Ende November müssen alle Unternehmen, die Aufträge von der öffentlichen Hand übernehmen, ihre Rechnung in elektronischer Form stellen. Doch viele Mittelständler hantieren laut einer aktuellen Umfrage noch mit Papierrechnungen und PDF-Dateien - trotz der Vorteile.
"Die E-Rechnung hilft, Papierberge in deutschen Unternehmen und in der Verwaltung abzubauen. Und sie macht die Unternehmen wettbewerbsfähig und zukunftsfest. Eine Rechnung auf Papier oder als PDF ist nicht mehr zeitgemäß", sagt Nils Britze, Bereichsleiter Digitale Geschäftsprozesse beim Digitalverband Bitkom. Laut einer aktuellen Umfrage, die Bitkom Research unter mehr als 1.100 Entscheidern und Verantwortlichen zum Thema Digitalisierung in Unternehmen ab 20 Mitarbeitern telefonisch durchgeführt hat, nutzen bereits 30 Prozent der Betriebe das Instrument der E-Rechnung. 2018 waren es nur 19 Prozent.
Da ab dem 27. November 2020 die elektronische Rechnungsstellung und -übermittlung für alle Unternehmer, die im Auftrag des Bundes tätig werden, Pflicht wird, sei es nun wichtig, dass sich jetzt auch alle anderen Betriebe mit diesem Thema auseinandersetzen, fordert Britze. Für viele stelle diese Umstellung aber eine Herausforderung dar. "Immerhin erstellt derzeit noch ein Drittel (33 Prozent) Rechnungen überwiegend oder sogar ausschließlich in Papierform", so der Bitkom-Experte.
E-Rechnung soll grenzüberschreitenden Handel stärken und Kosten senken
Bekanntermaßen spielt die EU-Richtlinie 2014/55/EU bei der Einführung der elektronischen Rechnung in der öffentlichen Verwaltung eine zentrale Rolle. Die EU-Kommission setzte mit dieser Richtlinie das klare Ziel, mit ihren Vorgaben zur Standardisierung des elektronischen Rechnungsaustauschs den grenzüberschreitenden Handel des europäischen Binnenmarktes zu stärken und Kosten zu reduzieren. Die Verpflichtung zum Empfang elektronischer Rechnungen erstreckt sich auf nahezu alle öffentlichen Auftraggeber von Bund und Ländern sowie allen darunterliegenden öffentlichen Aufraggebern", erläutert Datev-Fachmann Ivo Moszynski im Beitrag "Der Status quo der elektronischen Rechnung" in der aktuellen Ausgabe der "Innovative Verwaltung" (Ausgabe 5-6 | 2020).
Und die Vorteile liegen laut vieler Experten klar auf der Hand: "Es gibt umfassende Erfahrungen aus der Privatwirtschaft über den elektronischen Rechnungsaustausch. Studien nennen Einsparpotenziale zwischen 60 und 80 Prozent. Die EU schätzt für die deutsche Verwaltung ein Einsparpotenzial von circa 6,5 Milliarden Euro", betonen Stefan Mensching, Sören Bergner, Martin Rebs und Tobias Adam.
Im Buchkapitel "Ausgangslage für die Einführung der E-Rechnung im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat" schreiben die Springer-Autoren auf Seite 157: "Auch ohne konkrete Zahlen liegen die Vorteile auf der Hand, da Millionen von Rechnungsdokumenten nicht mehr quer durch die Republik zugestellt werden müssen. Die Prozesse werden schneller, ökologischer, ökonomischer und jede kleine Verbesserung multipliziert sich mit der hohen Anzahl an Rechnungen."
Zehn zentrale Punkte für die Umstellung
In seinem überarbeiteten Faktenpapier "10 Merksätze für elektronische Rechnungen" zeigt der Digitalverband, worauf es bei der Umstellung auf die E-Rechnung im Mittelstand ankommt. Denn diese muss in einem bestimmten strukturierten Format erstellt werden und eine automatische Verarbeitung ermöglichen, so der Bitkom. Es handele sich "nicht um eine elektronisch versendete Rechnung, die etwa als PDF an eine Mail angehängt wird".
Die 10 wichtigsten Anforderungen zur E-Rechnung | |
1. Alle Rechnungen sind gleich zu behandeln | Rechnungen in Papierform und elektronische Rechnungen sind umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich gleich zu behandeln. Alle müssen die umsatzsteuerrechtlichen Vorgaben erfüllen, insbesondere die Gewährleistung der Kriterien Authentizität, Integrität und Lesbarkeit. Darüber hinaus müssen sie die vollständigen und richtigen Pflichtangaben enthalten. |
2. Elektronische Rechnungen sind technologieneutral | Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, deren Erstellung, Übermittlung und Empfang auf elektronischem Weg erfolgt – sowohl für das Format, in dem die Rechnung erstellt wird, als auch für den Weg, auf dem sie übermittelt wird, gilt Technologieneutralität und Wahlfreiheit. Die gängigsten Formate in Deutschland sind die XRechnung und ZUGFeRD. |
3. Authentizitat und Integritat sind zu gewahrleisten | Für jede Rechnung, in Ppierform oder elektronisch, ist die Echtheit der Herkunft (Authentizität) und die Unversehrtheit des Inhalts (Integrität) zu gewährleisten. Authentizität und Integrität können durch ein innerbetriebliches Kontrollverfahren sichergestellt werden, das einen verlässlichen Prüfpfad zwischen Leistung und Rechnung herstellt. |
4. Jede Rechnung muss lesbar sein | Die Lesbarkeit einer Rechnung ist gewährleistet, wenn die umsatzsteuerlichen Pflichtangaben für das menschliche Auge lesbar dargestellt werden können. Während Papierrechnungen diese Anforderungen unmittelbar erfüllen, müssen bei elektronischen Rechnungen dafür geeignete Anzeigeprogramme eingesetzt werden. |
5. Jede Rechnung muss die Pflichtangaben enthalten | Umsatzsteuerlich, insbesondere als eine der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug, muss jede Rechnung – egal ob in Papierform oder elektronisch – die gesetzlichen Pflichtangaben beinhalten. Zu den umsatzsteuerlichen Pflichtangaben gehören unter anderem der vollständige Name samt Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers, das Ausstellungsdatum und die Menge und die Art der gelieferten Gegenstände beziehungsweise Art und Umfang der sonstigen Leistung. |
6. Jede Rechnung muss aufbewahrt werden | Für Rechnungen gilt, dass sie aus umsatzsteuerrechtlicher Sicht mindestens zehn Jahre unveränderbar aufzubewahren sind. Unveränderbarkeit ist gewährleistet, wenn jederzeit auf den Originalzustand geschlossen werden kann. |
7. Papierrechnungen dürfen digitalisiert werden | Steuerrecht und Handelsrecht gestatten im Grundsatz die Aufbewahrung von Unterlagen auf einem Bild- oder anderen Datenträger. Eingehende Papierrechnungen können daher unter bestimmten Voraussetzungen digitalisiert, also bildlich erfasst, und aufbewahrt werden. Dazu muss das Verfahren zur Digitalisierung von Papierrechnungen und deren Aufbewahrung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) beziehungsweise den Grundsätzen zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (GoBD) entsprechen. |
8. Die Vorgänge müssen nachvollziehbar sein (Dokumentation) | Im Rahmen der GoB sowie der GoBD ist die Erstellung einer Verfahrensdokumentation für alle Geschäftsprozesse, insbesondere für die IT-gestützten, gefordert. Unter einer Verfahrensdokumentation versteht die Finanzverwaltung die Beschreibung des organisatorisch und technisch gewollten Verfahrens bei der Verarbeitung steuerlich relevanter Informationen. |
9. Regelungen zur Digitalisierung und Archivierung im Ausland | Besonderheiten aus steuerlicher Sicht gilt es insbesondere bei einer Auslagerung ins Ausland zu beachten. Gemäß § 146 Abs. 2 S. 1 Abgabenordnung sind Bücher und sonstige erforderliche Aufzeichnungen im Inland zu führen und aufzubewahren. |
10. Elektronische Rechnungen unterliegen dem Recht auf Datenzugriff | Im Rahmen des Datenzugriffs der Finanzverwaltung kann ein Zugriff auf elektronisch gespeicherte Dokumente und Daten, insbesondere auf elektronische Rechnungen, gefordert werden. Dabei steht dem Betriebsprüfer die Möglichkeit offen, im Rahmen einer Volltextsuche elektronische Rechnungen zu recherchieren beziehungsweise diese maschinell auszuwerten. |
Quelle: Bitkom, "10 Merksätze für elektronische Rechnungen", 2020
"Die gängigsten Formate zur elektronischen Rechnungsstellung in Deutschland sind die XRechnung und ZUGFeRD", präzisiert Datev-Experte Moszynski .
"Wichtig ist, dass die (elektronische) Rechnung nicht isoliert zu sehen ist, sondern immer an weitere Prozesse der Wertschöpfungskette in der Organisation anknüpft. Die Umstellung auf die elektronische Rechnung geht also immer mit einem Digitalisierungsprojekt im Unternehmen einher", so Moszynsk. Die aktuellen Fragen sind ihm zufolge:
- Wie sieht eine vollumfängliche Strategie für den elektronischen Rechnungsversand an Wirtschaft und Verwaltung aus?
- Muss ich als Unternehmer verschiedene Datenformate und Ausgangskanäle unterstützen?
- Bekomme ich zukünftig meine Bestellung auch elektronisch übermittelt?
- Gibt es eine oder mehrere Plattformen, über die ich als Unternehmer elektronische Rechnungen an meine Kunden in der öffentlichen Verwaltung schicken muss?
"Das FeRD (Forum elektronische Rechnung Deutschland) setzt sich für eine einheitliche Lösung ein, die den gesamten Prozess von der Bestellung bis hin zur Zahlung beinhaltet, einen Großteil der Anforderungen des Marktes abdeckt und am Ende den elektronischen Versand nicht komplizierter gestaltet als den Versand einer Rechnung auf Papier", schreibt der Autor.