Im Interview erläutert der Rechenzentrumsexperte Martin Schechtner, warum es sich durchaus lohnt, die Abwärme aus Rechenzentren effizient nutzbar zu machen – beispielsweise zur Gebäudeheizung.
Martin Schechtner ist Geschäftsführer von Diggers.
Diggers GmbH
springerprofessional.de: Welchen Anteil haben traditionelle Rechenzentren am weltweiten CO₂-Ausstoß?
Martin Schechtner: Der Anteil von Rechenzentren am weltweiten CO₂-Ausstoß ist erheblich und liegt derzeit bei rund vier Prozent, was den Emissionen des gesamten weltweiten Flugverkehrs entspricht. Wenn die gesamten weltweiten Rechnerleistungen eine Volkswirtschaft wären, stünden die Rechenzentren bei den CO₂-Emittenten jetzt schon an vierter Stelle. Diese Entwicklung wird aufgrund der zunehmenden Digitalisierung und der Ausbreitung von KI-Anwendungen noch weitergehen, so dass man aktuell davon ausgeht, dass sich die weltweite Rechenleistung bis 2030 noch verdoppeln wird – mit fatalen Folgen für das Klima. Große Player wie Google und Amazon denken aktuell bereits über Atomkraftwerke neben den eigenen Rechenzentren nach, was aber aus unserer Sicht nicht die Lösung sein darf.
Rechenzentren müssen in den nächsten Jahren dringend grüner werden. Welche Rolle spielt dabei die Kühlung?
Für die Kühlung wird aktuell im Durchschnitt rund 40 Prozent des gesamten Stroms in einem Rechenzentrum aufgewendet. Das ist nichts als verschwendete Energie. Es liegt aus unserer Sicht einfach nahe, dass wir nicht nur versuchen, diese 40 Prozent einzusparen, sondern die entstandene Wärme auch nutzbar machen. Wir sprechen hier von Nutzwärme zwischen 50 und 60 Grad, die man ganz vielfältig einsetzen kann. Dazu kommt, dass man sich in einem Rechenzentrum die Errichtung der Kühltechnik sparen kann, die in der Regel ein großer Posten ist.
Wie lässt sich die Abwärme aus Rechenzentren effizient nutzen?
Heizanlagen in Gebäuden können mit diesen Temperaturen arbeiten. Auch in der Industrie wird diese Prozesswärme benötigt. Ideal funktioniert das natürlich, wenn ein Rechenzentrum dort geplant wird, wo der Weg zur Wärmenutzung möglichst kurz ist. Dabei hilft ein dezentrales System, wie wir es mit unseren Rechnerboxen entwickelt haben. Diese können genau dort eingesetzt werden, wo die Wärme auch entsteht – und dann bis zu 98 Prozent der entstehenden Wärme verwenden.
Können Sie hier über ein Beispiel aus der Praxis berichten?
Wir haben in Wien im Next Generation Data Center (NGDC) der A1 für unseren Partner Exoscale eine Einheit mit rund 200 Grafikprozessoren errichtet. Dort wird die Abwärme zur Gebäudeheizung beziehungsweise zur Konditionierung der Notstromgeneratoren genutzt. Darüber hinaus sind wir gerade in der Projektentwicklung für drei vollwertige Rechenzentrumsstandorte in Österreich und Deutschland im Leistungsbereich 500 Kilowatt bis zwei Megawatt Jeder dieser Standorte verfügt über eine erneuerbare Stromquelle und ein lokales Nahwärmenetz. Somit kann die gesamte Abwärme nutzbar gemacht und ca. 300-1.200 Haushalte pro Standort mit Wärme versorgt werden – ein wichtiger Baustein für die Wärmewende.