Über das Thema Altersvorsorge wird schon lange viel gesprochen. Nicht zuletzt aufgrund des zunehmenden Rückbaus der sozialen Sicherungssysteme ist heutzutage fast jedermann bewusst, dass private Vorsorge in der einen oder anderen Form unabdingbar ist, will man den Lebensstandard im Rentenalter halten. Allerdings hört der irgendwann einmal begonnene Prozess zur Altersvorsorge nicht mit dem Eintritt in den Ruhestand auf. Vielmehr ergeben sich gerade dann zahlreiche neue Herausforderungen und Fragestellungen, die frühzeitig im Rahmen einer Ruhestandsplanung adressiert werden sollten.
Ruhestandsplanung ist Finanzplanung für Menschen, die vor dem Eintritt in den Ruhestand stehen oder diesen bereits begonnen haben. Damit umfasst sie mit Ausnahme spezifischer Bausteine, die prinzipiell nur zu Beginn und Mitte des Lebenszyklus eine Rolle spielen, fast alle Bausteine einer klassischen Finanzplanung und fokussiert dabei den Ruhestand als Lebensabschnitt. Zentrale Fragen sind hierbei:
Sind existenzielle Risiken hinreichend abgesichert und muss der bestehende Versicherungsschutz altersgerecht angepasst werden?
Wie stellt sich die Liquiditätssituation (Einnahmen-Ausgaben-Rechnung) im Ruhestand dar?
Reichen die laufenden Einnahmen zur Deckung der Ausgaben oder müssen Vermögenswerte umdisponiert werden?
Ist Langlebigkeit durch ausreichende dauerhafte Einnahmen bzw. Vermögenswerte abgesichert?
Wie sieht die Steuerbelastung im Ruhestand aus und inwiefern kann diese optimiert werden?
Was passiert mit dem bisherigen Eigenheim? Entspricht dies noch den Anforderungen im Alter und wie soll damit gegebenenfalls umgegangen werden?
Inwiefern ist die strategische Asset Allocation und Gesamtvermögensstruktur an geänderte Anlagehorizonte und Chance-/Risikoprofile des Anlegers anzupassen?
Neben der materiellen Vorsorge umfasst Ruhestandsplanung darüber hinaus aber auch noch die immaterielle Vorsorge und adressiert damit Fragestellungen der selbstbestimmten Vorsorge (Vollmachten und Verfügungen) und der (vorweggenommenen) Vermögensnachfolge. Darüber hinaus können sich philanthropische Themen oder Fragen der Selbstverwirklichung stellen, die im Rahmen der Stiftungsberatung adressiert werden. Es zeigt sich, dass die Notwendigkeit und Sensibilisierung für eine Ruhestandsplanung bisher weder auf Seiten angehender Ruheständler noch auf Seiten potenzieller Berater besonders ausgeprägt ist. Auf Kundenseite besteht häufig eine Zurückhaltung, da eine Beschäftigung mit Alter und Tod und eine darauf abgestimmte Planung gerne verdrängt werden. Auf Anbieterseite fehlen hingegen häufig auf die Zielgruppe abgestimmte Beratungs- und Produktlösungskonzepte.
Diese unzureichende Sensibilisierung muss umso mehr beunruhigen, als der Bevölkerungsanteil der über 50-Jährigen bereits heute ca. 44 Prozent ausmacht (vgl. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung 2018). Dabei wächst dieser Anteil aufgrund der demografischen Entwicklung sukzessive weiter an. Gleichzeitig stellt die Zielgruppe der über 50-Jährigen 47 Prozent der Kaufkraft dar; die über 60-Jährigen vereinen 31,3 Prozent des gesamten privaten Konsums in Deutschland auf sich (vgl. Vogt 2017, S. 36). In einigen Gütergruppen, wie zum Beispiel Nahrungsmittel, Bekleidung, Reisen, ist die Zielgruppe 50 plus bereits heute für nahezu 50 Prozent der Konsumausgaben verantwortlich (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2007, S. 10).
Die heutige Zielgruppe für Ruhestandsplanung, welche noch von einer guten gesetzlichen und häufig betrieblichen Rente profitiert und darüber hinaus als Erbengeneration auch noch über in der Regel substanzielles Vermögen verfügt, ist damit aus Anbietersicht äußerst attraktiv.
Der nachfolgende Beitrag betrachtet unter besonderer Berücksichtigung der Spezifika der Angebots- und Nachfrageseite Anforderungen, Status Quo und Perspektiven der Qualifizierung in der Ruhestandsplanung.
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