Lange schien es, dass Elektrofahrzeuge mit Range Extender ausgestorben seien. Doch der Reichweitenverlängerer ist zurück. Vor allem in China erfreut sich diese Technologie großer Beliebtheit. (Update)
Li Auto setzt auf SUV mit Range Extender: Hier der Li L8
Li Auto
Elektrofahrzeuge mit Range Extender, also einem Reichweitenverlängerer, waren vor rund zehn Jahren im Trend. Sie boten einen Weg aus der Reichweitenangst, die die damaligen Elektroautos mit kleinen Traktionsbatterien und damit kleinen Reichweiten erzeugten. Dann verwarfen viele Hersteller das Prinzip des Range Extenders; die größte Konkurrenz für den Elektroantrieb mit Range Extender war der Plug-in-Hybrid (PHEV). Jetzt könnte sich eine Renaissance des Range Extenders ankündigen. Vor allem in China zählen sie zur Modellpalette.
Anders als bei den Plug-in-Hybriden dient beim E-Auto mit Range Extender der zusätzlich eingebaute Verbrennungsmotor nicht als Antriebsquelle, sondern als Stromgenerator für den E-Antrieb. Konkret bedeutet das: Das Range-Extender-Aggregat ist ein Verbrennungsmotor, "der die Batterien mittels eines von ihm angetrieben Generators dann auflädt, wenn sie einen vorher definierten Ladezustand unterschritten haben", erklären die Springer-Autoren des Kapitels Antriebe aus dem Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. Der Verbrennungsmotor treibe somit ausschließlich einen Generator an, der Fahrzeugantrieb erfolge weiterhin über den Elektromotor. Dieses Antriebskonzept ist ein serieller Hybrid.
Range-Extender-Markt überschaubar
Allerdings blieb der Gesamtmarkt für Range-Extender-Aggregate überschaubar. Mit den Produktionsstopps von Chevrolet Volt und BMW i3 mit Range Extender war diese Technik 2019 praktisch vom Markt verschwunden. Die Gründe sind vielfältig: Der Hilfsmotor erhöht den Platzbedarf im Fahrzeug, das Gewicht, den Wartungsaufwand sowie die Kosten und verschlechtert die CO2-Bilanz. Im Vergleich bot der PHEV auch lokal emissionsfreies Fahren, aber vor allem eine bessere Langstreckentauglichkeit. Daher war er auch für eine breite Käuferschicht geeignet, wie Richard Backhaus bereits 2014 in seinem Editorial Kleiner Motor, kleiner Markt für die MTZ 4 schrieb.
Der wahrscheinlich größte marktlimitierende Faktor war wohl aber die fortschreitende Batterieentwicklung: Steigende Leistungsfähigkeit und weiter sinkende Kosten der Energiespeicher haben dazu geführt, dass der Range Extender im Kosten-Nutzen-Vergleich weiter an Boden verlor. Dadurch haben Elektroautos immer weniger ein Reichweitenproblem, allerdings für den Preis großer Akkus, die bereits in der Produktion Emissionen verursachen und Elektrofahrzeuge immer schwerer und teurer machen. PHEV sind hingegen oft mit sehr leistungsstarken Verbrennungsmotoren und Getrieben unterwegs, die der Statistik zufolge selten in Betrieb sein müssten. Das heißt: Im Elektrobetrieb sind Zusatzgewicht und -kosten für den verbrennungsmotorischen Antrieb nachteilig, während bei der Hybridfahrt der Akku mitbewegt werden muss.
Energie sparen und Ressourcen schonen
Professor Haas, Leiter des Labors für Fahrzeugantriebe an der TH Köln, skizziert das Problem: "Elektroautos hatten 2020 im Durchschnitt eine Reichweite von 375 Kilometern. Die dafür notwendige Batterie wiegt 500 Kilogramm und ist durch ihr Gewicht für rund 13 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Dabei ist eine solch hohe Reichweite im Regelfall gar nicht nötig, denn die Deutschen legen im Schnitt pro Tag nur eine Strecke von gut 30 Kilometern zurück".
Wäre es da nicht sinnvoll, die Hybrid-Idee umzudrehen? Also einem E-Auto mit einem verhältnismäßig kleinen Akku einen Range Extender an die Seite zu stellen? So könnten batterieelektrische Fahrzeuge mit Range Extender wie PHEVs meist elektrisch fahren, aber mit kleinem Verbrennungsmotor. Professor Haas und sein Team setzen ihre Forschungsarbeiten genau an dieser Stelle an. Der Wissenschaftler plädiert für Elektrofahrzeuge mit einer Reichweite von rund 100 km – die dafür nötige Batterie verursache durch ihr Gewicht nur noch 3 bis 4 % des Energieverbrauchs. Sollte die Fahrt einmal länger dauern, könnten kleine Verbrennungsmotoren, also Range Extender, zum Einsatz kommen: "Ein solches Konzept spart nicht nur Energie, sondern schont auch Ressourcen, die für die Batterieproduktion benötigt werden", so Haas.
Ein Range Extender als Zweitakter: Der erste komplett selbst gebaute Motor der TH Köln.
Heike Fischer / TH Köln
TH Köln arbeitet an Zweitakter-Range-Extender
Seit Anfang 2018 arbeitet sein Team daran, einen Range Extender in Form eines Zweitakters statt eines üblichen Viertaktmotors zu bauen. Inzwischen gibt es einen zweiten Prototyp mit 3 bis 3,5 kW Leistung. "Zweitakter sind deutlich leichter als Viertakter, so dass unser Modell ein besseres Verhältnis von Gewicht und Leistung aufweist. Zudem ist er im optimalen Betriebspunkt günstiger im Verbrauch", so Haas. Zudem soll der Motor und der von ihm angetriebene Generator als Plug-and-Play-System konstruiert werden. So könnten die Autofahrer den Range Extender während ihrer Alltagsfahrten zuhause lassen und Gewicht sparen. Neben klassischem Kraftstoff wären auch E90, Bio-Ethanol oder synthetische Kraftstoffe denkbar.
Mit Range Extender: E-Abfallsammelfahrzeug und E-Camper
Gleichzeitig haben auch Automobilhersteller den Range Extender im Blick. Nissan bietet die dritte Generation des Qashqai auch als Elektrofahrzeug mit Range Extender (e-Power) an. Und im Mazda MX-30 e-Skyactiv R-EV kommt ein Kreiskolbenmotor als Range Extender zum Einsatz. Wie die Wirtschaftszeitung "Korea Economic Daily" (KED Global) berichtet, arbeitet auch der koreanische Automobilkonzern Hyundai Motor Group an einem Range-Extender-Elektroantrieb, und zwar für Pick-ups und SUV. Und Stellantis bringt eine neue STLA-Frame-Plattform auf den Markt, die Range-Extender-Modellen bis zu 1.100 km bieten soll. Zudem hat Aurobay, die seit Mai 2024 zu Horse Powertrain gehören, einen Range Extender für Nutzfahrzeuge auf dem Wiener Motorensymposium 2023 präsentiert. Von Horse stammt auch der Antrieb für den Lecar 459 Hybrid, ein Elektroauto mit Range Extender des brasilianischen Start-ups Lecar.
Auch in besonderen Nischen und Anwendungsfällen hält der Range Extender Einzug. So baut der London-Taxihersteller LEVC nun auch Range-Extender-Elektrotransporter und MAN und IAV entwickeln zusammen im Rahmen des Assured-Projekts ein Abfallsammelfahrzeug mit voll-elektrischem Antriebsstrang in Kombination mit einem Range Extender. 2021 stellte Knaus Tabbert auf dem Caravan Salon mit dem "Knaus E.Power Drive" die Studie eines E-Reisemobils vor, die über einen Wankelmotor als Range Extender verfügt. Seit 2022 wird das Konzept mit dem Ziel weiterentwickelt, das Gewicht des Fahrzeugs weiter zu verringern und es zu einem marktfähigen Preis anbieten zu können. Und mittlerweile wird der Stadtbus Mercedes-Benz eCitaro auch mit einer wasserstoffbasierten Brennstoffzelle als Range Extender angeboten.
Range Extender: Ausweg aus der BEV-Nachfrageschwäche
Glaubt man Frank Obrist, dann könnten Elektrofahrzeuge mit Range Extender "zum Rettungsanker für die europäische Automobilindustrie" werden, wie der Erfinder und Unternehmer erklärt. Dessen Industriegruppe Obrist Group hat unter der Bezeichnung Hyperhybrid ein Range-Extender-Konzept serienreif entwickelt und bereits in Prototypen getestet.
In die Karten spielt Obrist offenbar die derzeitige Nachfrageschwäche bei Elektroautos. "Wir reden intensiv mit vielen namhaften deutschen Autoherstellern", sagt Ulrich Kiebler, Chief Sales Officer bei der Obrist Group. Er betont die Vorteile für die Autoindustrie: "Unser Minimotor und unsere Kompaktbatterie passen in viele der bereits entwickelten E‑Autoplattformen". Ähnlich sieht es Ragnar Burenius, Leitender Ingenieur für Verbrennungsmotoren bei Aurobay, im MTZ-Interview "Modularität ist eine unserer größten Stärken". So würden die meisten neuen Fahrzeugplattformentwicklungen und Investitionen derzeit auf die Optimierung von BEVs abzielen. "Das könnte das Interesse an einer Range-Extender-Anwendung wecken, die für diese Plattformen geeignet ist", sagt Burenius.
China setzt auf Range Extender
Vor allem China hat sich dem Range Extender zugewendet. Zoe Zhao, Director der Obrist Group mit Verantwortung für die Volksrepublik China, erklärt: "Range Extender sind in China längst gang und gäbe. Auch hierzulande sinkt die Nachfrage nach reinen E‑Autos erheblich, wenngleich nicht so stark wie in Europa, und die Hersteller kommen mit immer neuen Range-Extender-Modellen über alle Fahrzeugklassen hinweg auf den Markt. In China treiben Range Extender den Markt für Elektromobilität geradezu an". Nach ihren Angaben seien in China 2023 rund 600.000 derartige Fahrzeuge verkauft worden, 2024 soll die Marke von einer Million Range Extendern deutlich überschritten werden.
Alles deutet somit darauf hin, dass die Nachfrage und Beliebtheit sogenannter EREVs (extended-range electric vehicles) weiter steigen wird. So verwundert es nicht, dass in den vergangenen Monaten mehrere chinesische Hersteller von Elektrofahrzeugen ihre EREV-Pläne bekannt gegeben haben. So hat Geely die nächste Generation seines Hybridsystems angekündigt. Die chinesische Elektroauto-Marke Avatr steigt mit dem SUV Avatr 07 nun ebenfalls in das EREV-Segment ein und auch Nio scheint laut der Nachrichtenagentur Reuters den Range Extender für seine Firefly-Modelle im Blick zu haben. Zudem hat Xpeng ein Modell mit Range-Extender beim "Xpeng AI Day" 2024 angekündigt. Dongfengs Elektro-SUV eπ 008 ist in China nun auch als Hybridfahrzeug mit Range Extender zu haben. Vorreiter bei der Entwicklung von EREVs war vor allem die Marke Li Auto. Der Hersteller hat in China aktuell drei Modelle im Portfolio, den fünfsitzigen Li L7 sowie die sechssitzigen Li L8 und Li L9 – alle drei sind E-Fahrzeuge mit Range Extender.