähige Psychologie zu schaffen.
Peter Michael Bak
Backmatter
Metadaten
Titel
Psychologie als Wissenschaft
verfasst von
Peter Michael Bak
Copyright-Jahr
2025
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-71181-1
Print ISBN
978-3-662-71180-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-71181-1