Skip to main content
Erschienen in:
Buchtitelbild

Open Access 2020 | OriginalPaper | Buchkapitel

Qualitätsjournalismus und Stiftungen

Erfahrungen mit einer Initiative

verfasst von : Katrin Kowark

Erschienen in: Wissenschaft und Gesellschaft: Ein vertrauensvoller Dialog

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
loading …

Zusammenfassung

Im September 2015 veröffentlichten 26 Stiftungen und Vereine aus dem Expertenkreis Qualitätsjournalismus einen gemeinsamen Aufruf. Er resultierte aus dem Befund: „Demokratie funktioniert nicht ohne eine informierte Öffentlichkeit. Journalistinnen und Journalisten klären auf, sie informieren, ordnen ein und tragen durch ihre Arbeit zur Meinungsbildung und zur Kontrolle der Entscheider in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei. Die Anforderungen an den Qualitätsjournalismus wachsen.“ In ihrem Beitrag geht Katrin Kowark vom Bundesverband Deutscher Stiftungen der Frage nach, was drei Jahre nach diesem Aufruf tatsächlich erreicht wurde – und was nicht. Des Weiteren erläutert sie, welche Rolle ein stiftungsfinanzierter Journalismus in Deutschland spielen könnte, und vergleicht im Gespräch mit Stefanie Reuter (Rudolf Augstein Stiftung) hierzu die Situation in die USA. In Interviews, Blitzlichtern und einem Zwischenruf lässt sie sowohl Antragsteller und Gründer journalistischer Initiativen als auch Geldgeber und Förderer mit ihren persönlichen Erfahrungen und jeweiligen Perspektiven zu Wort kommen. Außerdem stellt Kowark die Journalismusförderung der parteinahen Stiftungen auf Bundesebene vor.

Einleitung

Ist stiftungsfinanzierter Journalismus ein Resultat der vielbeschworenen Medienkrise? Ja, sicher! Ist stiftungsfinanzierter Journalismus darauf zu reduzieren? Ganz sicher nicht! Unbestritten ist: Stiftungsfinanzierter Journalismus ist ein weiterer Weg, neue Erlös- und Einnahmequellen für Journalismus zu generieren. Aber er zeigt noch mehr:
1.
Immer mehr Journalistinnen und Journalisten gründen. Jenseits herkömmlicher Redaktionsarbeit gibt es vonseiten sowohl etablierter wie auch der Nachwuchs-Medienschaffenden den Bedarf, in neuen Strukturen zu denken und zu arbeiten. Die Gründe dafür sind mannigfaltig. Seien es die Arbeitsbedingungen in Verlagen oder Rundfunkanstalten, welche die umfangreiche Recherche nicht mehr zulassen. Sei es die Unzufriedenheit, wie bestimmte Themen in unseren Medien transportiert werden. Auch die Sorge um jene, die sich als Leser, Hörer, Zuschauer von unseren Medien verabschieden, bringt Gründerinnen und Gründer dazu, Journalismus neu, innovativ, digital, crossmedial, vernetzt, international, dialogischer, partizipativer zu erfinden.
 
2.
Immer mehr Stiftungen sorgen sich um unsere Demokratie. Demokratieförderung rückt seit Jahren weiter nach oben auf der Agenda von Stiftungen. Die Förderung eines qualitativ hochwertigen, unabhängigen, vernetzten Journalismus ist dabei neben anderen ein Hebel, um unser demokratisches Gemeinwesen zu bewahren. Denn Journalismus trägt mit seinen Informationen zu einer wachsamen und aufgeklärten Gesellschaft bei und ist als Kontrollinstanz für Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft unabdingbar.
 
Im 2015 gegründeten Expertenkreis Qualitätsjournalismus fließen diese beiden Erkenntnisse zusammen. Diese Zusammenstellung skizziert einige der Debatten der letzten drei Jahre, porträtiert einige der Wegbegleiterinnen und -begleiter und ordnet ein. Anspruch auf Vollständigkeit erhebt er nicht!

Qualitätsjournalismus und Stiftungen: Die Initiative, der Aufruf, der Expertenkreis

Am 22. September 2015 haben 26 Stiftungen und Vereine aus dem Expertenkreis Qualitätsjournalismus im Bundesverband Deutscher Stiftungen (2015) einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht. Er resultierte aus dem Befund: „Demokratie funktioniert nicht ohne eine informierte Öffentlichkeit. Journalistinnen und Journalisten klären auf, sie informieren, ordnen ein und tragen durch ihre Arbeit zur Meinungsbildung und zur Kontrolle der Entscheider in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft bei. Die Anforderungen an den Qualitätsjournalismus wachsen.“ Die Verfasser sahen ihren Auftrag zu mehr Engagement auf folgenden Gebieten:
  • Journalisten- und Journalismusförderung
  • Journalistische Glaubwürdigkei
  • Vertrauensmangel adressieren und Wertschätzung erhöhen
  • Forschungs- und Bedarfsanalyse
Was wurde – drei Jahre nach dem Aufruf – erreicht?
Manch eine, einer – auf Seiten der Stiftungen, wie natürlich auch der Fördersuchenden – hoffte, aus den regelmäßigen, mindestens zweimal jährlich stattfindenden Treffen würde ein gemeinsamer Förderfonds erwachsen, aus dem journalistische Initiativen schnell, unbürokratisch Gelder abrufen könnten. Diesen Fonds gibt es nicht – und er war auch nie als Konsens-Ziel formuliert worden. Zu unterschiedlich sind die Zielsetzungen der jeweiligen Stiftungen, ihre satzungsgemäßen Vorgaben und ihre Arten der Förderung.
Auch erreichen den Bundesverband Deutscher Stiftungen in regelmäßigen Abständen Anfragen von Medienseite, ob der Expertenkreis Qualitätsjournalismus „als Ganzes“ zu diesem oder jenem Thema nicht eine Meinung habe. Und auch hier wird auf die Eigenständigkeit der beteiligten Stiftungen und ihrer Organe verwiesen. Sicher ist die Schnittmenge zu bestimmten Themen groß, gleichwohl handelt es sich beim Expertenkreis Qualitätsjournalismus eben nicht um eine eigenständige Organisationsstruktur mit festgelegten Positionen.
Folgendes hat der Expertenkreis Qualitätsjournalismus seit dem Aufruf erreicht:
  • mindestens zweimal jährlich stattfindende Treffen unter anderem zu Themen wie stiftungsfinanzierter Journalismus in den USA, Unabhängigkeit, gescheiterte Förderung und nachhaltiger Förderung
  • Schaffung einer Austauschplattform für journalismusfördernde Stiftungen
  • Themenanwaltschaft für das Thema stiftungsfinanzierter Journalismus über Akteurinnen und Akteure des Kreises, die dazu publizieren, auf Veranstaltungen auftreten etc.
  • Vernetzung von Stiftungen untereinander und mit anderen Akteuren wie dem Netzwerk Recherche oder dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV)
  • Information journalistischer Fördermittelsuchender über Materialien auf der Internetseite des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen (BVDS) unter: stiftungen.​org/qualitaetsjournalismus

Publikationen zu Stiftungen und Qualitätsjournalismus: Eine Auswahl

Als Initialstudie zum stiftungsfinanzierten Journalismus in Deutschland gilt eine Studie, welche die Finanzierung journalistischer Aktivitäten durch gemeinnützige Organisationen in den USA untersucht (Friedland und Konieczna 2011). Die 2011 veröffentlichte Untersuchung widmet einen siebenseitigen Exkurs den deutschen Stiftungen und der Journalismusförderung und konstatiert: „Die Recherche hat 78 deutsche Stiftungen identifiziert, die ausdrücklich praktische journalistische Programme und Projekte fördern.“ (S. 40) Ein „unterfördertes Thema“, so die Verfasser, denn gemessen an der Gesamtzahl der deutschen Stiftungen liegt der Anteil journalismusfördernder Stiftungen bei 0,45 Prozent (S. 40). Die Studie differenziert jene Stiftungen, die Journalismus fördern, um ein bestimmtes anderes Ziel, wie zum Beispiel den Klimaschutz, zu fördern, sowie die andere Hälfte der gezählten Stiftungen, der es vorrangig um Journalismusförderung per se geht. Bei den dafür verwendeten Fördermethoden dominieren Journalistenpreise, journalistische Ausbildungsförderung, Austausch- und Leadership-Programme sowie die Durchführung von Kompetenzen, Seminaren und Tagungen.
Was die Anzahl journalismusfördernder Stiftungen betrifft, kommen nachfolgende Zählungen zu abweichenden, aber nicht signifikant anderen Zahlen. So ergab eine stichprobenartige Zählung in der Datenbank des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, dass rund 120 Stiftungen in Deutschland Journalistinnen und Journalisten sowie journalistische Projekte und Vorhaben unterstützen. Diese Zahl unterscheidet sich nach oben insofern von anderen Bestandsaufnahmen, als dass hier Stiftungen, die Medienkompetenz fördern, ebenfalls erfasst sind.
In seinem im März 2018 veröffentlichtem Kommentar Warum Stiftungen den Journalismus stärker fördern sollten kommt Lutz Frühbrodt (2018) zu folgendem Ergebnis: „In Deutschland fördern derzeit 85 Stiftungen in der einen oder anderen Form Journalismus.“ Der Publizist und Fachjournalismus-Professor verbindet seine Bestandsaufnahme mit dem Vorschlag: „Die bereits engagierten Stiftungen sollten ihre Aktivitäten überdenken und gegebenenfalls neu ordnen. Warum? Weil eine Bündelung und damit Fokussierung der Fördermittel dringend geboten erscheint. Die Erhebung hat gezeigt, dass sich viele Stiftungen schon viele Jahre, manchmal Jahrzehnte engagieren, bevor die öffentliche Debatte über ihre Rolle eingesetzt hat. Viele von diesen Stiftungen vergeben Preise oder Stipendien. Ist das noch zeitgemäß?“
Welche Formen der Förderung gemeinnützigen Journalismus zeitgemäß sind, wie sie sich ergänzen und wo auf der Welt es gute Vorbilder gibt, nimmt die Publikation Gemeinnütziger Journalismus weltweitTypologie von journalistischen Non-Profit-Organisationen (Schnedler und Schuster 2015) in den Blick. Für Deutschland konstatieren die Autoren, neben dem Problem der Rechtsunsicherheit beim Attribut Gemeinnützigkeit, die Nachhaltigkeit der Journalismusfinanzierung: „Das zweite große Problem – nicht nur in Deutschland – liegt in der Verstetigung und dauerhaften finanziellen Absicherung der Non-Profit-Projekte. Wer zu stark von nur einem Förderer abhängig ist, steht vor dem Nichts, wenn die Förderung – oft planmäßig nach einem bestimmten Zeitraum – ausläuft.“ (S. 13) Auch der Expertenkreis Qualitätsjournalismus hat diese Herausforderung immer wieder thematisiert und Best-Practices debattiert, die sich aus einem Mix von Einnahmen speisen. Dies hat zugleich den Vorteil der größeren Unabhängigkeit.
Die Zielgruppe neu gegründeter und damit auf Förderersuche seiender journalistischer Projekte und Initiativen haben zwei Publikationen im Blick. Dazu gehört ein Kooperationsprojekt zwischen dem Deutschen Journalisten-Verband und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen (2016): Wie Stiftungen Journalismus fördern können. Die Stärke dieses Dossiers liegt in einer Vielzahl von Beispielporträts in den Bereichen, in denen journalismusfördernde Stiftungen unterwegs sind: Investigativ, Innovation, Vernetzung, Forschung und Wissenschaft. Das Netzwerk Recherche (2018) hält mit dem Wegweiser Nonprofitjournalismus in Form von Broschüre und Microsite Tipps zum Gründen, zu Trainings und zur Vernetzung journalistischer Start-ups bereit.

Kritischer Zwischenruf von Pauline Tillmann: „Liebe Stiftungen, bitte engagiert euch mehr!“

In den vergangenen Jahren gab es so viel Unternehmertum im Journalismus wie nie zuvor. „Krautreporter“, „Perspective Daily“, „Republik“ und viele andere Projekte wurden gegründet. Sie alle wollen den Medienwandel aktiv mitgestalten. Die freie Journalistin Pauline Tillmann hat sich um Stiftungsgelder bemüht – und bekam nur Absagen. Ein Start-up hat sie trotzdem gegründet.
Es brauchte nicht viel. Nur überschaubare 5000 Euro als Anschubfinanzierung. Doch egal an welche Stiftungen in Deutschland ich mich gewandt habe, immer hieß es: Sie sind eine Privatperson, Privatpersonen fördern wir nicht. Oder: Sie sind nicht gemeinnützig, wir fördern nur gemeinnützige Organisation. Oder: Wir fördern nur gemäß unseren Stiftungsschwerpunkten – Journalismus gehört leider nicht dazu.
Viele Stiftungen brüsten sich damit, eigene Journalistenpreise oder Recherchestipendien auszuloben. Dabei tun sie das häufig nur, um ein bestimmtes Thema auf die Agenda zu hieven. Stiftungen, die sich vor allem dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und – möglichst zweckfrei – journalistische Projekte fördern, sucht man dagegen meist vergeblich.
Das ist schade, denn für eine pluralistische Gesellschaft braucht man unterschiedliche Stimmen. Und da die Verlage immer mehr Einheitsbrei produzieren – Stichwort Zentralredaktionen –, werden unabhängige, leidenschaftlich geführte Medien-Start-ups wie „Übermedien“ oder „RiffReporter“ immer wichtiger. Auch wenn sie bislang dem „Nischenjournalismus“ zugeordnet werden, sollte man ihre Relevanz nicht unterschätzen.
Nachhaltige Community aufbauen
Solche Medien-Start-ups haben sich weitgehend vom alten Geschäftsmodell – den klassischen Anzeigen – verabschiedet. Stattdessen versuchen sie durch eine treue Anhängerschaft, ihre Einnahmen in erster Linie über die Community zu bestreiten. Deshalb ist die Königsdisziplin im Journalismus, meiner Meinung nach, nicht mehr die klassische Reportage, sondern das Community Building. Oder anders gesagt: Dass man es schafft, Menschen an ein neuartiges Projekt zu binden und davon zu überzeugen, es dauerhaft zu unterstützen. Ein guter Startpunkt dafür ist eine Crowdfunding-Kampagne. Damit kann man überprüfen, ob die eigene Idee überhaupt genug Anhänger findet, und einen ersten „Markttest“ durchführen.
Nach den unzähligen Absagen vonseiten der Stiftungen war ein Crowdfunding auch für Deine Korrespondentin der nächste logische Schritt. Innerhalb von vier Wochen haben wir gut 6500 Euro eingenommen und konnten damit eine Webseite aufsetzen und erste Honorare an die Korrespondentinnen ausbezahlen. Seitdem haben wir jede Menge in puncto alternative Finanzierungsmodelle im Journalismus ausprobiert. Derzeit beziehen wir zwei Drittel unserer Einnahmen über die Crowd – über Spenden und die Mitglieder-Plattform Steady – und ein Drittel über Kooperationen mit Medienpartnern.
Schmerzt es mich, dass ich nach dreieinhalb Jahren zwar alle laufenden Kosten bestreiten kann, aber meine Arbeit – etwa 20 Stunden in der Woche – noch immer ehrenamtlich ist? Klar. Prekäre Arbeitsverhältnisse sind nie schön. Gleichzeitig habe ich irgendwann verstanden, dass es sich bei einem Medien-Start-up um einen Marathon handelt, nicht um einen Sprint. Nicht alle haben die Kraft, das durchzustehen und sich – trotz unzähliger Rückschläge – immer wieder von Neuem zu motivieren.
Vonseiten der Stiftungen würde ich mir mehr Strategie und weniger Aktionismus wünschen. Wenn einzelne Projekte bewilligt werden, ist das schön, hilft aber in der Gesamtheit kaum weiter. Sinnvoller wäre es, aus meiner Sicht, wenn a) noch mehr Stiftungen erkennen, wie zentral es für eine funktionierende Demokratie ist, unabhängigen, pluralistischen Journalismus zu fördern. Und b) sich auch dazu bereit zu erklären, eine Geschäftsstelle dauerhaft, beispielsweise drei Jahre lang, zu finanzieren. Dann könnten sich die vielen fabelhaften Journalisten, die wir in Deutschland haben und die das Wagnis auf sich nehmen, ein Medien-Start-up zu gründen, auf das Wesentliche konzentrieren: guten Content.
Zur Person
Pauline Tillmann (35) hat das digitale Magazin Deine Korrespondentin gegründet, bei dem zehn freie Auslandskorrespondentinnen über Frauen weltweit berichten. Von 2011 bis 2015 hat sie als freie Auslandskorrespondentin in St. Petersburg gearbeitet und die ARD mit Reportagen und Radio-Features über Russland und die Ukraine beliefert. Mitte Oktober 2018 organisierte sie eine Konferenz mit 35 Gründerinnen und Gründern in Berlin, bei der es um alternative Finanzierungsmodelle im Journalismus ging. Finanziert wurde die Konferenz vom International Alumni Center (IAC) der Robert Bosch Stiftung.

Exkurs: Braucht es den gemeinnützigen Zweckjournalismus?

In der Abgabenordnung wird deutschlandweit geregelt, was als Förderung der Allgemeinheit unter Gemeinnützigkeit zu verstehen ist. Der Paragraf 52 listet seit 2007 einen Beispielkatalog an Zwecken, der von der Förderung von Wissenschaft und Forschung bis hin zur Förderung des Sports reicht. Dieser Katalog der gemeinnützigen Zwecke gerät immer wieder in die Kritik: So wurde 2019 der NGO und Kampagnenorganisation Attac vom Bundesfinanzhof die Gemeinnützigkeit abgesprochen mit dem Vermerk: „Wer politische Zwecke als Einflussnahme auf politische Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung verfolgt, erfüllt keinen gemeinnützigen Zweck i.S. von § 52 AO.“ (Attac 2019) Die rechtliche Auseinandersetzung dazu dauert an.
Forderungen, die Förderung von Journalismus in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufzunehmen, sind seit einigen Jahren laut vernehmbar. Sie werden unter anderem erhoben von der FDP-Fraktion im Landtag NRW, vom Netzwerk Recherche und einigen Stiftungen wie der Schöpflin Stiftung. Zu den Argumenten zählen:
  • Die Anerkennung journalistischer Initiativen als gemeinnützig ermöglicht ihren Machern mehr finanzielle (und auch inhaltliche) Unabhängigkeit von Erlösquellen wie Anzeigen und damit ein neues Ertragsmodell, das in der Medienkrise Hoffnung für den Journalismus sein kann.
  • Zudem bietet gemeinnütziger Journalismus mehr Freiheit, Recherchen durchzuführen, die sonst vielleicht aufgrund mutmaßlich mangelnden Interesses bei den Rezipienten nicht durchgeführt worden wäre.
  • Theoretisch lassen sich journalistische Projekte unter Fördertypen wie Volks- und Berufsbildung, Umwelt- oder Verbraucherschutz oder auch Kunst und Kultur subsumieren. Doch Finanzämter treffen Einzelfallentscheidungen. Hier sehen Befürworter des gemeinnützigen Journalismus eine große Rechtsunsicherheit für journalistische Gründungen und setzen sich für eine klare, verbindliche und einheitliche Regelung ein (Netzwerk Recherche 2018).
  • Als gemeinnützig anerkannte Organisationen erhalten Steuerbegünstigungen und auch ihre Spenderinnen und Spender können Zuwendungen steuerlich geltend machen. Über den Status der Gemeinnützigkeit könnten so mehr Spenden für gemeinnützigen Journalismus generiert werden.
Rechtsanwältin Dr. Verena Staats, bis Anfang 2019 Mitglied der Geschäftsleitung und Leitung Justiziariat im Bundesverband Deutscher Stiftungen, zeigt auf, welche Hürden und Herausforderungen es auf dem Weg zum gemeinnützigen Journalismus gibt (vgl. DJV und BVDS 2016):
  • Die Vielzahl gemeinnütziger Organisationen im Bereich des Journalismus zeigt, dass es möglich ist, journalistische Zwecke zu verfolgen, ohne dass dies im Katalog der gemeinnützigen Zwecke verankert ist. Und es ist doch ein Gewinn für die Gesellschaft, wenn diese Organisationen in die Förderung von Bildung, Demokratieerziehung oder Völkerverständigung einzahlen.
  • Eine Hürde besteht im Wettbewerbsrecht. Der gemeinnützige Sektor ist zunehmend mit Konkurrenzklagen konfrontiert, zum Beispiel bei Familienfreizeiten, wo kommerzielle Anbieter auf den Markt drängen, welche die ungleiche Besteuerung nicht hinnehmen wollen. Einen Sektor wie den Mediensektor, der von jeher wirtschaftlich organisiert war, nachträglich gemeinnützig aufzuspalten, scheint mir daher wenig erfolgversprechend.
  • Und mal angenommen, es würde dennoch gelingen: Alle Stiftungen, die bisher über den Stiftungszweck Bildung oder Völkerverständigung fördern, müssten im Sinne der sogenannten „Zweckidentität“ ihre Satzung ändern, was nach bisheriger Rechtslage nahezu ausgeschlossen ist.
  • Aussichten: Gerade weil einige der erfolgreichsten, teilweise auch stiftungsfinanzierten, Journalismusorganisationen wie CORRECTIV oder auch Finanztip z. B. über den Stiftungszweck Bildung und Ausbildung als gemeinnützig anerkannt sind, fehlt der breite politische Wille, Journalismusförderung in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke aufzunehmen. Das Netzwerk Recherche setzt sich weiter dafür ein, veranstaltet Fachkonferenzen, Austausch und Weiterbildung zu dem Thema.

CORRECTIV: Vom Piloten zum Vorbild

Das „erste gemeinnützige Recherchezentrum im deutschsprachigen Raum“, CORRECTIV, wurde im Jahr 2014 als gemeinnützige GmbH gegründet. Hinter dem Journalistenprojekt, das mit einer Förderung in Höhe von drei Millionen Euro durch die Brost-Stiftung an den Start ging, steht der Investigativjournalist David Schraven. Der Gründer ist heute Geschäftsführer der Redaktionen in Berlin und Essen. Mittlerweile hat sich CORRECTIV ein breites Geschäftsgebiet aufgebaut. Neben Recherchen checkt ein Journalistenteam im Auftrag von Facebook Fake-News. Im Bildungsbereich startete CORRECTIV 2018 die Reporterfabrik und veranstaltet seit 2017 erfolgreich das Campfire Festival für mehr Nähe zwischen Medien und Bürgerinnen und Bürgern.
Gründer David Schraven im Interview
Das Interview führte die Autorin.
KK:
Wenn es darum geht, den Erfolg von stiftungsfinanziertem Journalismus aufzuzeigen, fällt meist zuerst der Name CORRECTIV. Wie habt ihr es geschafft, ausgehend von einer Stiftungsförderung ein nachhaltiges und langfristiges Geschäftsmodell für das erste gemeinnützige Recherchezentrum in Deutschland zu entwickeln?
Schraven:
Wir haben bereits in der Planung darauf geachtet, einen Einnahmemix zu erreichen. Wir wollten nie nur einen Einnahmestrom aufbauen. Wir haben immer auf die Unterstützung von Stiftungen gesetzt, auf Kleinspenden aus einer Community und auf einen Geschäftsbetrieb. Der Mix aus verschiedenen Erlösquellen sichert uns ab.
KK:
Unabhängiger Journalismusein hoher Anspruch. Wie stellt ihr sicher, dass es am Ende nicht eure Geldgeber sind, welche die Richtung der Recherchen vorgeben?
Schraven:
Wie gesagt, wir sichern unsere Unabhängigkeit durch den bereits angesprochenen Einnahmemix ab.
KK:
Die Wirkungsmessung im Journalismus steht noch ganz am Anfang, auch weil langfristige Auswirkungen von Artikeln und Recherchen schwer zu ermitteln und zu evaluieren sind. Ihr versucht es mit einer eigenen Unterseite zum Thema Wirkung. Wie definiert ihr Wirkung und wie messt ihr diese Wirkung?
Schraven:
Das ist eine ganz schwierige Frage. Wir überlegen derzeit ein System, mit dem wir den Einfluss unserer Arbeit auf unser direktes Ziel ermitteln wollen: Tragen wir zu einer messbaren Verbesserung unserer Gesellschaft bei? Dazu werden wir uns anschauen, ob wir etwa durch die Aufdeckung des Cum-Ex-Skandals dazu beitragen konnten, dass diese Art von Steuerraub unmöglich wird. Oder wir schauen uns an, wie viele Menschen unsere Bildungsinitiative „Reporterfabrik“ durchlaufen und sich besser ausdrücken können.
Zur Person
David Schraven ist Gründer von CORRECTIV und leitet das Recherchezentrum als Herausgeber. Zuvor war er als Journalist bei der taz, der Süddeutschen Zeitung, der Welt-Gruppe und dem von ihm mitgegründeten Blog Ruhrbarone tätig. Bei der damaligen WAZ-Gruppe (heute Funke-Gruppe) war David Schraven für das Investigativ-Ressort verantwortlich. Er wurde für seine Arbeit vielfach ausgezeichnet.

Schöpflin Stiftung: Drei Fragen an Lukas Harlan zum geplanten „Haus des gemeinnützigen Journalismus“

Das Interview führte die Autorin.
KK:
Die Schöpflin Stiftung wird 25 Millionen Euro in das „Haus des Gemeinnützigen Journalismus“ investieren. Dies ist nach eigenen Angaben die wohl mit Abstand größte Investition, mit der eine Stiftung Journalismus in Deutschland fördert. Was ist die Grundidee hinter diesem Haus?
Harlan:
Das Haus wird ein Ort, an dem Informationen und Wissen im digitalen Zeitalter verarbeitet werden und somit ein Zugang zu Bildung und Demokratie geschaffen wird. Es soll ein lebendiges Haus sein, in dem sich etablierte Redaktionen, aber auch Gründungsteams für neue Publikationsformate zusammenfinden. Freie Journalistinnen und Journalisten werden hier einen Arbeitsplatz haben und Netzwerke knüpfen. Das Haus wird ein Kristallisationspunkt für journalistische Innovationen. Es fördert Meinungs- und Informationsfreiheit in Europa.
KK:
Das Haus versteht sich bewusst als europäisches Zentrum für gemeinnützigen Journalismus. Wie soll die europäische Ausrichtung gestaltet werden?
Harlan:
Der Journalismus der Zukunft wird von Kooperationen geprägt sein. Dies ist heute schon in vielen Fällen erkennbar und durch die technischen Entwicklungen vielfach möglich. Gleichzeitig machen die Themen, die uns betreffen, nicht an den nationalstaatlichen Grenzen halt, sondern spielen darüber hinaus und im Zusammenspiel mit allen europäischen Partnern eine Rolle. Die Notwendigkeit, Europa als Gemeinschaftsprojekt zu denken, soll sich im Haus des gemeinnützigen Journalismus widerspiegeln. Wir werden mit Organisationen und NGOs aus ganz Europa kooperieren. Dies wird sichtbar in der Programmatik des Hauses sowie in der Mieterschaft. Die Kommunikation des Hauses wird entsprechend komplett auf Deutsch und Englisch stattfinden.
KK:
Verweist der Name des Hauses auf die Grundannahme, dass Journalismus nicht mehr in die gewinnorientierte Sphäre gehört?
Harlan:
Der Name des Hauses ist aktuell ein Arbeitstitel und kann sich noch ändern. Auch hier sind die Bereiche der Informations- und Meinungsfreiheit sowie die technischen Entwicklungen mitzudenken. Gleichwohl sind neue, gemeinnützige Formen des Journalismus eine wichtige Ergänzung im Feld. Klassische und öffentlich-rechtliche Angebote sind weitere Elemente, die nicht wegzudenken sind. Auch hier ist Kooperation das Gebot der Stunde. Gemeinnützige Angebote ermöglichen dabei ungewöhnliche Rechercheprojekte und Innovationen, von denen alle profitieren.
Zur Person
Lukas Harlan ist Programmleiter Schöpflin Biotop und Gemeinnütziger Journalismus bei der Schöpflin Stiftung. Die Schöpflin Stiftung engagiert sich für ein selbstbestimmtes Leben der jungen und kommenden Generationen. Harlan war Mitgründer der School for Political Design. Bei der Projektfabrik zur Förderung arbeitsloser Menschen war er vor seiner Tätigkeit bei der Schöpflin Stiftung Leiter Projektentwicklung und Kommunikation.

Die Journalismusförderung der parteinahen Stiftungen auf Bundesebene

Journalismusfördernde Stiftungen werden auch aus öffentlichen Mitteln finanziert. Unter diesen sogenannten öffentlichen Stiftungen wiederum sind der Großteil parteinahe Stiftungen, die daher in diesem Unterkapitel besonders betrachtet werden.
Das Ziel der politischen (auch: parteinahen) Stiftungen ist es, offene und gesellschaftspolitische Bildungsarbeit mit dem Ziel der Demokratieförderung zu leisten. Sie wurden als Reaktion auf das demokratiefeindliche NS-Regime nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet. Am bekanntesten sind die Organisationen, die den (bisher) fünf bzw. sechs Parteien im Bundestag nahestehen. Daneben gibt es noch eine Reihe parteinaher Stiftungen auf Länderebene.
Parteinahe Stiftungen sind gemeinnützig und werden zu 90 Prozent aus öffentlichen Mitteln finanziert. Das Gros der Finanzierung übernimmt als sogenannte Globalzuschüsse für gesellschaftspolitische Bildungsarbeit das Bundesministerium des Innern. Bestimmte Aufgaben wie Studienförderung oder Entwicklungszusammenarbeit finanzieren auch Auswärtiges Amt, das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie der Deutsche Bundestag.
Die Höhe der jeweiligen Mittel wird im Rahmen der Verhandlungen über den Bundeshaushalt festgelegt und mit dem Haushaltsgesetz vom Bundestag beschlossen. Sie richtet sich unter anderem nach den Mehrheitsverhältnissen im Bundestag. Die Zuwendungen an alle politischen Stiftungen beliefen sich im Jahr 2017 laut Bund der Steuerzahler auf insgesamt 581 Millionen Euro (Lutz und Müller 2018).
Parteinahe Stiftungen gehören über ihre Bildungsarbeit zu den größten Stiftungsförderern von Journalismus in Deutschland, wie die folgenden Porträts zeigen. Hinweis: Hier werden nur die Stiftungen auf Bundesebene, das heißt die Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien alphabetisch kurz porträtiert.
Friedrich-Ebert-Stiftung
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES), als Stiftungsverein organisiert, besteht seit 1925 und wurde 1954 wiedergegründet. Sie ist damit die älteste deutsche parteinahe Stiftung. Als parteinahe Stiftung orientiert sie sich an den Grundwerten der sozialen Demokratie: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Die JournalistenAkademie der FES unterstützt mit ihren Aktivitäten Journalistinnen und Journalisten. Sie vermittelt alle journalistischen Kernkompetenzen mit dem Schwerpunkt Politikberichterstattung. Hospitanzprogramme im Deutschen Bundestag und im EU-Parlament vermitteln das Zusammenspiel von Politik und Medien. Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten werden durch die Aktivitäten besonders gefördert.
Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit
Die Stiftung wurde 1958 in Bonn gegründet. Sie bietet seitdem auf Grundlage der Idee des Liberalismus Angebote zur politischen Bildung in Deutschland und weltweit. Namensgeber der Stiftung ist der liberale Politiker Friedrich Naumann; seit 2007 ist der Zusatz „für die Freiheit“ Bestandteil des Stiftungsnamens. Weil unabhängiger Journalismus und unabhängige Journalisten und Journalistinnen überall auf der Welt in Gefahr sind, engagiert sich die Stiftung für unabhängigen Journalismus und verleiht seit 2015 den Raif Badawi Award for courageous journalists. Der Preis ist benannt nach dem saudischen Bloggers Raif Badawi, der wegen angeblicher Beleidung des Islam zu zehn Jahren Haft verurteilt ist. Seit 2016 hat die Stiftung ein Internationales Journalisten- und Mediendialogprogramm, mit dem sie unabhängige Journalisten und Medienorganisationen weltweit fördert. Ein Schwerpunkt ist die Arbeit mit Exiljournalisten in Deutschland.
Heinrich-Böll-Stiftung
Die Heinrich-Böll-Stiftung ist eine politische Stiftung, die der Partei Bündnis 90/Die Grünen nahesteht. Politische Bildungsarbeit, die Unterstützung von Demokratiebewegungen weltweit, der Erhalt unseres globalen Ökosystems und die Studien- und Promotionsförderung – das ist ihre Arbeit. Die Bundesstiftung agiert von Berlin aus; in allen Bundesländern gibt es Landesstiftungen. Dazu kommen 32 Büros im Ausland. Ihr Motto hat sie bei ihrem Namensgeber Heinrich Böll entliehen: „Einmischung ist die einzige Möglichkeit, realistisch zu bleiben.“ Vielfalt anzuerkennen und zu leben ist ein Thema quer durch alle Bereiche: Gerechtigkeit, Partizipation und Gleichberechtigung – hier setzt auch das Studienstipendienprogramm „Medienvielfalt, anders! Junge Migrantinnen und Migranten in den Journalismus“ an, das seit 2008 junge Nachwuchsjournalist/innen mit Migrationsgeschichte oder People of Colour auf ihrem Weg in den Journalismus unterstützt.
Konrad-Adenauer-Stiftung – Journalisten-Akademie
Die Stiftung ist als Stiftungsverein organisiert und trägt seit 1964 den Namen des ersten Bundeskanzlers der Bundesrepublik Deutschland, Konrad Adenauer. Die Stiftung hat nach eigenen Angaben mehr als 3500 Stipendiatinnen und Stipendiaten und ist damit das zweitgrößte Begabtenförderwerk in Deutschland. Die Journalismusförderung ist in eine eigene Abteilung gegliedert, die Journalisten-Akademie/Journalistische Nachwuchsförderung (JONA) mit der KAS-Medienwerkstatt für Schüler. Seit 1979 haben knapp 1000 Studierende die studienbegleitend stattfindende Journalistische Nachwuchsförderung durchlaufen.
Rosa-Luxemburg-Stiftung
Die Stiftung ging 1992 aus dem Verein Gesellschaftsanalyse und politische Bildung e. V. hervor und unterbreitet Angebote zur politischen Bildung im Spektrum des Demokratischen Sozialismus. Ihr Anliegen ist es, Impulse für selbstbestimmte gesellschaftliche politische Aktivität zu geben und das Engagement für Frieden und Völkerverständigung, für soziale Gerechtigkeit und ein solidarisches Miteinander zu unterstützen. Sie fördert den gemeinnützigen Linke Medienakademie e. V. (LiMA), der aus der Akademie für Journalismus, Bürgermedien, Öffentlichkeitsarbeit und Medienkompetenz, einem alternativen Medienkongress, hervorging. Schwerpunkt des LiMA e. V. ist ein jährlicher Weiterbildungskongress; darüber hinaus gibt der Bildungsverein Kurse für journalistisches Handwerk, Social Media und Medienkompetenz.

Blick in die USA – Interview mit Stephanie Reuter (Rudolf Augstein Stiftung)

Das Interview führte die Autorin.
KK:
Wo steht der stiftungsfinanzierte Journalismus in den USA?
Reuter:
Im Vergleich zu Deutschland hat der stiftungsfinanzierte Journalismus in den USA eine lange Tradition. Schließlich machen Stiftungsgelder neben Spenden seit jeher den Großteil der Finanzierung des öffentlichen Rundfunks aus. Darüber hinaus engagieren sich Stiftungen mannigfaltig im Medienbereich: Sie finanzieren investigativ arbeitende Non-Profit-Newsrooms wie ProPublica oder das Center for Public Integrity, unterstützen die journalistische Aus- und Fortbildung und investieren in Innovationen. Das ist auch dringend nötig, denn die Finanz- und Medienkrise fiel in den Vereinigten Staaten sehr viel härter aus als in Europa. Einer neuen Studie zufolge förderten US-Stiftungen den Medienbereich zwischen 2010 und 2015 mit rund 1,8 Milliarden US-Dollar, das sind immerhin rund 300 Millionen jährlich. Ein weiterer Zuwachs ist seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zu verzeichnen. Seine Angriffe auf etablierte Qualitätsmedien wie beispielsweise die „New York Times“ machen vielen Stiftungsverantwortlichen und Mäzenen Sorgen – ist doch kritischer und unabhängiger Journalismus das Rückgrat jeder Demokratie. Allerdings: Die weggebrochenen Anzeigen- und Verkaufserlöse können auch US-Stiftungen nicht annähernd kompensieren. Sie können Experimente ermöglichen und für mehr Engagement im eigenen Sektor werben – förderten in der Vergangenheit doch vor allem die großen national oder gar international agierenden Stiftungen journalistische Vorhaben. Das wandelt sich allmählich. Das beste Beispiel ist News Match – eine Matching-Funds-Kampagne, die 2016 von der Knight Foundation initiiert wurde und inzwischen über ein imposantes Partnernetzwerk verfügt. Ziel ist es, die Spendenbereitschaft für Non-Profit-Newsrooms zu steigern. Das ist wichtig, gibt es in den Vereinigten Staaten doch bereits sogenannte News Deserts – also Landstriche, wo es keinen Lokaljournalismus mehr gibt. Wünschenswert wäre, dass sich perspektivisch mehr lokale Akteure wie beispielsweise Community Foundations für journalistische Angebote vor Ort engagieren.
KK:
In Deutschland gehören stiftungsgetragene MedienunternehmenStichwort „Frankfurter Allgemeine Zeitung“eher zur Ausnahme. Inwiefern wandeln sich Eigentumsstrukturen unter den aktuellen Bedingungen und welche Beispiele gibt es in den USA?
Reuter:
Das ist ein wichtiger Punkt, denn neue Geldquellen zu erschließen, wird nicht reichen. Es geht auch um die Erneuerung institutioneller Grundlagen. Aus meiner Sicht sind für Public Interest Journalism Eigentumsstrukturen notwendig, die den Gewinndruck reduzieren. Das können beispielsweise Non-Profit-, Stiftungs- oder Genossenschaftsmodelle sein. Es gilt sicherzustellen, dass Gewinne nicht einfach abgeschöpft, sondern in den Journalismus reinvestiert werden. Eines der interessantesten und ambitioniertesten Beispiele aus den Staaten ist das Lenfest Institute in Philadelphia. Der TV-Unternehmer Gerry Lenfest hat im Jahr 2016 drei Medienmarken der Philadelphia Media Group von einer For-Profit-Struktur in eine Non-Profit-Struktur überführt und das gemeinnützige Lenfest Institute gegründet. Das Lenfest Institute führt die Medien fort. Erträge fließen zurück in die Publikationen. Darüber hinaus hat das Lenfest Institute ein zweites Ziel: Es soll nachhaltige Geschäftsmodelle für Lokaljournalismus entwickeln – durch ein eigenes Live-Lab und Projektförderungen. Das ist wichtig, denn Lokalredaktionen verfügen häufig nicht über die notwendigen Mittel für eigene Innovationsabteilungen. Es geht also darum, Kräfte in einer Hubstruktur zu bündeln und die Learnings bestmöglich zu teilen. Dafür hat Gerry Lenfest einen Fonds mit ursprünglich 20 Millionen Dollar ausgestattet, der offen für Zustiftungen ist. Inzwischen hat sich die Summe mehr als verdoppelt. Die Kontrolle über diesen Fonds hat Lenfest der ortsansässigen Community Foundation, der Philadelphia Foundation, übergeben.
KK:
In den USA gibt es eine eigene NGO, das Solution Journalism Network, das sich für lösungsorientierte und konstruktive Berichterstattung einsetzt. Hierzulande herrscht eher Skepsis gegenüber der Idee, dass Journalismus Lösungen mitliefert. Angst vor dem Verlust der Unabhängigkeit, einer sinkenden Quote oder dem Gefühl, tatsächlich etwas zu bewirkenwas sind die Gründe?
Reuter:
Meiner Wahrnehmung nach ist es eher das neue Labeling, an dem sich viele Journalistinnen und Journalisten stören. Ihr Argument: Guter Journalismus blicke immer auch nach vorn und informiere über Lösungsansätze. Dafür brauche es keinen neuen Begriff. Es sei allerdings nicht an Journalistinnen und Journalisten, Lösungen zu entwickeln. D’accord. Zudem sind natürlich auch neue Ansätze kritisch zu hinterfragen – es geht schließlich nicht um Werbung oder PR. So weit, so schlüssig – und doch: Bei uns bestimmen weiterhin meist negative Nachrichtenfaktoren die Auswahl. Wir kennen alle den Ausspruch: „Only bad news are good news.“ Das führt dazu, dass die Rezipienten dieser Nachrichten die Welt negativer wahrnehmen, als sie tatsächlich ist, und sich teilweise von den Medien abwenden. Genau hier setzt der konstruktive Journalismus an. Erste Studien deuten in die Richtung, dass sich Rezipienten nach einem konstruktiven Beitrag tatsächlich weniger deprimiert fühlen. Interessant ist auch, dass solche Beiträge eher in sozialen Medien geteilt werden. Für mich persönlich jedoch entscheidender ist, dass Journalismus relevanter wird, wenn er Menschen einbezieht, die etwas verändern wollen, und wenn er konstruktiv auch über mögliche Lösungen von Problemen berichtet. Von Lösungen zu erfahren, die woanders bereits funktioniert haben, regt nicht nur an, selbst aktiv zu werden. Es befähigt nicht nur, sondern es hilft auch, Erwartungen an die Politik zu formulieren beziehungsweise Rechenschaft dafür einzufordern, wenn Möglichkeiten nicht ausgeschöpft werden. Solutions Journalism ist also auch eine Art, wie sich der Journalismus weiterentwickeln kann, um Vertrauen zurückzugewinnen. Das haben inzwischen auch viele deutsche Medien erkannt: Von „brand eins“ über „Chrismon“, das ZDF, den NDR, „Spiegel Online“ und „Zeit Online“ finden wir Beispiele für diesen Ansatz – mit „Perspective Daily“ seit 2016 sogar ein Onlinemagazin, das sich ganz diesem Ansatz verschrieben hat.
Zur Person
Stephanie Reuter ist seit 2011 Geschäftsführerin der Rudolf Augstein Stiftung. Im Jahr 2017 forschte sie als Knight Visiting Nieman Fellow an der Harvard University zur Zukunft des stiftungsfinanzierten Journalismus. Die studierte Journalistin (Diplom) und Kulturmanagerin (Master) leitete die Geschäftsstelle des Instituts für Kultur- und Medienmanagement an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Im Stiftungssektor ist die Alumna der Studienstiftung des deutschen Volkes seit 2008 tätig, unter anderem bei der Robert Bosch Stiftung und bei der Stiftung Zollverein. Im journalistischen Feld absolvierte sie nach einem Verlagsvolontariat Stationen bei der dpa, beim ZDF und beim SWR.

Fazit mit Blitzlichtern: „Stiftungsfinanzierter Journalismus in Deutschland hat für mich dann eine Perspektive, wenn …“

„… wir es schaffen, noch sichtbarer zu machen, dass Förderungen vielfältig und für fast alle möglich sind, und dass wir uns zusammentun, um Journalismus für die Zukunft als eine wichtige Grundlage für gelingende Demokratie zu stärken.“ Lukas Harlan, Schöpflin Stiftung
„… wenn er gemeinnützig gedacht wird: im Dienste der Aufklärung, für die Gesellschaft, lösungsorientiert und konstruktiv.“ David Schraven, CORRECTIV
„… wenn die fördernde Stiftung ihr Hauptziel nicht aus den Augen verliert: den Journalismus als Säule der Demokratie zu unterstützen. Dafür muss die Unabhängigkeit der redaktionellen Arbeit gewährleistet sein. Und es müssen Strukturen verbessert und neu geschaffen werden.“ Beate Spiegel und Renate Ries, Klaus Tschira Stiftung
„… es gelingt Neu-Stiftende auch jenseits des Medienbiotops davon zu überzeugen, dass die Förderung von Journalismus zur Förderung unseres demokratischen Grundkonsenses beiträgt. Denn wir brauchen mehr Stiftungen, die in Journalismus ‚investieren‘ und das am besten in Form von Infrastrukturförderung!“ Katrin Kowark, Bundesverband Deutscher Stiftungen.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Kapitel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Literatur
Metadaten
Titel
Qualitätsjournalismus und Stiftungen
verfasst von
Katrin Kowark
Copyright-Jahr
2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-59466-7_6