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09.02.2015 | Public Relations | Schwerpunkt | Online-Artikel

Wie europäische PR-Agenturen Diktaturen dienen

verfasst von: Andrea Amerland

2:30 Min. Lesedauer

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Große Diktatoren benötigen große PR. Wohl auch deswegen liest sich eine Studie zu den Verstrickungen totalitärer Regime mit der PR-Branche wie ein „Who's who“ der europäischen Agenturwelt.

Ketchum, Brunswick, Hill & Knowlton, Weber Shandwick, Burson Marsteller, M&C Saatchi und Havas PR sind Agenturen, die in einer Studie auftauchen, in der sie vermutlich lieber nicht genannt worden wären. Es geht um eine Untersuchung, die vom Corporate Europe Observatory (CEO) in Brüssel initiiert wurde, einer Partnerorganisation von Lobbycontrol. Sie trägt den vielsagenden Titel "Spin doctors to the autocrats: how European PR firms whitewash repressive regimes" (PDF).

Case Studies zeigen Verflechtungen zwischen PR-Agenturen und Diktaturen

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Das Studienergebnis lässt sich auf eine kurze Formel bringen: Regime lagern ihre Öffentlichkeitsarbeit bevorzugt an europäische PR-, Public Affairs- oder Lobbying-Agenturen aus. Diese sorgen für den gezielten Image- und Reputationsaufbau der Regime, indem Menschenrechtsverletzungen und andere Missstände bagatellisiert oder ganz unterschlagen werden. Für die Case Studies hat Corporate Europe Observatory unter anderem Studien und Medienberichte ausgewertet, die das Engagement europäischer PR-Agenturen für unterdrückerische Staaten belegen und die Verflechtungen der Lobbyisten aufzeigen. Ein paar Beispiele:

  • Europäische PR-Agenturen polieren das Image von Nigerias Präsident, Jonathan Goodluck, vor der Wahl auf.

  • Mehrere PR-Agenturen haben den Auftrag, Russlands Position im Ukraine-Konflikt in Brüssel ins rechte Licht rücken.

  • Der kenianische Präsidentschaftswahl-Kandidat Uhuru Kenyatta hat eine PR-Agentur beauftragt, den Internationalen Strafgerichtshof abzuwerten, der ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwirft.

  • PR-Firmen und ihre Verlängerung ins Europäische Parlament arbeiten für die als repressiv geltende Diktatur in Aserbaidschan.

Lobbyregister sollen für Transparenz sorgen

Dass Lobbyisten und PR-Berater die politische Kommunikation von Parteien und Abgeordneten unterstützen, ist in demokratischen Systemen selbstverständlich. "Die Nähe zwischen professionellen Kommunikationsdienstleistern und der Politik bzw. ihren Akteuren scheint per se hohen Nachrichtenwert zu haben, wobei dem Augenschein nach der Tenor der Berichterstattung tendenziell negativ ausfällt", urteilen die Springer-Autoren Romy Fröhlich und Thomas Koch in dem Beitrag "Politik und PR: Persuasive politische Kommunikation jenseits von Wahlkampfzeiten" (Seite 1). Allerdings bezieht sich die Aussage auf den politischen Betrieb in Deutschland. Dennoch wird auch hierzulande der Ruf nach mehr Transparenz und einem zentralen Lobbyregister immer lauter.

Offenbar werfen die von Regimen beauftragen Agenturen ihre Leitbilder oder Corporate-Social-Responsibility-Leitlinien über Bord, heißt es in der Studie. Dabei gibt es Kodizes, "in denen Leitlinien für das ethisch angemessene Verhalten im Rahmen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit entwickelt worden sind", so Springer-Autor Christian Schicha. Insbesondere der Code d’Athenes reklamiert als internationale ethische Richtline für die Öffentlichkeitsarbeit, die Menschenrechte und die Menschenwürde als zentrale Wertbasis für die PR-Fachleute, schreibt Schicha im Betrag "Ethische Aspekte von Public Relations, Werbung und Onlinekommunikation". Allerdings seien diese Kodizes PR-Praktikern nach wie vor wenig bekannt (Seite 336 ff.).

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