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15.05.2015 | Public Relations | Schwerpunkt | Online-Artikel

Politiker können in sozialen Netzwerken nicht punkten

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

3 Min. Lesedauer

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Mit mehr als einer Million Followern ist die Bundeskanzlerin der Facebook-Star unter den deutschen Politikern. Doch außer Pressemitteilungen ist auf ihrem Profil wenig zu finden. Dialog geht anders.

Anfang April hat sich die "Süddeutsche Zeitung" unter dem Titel "Selfie-Time für Twitter-Könige" die Social-Media-Aktivitäten der deutschen Politprominenz vorgenommen. Das Zahlenmaterial dazu lieferte der Online-Dienst Pluragraph, der die Profile der Politiker auf Facebook, Twitter und Google Plus quantitativ analysiert. Kaum Austausch mit dem Bürger, dafür aber umso mehr Selbstdarstellung, die sich als roter Faden durch die Inhalte der Top-Ten der politischen Netzwerker zieht. Quantität triumphiert dort flächendeckend vor Qualität.

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Verlässt sich die Bundeskanzlerin ausschließlich auf Facebook als Distributor von staatstragenden Fotos und Pressemitteilungen, ist Gregor Gysi, der ihr auf Platz zwei folgt, immerhin in allen drei Netzwerken aktiv. Aber auch er scheut den Dialog. Nicht anders sieht es bei EU-Parlamentspräsident Martin Schulz aus. Er postet zwar gleich in mehreren Sprachen und ist mit 158.000 Followern der rührigste Twitterer. Aber: "Inhaltlich kommen seine Accounts eher wie Arbeitsnachweise rüber", schreibt die "Süddeutsche". Auch Politberater Martin Fuchs bemängelt im Interview mit "Tagesschau.de" die fehlende Authentizität der politischen Kommunikation.

"Whizzle" zeichnet politische Debatte auf

Dabei biete gerade Twitter im politischen Diskurs viele Vorteile, meinen Wissenschaftler der Leuphana Universität Lüneburg. Im Rahmen des Forschungsprojektes "Grundversorgung 2.0" haben Stefan Heidenreich und Leonard Novy im März den Twitter-Monitor "Whizzle" an den Start gebracht. Dieser folgt täglich den Twitter-Aktivitäten der 10.000 einflussreichsten Akteuren und registriert automatisch Namen, Inhalte sowie Hashtags aus dem politischen Kontext. Es entsteht so eine Übersicht über die wichtigsten Themen des politischen Geschehens, die in der Netzgemeinde tagesaktuell diskutiert werden.

Verlautbarungen sind nicht interaktiv

Die politische Kommunikation nutze zwar die Kanäle der vorangeschrittenen Digitalisierung, zeichne sich jedoch vor allem dadurch aus, dass sie Anwendungsmuster aus dem Off-Line Bereich Online reproduziere, kritisieren die Springer-Autoren Jan Nikals Kocks, Juliana Raupp und Christin Schink im Buchkapitel "Staatliche Öffentlichkeitsarbeit zwischen Distribution und Dialog" (Seite 71).

Verwirklicht sehen die Autoren den Partizipationsgedanken des Web 2.0 allein bei den Nicht-Regierungsorganisationen. Von der Regierungskommunikation fordern sie weniger einseitige Informationsverbreitung, sondern, "die neuen digitalen Kommunikationskanäle großflächig einzusetzen und dabei vor allem von deren dialogischen Potentialen Gebrauch zu machen" (Seite 75). Die Frage bliebt, warum politischen Kommunikatoren der Top-Down-Gedanke so schwer auszutreiben ist.

Eine Chance für den politischen Diskurs

"Web 2.0 unter Einbeziehung der Bürger schafft Raum für kollektive Intelligenz", schreibt dazu Springer-Autor Mike Friedrichsen im Buchkapitel "Neue politische Kommunikation im Medienwandel" (Seite 14). Dies setzt voraus, dass sich mit den neuen Medien auch die Funktionen des Mediensystems ändern. Sortieren, strukturieren, erklären, dem Bürger helfen Politik zu verstehen, sei die Aufgabe der politischen Kommunikation in vordigitaler Zeit gewesen.

"Das wird sich in dem Moment, indem sich die Bürger an der Quelle bedienen, ändern". Durch Interaktion mit den Politikern erhalten Bürger "authentische Nachrichten aus erster Hand" (Seite 20), mit deren Hilfe sie sich ihr eigenes Bild machen können. Für die politische Kommunikation mag das zunächst ein zweischneidiges Schwert sein. Mike Friedrichsen erkennt darin aber auch die "großartige Chance für Politiker", nicht mehr auf die klassischen Medienformate angewiesen zu sein. "Wenn Politik nicht mehr in Neunzig-Sekunden-Blöcke im Fernsehen gepresst werden muss, dann wäre vielleicht schon etwas gewonnen" (Seite 21).

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