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2025 | Buch

Psychologische Begutachtung

Rechtliche Grundlagen - Leitlinien - Empfehlungen

herausgegeben von: Ralf Dohrenbusch

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Dieses Referenzwerk bietet eine Zusammenstellung von Leitlinien und Empfehlungen zur psychologischen Begutachtung von Funktionen und Funktionseinschränkungen und stellt somit eine umfangreiche praktisch relevante Orientierung zur Qualitätssicherung gutachterlicher Tätigkeiten dar. Ein besonderes Augenmerk liegt hierbei auf der psychologischen Einzelfalldiagnostik und deren Bewertung im Laufe der gutachterlichen Beurteilung.Neben rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen werden aktuelle psychologische und medizinische Standards und Leitlinien sowie Rechtsverordnungen zur Funktions- und Leistungsbeurteilung aufgeführt und durch Empfehlungen zur evidenzbasierten psychologischen Funktionsdiagnostik unterschiedlicher Methoden ergänzt (z.B. Vorbefragungen, Verhaltensbeobachtung, Experimente und Testverfahren, Biomarker u.v.m.). Ein weiterer Teil beschäftigt sich mit der gutachterlichen Urteilsbildung: Wie können Anforderungen in psychologische Fragestellungen überführt werden und wiewerden einzelne Ergebnisse in ein Gesamturteil integriert? Spezifika für umschriebene Teilfunktionen (z.B. physiologisch, motorisch, kognitiv, emotional) werden erläutert und es wird auf spezielle Anforderungen psychologischer Begutachtung in unterschiedlichen Anwendungsfeldern (Beruf, Verkehrstauglichkeit, Neuropsychologie, Psychotherapiebedarf etc.) eingegangen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Rahmenbedingungen gutachterlicher Tätigkeit

Frontmatter
Menschen in der Begutachtung. Eine philosophische Orientierung

Eingangs wird die Situation der psychologischen Begutachtung in einen philosophischen Horizont gestellt, den Horizont einer Philosophie der Orientierung. Herausgearbeitet wird die Bedeutung der Professionalität der Gutachtenden im Von-Angesicht-zu Angesicht mit den Begutachteten. Dazu werden Emmanuel Levinas, Niklas Luhmann und Ludwig Wittgenstein herangezogen.

Werner Stegmaier
Entwicklungen und Aufgabenstellungen der forensisch-psychologischen Sachverständigentätigkeit in Deutschland

Der Beitrag informiert zunächst über die zentralen Begriffe der forensisch-psychologischen Sachverständigentätigkeit und stellt dann die historischen und aktuellen Entwicklungen der Sachverständigentätigkeit vor Gericht (in foro) dar. Im Weiteren gibt er einen Überblick über die verschiedenen Fragestellungen, die an forensisch-psychologische Sachverständige in den unterschiedlichen Rechtsbereichen gestellt werden und leitet in die Besonderheiten, das Vorgehen und die Methoden der in der Praxis zahlenmäßig bedeutsamsten Bereiche ein.

Thomas Bliesener, Petra Hänert
Zivilrechtliche Bestimmungen in gutachtlich relevanten Ausschnitten

Im Folgenden wird einerseits die Stellung des Sachverständigen im zivilrechtlichen Verfahren näher dargestellt. Dabei liegt ein Schwerpunkt auf den Pflichten des Sachverständigen. Andererseits werden wichtige Teilbereiche des Zivilrechts im Überblick dargestellt, in denen häufig psychologische Gutachten angefordert werden, nämlich die Geschäfts- und Testierfähigkeit, die Deliktsfähigkeit, die Erforderlichkeit einer Betreuung und die Berufsunfähigkeitsversicherung.

Daniel Effer-Uhe
Familienrechtliche Bestimmungen

Der Beitrag gibt einen Überblick über die in der richterlichen Praxis wichtigsten Gebiete der psychologischen Begutachtung in Familiensachen. Die hierfür allgemein geltenden rechtlichen Grundlagen der Begutachtung werden dargestellt. Weiterhin geht der Beitrag auf die in der Gutachtenspraxis bedeutsamsten Fragestellungen ein und erläutert den jeweiligen rechtlichen Rahmen.

Sebastian Hausen
Sozialrechtliche Bestimmungen zur Bewertung von Teilhabeeinschränkungen im Schwerbehindertenrecht

Der Beitrag behandelt die Besonderheiten der Erstellung von Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren aus rechtlicher Perspektive. Es werden die für die Begutachtung im Schwerbehindertenrecht wesentlichen rechtlichen Grundlagen vorgestellt unter dem Blickwinkel des Einbezugs psychologischer Gutachten.

Kerstin Lindenau
Sozialrechtliche Bestimmungen zur Bewertung von Schädigungsfolgen

Die Abhandlung stellt die sozialrechtliche Bewertung von Schädigungsfolgen im Bereich der Gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) (SGB VII) und der Sozialen Entschädigung (v. a. SGB XIV) aus richterlicher Sicht dar. Sie zeigt Praktiker*innen aus dem rechtlichen, ärztlichen und psychologischen Bereich die Problemfelder im Spannungsfeld der verschiedenen Disziplinen auf und versucht, zu einem bestmöglichen Zusammenwirken zu führen, um insbesondere für die Betroffenen disziplinübergreifend zu zufriedenstellenden Lösungen zu gelangen. Schwerpunkte bilden dabei die Anforderungen an Gutachten im sozialrechtlichen Verfahren zu „kausalen“ Fragestellungen, die Bewertung von Schädigungsfolgen im SGB VII (Arbeitsunfall, Berufskrankheit, Minderung der Erwerbsfähigkeit) sowie die Bewertung von Schädigungsfolgen im Recht der Sozialen Entschädigung (Neuerungen durch das SGB XIV, Grad der Schädigungsfolgen).

Constanze Schmidt
Verkehrsrechtliche Bestimmungen

Im Verkehrsverwaltungsrecht sind verschiedene Faktoren zu beachten, bevor es zur ordnungsrechtlichen Anordnung einer Begutachtung kommt. Im Folgenden werden die Grundlagen, angefangen von den Gesetzesregelungen und sonstigen Regelwerken über die Entscheidung, welche Informationen verwertet werden dürfen, bis zur Ermessensentscheidung dargestellt. Auch die anlassbezogene Fragestellung, die mit der Anordnung einer Begutachtung im direkten Kontext steht, spielt als Grundlage für eine Begutachtung eine entscheidende Rolle. Der Beitrag soll Gutachter in die Lage versetzen, verwaltungsrechtliches Handeln nachvollziehen und berücksichtigen zu können.

Volker Kalus
Strafrechtliche Bestimmungen

Im Folgenden wird einerseits die Stellung des Sachverständigen im Strafverfahren näher dargestellt; die Darstellung ist insoweit knapp gehalten, als teilweise auf die Ausführungen zur Stellung des Sachverständigen im Zivilprozess (Effer-Uhe, D. (2023). Zivilrechtliche Bestimmungen in gutachtlich relevanten Ausschnitten. In R. Dohrenbusch (Hrsg.), Psychologische Begutachtung. Springer.) verwiesen werden kann, sodass nur noch Besonderheiten im Strafrecht gesondert anzusprechen sind. Andererseits werden wichtige Teile der materiell-rechtlichen und prozessualen Grundlagen derjenigen Teilbereiche im Überblick dargestellt, in denen häufig psychologische Gutachten angefordert werden: Glaubhaftigkeit, Schuldfähigkeit, Verhandlungsfähigkeit, Legalprognose und Haftfähigkeit.

Daniel Effer-Uhe, Stephan Kloke
Richterliche Bewertung von Sachverständigen-Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren: Maßstäbe, Methoden, Maßnahmen

Aus rechtlichen Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, aber auch aus aktuellen Entwicklungen im therapeutischen und diagnostischen Geschehen ergeben sich gesteigerte Erwartungen an die Qualität medizinscher und psychologischer Sachverständigengutachten. Sie müssen nicht nur – wie schon bisher – wissenschaftlich in sich schlüssig und auch für medizinische Laien nachvollziehbar sein, sondern auch gegenüber möglichen Fehlerquellen durch Falschangaben von Probanden und/oder behandelnden Leistungserbringern auf Grundlage objektivierter Befunde fälschungssicher erstellt werden. Nur eine genaue Beachtung der Maßstäbe psychologischer Diagnostik, der evidenzbasierten Medizin und eine präzise Vorermittlung der nicht-medizinischen Tatsachen durch die Gerichte kann dies garantieren.

Jan-Robert von Renesse
Rechtliche und fachliche Beurteilung als interdisziplinäre Aufgabe bei der Versorgung der Opfer von Gewalttaten

Das Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (SGB XIV) sieht umfangreiche Hilfen für Opfer von Gewalttaten vor. Körperliche und psychische Folgen erlittener Gewalt sind berücksichtigt, schnelle Hilfen in Traumaambulanzen und Fallmanagement neu verankert. Angehörige von Heilberufen und Hilfsorganisationen sollten das SGB XIV kennen und sich mit Verwaltungen und Organen der Rechtspflege austauschen, damit Betroffene auf die Möglichkeit der Antragstellung hingewiesen und im Verfahren begleitet werden können. Entscheidende Fakten könnten frühzeitig dokumentiert werden. Durch mehr Fachkräfte für fachärztliche bzw. psychologische Gutachten könnten Wartezeiten und damit Verfahrensdauern verkürzt werden.

Stefanie Franke
Haftung von Sachverständigen

Die Nachfrage nach Sachverständigen in Gerichts- und Verwaltungsverfahren, aber auch im Privatbereich hat aufgrund der zunehmenden Technisierung und Spezialisierung stark zugenommen. Entscheidungen werden zunehmend aufgrund von Sachverständigengutachten getroffen, da Richtern, Behörden und Privatpersonen die erforderliche Fachexpertise und Erfahrung fehlt. Die Erstattung von Gutachten gehört zu der Leistungspalette des Sachverständigen, wobei sie verpflichtet sind, Sachverhalte unparteiisch, unabhängig und objektiv zu bewerten. Bei wenigstens grob fahrlässig erstatteten unrichtigen Gutachten besteht aber die Möglichkeit, dass er für Fehler im Gutachten und den daraus entstehenden Schaden einstehen muss. Der Beitrag befasst sich mit den rechtlichen Voraussetzungen der Haftung von Sachverständigen, wobei zwischen der privaten Beauftragung, der Beauftragung durch das Gericht und der Begutachtung im Verwaltungsverfahren im Auftrag einer Behörde unterschieden wird.

Tatjana Renner
Liquidation von Gutachten

Eine Rechnungsstellung soll die gutachterliche Arbeit angemessen entschädigen. Dies muss bereits bei der Gutachtenplanung berücksichtigt werden. Die Absprachen mit dem Auftraggeber, die Erstellung eines Exposés und die Unterscheidung spezieller Abrechnungsmodalitäten je nach Berufsstatus und Auftraggeber erleichtern eine komplikationslose Rechnungsabwicklung. Die spezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen einzelner Auftraggeber verlangen den Rückgriff auf die jeweils relevanten Gebührenordnungen und geben unterschiedliche Spielräume. So kann die zeitgebundene Abrechnung gegenüber der Abrechnung nach einzelnen Leistungspositionen zu finanziellen Vorteilen führen.

Ludger Neumann-Zielke

Standards und Leitlinien zur psychologischen Begutachtung

Frontmatter
Systematische Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Begutachtung

Nach der Beschreibung des Qualitätsbegriffs für die Begutachtung und seinen wichtigsten Bestandteilen werden die Besonderheiten von Gutachten herausgearbeitet, die sich als Herausforderungen für die Umsetzung des Qualitätsbegriffes darstellen. Anschließend werden wichtige konzeptionelle und begriffliche Grundlagen für die Qualitätssicherung beschrieben und auf den Begutachtungsprozess angewendet. Schließlich werden aktuell umgesetzte Methoden bzw. Ansätze für Qualitätssicherung im Begutachtungskontext vorgestellt, v. a. Peer Review-Modelle und Leitlinien bzw. Standardisierungsprozesse.

Wolfgang Schömig, Heiner Vogel
Qualitätsstandards für psychologische Gutachten der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen

Das Erstellen psychologischer Gutachten gehört in vielen Anwendungsfeldern der Psychologie zu den Kernaufgaben von Psycholog:innen. Die Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen hat daher bereits in den 1980er-Jahren entsprechende Qualitätsstandards durch Expert:innen erarbeiten lassen. Diese sind zuletzt 2017 aktualisiert veröffentlicht wurden. In diesem Kapitel werden die Grundzüge der Qualitätsstandards für psychologische Gutachten der Föderation Deutscher Psychologenvereinigungen dargestellt. Dabei wird neben einem generellen Überblick genauer auf die Definition, die beteiligten Personen und den psychologisch-diagnostischen Prozess eingegangen. Abschließend erfolgt eine kritische Einordnung.

Matthias Ziegler
Österreichische Richtlinien und Empfehlungen zur Erstellung von klinisch-psychologischen und gesundheitspsychologischen Befunden und Gutachten

Die Richtlinien zur Erstellung klinisch-psychologischer und gesundheitspsychologischer Gutachten und die Empfehlungen zur Erstellung psychologischer Gutachten im Familienrecht, die in Österreich vom zuständigen Ministerium herausgegeben werden, werden skizziert und bewertet. Ihre rechtliche Grundlage ist das österreichische Psychologengesetz, das gesundheitspsychologische und klinisch-psychologische Tätigkeiten als eigene berufliche Tätigkeitsbereiche definiert und für gutachterliche Tätigkeiten einen rechtlichen Regelungsbedarf vorsieht. Während die Richtlinien stärker auf fomale Aspekte der Qualitätssicherung ausgerichtet sind, enthalten die Empfehlungen zur Begutachtung im Familienrecht differenziertere inhaltliche Ausführungen zur gutachterlichen Diagnostik und Urteilsbildung. Die Texte werden u. a. im Abgleich mit deutschen Regelungen gewürdigt. Die Abstimmung rechtspsychologischer Richtlinien mit zuständigen Behörden wird in Österreich als eine wichtige Maßnahme zur Qualitätssicherung gesehen und könnte modellhaft auch auf andere Länder wirken.

Matthias Herzog, Barbara Khalili-Langer, Ralf Dohrenbusch
Anforderungen an die berufsbezogene Eignungsdiagnostik gemäß DIN 33430

Die DIN 33430:2016 beschreibt den aktuellen Konsens zwischen Wissenschaft und Praxis zu Personalbeurteilung und Eignungsdiagnostik. Sie ist das Ergebnis eines langwierigen Abstimmungsprozesses zwischen verschiedenen fachlichen Perspektiven und berücksichtigt die besonderen Dynamiken eines asymmetrischen Marktes ohne eine übergeordnete gesetzliche Regelung zur Sicherung des Verbraucher- und Betroffenenschutzes. Die DIN 33430 macht Vorgaben zu den drei zentralen Säulen der Eignungsdiagnostik: Personen, Verfahren und Prozesse. Zusätzlich definiert sie relevante Begriffe. Sie betont Transparenz, Datenschutz und die angemessene Berücksichtigung von Kandidat:innen mit besonderen Bedürfnissen. Die Qualitätssicherung und kontinuierliche Verbesserung von eignungsdiagnostischen Prozessen stehen dabei im Fokus. Die DIN 33430 unterstützt damit faire, transparente und evidenzbasierte Eignungsbeurteilungen und ist ein wichtiger Leitfaden für eine bessere Personalauswahl in Organisationen jeder Branche und Größe.

Harald Ackerschott
Versorgungsmedizinverordnung
Bedeutung für psychologische Sachverständige

Die Versorgungsmedizin-Verordnung und die darin enthaltenen Versorgungsmedizinischen Grundsätze liefern eine verbindliche Grundlage für die sozialrechtliche Bewertung von Schädigungsfolgen und von Teilhabeeinschränkungen. Der Beitrag nennt wichtige Bestimmungen und kommentiert diese. Positiv wird der Beitrag der Verordnung zur transparenten und einheitlichen rechtlichen Bewertung von Gesundheitsstörungen bewertet. Kritisch wird die enge Ausrichtung rechtlicher Bewertungsvorgaben an ‚ärztlichen Erfahrungen‘ kommentiert, die teilweise nicht mit Forderungen aus der aktuellen Rechtsprechung vereinbar ist. Ebenfalls kritisch wird die unscharfe Grenzziehung zwischen rechtlichen und fachlichen Begriffen und Denkmustern gesehen. Psychologische Sachverständige werden angeregt, eigene gutachterliche Vorgehensweisen und psychologische Urteilspraktiken angemessen auf rechtliche Bewertungsvorschriften abzustimmen.

Ralf Dohrenbusch
AWMF-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen
Übersicht und Kommentar

Die Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Störungen wurde von medizinischen und psychologischen Fachgesellschaften entwickelt, um Sachverständige zu befähigen, psychisch bedingte Funktions- und Leistungseinschränkungen und deren Ursachen nach einheitlichen Maßstäben zu beurteilen. Sie passt Empfehlungen zum gutachterlichen Vorgehen an den wissenschaftlichen Erkenntnisstand an und vermittelt Urteils- und Entscheidungshilfen zu Untersuchungsinhalten und zur Methodik. Der Beitrag skizziert ausgewählte Empfehlungen und kommentiert sie aus psychologischer Sicht. Positiv bewertet werden Funktionsorientierung, die Festlegung eines diagnostischen Modells, die Beachtung von Anpassungsprozessen und die Gegenüberstellung intakter und gestörter Funktionen. Kritisch bewertet werden u. a. Empfehlungen zur Validierung und eine teilweise mangelnde Differenzierung rechtlicher und fachlicher Nomenklatur.

Ralf Dohrenbusch
Mindestanforderungen und Standards zur Begutachtung im Familienrecht

Obwohl kaum ein juristisches Feld so emotional besetzt ist wie das Familienrecht und familiengerichtliche Entscheidungen tief in die Biografie der betroffenen Kinder und Eltern eingreifen, gab es lange Zeit keine verbindlichen Leitlinien zur familienrechtspsychologischen Begutachtung; und damit auch wenig Sicherheit für die Betroffenen, dass das entsprechende Gutachten sachgemäß erstellt und erstattet wurde. Erst mit den gemeinsamen Anstrengungen der Verbände BDP und DGPs und dem Engagement vieler familienrechtspsychologischer Sachverständiger wurden 2015 und erweitert dann 2019 Mindestanforderungen an die Qualität von Sachverständigengutachten im Familienrecht formuliert, die als Leitlinien für die Erstellung familienpsychologischer Gutachten gelten können. In dem folgenden Beitrag wird die Entwicklung von Standards in den letzten Jahrzehnten bis zu diesen Mindestanforderungen nachgezeichnet, die Mindestanforderungen im Überblick dargestellt und in ihren praktischen Konsequenzen bewertet.

Jörg Fichtner
Standards und Anforderungsprofile in der Fahreignungsdiagnostik

In diesem Beitrag werden nach einer Begriffsdefinition von Fahreignung die im Verkehrsrecht verankerten Vorgaben und „Begutachtungsleitlinien“ vorgestellt und am Beispielfall eines alkoholauffälligen Fahrers in ihrer Anwendung erläutert. Neben diesen rechtlich verankerten Leitlinien wird die Begutachtung der Fahreignung zusätzlich unterstützt durch sog. „Beurteilungskriterien“, die eine Operationalisierung der Begutachtungsleitlinien vornehmen und den Stand der Wissenschaft zu den vielfältigen Themenbereichen der Fahreignungsdiagnostik zusammenfassen. Es werden die Anforderungen aus den verschiedenen Regelwerken vorgestellt und aus der Perspektive der Betroffenen (Anforderung an die Klient:innen) und der Gutachter:innen (Anforderungen an die Untersuchungsmethodik und die Gutachtenerstellung) beleuchtet. Der Beitrag fokussiert hierbei auf die in Deutschland geltenden Anforderungen und nimmt nur gelegentlich einen Vergleich mit den Anforderungen in Österreich vor.

Jürgen Brenner-Hartmann, Bettina Schützhofer
Mindestanforderungen/Empfehlungen für Prognosegutachten

Kriminalprognostische Begutachtungen unterliegen sowohl nach deutschen als auch internationalen Standards maßgeblichen unterschiedlichen Qualitätskriterien. Es soll vorliegend ein Überblick über die Entwicklung der Qualitätskriterien im deutschsprachigen Raum gegeben werden. Der Beitrag nimmt dabei eine komparative Perspektive über den fortlaufenden Entwicklungsprozess der kriminalprognostischen Begutachtungsqualitätskriterien ein, um die aktuellen Standards hervorzuheben. Dabei wird der Versuch eines Transfers von den theoretischen Vorschlägen zu den praktischen Implikationen unternommen, um ein idealtypisches Vorgehen anhand der aktuellen Empfehlungen aufzuzeigen.

Florence Philipp, Martin Rettenberger

Gutachtlich relevante Grundbegriffe und Taxonomien

Frontmatter
Einzelfallanalyse

Im Gegensatz zur Einzelfallanalyse als wissenschaftlicher Forschungsmethode ist die Einzelfallanalyse der kontrollierten Praxis durch die systematische Verknüpfung verschiedener einzelfalldiagnostischer Methoden gekennzeichnet. Ihre Komponenten sind Situationsdiagnostik, Fallbeschreibung, psychometrische Einzelfalldiagnostik, klinisch-psychometrische Einzelfalldiagnostik, Einzelfallexperiment und Zeitreihenanalyse. Die Komponenten werden skizziert und in ihrer Bedeutung für die psychologische Analyse einer einzelnen Person bewertet. In der Gesamtschau sollten die vorliegenden Informationen so aufeinander abgestimmt werden, dass die methodenspezifischen Erkenntnisse einen bedeutsamen ergänzenden Beitrag zum Verständnis des Einzelfalls und damit auch zur Beantwortung einzelfallbezogener Fragestellungen leisten.

Ralf Dohrenbusch
Fragestellung und Variablenauswahl

Die Übersetzung rechtlicher in psychologische Fragestellungen ist eine Schnittstelle gutachterlicher Tätigkeit. Sie zielt auf die die Einhaltung konzeptioneller Grenzen und die Unterscheidung von Entscheidungshilfe und Entscheidung. Psychologische Fragestellungen tragen dazu bei, die Abläufe bis zur gutachterlichen Urteilsbildung so zu strukturieren, dass die Auftraggeber die fachlichen Befunde zur eigenen Entscheidungsfindung nutzen können. Der Beitrag unterscheidet initiale und erst im Untersuchungsverlauf auftretende Fragen und gibt Hinweise zu ihrer Formulierung. Exemplarisch werden Fragestellungen verschiedener Auftraggeber formuliert.

Ralf Dohrenbusch
Dimensionen der Handlungssteuerung und Anstrengungsbereitschaft

Die Fähigkeit zur Steuerung eigener Handlungen ist ein wichtiges Thema rechtspsychologischer Theorien und Untersuchungsansätze. Eine Beeinträchtigung dieser Fähigkeit kann sowohl durch exogene, situationale Einflüsse als auch durch pathophysiologische Veränderungen der neurokognitiven Kontrollfunktionen und des dopaminergen Anreizsystems verursacht werden. Ein fundiertes Verständnis der wechselseitigen Einflüsse der beteiligten Hirnsysteme auf der psychologischen und neurophysiologischen Ebene bildet eine wesentliche Grundlage für (rechts-)psychologische Bewertungen der Handlungssteuerung. Im Beitrag werden grundlegende neuropsychologische Theorien der kognitiven Kontrolle und Regulation anhand ausgewählter und mehrfach replizierter Studienergebnisse dargestellt. Wesentliche zu berücksichtigende Zustands- und Dispositionsvariablen werden identifiziert. Die kritische Reflexion neuropsychologischer Theorien und der daraus abgeleiteten Operationalisierungen soll die Entwicklung neuer Untersuchungsmethoden sowie die Interpretation von Ergebnissen im rechtspsychologischen Kontext anregen.

Juliana Kolano, Martin Peper
Dimensionen der Motorik

Mit diesem Beitrag wird eine handlungsorientierte, empirisch begründete Vorgehensweise beschrieben, die in den zentralen Bereichen Motorik, körperliche Aktivität, Bewegung und Sport sowohl für Interventionen als auch für Diagnose und Begutachtung in Frage kommt. Die theoriebasierten Ausgangspunkte und empirischen Erkenntnisse zu motorischen Dimensionen werden im Begründungszusammenhang beschrieben. Alternative, weniger handlungs- als grundlagenorientierte Forschungsrichtungen werden abschließend hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz für Diagnose, Begutachtung und Intervention diskutiert. Zunächst werden Ursprünge dimensionsanalytischer Ansätze aus historischer Sicht betrachtet und danach die Zusammenhänge zur psychologischen und sportwissenschaftlichen Motorikforschung hergestellt.

Klaus Bös, Darko Jekauc, Matthias Wagner, Heinz Mechling
Differenzierung von Anpassungs- und Bewältigungsprozessen

Steigende kognitive Arbeitsanforderungen und das höhere Renteneintrittsalter machen Anpassungs- und Bewältigungsfähigkeiten in der heutigen Arbeitswelt wichtiger. Je nachdem, ob jemand ins Berufsleben eintritt oder nach Langzeitarbeitsunfähigkeit an den Arbeitsplatz zurückkehrt, werden verschiedene Anpassungsprozesse notwendig. Arbeitsplätze müssen an Beschäftigte mit besonderen Bedarfen oder Kompetenzen angepasst werden, oder Beschäftigte müssen sich an ggf. veränderte oder neue Arbeitsanforderungen anpassen. Anhand von drei Arbeitstheorien – Job-Demands-Control, Job-Demands-Resources, transaktionellem Stressmodell – werden Möglichkeiten zur Bewertung der individuellen Arbeitssituation erläutert, die für Anpassungsprozesse Voraussetzung sind. Eine für Begutachtungen nutzbare Diagnostik von Anpassungs- und Bewältigungsfähigkeiten wird anhand eines Beispiels veranschaulicht. Exploration von Arbeitssituation, Bewältigungsdefiziten und kompensatorischen Fähigkeiten wird gezeigt.

Lilly Paulin Werk, Beate Muschalla
Differenzierung von Gesundheit und Krankheit

Der Beitrag behandelt begriffliche, konzeptionelle und praktische Unterscheidungen von Gesundheit und Krankheit im Hinblick deren Bedeutung für die psychologische Einzelfallbeurteilung. Er geht der Frage nach, welche Grenzziehungen zwischen Gesundheit und Krankheit aktuell einer objektiven und am wissenschaftlichen Erkenntnisstand orientierten Beurteilung des Einzelnen gerecht werden. Im Fokus stehen methodologisch-konzeptionelle Unterschiede, insbesondere die Unterscheidung qualitativ-beschreibender, dimensional-quantitativer und klassifikatorischer Herangehensweisen sowie die Differenzierung nach Eigenschaften und Anpassungsprozessen sowie damit verbundener gesundheits- bzw. krankheitsbezogener Verhaltensweisen. Der Beitrag schließt mit Empfehlungen für die gutachterliche Praxis.

Elisabeth Krane, Ralf Dohrenbusch
Die berufsbezogene Persönlichkeit
Welche Personenmerkmale sind bei der Eignungsdiagnostik zu berücksichtigen?

Welche persönlichen Merkmale einer Person sind zentral für die Begutachtung beruflicher Eignung? Aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Arbeitspsychologie und Differenziellen Psychologie wird, unter Berücksichtigung insbesondere der allgemeinen Theorie der Arbeitsleistung und der praktischen Perspektive der DIN 33430 zur Eignungsdiagnostik eine Antwort abgeleitet. Einen klaren Berufsbezug hat das kognitive Potenzial einer Person und was sie daraus gemacht hat. Dazu kommen Motive, einige typische, besonders relevante Verhaltenspräferenzen und stabile Eigenschaften sowie Interessen.

Harald Ackerschott, Annika van Veen
Verhaltens- und Bedingungsanalysen gestörter Funktionen

Der Beitrag zeigt, dass psychologische Bedingungs- und Erklärungsmodelle nicht nur zur Begründung von Behandlungsentscheidungen, sondern auch zur Erklärung und Vorhersage individuellen Verhaltens und individueller Eigenschaften ohne klinischen Bezug genutzt werden können. Damit können sie auch in die Beantwortung kausaler rechtlicher Fragestellungen einbezogen werden. In der Übersicht wird zwischen theorie- bzw. modellbasierten Heuristiken für einzelfallbezogene Bedingungsanalysen, klassifikationsgestützten Bedingungsanalysen und Bedingungsanalysen ohne einzelfallbezogene Heuristik unterschieden. Sie schließt mit Empfehlungen für die kausale Interpretation von Verhaltensweisen und Eigenschaften.

Alina Seidel, Ralf Dohrenbusch
Der ganzheitliche Gesundheits(problem)-Befund im Sinne der ICF

Die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) der WHO basiert auf einem biopsychosozialen Modell zur Beschreibung von Gesundheitszuständen, Krankheitsfolgen und Behinderungen. Sie bietet ein Basisverständnis dafür, wie zusätzlich zur Krankheit bzw. Symptomatik (wie in der ICD-10 klassifiziert) das Aktivitäts- und Fähigkeitsniveau sowie person- und umweltbezogene Kontextfaktoren in der Diagnostik, Behandlung und Dokumentation von Gesundheitsproblemen systematisch(er) berücksichtigt werden können. Ziel der Klassifikation ist es, krankheits- und störungsbedingte Funktionsbeeinträchtigungen anhand einheitlicher Sprachregelungen und operativer Regelungen zu beschreiben bzw. zu klassifizieren. Sie bildet damit eine wichtige begriffliche Grundlage für die Beurteilung von Krankheitsfolgen, ersetzt aber nicht bestehende Konzepte und Methoden psychologischer Funktionsdiagnostik und Befundung.

Lilly Paulin Werk, Beate Muschalla
Der psychologische Befund

Als Befund wird die Sicherung von Beobachtungen, Aussagen oder Testergebnissen durch Testgüteeigenschaften oder durch die Integration erhobener Daten in psychologische Beschreibungs-, Erklärungs- oder Vorhersagekonzepte bezeichnet. Der Beitrag skizziert eine Taxonomie zur Unterscheidung psychologischer Einzelfallbefunde , die für spezifische Kombinationen aus Befundebene – differenziert nach Verhalten und Eigenschaft -, Befundart – differenziert nach beschreibenden, erklärenden und vorhersagenden Befunden –, sowie Befundperspektive – differenziert nach der Perspektive der beurteilten Person und der fachlichen Perspektive des Untersuchers – je unterschiedliche Formen und Praktiken der Befundsicherung vorsieht. Ebenso unterscheiden sich die Kombinationen nach der Art und dem Umfang der für die Befundsicherung erforderlichen Informationen. Die Systematik soll dazu beitragen, befundliche Sicherungsanforderungen auf abzustimmen.

Ralf Dohrenbusch

Methodologische Grundlagen psychologischer Einzelfalldiagnostik

Frontmatter
Bedeutung der Testtheorie für die Beurteilung individueller Eigenschaften

Bestehende Ansätze der Klassischen Testtheorie werden um die Möglichkeit einer Schätzung der Messgenauigkeit für den Einzelfall erweitert. Im Unterschied zur weithin bekannten Anwendung gruppenstatistisch ermittelter Reliabilitäten auf den Einzelfall können mit diesem Ansatz auch Personen identifiziert werden, für die keine hinreichende Messgenauigkeit besteht. In einer Simulationsstudie wird gezeigt, dass selbst bei hohen Reliabilitäten in einer Population viele Personen eine für Anwendungszwecke zu geringe Messgenauigkeit aufweisen. Der hier vorgestellte Ansatz wird empfohlen, wenn eine Skala bereits anhand gruppenstatistischer Verfahren etabliert wurde, aber die Generalisierung konventioneller Reliabilitätsschätzungen auf die Substichprobe oder den Einzelfall fraglich erscheint.

André Beauducel
Visuelle Inspektion und deskriptive Maße für die Einzelfallanalyse

Dieses Kapitel behandelt Verfahren zur visuellen Darstellung und Inspektion sowie Beschreibung über spezielle Kennwerte von Daten, die aus Einzelfallstudien stammen. Diese sind für eine erste deskriptive Analyse anwendbar, um den augenscheinlichen Effekt z. B. eines Trainings oder einer Intervention einzuschätzen. Da sich die Verfahren allerdings immer nur auf bestimmte Charakteristika der Daten beschränken, sind sie immer unter Berücksichtigung ihres eingeschränkten Aussagegehalts einzusetzen und zu interpretieren.

Markus Pospeschill
Klassische Verfahren der Einzelfalldiagnostik

Dieses Kapitel behandelt Verfahren zur Beurteilung von Einzelfalldaten, die im Rahmen einer psychometrischen Diagnostik gewonnen wurden. Es zeigt, wie Konfidenzintervalle bestimmt, kritische Differenzen zwischen Testwerten statistisch abgesichert und Auffälligkeiten in Einzelergebnissen bei Testprofilen geprüft werden können. Dabei wird auch thematisiert, mit welchen besonderen Herausforderungen ein Diagnostiker bei der Beurteilung von Einzelergebnissen konfrontiert wird.

Markus Pospeschill
Inferenzstatistische Analyseverfahren von Einzelfalldaten

Die Anzahl an Untersuchungs- und Forschungsfragen, die sich auf Einzelfälle beziehen, nehmen kontinuierlich zu. Liegen entsprechende Daten vor, stellt sich die Frage der Auswertung über geeignete Verfahren. Im Vorfeld durchgeführte visuelle Inspektionen oder Charakterisierungen von Daten durch Non-Overlap Indizes sind dabei nur unter Berücksichtigung ihrer Limitationen einsetzbar und können die inferenzstatistische Überprüfung nicht ersetzen. Klassische inferenzstatistische Verfahren wie parametrische Tests kommen hier durch das Erfordernis spezifischer Voraussetzungen (u. a. Normalverteilung und Varianzhomogenität) nicht in Frage. Es stehen allerdings inzwischen alternative Verfahren wie Randomisierungstests zur Verfügung, die mit entsprechender PC-Software durchgeführt werden können und sich auf Untersuchungsdesigns für Einzelfälle (experimental single case designs) anwenden lassen.

Markus Pospeschill
Einzelfallbezogene Veränderungsdiagnostik

Mit den Methoden der psychologischen Diagnostik lassen sich nicht nur Fragen bezüglich des Ist-Zustands psychischer Merkmale adressieren sondern auch Fragen bezüglich der Veränderung dieser Merkmale. In diesem Beitrag werden verschiedene Ansätze zur Quantifizierung individueller, den Einzelfall betreffender Veränderungen diskutiert. Zunächst wird der gewöhnliche Veränderungswert (im Englischen Change Score genannt) dargestellt, den man erhält, indem man zunächst Skalenwerte zweier aufeinanderfolgender Messungen berechnet und diese Werte dann voneinander abzieht. Zur Vereinfachung der Interpretation wird dieser Wert in manchen Anwendungskontexten noch am Wert der vorherigen Messung relativiert und mit 100 % multipliziert oder am Standardfehler relativiert. Es folgt der Adhoc-Ansatz, wonach ebenfalls eine Differenz berechnet wird, allerdings aus zwei Regressionswerten anstatt aus Skalenwerten. Abschließend wird kurz auf Kelleys Ansatz eingegangen, der den Veränderungswert direkt aus einer Regression gewinnt. Es wird argumentiert und illustriert, dass sowohl der Adhoc-Ansatz als auch Kelleys Ansatz Veränderungswerte liefern, die genauer sein können als der gewöhnliche Veränderungswert, und dass Kelleys Ansatz unter bestimmten Bedingungen sogar genauer sein kann als der Adhoc-Ansatz.

Steffen Zitzmann
Auswertung von Einzelfalldaten am PC

Die Kapitel zeigt unter Verwendung der Statistik-Software R, welche Auswertungsprogramme (R-Pakete) für Einzelfalldaten derzeit zur Verfügung stehen. Dabei wird Bezug genommen auf Verfahren zur visuellen Inspektion, die Ermittlung von Non-Overlap Indizes sowie die Durchführung von Agglutinations- und Randomisierungstests. Für den Bereich einzelfalldiagnostischer Auswertungen werden gesonderte Funktionen aus der Literatur skizziert.

Markus Pospeschill
Agglutination und Aggregierung von Einzelfalldaten

Dieses Kapitel zeigt, welche Möglichkeiten bestehen, um Ergebnisse mehrerer Einzelfallstudien zu einem Befund zusammenzufassen oder anhand eines Schwellenwertes zu bewerten. Dazu wird zum einen die Agglutination von Irrtumswahrscheinlichkeiten vorgestellt, die sich durch Anwendung statistischer Tests ergeben und zum anderen die Kombination von Rohdaten von Einzelfällen bei Verwendung sog. Multiple-Baseline Designs. Beide Vorgehensweisen sind allerdings an spezifische Bedingungen gleich gerichteter Hypothesen bzw. spezifischer Untersuchungsdesigns gebunden. Schließlich wird in diesem Kapitel auch gezeigt, wie sich Testergebnisse anhand eines Kriteriumwertes (anstatt eines Vergleichs mit einer Norm) interpretieren und bewerten lassen.

Markus Pospeschill
Regelbasierte Profilinterpretationen für multidimensionale klinische Persönlichkeitsfragebögen

Die Auswertung eines typischen multidimensionalen Persönlichkeitsfragebogens liefert ein Testprofil aus normierten Zahlen, häufig in Form von T-Werten. Im klinischen Kontext wird dieses Profil fast immer durch eine verbale Interpretation der Ergebnisse erläutert. Der Beitrag beschreibt die Rahmenbedingungen, unter denen eine regelbasierte Formalisierung und Computerisierung der Ergebnisinterpretation möglich ist, skizziert kurz die Geschichte der Computerinterpretation des Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI) und gibt einen Einblick in die Konstruktionsdetails der deutschsprachigen Computerinterpretationen des MMPI-2 und MMPI-2-RF sowie des Verhaltens- und Erlebensinventars (VEI), der deutschsprachigen Version des Personality Assessment Inventory (PAI).

Rolf R. Engel
Einzelfallbezogene Integration von Datenquellen und Datenebenen

Die Integration multimethodal erhobener Informationen zur Validierung und Befundsicherung ist eine zentrale einzelfalldiagnostische Aufgabe. Exemplarisch werden Möglichkeiten des Abgleichs von Daten aus freier Exploration, normiertem Fragebogen, Verhaltensbeobachtung, Leistungstestung, physiologischer Messung und Fremdberichten skizziert. Schwerpunkte bei der Beurteilung von Merkmalsübereinstimmungen liegen auf der Beachtung verfahrensspezifischer Mess- und Testgüteeigenschaften, zeitlicher Faktoren und der Unterscheidung verhaltens- und eigenschaftsbezogener Informationen.

Robbi Brockhaus, Ralf Dohrenbusch
Künstliche Intelligenz in der Persönlichkeitsdiagnostik

Die Einstellung geeigneter Mitarbeiter*innen ist eine zentrale Herausforderung für Unternehmen, welche insbesondere in den letzten Jahren zugenommen hat. Unternehmen setzen daher vermehrt künstliche Intelligenz ein, um diesen gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden. Die Chancen und Risiken des Einsatzes künstlicher Intelligenz im Rahmen der Personalauswahl sind jedoch nicht immer leicht ersichtlich, gerade da künstliche Intelligenz ein breites, schwer definiertes, und komplexes Anwendungsfeld darstellt. Im folgenden Kapitel stellen wir die Anwendungsfelder der künstlichen Intelligenz dar und verwenden das Realistic Accuracy Model (Funder, 1995) um die Beurteilung einer Person durch ein Modell verstehen und bewerten zu können. Zudem weisen wir auf Chancen und Risiken des Einsatzes sowie zukünftige Aufgabenfelder hin.

Kai Horstmann, Matthias Ziegler
Digitale Phänotypisierung – Integration alltagsnah erhobener Daten in die Einzelfallbeurteilung

Digitale Phänotypisierung nutzt Sensordaten aus dem Alltag, die mittels eingebauter Sensortechnologie, z. B. in Smartphones, gesammelt werden. Diese komplexen Datenmengen werden mithilfe von Analyseverfahren des Maschinellen Lernens untersucht, um menschliches Erleben und Verhalten zu beschreiben und vorherzusagen. Das vorliegende Kapitel beleuchtet Digitale Phänotypisierung, diskutiert die Vorteile sowie Herausforderungen und stellt potenzielle Anwendungsmöglichkeiten im Kontext der Personenbeurteilung vor. Auch wenn das Forschungsfeld aktuell wegen datenrechtlicher Bestimmungen in der Begutachtung kaum Beachtung findet, so kann doch vermutet werden, dass Digitaler Phänotypisierung bei der Personenbeurteilung wegen der Zunahme alltagsnah erhobener Personendaten ein größeres Gewicht zukommen wird.

Patricia Garatva, Harald Baumeister

Aktenanalyse

Frontmatter
Aufnahme und Analyse von Akteninformation

Die Analyse der Akten stellt im Rahmen der psychologischen Begutachtung einen zentralen Baustein im diagnostischen Prozess dar, da diese bereits wertvolle Informationen im Hinblick auf ein gutachterliches Urteil enthalten können und essenziell für die Ableitung psychologischer Hypothesen sowie für die praktische Vorbereitung auf eine gutachterliche Untersuchung sind. Dieser Beitrag enthält – im Schwerpunkt bezogen auf Begutachtungen zu sozial- und zivilrechtlichen Fragestellungen – Hinweise zur Aufnahme und Analyse von psychologischen und medizinischen Vorbefunden und -behandlungen sowie inhaltliche und formale Gestaltungshinweise für eine Aktenanalyse.

Ramona Carola Allstadt Torras
Rezeption und Bewertung internistischer Befunde

Die Auswirkungen internistischer Erkrankungen auf die individuelle Funktions- und Leistungsfähigkeit sind häufig Gegenstand gutachterlicher Untersuchungen. Wenn psychologische Sachverständige krankheitsbedingte Leistungsbeeinträchtigungen beurteilen, sollten sie über Kenntnisse zum Krankheitsbild und zu geeigneten Behandlungsmaßnahmen verfügen. Der Beitrag stellt exemplarisch psychosoziale Belastungsfaktoren für ausgewählte internistische Erkrankungen (Tumorerkrankungen, Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Niereninsuffizienz) dar und gibt Hinweise zur Beurteilung medizinischer Behandlungen und sozialmedizinischer Bewertungen. Die Bewertung internistischer Befunde kann sich auf Aspekte der Vollständigkeit, die Vereinbarkeit diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen mit AWMF-Leitlinien und das Aufzeigen eventuell vorhandener logischer Widersprüche beschränken.

Markus Hieber
Rezeption und Bewertung neurologischer Befunde

Neurologische Befunde haben bei der (neuro-)psychologischen Begutachtung kognitiver und psychischer Funktionen bzw. Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen einen hohen Stellenwert. Die Einordnung klinisch-neurologischer Befunde und Ergebnisse neurophysiologischer und bildgebender Verfahren sowie der Liquor-Diagnostik durch psychologische Sachverständige setzt Basiswissen bezüglich der strukturellen und funktionellen Neuroanatomie und der im Einzelfall vorliegenden neurologischen Erkrankung voraus. Insbesondere bei Fragestellungen zur Kausalität neuropsychologischer Funktionsstörungen ist die Beziehung zwischen einem Läsionsort und der funktionellen Störung von wesentlicher BedeutungIm Beitrag werden Aspekte zur Rezeption und Bewertung neurologischer Befunde sowie Behandlungsberichte von Erkrankungen des Nervensystems und wesentliche Aspekte sozialmedizinischer Leistungsbeurteilungen erläutert.

Andrea Diebel
Rezeption und Bewertung psychiatrischer und psychosomatischer Befunde

Die Integration psychiatrischer und psychosomatischer Befunde in psychologische Gutachten ist in unterschiedlichen Begutachtungskontexten geboten. Meist geht es um die Frage, inwiefern psychische Eigenschaften, Funktionen oder Verhaltensweisen einer Person als Teil oder Ausdruck einer krankheitswertigen oder behandlungsbedürftigen psychischen Störung zu bewerten sind. Psychologische Sachverständige, die zu Fragen krankheits- oder störungsbedingt geminderter Funktionseinschränkungen oder Verhaltensauffälligkeiten Stellung nehmen, müssen in der Lage sein, psychiatrische Befunde zu interpretieren und in eigene psychologische Bewertungen einzubeziehen. Der Beitrag skizziert Kernpunkte des psychiatrischen Vorgehens, Prinzipien psychiatrischer Befunderstellung und gibt Hinweise zur Interpretation psychiatrischer bzw. psychosomatischer Befunde und Behandlungsmaßnahmen und sozialmedizinischer Bewertungen.

Bettina H. Bewernick
Rezeption und Bewertung medizinischer Befunde zu Erkrankungen des muskuloskeletalen Systems

Die psychologische Begutachtung körperlicher Kraft-, Ausdauer-, Beweglichkeits- oder Koordinationsbeeinträchtigungen erfordert insbesondere bei Schmerzen und Funktionsstörungen am Bewegungssystem medizinische Grundkenntnisse sowie Anhaltspunkte für die Beurteilung medizinischer Befund- und Behandlungsberichte. Der Beitrag gibt Hinweise zur Rezeption und Bewertung rheumatologischer und orthopädischer Befunde und Behandlungsberichte sowie zum Umgang mit sozialmedizinischen Bewertungen von Erkrankungen des muskuloskeletalen Systems.

Ralf Dohrenbusch
Rezeption und Bewertung von Labordaten und Biomarkern

Laborbefunde sind bei der (neuro-)psychologischen Begutachtung kognitiver und psychischer Funktionen bzw. Funktions- und Leistungsbeeinträchtigungen von Relevanz. Während die Befunderhebung und Diagnosestellung auf der Basis von Laboruntersuchungen sowie die Überwachung und Kontrolle der Einnahme von verordnungspflichtigen Medikamenten mit ihren Haupt- und Nebenwirkungen ausschließlich Ärzt*innen vorbehalten ist, kann die Berücksichtigung und Einordnung von Laborparametern durch psychologische Sachverständige sinnvoll und notwendig sein, um Fragestellungen auf psychologischen Fachgebieten gerecht zu werden. Dies setzt Basiswissen bezüglich der Bedeutung erhobener Laborparameter im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen voraus. Sowohl im Rahmen finaler als auch kausaler gutachterlicher Fragestellungen, die sich auf psychische oder neurologische Erkrankungen und neuropsychologische Funktionsstörungen beziehen, zeichnet die Kenntnis der wichtigsten Laborparameter und deren möglicher Bedeutung bei Abweichung interdisziplinäre Kompetenz aus.Psychologische Sachverständige sollten darüber hinaus Indikationen, Wirkmechanismen und Nebenwirkungen der gebräuchlichsten Psychopharmaka und psychotrop wirkenden Substanzen kennen, um deren möglichen Einfluss auf Leistungsverhalten und Funktionsniveau im Einzelfall kritisch beurteilen zu können. Darüber hinaus dient dieses fachspezifische Wissen als Beurteilungsgrundlage suffizienter Behandlungsstrategien.Im Beitrag werden gutachterlich relevante Aspekte zur Rezeption und Bewertung von Laborbefunden sowie psychotroper Substanzwirkungen und pharmakologischer Behandlungsansätze erläutert.

Andrea Diebel

Datengewinnung und Diagnostik

Frontmatter
Planung und Durchführung einer psychologischen Untersuchung

Der Beitrag beschreibt aus der Perspektive der beauftragten Sachverständigen das konkrete gutachterliche Vorgehen von der Bewertung des Gutachtenauftrags über die Planung und Terminierung der Untersuchung bis zu ausgewählten Aspekten der Untersuchungsgestaltung und – durchführung. Im Schwerpunkt beziehen sich die Empfehlungen auf Begutachtungen bei funktions- und leistungsdiagnostischen Fragestellungen. Sie stützen sich sowohl auf die einschlägige Literatur zur psychologischen Diagnostik und Begutachtung als auch auf persönliche Erfahrungen des Verfassers als neuropsychologischer Sachverständiger.

Herbert König
Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern

Die Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern geschieht in Deutschland mehrheitlich auf der Grundlage klassischer Bewerbungsunterlagen. Dies sind im Einzelnen immer noch ein Bewerbungsfoto, ein Anschreiben, ein tabellarischer Lebenslauf und diverse Zeugnisse. Darüber hinaus bietet sich seit einigen Jahren die Möglichkeit, durch den Einsatz der Computer-Technologie online zusätzliche Daten heranzuziehen. Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, welche Methoden bzw. Informationen einen validen Beitrag zur Vorauswahl von Bewerberinnen und Bewerbern leisten können. Vor dem Hintergrund der Forschung werden Empfehlungen für die Praxis gegeben.

Uwe Peter Kanning
Verhaltensbeobachtung in psychologischer Begutachtung

Verhaltensbeobachtung ist eine Erhebungsmethode, die in Kombination mit anderen Methoden einen Beitrag zur Beschreibung und Validierung psychischer Eigenschaften leisten kann. Der Beitrag nennt praktikable Unterscheidungen, anhand derer Verhaltensbeobachtungen in einer psychologischen Untersuchung vorgenommen werden können. Schwerpunkte liegen auf Empfehlungen für die dimensionale Verhaltensbeobachtung und darauf bezogene Operationalisierungen, insbesondere auf Beobachtungsmerkmalen des äußeren Erscheinungsbildes der zu beurteilenden Person, des Interaktionsverhaltens, der klinischen Symptomatik und des Klageverhaltens, des Test bzw. Leistungsverhaltens sowie auf Verhaltensmerkmalen zur ergänzenden Beurteilung der Validität von Selbstauskünften. Die Empfehlungen können genutzt werden, um Fremdbeobachtungen und Fremdbeurteilungen im Begutachtungskontext zu vereinheitlichen.

Uwe Kleinemas, Ralf Dohrenbusch
Verhaltensbeobachtung im stationären Setting

Im alltäglichen Erleben stellt das Wahrnehmen von Verhalten eine wichtige Informationsquelle dar, auf deren Grundlage wir zahlreiche Schlüsse ziehen. Von dieser alltäglichen, häufig unbewussten Wahrnehmung ist die Verhaltensbeobachtung als strukturierte Methode zur Erfassung von Verhalten abzugrenzen. Verhaltensbeobachtung als diagnostische Methode meint die systematische, zielgerichtete und selektive Wahrnehmung und Beschreibung situativen Verhaltens. In vielen Disziplinen ist sie als Methode verankert, um menschliches Verhalten in verschiedenen Kontextbedingungen zu beschreiben. Besondere Vorteile systematischer Verhaltensbeobachtung im stationären Behandlungskontext sind, dass das Verhalten über einen längeren Zeitraum in verschiedenen Behandlungskontexten relativ einheitlich erhoben und diese Beobachtungen systematisch im Team abgeglichen werden können. Beobachtetes Verhalten kann so wesentlich zur Sicherung diagnostischer Aussagen, zur Erfassung von Verarbeitungsstrategien sowie des funktionalen Leistungsniveaus beitragen.

Franziska Kessemeier, Bettina Hesse, Ralf Dohrenbusch
Eignungsdiagnostische Methoden

Die Leistungsfähigkeit einer jeden Organisation hängt u. a. davon ab, dass professionelle eignungsdiagnostische Methoden zum Einsatz kommen. Sie sorgen dafür, dass die richtigen Menschen eingestellt und innerhalb des Unternehmens entsprechend ihrer Eignung platziert werden. Darüber hinaus unterstützen sie die Personalentwicklung. Der vorliegende Beitrag informiert über grundlegende Methoden der Eignungsdiagnostik und gibt dabei konkrete Hinweise zur Optimierung der eingesetzten Methoden. Überdies wird in einem eigenen Abschnitt der potenzielle Nutzen künstlicher Intelligenz in der Eignungsdiagnostik diskutiert.

Uwe Peter Kanning
Eignungsdiagnostische Interviews

In diesem Kapitel wird die Bedeutung von diagnostischen Interviews zur Beurteilung der Eignung von Personen für Studien, Ausbildungen und Berufe dargestellt. Dabei werden nicht nur die Vorteile, sondern auch die Herausforderungen von Eignungsinterviews bei der Erfassung relevanter eignungsdiagnostischer Informationen diskutiert. Die Rolle von diagnostischen Gesprächen im gesamten Prozess der Eignungsbeurteilung wird erörtert. Hierbei werden die Festlegung von Anforderungen, verschiedene Interviewformen, die Bedeutung von Gesprächsleitfäden und die Auswertung von eignungsdiagnostischen Interviews behandelt. Um die Qualität der Interviews bewerten zu können, ist es entscheidend, psychometrische Standards, verschiedene Qualitätsrichtlinien und rechtliche Grundlagen einzuhalten, die ebenfalls in diesem Kapitel thematisiert werden.

Sonja Breuer, Tuulia M. Ortner
Methoden der Fahreignungsdiagnostik

Medizinisch-psychologische Gutachten spielen eine wichtige Rolle im verwaltungsbezogenen Fahreignungsrecht. Zur Einschätzung des Gefährdungspotenzials von KraftfahrerInnen benötigen Fahrerlaubnisbehörden die Expertise verkehrspsychologischer GutachterInnen. Diese erstellen basierend auf einer diagnostischen Einordnung der Schwere der Delinquenzproblematik Prognosen künftigen Verkehrsverhaltens. Dieser Beitrag beleuchtet eingesetzte Methoden, wie Fragebögen, Tests, Beobachtungen des Fahrverhaltens und Interviews. Fachliche sowie rechtliche Qualitätsanforderungen müssen beachtet werden, damit das Gutachten im Rechtsverkehr verwertbar ist. Abschließend werden künftig herausfordernde neue Risikophänomene und methodologische Weiterentwicklungen, insbesondere die Digitalisierung, aufgezeigt.

Thomas Wagner, Udo Kranich
Psychodiagnostik feinmotorischer Funktionen

Die Beurteilung feinmotorischer Fähigkeiten ist ein Teilbereich der Psychodiagnostik motorischer Funktionen, der auch diagnostische Bereiche ohne expliziten Bezug zur Motorik einschließen kann. So können auch kognitive Leistungstestergebnisse, die von den Testpersonen schnelle und sichere motorische Reaktionen erfordern, mit motorischen Fähigkeiten konfundiert sein. Der Beitrag informiert über eine Taxonomie zur Beschreibung feinmotorischer Funktionen, das Vorgehen bei der Erfassung feinmotorischer Dysfunktionen und über Möglichkeiten der Validierung feinmotorischer Testergebnissen. Schwerpunkte bilden die Darstellung ausgewählter Testverfahren zur Feinmotorik und die Integration dieser und anderer Datenquellen in einen psychologischen Befund. Im Vordergrund steht die Feinmotorik der Hände, Aspekte der Gesichtsmotorik und der Mimik werden gestreift.

Robbi Brockhaus, Mara Gülden
Motorische Entwicklungsdiagnostik

Die Diagnose des motorischen Entwicklungsstandes stellt eine grundlegende Notwendigkeit im Bestreben nach einer effektiven motorischen Förderung über die Lebensspanne. Je nach fokussierter Lebensphase, motorischem Aufgabenbereich und Zielgruppe stehen dem Anwender dabei unterschiedliche motorische Entwicklungstests zur Verfügung. Im vorliegenden Beitrag wird auf der Grundlage differential- und entwicklungspsychologischer sowie testtheoretischer Überlegungen eine Auswahl von motorischen Entwicklungstests in Form von Kurzcharakterisierungen vorgestellt, welche nach Einschätzung der Autoren dieses Beitrages einen anwendungsorientierten und dabei wissenschaftlich abgesicherten Einsatz in den oben genannten Ausrichtungen ermöglichen. Hierbei handelt es sich um den Entwicklungstest 6 Monate bis 6 Jahre, die Movement Assessment Battery for Children – Second Edition, den Bruininks-Oseretzky Test der motorischen Fähigkeiten (2. Auflage), den Test of Gross Motor Development 3, den Deutschen Motorik Test 6–18, die Motorische Leistungsserie sowie das Europäische Fitness Badge. Anhand der Instrumente zur Erfassung der motorischen Basiskompetenzen wird abschließend die Perspektive einer pädagogisch-psychologischen Erweiterung der differential-psychologisch tradierten motorischen Entwicklungsdiagnostik aufgezeigt.

Matthias Wagner, Darko Jekauc, Heinz Mechling, Klaus Bös
Klinisch-psychologische Diagnostik bei Kindern und Jugendlichen

Der Beitrag beschreibt Bestandteile klinisch-psychologischer Diagnostik im Kindes- und Jugendalter. Erläutert werden die Relevanz des medizinischen Befundes und seine Rolle im diagnostischen Prozess. Weiterhin werden Besonderheiten der psychologischen Diagnostik von Kindern und Jugendlichen herausgearbeitet. Ergänzt werden sie um Empfehlungen zur Auswahl von Untersuchungsmethoden und zur gutachtlichen Urteilsbildung.

Doreen Balke
Systemdiagnostik in der Einzelfallbeurteilung

Das Kapitel gibt einen Überblick über die Systemdiagnostik in der psychologischen Einzelfallbeurteilung (z. B. Psychotherapie, Beratung, familienrechtliche Begutachtung). Zentrale Begriffe werden erklärt, dann auf interpersonelle Diagnostik im klinischen Kontext eingegangen und verschiedene relevante deutschsprachige Verfahren kurz beschrieben, nämlich familien- und systembezogene Fragebögen zum aktuellen Kontext (Fragebogen zum Erleben in sozialen Systemen, Systemic Clinical Outcome and Routine Evaluation, Partnerschaftsfragebogen) und zur Herkunftsfamilie (Adverse Childhood Experiences Fragebogen, Childhood Trauma Questionnaire), Verfahren der Bindungsdiagnostik (Fremde Situation Test, Adult Attachment Interview, Experiences in Close Relationships Fragebogen), ein Fremdrating-Verfahren zur interpersonellen Diagnostik (Global Assessment of Relationship Functioning), ein projektives Verfahren („Familie in Tieren“) und symbolisch-metaphorische Verfahren (Genogramm, Skulpturverfahren wie Familienbrett, Familiensystemtest und Familienskulptur). Der Text schließt ab mit einer Diskussion.

Kirsten von Sydow
Psychophysiologische und elektrophysiologische Methoden

In der psychophysiologischen Einzelfalldiagnostik werden zentralnervöse und peripher-physiologische Maße genutzt, um Rückschlüsse auf psychologische Korrelate zu ziehen, die zur Validierung von Funktionsbeschreibungen sowie psychischer, somatischer und psychosomatischer Störungsbilder genutzt werden können. Limitationen dieser Maße liegen in ihrer geringen Spezifität und ihrer hohen interindividuellen Varianz. Trotzdem gewinnen physiologische Methoden in der Eigenschafts- und Veränderungsdiagnostik immer mehr an Bedeutung. Das Kapitel bietet einen Überblick über gängige psychophysiologische Methoden und Kennwerte und ordnet diese in ihren jeweiligen Anwendungskontext ein. Entsprechende Messinstrumente und Analysesysteme werden vorgestellt und bezüglich ihrer Vor- und Nachteile diskutiert.

Merlin Monzel
Methoden der internetbasierten Diagnostik in der Psychologie

Computer und andere Informationstechnologien können viele Aufgaben in der psychologischen Diagnostik unterstützen oder überhaupt erst ermöglichen. Dies reicht von Erstgesprächen zur Exploration der Problemlage über Videokonferenzsysteme bis hin zu internetbasierten Persönlichkeits- und Leistungsmessungen oder der Erfassung biophysiologischer Merkmale und Aktivitätsmuster mittels tragbarer Sensortechnik. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über internetbasierte Methoden in der psychologischen Diagnostik und diskutiert deren Möglichkeiten für verschiedene Anwendungsfelder.

Timo Gnambs

Validierungsdiagnostik

Frontmatter
Aussagepsychologische Exploration

Die aussagepsychologische Exploration steht im Zentrum der Begutachtungsmethodik bei der Glaubhaftigkeitsbegutachtung der Aussagen von Zeuginnen und Zeugen. Nach einer kurzen Einführung in die Grundlagen der aussagepsychologischen Glaubhaftigkeitsbegutachtung werden die verschiedenen Erhebungsdimensionen und psychologischen Untersuchungskonstrukte dieses Explorationsprozesses beschrieben, die spezifische Explorationsmethodik skizziert und ausgewählte Fehlerquellen beschrieben.

Luise Greuel
Objektive Persönlichkeitstests

Dieser Beitrag stellt sogenannte Objektive Persönlichkeitstests (OPTs) vor und beschreibt Meilensteine ihrer Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten. OPTs zielen darauf ab, Persönlichkeitsmerkmale anhand objektiv zu beobachtender Verhaltensweisen und Reaktionen in standardisierten Situationen zu erfassen, wobei diese Verfahren auch den Gütekriterien psychometrischer Tests genügen sollen. Sie unterscheiden sich damit von Fragebögen, die Persönlichkeit zumeist eingeschätzt über subjektive Selbstberichte erfassen. OPTs weisen eine große Heterogenität im Hinblick auf ihre Konzeption, auf Itemformate und ihre Verrechnung auf und unterscheiden sich ebenso stark in ihren psychometrischen Merkmalen. Ihr Wert für die diagnostische Praxis liegt insbesondere in der zusätzlichen Varianz im Rahmen einer multimethodischen Informationsgewinnung.

Tuulia M. Ortner
Kognitive Beschwerdenvalidierungstests

Kognitive Beschwerdenvalidierungstests sind eigenständige Verfahren und standardisierte Kennwerte, Indizes oder Untertests, die Aussagen über die Mitwirkung untersuchter Personen in der psychologischen Diagnostik gestatten und aus deren Ergebnissen die Gültigkeit oder Glaubhaftigkeit ermittelter Leistungsprofile abgeleitet wird. Neben einer begrifflichen Klärung wird ein kurzer historischer Abriss der Entwicklung dieser Verfahren geliefert, die konzeptionell heute nicht mehr als Simulations- oder Aggravationstests aufgefasst werden können und sollen. Die Konstruktion standardisierter Alternativwahlverfahren zur Identifikation von interessegeleiteten Darstellungsformen ab Ende der 1990er-Jahre kennzeichnet den Beginn der Ära der modernen Beschwerdenvalidierung. Dennoch erfreuen sind auch veraltete Verfahren in der Praxis weiterhin großer Beliebtheit, wenngleich immer wieder vor ihrer kritiklosen Anwendung gewarnt wird. In einem Verfahrensüberblick wird auf ausgewählte eigenständige und eingebettete kognitive Beschwerdenvalidierungstests verwiesen, die im deutschen Sprachraum einsetzbar sind und für die eine bedeutsame empirische Forschungsliteratur nachweisbar ist. In einem sich unvermindert rasch entwickelnden Anwendungsgebiet der psychologischen Diagnostik ist eine hohe Fachkompetenz Voraussetzung dafür, auf gutachtliche Fragestellungen und komplexe klinische Konstellationen auf hohem Niveau antworten zu können.

Thomas Merten
Einzelfallexperimentelle Alternativwahlverfahren

Einzelfallexperimentelle Alternativwahlverfahren wurden früh im Rahmen der Beschwerdenvalidierung entwickelt; sie dienen also der Überprüfung der Glaubhaftigkeit geltend gemachter Funktionsstörungen oder der Gültigkeit erhobener Befunde. Mit Hilfe verteilungsbasierter Statistiken lassen sich insbesondere exakte Wahrscheinlichkeiten dafür berechnen, dass ein Antwortmuster mit einem Totalausfall der jeweiligen Funktion kompatibel ist oder, alternativ, auf eine gezielt und bewusst falsche, manipulative Art der Antwortabgabe durch die untersuchte Person zu schließen ist. Mit den beginnenden 1990er-Jahren haben diese individuell konzipierten Tests an Bedeutung verloren und standardisierten Verfahren, die nach dem gleichen Prinzip aufgebaut sind, Platz gemacht. Dennoch stellen sie bis heute eine potente und manchmal unersetzliche Methode dar, die Natur geltend gemachter sensorischer oder kognitiver Störungen aufzuklären. Ein spezielles Einsatzgebiet, in dem die Methode mancherorts weiterhin eingesetzt wird, ist die Aufklärung behaupteter Amnesien für eine Straftat. Eine vertiefende Beschäftigung und die Beherrschung dieser einzelfallexperimentellen Methode ist in mehrfacher Hinsicht zu empfehlen und stellt eine bedeutsame Repertoireerweiterung insbesondere gutachtlich arbeitender Neuropsychologen oder Klinischer Psychologen dar, kann aber auch in klinischen und rehabilitativen Vorstellungskontexten von Vorteil sein.

Thomas Merten
Erfassung von Antworttendenzen in multidimensionalen Persönlichkeitsfragebögen

Bei der Untersuchung von klinisch relevanten Persönlichkeitseigenschaften mit Selbstbeurteilungsfragebögen ist die Erfassung von Antworttendenzen mit Validitätsskalen oder -indizes notwendig. Diese Skalen können sowohl Tendenzen zur Übertreibung von Beschwerden verschiedener Art als auch Tendenzen zur Bagatellisierung von Beschwerden und Schwächen erkennen. Empirische Untersuchungen zur Validität solcher Kontrollskalen liegen überwiegend für die vier Generationen des Minnesota Multiphasic Personality Inventory (MMPI, MMPI-2, MMPI-2-RF und MMPI-3) vor und in geringerer Zahl für das Personality Assessment Inventory (PAI; Titel der deutschsprachigen Version: Verhaltens- und Erlebensinventar, VEI). Im Beitrag werden die wichtigsten Kontrollskalen vorgestellt und empirische Daten dazu berichtet.

Rolf R. Engel
Validierung bei erhöhtem Risiko positiv verzerrter Angaben

Positive Antwortverzerrungen bezeichnen die Tendenz, sich bei Aussagen über die eigene Person weniger an tatsächlichen als an erwünschten Merkmalen der eigenen Person zu orientieren. Die Tendenz zu positiv verzerrter Selbstbeschreibung ist im Kontext der Personenbefragung weit verbreitet und kann besonders ausgeprägt sein in Situationen, in denen die befragte Person ein forciertes Interesse an einer uneingeschränkt positiven Selbstdarstellung hat. Dies trifft z. B. zu auf Untersuchungen zur Beurteilung von Fahreignung, Geschäftsfähigkeit, Sorgerechtsentscheidungen, Haftentlassung oder bei beruflichen Personalentscheidungen. Der Beitrag nennt Prinzipien der Erfassung positiv verzerrter Selbstbeschreibungen. Im Fokus stehen Kontrollskalen des MMPI-2 zur Erfassung positiver Antwortverzerrungen. Für zwei Gruppen mit erhöhtem Risiko für positive Antwortverzerrungen (familienrechtliche Begutachtung, Straf- und Maßregelvollzug) werden Normwerte dargestellt, anhand derer Antworttendenzen quantitativ beurteilt werden können.

Ralf Dohrenbusch, Robbi Brockhaus
Validierung von Selbstauskünften bei erhöhtem Risiko negativ verzerrter Angaben

In die Beurteilung von Selbstauskünften sollten im Begutachtungskontext Risiken für ergebnisorientierte Antwortverzerrungen einbezogen werden. Der Beitrag skizziert Prinzipien der Erstellung von Kennwerten zur Erfassung negativer Antwortverzerrungen und gibt Hinweise zu ihrer Interpretation. Im Fokus stehen neue Normen und Interpretationshinweise für ausgewählte MMPI-2-Skalen zur Erfassung negativer und positiver Antwortverzerrungen bezogen auf Probanden mit körperlichen Erkrankungen und psychischen Störungen.

Robbi Brockhaus, Ralf Dohrenbusch

Gutachterliche Urteilsbildung

Frontmatter
Heuristiken und Biases in der psychologischen Urteilsbildung

Systematische Entscheidungsverzerrungen, die beispielsweise durch Heuristiken entstehen, sind auch in der psychologischen Urteilsbildung zu finden. Bekannte Heuristiken sind die Verfügbarkeitsheuristik, die Repräsentativitätsheuristik, die Affektheuristik und die Anker- und Anpassungsheuristik. Andere Forschungsansätze unterstreichen jedoch auch die Vorteile von Heuristiken im situativen Gebrauch. Die positive Teststrategie und der Bestätigungsfehler werden als weitere Entscheidungsverzerrungen diskutiert. Es werden empirische Ergebnisse zur Entscheidungsverzerrung präsentiert und Strategien zur Reduzierung von Verzerrungen vorgestellt.

Susanne M. Schmittat
Systematische Fehler der Personenbeurteilung

Andere Personen zu beurteilen, ist eine Aufgabe, der sich jeder Mensch nahezu täglich stellen muss, sei es im Straßenverkehr, an der Kasse im Supermarkt oder im Berufsleben. In der Regel laufen derartige Bewertungen sehr schnell und unbewusst ab, ohne dass sich die Bewertenden kritisch mit der Qualität ihrer Einschätzung beschäftigen. Insbesondere im beruflichen Kontext – z. B. im Rahmen der Personalauswahl oder der Leistungsbeurteilung – wäre dies aber sehr zu wünschen, denn seit vielen Jahrzehnten zeigt die Forschung, dass Beurteilungen, die „aus dem Bauch heraus“ getroffen werden, mit systematischen Fehlern verbunden sind. Das vorliegende Kapitel stellt grundlegende Phänomene der fehlerhaften Beurteilungen dar und diskutiert zum Schluss die Frage, wie sie sich reduzieren lassen.

Uwe Peter Kanning
Bias in der forensisch-psychologischen Begutachtung

Biases (Urteilsverzerrungen) sind ein inhärentes Phänomen der menschlichen Informationsverarbeitung und treten folglich auch im Rahmen forensisch-psychologischer Begutachtungen bei Sachverständigen auf. Angesichts der weitreichenden Konsequenzen, die forensisch-psychologische Begutachtungen für Individuen und die Gesellschaft haben, sollten Beurteilungsprozesse in diesem Rahmen so weit wie möglich von Biases befreit werden. In diesem Kapitel wird ein prozessorientiertes Bias-Verständnis eingeführt, das es ermöglicht, theoretische Überlegungen und empirische Erkenntnisse zu verschiedenen Bias-Formen zusammenzuführen. Hierauf aufbauend wird ein Überblick über die empirischen Forschungsbefunde zu Biases in forensisch-psychologischen Begutachtungen gegeben und die Frage diskutiert, wie Biases durch den Einsatz effektiver Debiasing-Strategien reduziert werden kann.

Verena Oberlader, Alexander F. Schmidt
Beiträge der Wahrnehmungspsychologie für die Einzelfallbeurteilung

Der Beitrag fasst ausgewählte Erkenntnisse und Ergebnisse der Wahrnehmungspsychologie in den für die Einzelfallbeurteilung relevanten Ausschnitten zusammen. Aufgeführt sind psychophysikalische, bezugssystemtheoretische und psychophysiologische Erkenntnisse, die in der psychologischen Forschung als weitgehend gesichert gelten und daher auch für Sachverständige im Einzelfall von Bedeutung sind. Schwerpunkte bilden Ausführungen zur Wahrnehmungsorganisation, zur Analyse und Bedeutung des individuellen Bezugssystems für die Wahrnehmung und Empfehlungen zur Erhebung von Informationen zu Störungen der Wahrnehmung.

Alina Seidel
Beiträge der Entwicklungspsychologie für die Einzelfallbeurteilung

In diesem Beitrag werden ausgewählte Theorien und Befunde aus dem Bereich der Entwicklungspsychologie als Orientierungsgrundlage für psychologische Einzelfallbeurteilungen vorgestellt. Unter Einnahme einer Perspektive der Lebensspannenpsychologie werden durchschnittliche Entwicklungsverläufe verschiedener Fähigkeiten und Funktionsbereiche, Einflüsse auf die individuelle Entwicklung und Mechanismen der Entwicklungsregulation behandelt. Der Beitrag konzentriert sich auf die Spanne des Erwachsenenalters und gibt einen Überblick über die kognitive, soziale und emotional-motivationale Entwicklung.

Carlotta Grünjes, Lena Stahlhofen
Entwicklungspsychologische Aspekte bei Begutachtungen

In diesem Kapitel werden biologische Vulnerabilitäten (z. B. Geburtskomplikationen, Suchtmittel während der Schwangerschaft) sowie Kontextfaktoren aus der Familie (z. B. Kindheitserfahrungen, Erziehungsverhalten, Coparenting) und der Schule (z. B. Peerbeziehungen) beschrieben, welche für die gesundheitliche Entwicklung und die Lernerfahrungen eines jungen Menschen bedeutsam sind. Beispiele für die Exploration und ergänzende Fragebogen werden vorgestellt.

Max Supke, Beate Muschalla
Beiträge der differentiellen Psychologie für die Einzelfallbeurteilung

Die differenzielle Psychologie beschäftigt sich mit individuellen Unterschieden im typischen Verhalten und maximalen Leistungspotenzial. Sie liefert für die Einzelfallbeurteilung wichtige Erkenntnisse zu Populationsverteilungen, Zusammenhängen und zur Prädiktivität psychosozialer Merkmale und zeigt Vorteile des dimensionalen Ansatzes auf. Individuelle Unterschiede unterliegen interagierenden genetischen, biologischen und Umwelteinflüssen. Über viele verschiedene Lebensbereiche hinweg ist Intelligenz der beste allgemeine psychologische Prädiktor für verschiedene Kriterienvariablen. Persönlichkeit kann darüber hinaus geringere, aber inkrementelle Vorhersagen leisten.

Johanna Hartung
Anforderungsanalyse

Arbeitsanforderungsanalyse ist wichtiger Bestandteil bei Personalauswahl, ebenso wie bei Wiedereingliederungen. Heutzutage müssen Arbeitnehmende nicht nur fachliche Kompetenzen mitbringen. Soziale und Organisations-Fähigkeiten, Persönlichkeitseigenschaften und Fähigkeit zum Wertrelativismus werden immer wichtiger. Fähigkeitsgerechte Arbeitsplätze können zu höherer Arbeitsleistung, Arbeitszufriedenheit und einer Verringerung psychischer Belastungen beitragen, weshalb ein hoher Person-Job-Fit angestrebt werden sollte. In diesem Buchkapitel werden die verschiedenen Fähigkeitsanforderungen am Arbeitsplatz dargestellt. Grundprinzipien zur Durchführung von Anforderungsanalysen in der Personalauswahl werden anhand dreier gängiger Analysemethoden skizziert. Abschließend veranschaulicht ein konkretes Praxisbeispiel die Exploration von Arbeitsanforderungen mittels des Mini-ICF-APP-W-Interviews, welches auf dem in der Sozialmedizin etablierten Arbeitsfähigkeits-Befund (AWMF, 2019) basiert.

Lilly Paulin Werk, Beate Muschalla
Beurteilung motorischer Leistung

Dieses Kapitel bietet eine Betrachtung der Beurteilung motorischer Leistung und ihrer Bedeutung für die individuelle Entwicklung einer Person. Motorische Fähigkeiten wie Ausdauer, Kraft und Beweglichkeit, die entscheidend für Gesundheit, psychisches Wohlbefinden und soziale Teilhabe sind, werden dargestellt. Der Schwerpunkt liegt auf dem diagnostischen Prozess einschließlich der Bewertung des motorischen Kompetenzniveaus, von Fähigkeitsdefiziten und der Effektivität von Fördermaßnahmen. Das Kapitel beleuchtet verschiedene diagnostische Methoden wie Funktionstests, subjektive Einschätzungen, apparative Verfahren und motorische Verhaltenstests. Die Rolle des Vorwissens und der Erfahrung des Diagnostikers im Urteilsbildungsprozess wird hervorgehoben, wobei das Linsenmodell von Brunswik als Rahmen für die Informationsverarbeitung dient. Es wird aufgezeigt, wie klinische und mechanische Urteilsbildungsstrategien die Datenintegration beeinflussen und die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Urteile steigern können. Das Kapitel schließt mit einem Ausblick auf die Anwendung dieser Erkenntnisse in der Praxis.

Darko Jekauc, Matthias Wagner, Heinz Mechling, Klaus Bös
Beurteilung kognitiver Funktionen

Die Beurteilung kognitiver Funktionen und Fähigkeiten bildet einen Schwerpunkt psychologisch-diagnostischer und gutachterlicher Tätigkeit. Sie erfordert fundierte Fachkenntnisse zu kognitionspsychologischen Theorien und Modellen, zu mess- und testtheoretischen Grundlagen und zur einzelfallbezogenen Integration von Datenebenen und Datenquellen in psychologische Befunde. Der Beitrag informiert über Systematisierungen zur Beschreibung und Messung kognitiver Funktionen und Prinzipien ihrer multimethodalen Erfassung und gibt Hinweise zur diagnostischen Urteilsbildung. Schwerpunkte liegen auf Empfehlungen zur Bewertung psychometrischer Testergebnisse und zur Integration methodenspezifischer Informationen. Er schließt mit Vorschlägen zur Bewertung der Auswirkungen kognitiver Funktionseinschränkungen auf das allgemeine Funktionsniveau bei sozialrechtlichen Fragestellungen zu Einschränkungen der Teilhabe.

Ralf Dohrenbusch, Alina Seidel
Beurteilung emotionaler Teilfunktionen

Die Beurteilung emotionaler Funktionen wird als wichtiger Aspekt der psychologischen Begutachtung angesehen, um vergangene, aktuelle oder künftige Erlebens- und Verhaltensweisen einer Person zu beschreiben, zu erklären und vorherzusagen. Der Beitrag stellt grundlegende psychologische Unterscheidungen, Konzepte und Modelle zum Erleben, zum Ausdruck und zur Verarbeitung von Emotionen dar, die für die Beurteilung von Personen in unterschiedlichen Konflikt- und Entscheidungssituationen bedeutsam sein können. Der Schwerpunkt liegt auf Hinweisen zur Erhebung der für die Beurteilung emotionaler Teilfunktionen relevanten Informationen. Außerdem werden Vorschläge für die diagnostische bzw. gutachterliche Bewertung ausgewählter emotionaler Teilfunktionen formuliert.

Nicole Aspacher
Beurteilung emotionaler Intelligenz

Emotionale Intelligenz bezeichnet die Fähigkeit, eigene und fremde Emotionen zu erkennen und diese Information zur Steuerung eigenen und fremden Handelns zu nutzen. Jedoch herrscht Uneinigkeit über verschiedene Aspekte des Konstruktes, angefangen bei der genauen Definition, über Fragen der adäquaten Messung bis hin zur generellen Anzweiflung der Validität des Konstruktes. Nicht zuletzt wird diskutiert, ob emotionale Intelligenz mit relevanten Außenkriterien in Verbindung steht oder nur ein Amalgam bereits etablierter Konstrukte ist (z. B. bestimmter Persönlichkeitsmerkmale). In der Einzelfallbeurteilung besteht ein großes Interesse daran, zu verstehen, wie interindividuelle Unterschiede in der erfolgreichen Bewältigung emotionaler und sozialer Interaktionssituationen sowie im Umgang mit eigenen Emotionen zustande kommen. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick über verschiedene Perspektiven der Forschungslandschaft zur emotionalen Intelligenz, um auf dieser Basis praktische Hinweise für den Einsatz im gutachterlichen Kontext zu generieren.

Iris Kranefeld
Urteilsbildung bei Fragen zur Kausalität psychischer Störungen

Die Frage des Ursachenzusammenhangs einer psychischen Störung ist nur im Rahmen einer komplexen, möglichst evidenzbasierten und theoretisch fundierten Untersuchungsstrategie nachvollziehbar zu klären. Es bestehen noch keine Leitlinien und kaum fachliche Artikel dazu, wie eine psychologisch fundierte Ursachenklärung vorgenommen werden soll. Als Maßstab gelten psychiatrische Vorschläge, die psychologische Methoden und Theorien eher als Ergänzung statt zentral wesentlich für die kausale Bedingungsanalyse einschätzen. In der Praxis ersetzt eine wertende gutachterliche Entscheidung häufig eine stringente theoretische Argumentation, die den juristischen Organen schlußendlich die Bewertung überläßt. Das vorliegende Kapitel versteht sich als ein Beitrag zur Standortbestimmung. Eigene psychologische Standards zu Fragen der Kausalitätsklärung psychischer Störungen sind ein anzustrebendes Ziel, damit sich die Validität und Reliabilität von Zusammenhangsgutachten verbessert.

Gordon Krahl
Beurteilung von Behandlungsbedarf und Behandlungswirkung bei psychischen Störungen

Der Beitrag behandelt aus neutraler gutachterlicher Perspektive Kriterien für die Psychotherapieindikation sowie Konzepte und Methoden zur Beurteilung von Behandlungswirkungen. Zur Therapieindikation liefern klassifikatorische Diagnosen eine notwendige, aber keine hinreichende Begründung. Sie sollten zumindest um Angaben zur Steuerungsfähigkeit ergänzt werden. Die Beurteilung von Behandlungswirkungen sollte durch mehrere Datenquellen und auf mehreren Datenebenen gesichert werden und symptom- und funktionsbezogene Erfolgsmaße berücksichtigen. Aspekte interessensgeleitet verzerrter Ergebnisbewertungen sind im unparteilichen Kontext der Begutachtung ebenfalls zu beachten.

Ralf Dohrenbusch
Potenzialanalyse bei Langzeitarbeitslosigkeit

Langzeitarbeitslosigkeit hat negative Auswirkungen auf die Gesundheit der betroffenen Personen. Potenzialanalysen können im Bereich der Erfassung von Stärken und Interessen bei Berufswahlentscheidungen, aber auch bei Fragen zur Reintegration in den Arbeitsmarkt nach längerer Arbeitslosigkeit hilfreich sein. Nach einer Begriffsbestimmung werden die für eine Potenzialanalyse bedeutsamen Funktionsbereiche Intelligenz, sonstige kognitive Fähigkeiten, Leistungsmotivation und Persönlichkeitsmerkmale in ihrer Bedeutung für die Einzelfallbeurteilung dargestellt. Potenziale für körperliche Leistungsfähigkeit werden nicht behandelt. Es werden Empfehlungen zur Verwendung ausgewählter Erhebungsinstrumente und zur Integration der erhobenen Befunde in die Analyse von Leistungspotenzialen gegeben.

Melanie Jagla-Franke, Gabriele H. Franke
Psychologische Beurteilung von Teilhabeeinschränkungen

Teilhabe ist ein sozialrechtlicher Orientierungsbegriff, der diverse Untersuchungs-, Erhebungs-, Urteils- und Entscheidungsprozesse beeinflusst. Seine konkrete Bedeutung bemisst sich daran, in welchem rechtlichen Kontext dem Einzelnen ein selbstbestimmtes Leben in der Gemeinschaft trotz beeinträchtigender Bedingungen ermöglicht werden soll. Die Beurteilung von Teilhabeeinschränkungen stützt sich derzeit v. a. auf das Klassifikationssystem ICF. Der Beitrag zeigt Probleme der aktuellen Bewertungspraxis und macht Vorschläge zu einem mehrstufigen Bewertungsprozess, in dem v. a. die Grenze zwischen krankheitsbedingten und nicht krankheitsbedingten Einschränkungen der Teilhabe präzisiert wird. Dazu erforderlich ist die Unterscheidung dispositioneller und prozesshafter Analysen und eine Differenzierung übergeordneter Funktionssysteme (Gesundheit, Krankheit, Leistung). Es wird empfohlen, durch den systematischen Vergleich von Gesundheits- und Krankheitseigenschaften das individuelle Muster für teilhaberelevante Verhaltensdispositionen zu bestimmen und auf dieser Grundlage die dynamische Wechselwirkung aus Anforderungsbedingungen, krankheitsbedingten Einschränkungen der funktionalen Gesundheit und intakten Funktionen bzw. Ressourcen zu bewerten.

Ralf Dohrenbusch
Beurteilung von Wohnfähigkeit

Das Wohnen ist ein Lebensbereich, dessen Bedeutung für das Wohl des Menschen nicht überschätzt werden kann. Es hat unmittelbare Auswirkungen auf das körperliche wie psychische Wohlbefinden. Rechtliche bzw. gutachterliche Fragen zur Wohnfähigkeit stellen sich u. a. bei Entscheidungen zur Unterbringung von Personen, die – z. B. bei Selbst- oder Fremdgefährdung – besonderen Schutz benötigen, bei Entscheidungen zum betreuten Wohnen, bei Fragen der Wiedereingliederung oder im Zusammenhang mit Hilflosigkeit oder Pflegebedürftigkeit.Der Beitrag informiert über Besonderheiten der Zielgruppen, bei denen sich Fragen zur Wohnfähigkeit stellen, und gibt psychologische Hinweise zur Herleitung und Begründung entsprechender Verwaltungs- oder Rechtsentscheidungen. Exponierte Bedeutung kann dabei der Fähigkeit zur Selbstversorgung zugeschrieben werden. Die Möglichkeit, Wohnfähigkeit differenzierter mittels Mini-ICF-APP-H zu beurteilen, wird näher beschrieben. Defizite in der Wohnfähigkeit können durch angemessene Wohnverhältnisse und Hilfen kompensiert werden. Im diagnostischen Gespräch können Veränderungspotenziale der personen- bzw. umgebungsbezogenen Faktoren mit den Betroffenen angesprochen werden.

Jan Podschus, Beate Muschalla
Interpretation persönlichkeits- und leistungsdiagnostischer Befunde in der Fahreignungsdiagnostik

In diesem Beitrag wird die Wichtigkeit verschiedener Datenquellen für ein valides und aussagekräftiges diagnostisches Urteil bei Fahreignungsuntersuchungen erläutert, wobei auf zwei Datenquellen – Testbefunde und Ergebnisse aus dem diagnostischen Interview – vertieft eingegangen wird. In einem weiteren Schritt werden Hinweise zur Beurteilung möglicher Verfälschungstendenzen gegeben, bevor beispielhaft Beziehungen zwischen den einzelnen psychologischen Prädiktoren und deren Gewichtung und Bewertung unter Berücksichtigung der aktuellen Forschungsliteratur dargestellt werden.

Bettina Schützhofer, Jürgen Brenner-Hartmann
Urteilsbildung in der Einzelfalldiagnostik bei Kindern und Jugendlichen

Die Urteilsbildung in der Einzelfalldiagnostik bei Kindern und Jugendlichen stellt eine Schlüsselstelle für klinisch diagnostische Entscheidungen und Behandlungsempfehlungen dar. Es wird auf die Besonderheiten der Urteilsbildung eingegangen, denn neben zahlreichen methodischen Aspekten bedarf es bei der Diagnostik mit Kindern und Jugendlichen eines umfassenden Störungswissens und profunder Kenntnisse über die normale kindliche Entwicklung und krankheitsspezifische Besonderheiten. Eine wesentliche Informationsquelle stellen dabei die Angaben der Eltern und Dritter dar, deren Wertigkeit und Gültigkeit einer Prüfung unterzogen werden müssen. Allerdings sind Ansätze zur Befundsicherung insbesondere im Sinne von Beschwerdenvalidierung noch nicht ausreichend im Kindes- und Jugendalter etabliert. Es werden methodische Aspekte der Urteilsbildung und der Umgang mit diskrepanten Ergebnissen dargestellt.

Doreen Balke, Peggy Lüttich
Begutachtung von Gefährdungsrisiken bei Kindern

Fragen zum Kindeswohl und seiner Gefährdung stellen sich unter anderem im Familienrecht, in der Kinder- und Jugendhilfe und im Strafrecht. Der Beitrag stellt Formen, Häufigkeiten, Ursachen und Folgen von Kindeswohlgefährdung im Überblick dar. Schwerpunkte bilden das diagnostische Vorgehen und Aspekte der Urteilsbildung, wenn der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung besteht und Maßnahmen zu ihrer Abwendung ergriffen werden müssen. Zudem werden Zuständigkeiten für die Einhaltung von Bestimmungen zum Kinderschutz und rechtliche Aspekte beleuchtet.

Ulrike Just
Beurteilung des Kindeswohls bei psychisch kranken Eltern

Es wird ein Überblick über das diagnostische und gutachterliche Vorgehen bei der Begutachtung zu Fragen des Kindeswohls bei psychisch kranken Eltern gegeben. Im Fokus stehen fachliche Kenntnisvoraussetzungen der Sachverständigen, Empfehlungen zur Informationserhebung und Diagnostik sowie spezielle Empfehlungen zur Beurteilung des Kindeswohls und zur Beantwortung entsprechender familienrechtlicher Fragestellungen.

Michael Wiedemann, Anita Plattner
Urteilsbildung bei Fragen zum Umgangsrecht im familienrechtlichen Verfahren

Der Prozess psychologischer Urteilsbildung wird an einem praxisnah konstruierten Beispiel aus dem Umgangsrecht vorgestellt und auf unterschiedlichen Ebenen eingeordnet. Um trotz subjektiver Einflussgrößen zu einem psychologisch angemessenen und möglichst objektiven Urteil zu gelangen, sind neben fundiertem Fachwissen auf der Seite der Sachverständigen fortlaufende (Selbst-)Reflexionsprozesse im Rahmen kollegialer Beratung, eine angemessene Ambiguitätstoleranz gegenüber widersprüchlichen elterlichen Narrativen, eine Orientierung an kindlichen Entwicklungsbedürfnissen sowie eine Beachtung von Kinderschutzthemen bedeutsam. In jedem Einzelfall wird für die Datenerhebung ein passendes multimodales Vorgehen gewählt. Anschließend werden die erhobenen objektivierbaren Befunde bezogen auf die konkreten kindlichen Entwicklungsbedürfnisse gewichtet.

Iris Bohnert
Familiensystem und Einzelfallbeurteilung im interkulturellen Kontext

Eltern haben in Deutschland das Recht, ihre Kinder nach individuellen Wertvorstellungen zu erziehen. Die Immigrationswellen der vergangenen Jahre haben allerdings deutlich gemacht, dass zum Teil Erziehungsstrategien mitgebracht werden, die nicht mit den hier geltenden rechtlichen und gesellschaftlichen Zielen vereinbar sind. Dann sind Familiengericht, Jugendamt und Sachverständige mit der Frage beschäftigt, ob in solchen Fällen bereits die Grenze zur Kindeswohlgefährdung überschritten ist. Dieser Beitrag geht der Frage nach, wie in einer familienpsychologischen Begutachtung mit interkulturell unterschiedlichen Wertvorstellungen und abweichenden Erziehungskonzepten konkret vorgegangen und welche Normen der Bewertung zugrunde gelegt werden können und sollen.

Helen A. Castellanos
Methoden der Kriminalprognosebegutachtung

Die gutachterliche Einschätzung des Rückfallrisikos von zumindest bereits einmal einschlägig in Erscheinung getretenen Personen zählt zu den wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Aufgaben des forensisch-psychologischen Tätigkeitsbereichs. Unterstützung erhalten Sachverständige durch zahlreiche empirische und theoretische Erkenntnisse zur Kriminalprognosebegutachtung, die in den letzten Jahren und Jahrzehnten international und im deutschsprachigen Raum veröffentlicht wurden. Der vorliegende Beitrag stellt die wichtigsten Methoden und zentrale Erkenntnisse der Kriminalprognosebegutachtung vor, die im Rahmen der praktischen Tätigkeit Berücksichtigung finden sollten.

Martin Rettenberger
Urteilsbildung zur Legalprognose bei jugendlichen und heranwachsenden Straftätern

Kriminalprognostische Gutachten sollen eine Einschätzung über die Gefährlichkeit und Rückfallwahrscheinlichkeit einer bereits straffällig gewordenen Person geben. Der Sachverständige (Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird folgend die männliche Form genutzt und auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Personenbezeichnungen gelten gleichermaßen für alle Geschlechter.) wird zu dieser Fragestellung hauptsächlich von Jugendvollzugsanstalten zur Frage der Lockerungseignung oder vom Strafvollstreckungsrichter zur Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Reststrafe beauftragt. Folgend wird auf die Besonderheit in der Urteilsbildung bei der legalprognostischen Begutachtung von Jugendlichen und Heranwachsenden eingegangen.

Florence Philipp
Beurteilung von Widerstandsminderung bei sexuell motivierten Gewalttaten

Bei sexuell motivierten Gewalttaten kann sich die Frage stellen, inwiefern sowohl der Beschuldigte oder Täter als auch das Opfer bzw. die als Geschädigte(r) benannte Person in der Lage waren, das Unrechtmäßige der Handlung zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Dies kann beispielsweise bei geschädigten Personen mit der Diagnose einer Intelligenzminderung der Fall sein, sofern diese nicht in der Lage waren, dem Verhalten eines Täters den notwendigen Widerstand entgegenzusetzen. Fragen der Widerstandsminderung können somit ein aussagepsychologisches Sachverständigengutachten ergänzen und zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen. Der Beitrag informiert über aktuelle Empfehlungen zum gutachterlichen Vorgehen und macht Vorschläge zur Erweiterung einer auf Reifekriterien gestützten psychologischen Bewertung.

Simone Bahlo
Beurteilung von politischem und religiösem Extremismus

Die Beurteilung, ob eine Person als extremistisch einzustufen ist, liegt in den Händen des Staates und der Jurisprudenz. Dennoch arbeiten Psychologen engmaschig dabei mit, Risikofaktoren zu erkennen, die frühzeitig auf eine Radikalisierung hindeuten bzw. Schutzkonzepte zu erstellen, die dazu beitragen können, Menschen mit extremistischen Einstellungen wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Psychologische Sachverständige werden in unterschiedlichen Zusammenhängen mit der Frage nach dem Gefährdungspotenzial von Personen konfrontiert, die sich extremistisch oder radikalisiert verhalten. Beispielsweise kommt die Fragestellung im familiengerichtlichen Kontext in Bezug auf die Erziehungsfähigkeit vor, im strafrechtlichen Kontext in Bezug auf die Legalprognose oder die Abgrenzung von einer psychischen Erkrankung, mithin der Schuldfähigkeit bzw. im Rahmen von ausländerrechtlichen medizinisch-psychologischen Untersuchungen.

Helen A. Castellanos

Psychologische Begutachtung in unterschiedlichen Anwendungsfeldern

Frontmatter
Beurteilung schulischen Förderbedarfs

Sowohl die Entwicklung inklusiver Beschulung als auch gesellschaftliche Veränderungen fordern die bisherige Schullandschaft im besonderen Maße heraus. Schulische Unterstützungs- und Fördermaßnahmen beschränken sich nicht auf einzelne Schulformen. Beeinträchtigungen in der körperlichen, geistigen oder/und emotionalen Entwicklung können sich nachteilig auf Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen auswirken. Zum pädagogischen Selbstverständnis gehört es, den Lernort individuell an Schüler:innen anzupassen. Der Beitrag gibt einen Überblick über schulbezogene Diagnostik im Rahmen der Psychologie und Sonderpädagogik. Er umreißt den rechtlichen Hintergrund und betrachtet die Beurteilungskriterien sowie die verschiedenen Kontexte (Abläufe und Fragestellungen), in denen psychologische Testverfahren eingesetzt werden.

Peggy Lüttich
Begutachtung von Hochbegabung

Hochbegabung ist keine Krankheit, keine Behinderung und auch keine Störung. Warum befassen wir uns im Kontext der Begutachtung trotzdem damit? Auch, wenn Hochbegabung selbst nicht die Ursache für Probleme ist, so können doch aus der fehlenden Passung zwischen den Bedürfnissen hochbegabter Menschen und ihrer Umwelt Schwierigkeiten resultieren, die möglicherweise bis zu einer (drohenden) seelischen Behinderung führen können und somit im Kontext von Teilhabe gesehen werden müssen. Dieser Artikel informiert über relevante Rechtsnormen sowie darüber, was bei der Intelligenzdiagnostik im Kontext Hochbegabung zu beachten ist. Eine Rolle spielt das Phänomen bei Kindern und Jugendlichen insbesondere im Rahmen von Begutachtungen nach § 35 a SGB VIII, wenn es um die Teilhabe besonders Begabter geht.

Tanja Gabriele Baudson
Begutachtung von Berufseignung

Das Ausüben einer beruflichen Tätigkeit ist für die meisten Menschen unserer Gesellschaft zentral für die Sicherung des Lebensunterhalts und das psychische Wohlbefinden. Die Wahl eines Berufs kann zu mehreren Zeitpunkten der Lebensspanne relevant werden. Berufswahltheorien gehen davon aus, dass eine gute Passung von Personen- zu Tätigkeitsmerkmalen den späteren Erfolg und die Zufriedenheit im Beruf vorhersagt. In bestimmten Situationen ist eine Diagnostik von Berufseignung sowie -neigung sinnvoll. Der Beitrag gibt einen Überblick über relevante Eignungsmerkmale, die Erfassung von beruflichen Anforderungen, die Auswahl und Durchführung diagnostischer Verfahren sowie die ergebnisbasierten gutachterlichen Empfehlungen einer Berufseignungsdiagnostik in verschiedenen Anwendungsfeldern. Zusätzlich werden Qualitätsstandards und ethische Gesichtspunkte aufgeführt. Das Kapitel schließt mit einem Fallbeispiel.

Mareike Kholin
Neuropsychologische Begutachtung

Neuropsychologische Begutachtungen werden in unterschiedlichen Rechtsgebieten mit dem Ziel angefragt, kognitive Einbußen und weitere Veränderungen einer Person im Zusammenhang mit einer Hirnfunktionsstörung zu objektivieren. Die wesentlichen Datenquellen sind das Aktenstudium, die Exploration, die Verhaltensbeobachtung und die hypothesengeleitete psychometrische Untersuchung. Ein wichtiges Qualitätsmerkmal neuropsychologischer Gutachten ist die Untersuchung der Beschwerdenvalidität. Die Daten des Gutachtenfalles werden hierzu einer Prüfung auf Konsistenz und Plausibilität unterzogen. Weiterhin kommen spezielle Beschwerdenvalidierungsverfahren zur Anwendung.

Karsten Dörnberg
Begutachtung der Indikation zur Psychotherapie

Vor Beginn eines psychotherapeutischen Richtlinienverfahrens ist gutachterlich die Frage der Indikation zu klären. Mit den sozial- oder privatrechtlichen Bestimmungen als Basis sind Interessen der Patient*innen und der Kostenträger gleichermaßen zu berücksichtigen. Der Beitrag skizziert das Vorgehen bei der psychotherapeutischen Indikationsstellung. Es werden Empfehlungen zur Urteilsbildung und -begründung gegeben, die teilweise über die gängige Praxis der Indikationsstellung im Versorgungssystem hinausgehen und die Relevanz gutachterlicher Prinzipien auch in diesem Anwendungsbereich veranschaulichen. Teile eines Antrags auf Psychotherapie werden erläutert und exemplarisch verdeutlicht.

Cira Gargiulo, Alina Seidel
Begutachtung von Arbeits(un)fähigkeit bei psychischen Störungen

Eine erkrankungsbedingte Fähigkeitsbeeinträchtigung entscheidet erst im Zusammenhang mit dem Kontext (z. B. Rollenanforderungen bei der Arbeit) über das Ausmaß der Krankheitsfolgen, d. h. der Teilhabestörung (z. B. Arbeitsunfähigkeit, GBA. (2022). Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeitsrichtlinien). Veröffentlicht im Bundesanzeiger (BAnz AT 27.01.2014 B4) in Kraft getreten am 28. Januar 2014, zuletzt geändert am 4. August 2022. Online abgerufen am 20.11.2022: https://www.g-ba.de/richtlinien/2/ ). Bei der Arbeitsfähigkeitsbeurteilung ist eine Beschreibung der aktuellen krankheitsbedingten Fähigkeitsbeeinträchtigungen erforderlich, bzw. Arbeitsaktivitäten, die der Betroffene erkrankungsbedingt aktuell nicht verrichten kann. Das Fähigkeitsprofil wird mit dem konkreten Arbeitsanforderungsprofil im individuellen Fall abgeglichen (aktueller Arbeitsplatz oder allgemeiner Arbeitsmarkt).

Beate Muschalla
Begutachtung von Berufsunfähigkeit

Fragen zur Berufsunfähigkeit werden von privaten Berufsunfähigkeitsversicherern oder Zivilgerichten gestellt. Zu prüfen ist, ob eine wesentliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit mittels psychologischer Konzepte und Methoden befundlich gesichert werden kann. Die Begutachtung erfordert eine enge Anpassung der Leistungsbewertung an die arbeitsplatzbezogenen Anforderungen, eine sorgfältige Abschätzung der Auswirkungen gesundheitlicher Störungen oder Erkrankungen auf das individuelle Leistungsniveau und eine differenzierte Validierung von Selbstauskünften und Testergebnissen.

Ralf Dohrenbusch
Begutachtung psychischer Funktionen und Fähigkeiten in der medizinischen Rehabilitation der Rentenversicherung

Abgeleitet aus dem gesetzlichen Auftrag steht in der sozialmedizinischen Begutachtung der Deutschen Rentenversicherung die erwerbsbezogene Leistungsfähigkeit im Fokus der Begutachtung. Referenzrahmen für die sozialmedizinische Begutachtung ist die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). Es erfolgt die Bewertung der krankheitsbezogenen Funktions- und Fähigkeitseinschränkungen in Bezug auf den letzten sozialversicherungspflichtigen Beruf und den allgemeinen Arbeitsmarkt. In die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung fließen die ICF-basierten Befunde des interprofessionellen Reha-Teams ein. Die psychologischen Beiträge variieren zwischen den Reha-Indikationen. Für die Konsistenzprüfung ist die Zusammenschau der Befunde der verschiedenen Professionen über einen Beobachtungszeitraum von mehreren Wochen zielführend.

Ulrike Worringen
Begutachtung von Behinderung

Standardisierte und normierte psychodiagnostische Verfahren können in Kombination mit anderen psychodiagnostischen Erhebungsmethoden genutzt werden, um Funktions- und Fähigkeitseinschränkungen, auf die es mit dem neuen Behinderungsbegriff des SGB IX entscheidend ankommt, zu beschreiben und zu messen. Deshalb können psychologische Befunde auch entscheidend für die Gesamtbeurteilung von Funktions- und Leistungseinschränkungen sein und die Grundlage liefern für die sozialrechtliche Wertung einer „wesentlichen Behinderung“. Die bisherige Praxis der amtsärztlichen Begutachtung im öffentlichen Gesundheitswesen sowie die Bedarfsermittlungsinstrumente der Länder berücksichtigen psychologische Konzepte und Methoden noch nicht in ausreichender Weise. Der Beitrag beschreibt die Komponenten einer psychologischen Vorgehensweise, die sich an Prinzipien der Psychodiagnostik, aber auch an den Komponenten des für die Beurteilung von Behinderung relevanten bio- psycho-sozialen Modells orientiert.

Christiane Edler
Begutachtung von Behinderung durch Intelligenzminderung

In Deutschland leben ca. 400.000 Menschen mit Intelligenzminderung (IM), bei denen Kognition, Sprache, motorische und soziale Fähigkeiten beeinträchtigt sind. Die IQ-basierte Einteilung der IM kann gut mit Hilfe von umfassenden Intelligenztests vorgenommen werden, diese werden vorgestellt. Weiterhin werden psychologisch-diagnostische Verfahren zur Fremd- und Selbstbeurteilung verschiedener Facetten der psychischen Beeinträchtigung diskutiert, die sich besonders gut für die Untersuchung von Menschen mit IM eignen. Der Beitrag schließt mit Hinweisen zur rechtlichen Bewertung von Behinderung aufgrund von IM.

Melanie Jagla-Franke, Gabriele H. Franke
Begutachtung von Geschäfts- und Testierfähigkeit

Gutachterliche Fragen zur Geschäftsunfähigkeit oder Testierunfähigkeit können sich stellen, wenn Menschen in ihren geistigen Fähigkeiten oder der Fähigkeit zur freien Willensentscheidung so stark eingeschränkt sind, dass die vom Gesetzgeber angenommenen Voraussetzungen an das Tätigen von Geschäften oder die Erstellung eines Testaments nicht mehr gegeben sind. Der Beitrag informiert über rechtliche Rahmenbedingungen, medizinische Beurteilungsempfehlungen und die Ableitung psychologischer Fragestellungen und gibt Empfehlungen zu ihrer Beantwortung. Schwerpunkte liegen auf der Beurteilung des Schweregrades psychischer Störungen und ihrer Auswirkungen auf die freie Willensbildung.

Ralf Cramer, Ralf Dohrenbusch
Begutachtung von Erwerbsminderung

In den letzten Jahren stieg die Anzahl von psychischen Störungen als Berentungsgrund an und macht hier mittlerweile den größten Anteil aus. Bei einem Antrag auf Erwerbsminderungsrente folgt ein komplexer Begutachtungsprozess. Die Begutachtung im Auftrag der Rentenversicherung erfolgt leitliniengerecht und orientiert sich an der internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF). In diesem Rahmen leisten PsychologInnen wertvolle Beiträge zur Beurteilung des Funktionsniveaus, der Krankheitsverarbeitung und der Erwerbsfähigkeit einer Person. Der Fokus der Begutachtung im sozialgerichtlichen Auftrag kann von den Fragestellungen zur Erwerbsminderung der Deutschen Rentenversicherung abweichen, was durch eine Kasuistik illustriert wird. Aktuell zeigt die Deutsche Rentenversicherung Westfalen eine verstärkte Tendenz, PsychologInnen in die Beurteilung der erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit zu integrieren.

Sandro Feuerpeil, Külli Tornius-Weber
Begutachtung von Schädigungsfolgen

Funktionsdefizite und Leistungsmängel nach versicherten Ereignissen stellen hohe Anforderungen an die rechtlichen und vor allem psychologischen Kenntnisse eines Gutachters. Hierbei ist ein zweistufiges Vorgehen wesentlich. Als erstes muss die Validität der geklagten Beschwerden festgestellt werden, danach kann über ätiologische Modelle und Erfahrungswerte die Kausalität überprüft werden. Kernwerkzeug der Feststellung der Validität von Befunden ist die Konsistenz- und Plausibilitätsprüfung. Wenn beides gegeben ist, dann müssen die ereignisbedingten Funktionsstörungen einem Beeinträchtigungsgrad zugeordnet werden.

Gordon Krahl, Christina Ackermann
Begutachtung von Erziehungsfähigkeit

Obwohl Erziehungsfähigkeit kein klar definiertes Konzept ist, werden familienpsychologische Sachverständige häufig von Familiengerichten beauftragt, diese einzuschätzen. Der vorliegende Beitrag geht der Frage nach, wie man den Begriff definieren und sich ihm diagnostisch annähern kann. Dabei wird Erziehungsfähigkeit als ein durch Lernerfahrungen veränderbarer Komplex verstanden, der sowohl Faktoren beinhaltet, die eine gedeihliche Entwicklung von Kindern fördern, als auch Faktoren, welche die Entwicklungsprognose von Kindern negativ beeinflussen können.

Helen A. Castellanos
Psychologische Begutachtung zu Fragen der Sorgerechtsausgestaltung

Das elterliche Sorgerecht wurde in Deutschland in den letzten Jahrzehnten grundlegend überarbeitet und an gesellschaftliche Veränderungen angepasst. Mittlerweile ist Standard, dass zwei Elternteile auch dann zusammen wichtige Entscheidungen für ein gemeinsames Kind treffen, wenn sie nie verheiratet waren oder schon längst getrennt sind. Allerdings kommt es bei solchen Konstellationen häufig zu Meinungsverschiedenheiten und Konflikten. In diesem Beitrag werden die derzeit geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen und das Vorgehen von familienpsychologischen Sachverständigen zu der Frage dargestellt, wann die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts dem Kindeswohl widerspricht.

Helen A. Castellanos
Begutachtung zu adoptionsrechtlichen Fragestellungen

Die Adoption eines Kindes sollte dem Kindeswohl dienen und auf der Basis eines Eltern-Kind-Verhältnisses stattfinden oder zumindest die Entstehung eines solchen erwarten lassen. Hierfür müssen die angehenden Adoptiveltern nachweisen, dass sie psychisch und physisch in der Lage sind, über einen längeren Zeitraum Verantwortung für ein Kind zu übernehmen, sowie dem Kind gedeihliche Sozialisationsbedingungen anzubieten. Die Überprüfung der Adoptionseignung erfolgt über sozialpädagogische, psychologische und medizinische Gutachten. Für diese liegen allerdings bisher keine fachlichen Leitlinien vor. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Rahmenbedingungen einer familiengerichtlichen psychologischen Begutachtung von Adoptionsbewerbern, die ein minderjähriges Kind annehmen wollen.

Helen A. Castellanos
Begutachtung von Fahreignung

Medizinisch-psychologische Gutachten sind wichtige Entscheidungshilfen für Fahrerlaubnisbehörden, wenn es um die Erteilung, Erweiterung, Verlängerung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis geht. Die Überprüfung von Fahreignung dient der Gefahrenabwehr und folglich dem Schutz der Allgemeinbevölkerung vor erheblichen Beeinträchtigungen von Leib und Leben, ableitbar aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz. Entsprechend sind hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Da SachbearbeiterInnen in den Fahrerlaubnisbehörden nicht immer über den notwendigen Sachverstand verfügen, um eignungsrelevante Entscheidungen allein treffen zu können, bedienen sie sich der Expertise medizinisch-psychologischer Gutachten. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Hintergründe auffälligen Verkehrsverhaltens und zum Vorgehen des psychologischen Gutachters bzw. der Gutachterin im diagnostischen Prozess. Behandelt werden die rechtlichen und inhaltlichen Grundlagen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU), die gutachterliche Urteilsbildung sowie die Hintergründe auffälligen Verkehrsverhaltens. Ein Praxisfall zum Begutachtungsanlass „Alkoholproblematik“ sowie künftige Herausforderungen und wesentliche Forschungslücken runden diesen Artikel ab.

Axel Bartels, Ilka Rethfeldt, Thomas Wagner
Begutachtung zu Fragen des Waffenrechts

Der Beitrag informiert über rechtliche Bestimmungen zur Beurteilung der Eignung, mit Waffen oder Munition umzugehen und macht Vorschläge zum gutachterlichen Vorgehen. Schwerpunkte liegen auf Hinweisen zur Ableitung psychologischer Fragestellungen, zur Auswahl von Erhebungsmethoden und zur gutachterlichen Urteilsbildung. Unterschieden wird u. a. das gutachterliche Vorgehen bei unter 25-jährigen Antragstellern, das auf die Beurteilung der individuellen Reife auszurichten ist, und das Vorgehen bei Personen, bei denen vorhandene Zweifel der Behörde an der Eignung zum Führen einer Waffe Ausgangspunkte der gutachterlichen Untersuchung sind. Er schließt mit Empfehlungen zur Bewertung von Einwänden gegen die Eignung zum Führen von Waffen.

Ralf Dohrenbusch
Begutachtung von Schuldfähigkeit

Der Beitrag skizziert den Begriff der Schuldfähigkeit in seiner Entwicklung, seine bedeutsamsten juristischen Aspekte sowie die Schuldfähigkeitstheorie. Die vier Eingangskriterien (krankhafte seelische Störung, tiefgreifende Bewusstseinsstörung, Intelligenzminderung, schwere andere seelische Störung) werden definiert und hinsichtlich praktischer Aspekte der rechtspsychologischen Diagnostik vertieft. Ebenso erfolgt eine Betrachtung der Einsichts- und Steuerungsfähigkeit. Abschließend werden rechtspsychologische und diagnostische Herausforderungen in Bezug auf die Erstellung von schriftlichen Stellungnahmen und der mündlichen Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung diskutiert.

Jennifer von Buch, Denis Köhler
Begutachtung der Legalprognose bei Straftätern

Die kriminalprognostische Begutachtung stellt eine hochkomplexe Aufgabe dar, die vom psychologischen Sachverständigen fundiertes Wissen über wissenschaftliche Methoden und deren Fehleranfälligkeit, juristische Hintergründe sowie umfassendes Wissen über klinische Psychologie und Kriminologie erforderlich macht. Im folgenden Kapitel werden rechtliche Grundlagen der forensisch-psychologischen Begutachtung dargestellt, und es wird auf die Ableitung psychologischer Fragestellungen aus juristischen Beweisfragen eingegangen. Die aktuellen Mindeststandards der kriminalprognostischen Begutachtung werden benannt. Die konkrete Vorgehensweise der psychologischen Urteilsfindung und -bildung wird vorgestellt. Hierbei werden gängige Prognoseinstrumente kurz skizziert. Zuletzt werden mögliche Fallstricke im kriminalprognostischen Begutachtungsprozess beschrieben.

Nicole Aspacher
Backmatter
Metadaten
Titel
Psychologische Begutachtung
herausgegeben von
Ralf Dohrenbusch
Copyright-Jahr
2025
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-64797-4
Print ISBN
978-3-662-64796-7
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-64797-4