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2015 | Buch

Rechtsfragen des Medizintourismus

Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht bei Klagen des im Ausland behandelten Patienten wegen eines Behandlungs- oder Aufklärungsfehlers

verfasst von: Julian Reisewitz

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Kölner Schriften zum Medizinrecht

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Über dieses Buch

Eine immer größer werdende Zahl deutscher Patienten begibt sich zur medizinischen Behandlung gezielt ins Ausland. Die vorliegende Abhandlung nimmt dieses Phänomen zum Anlass, internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht bei grenzüberschreitenden Arzthaftungsfällen zu untersuchen. Diskutiert wird insbesondere die Frage der Eröffnung eines Gerichtsstandes in Deutschland nach den Vorschriften der EuGVVO sowie analog §§ 12 ff. ZPO. Hinsichtlich der Bestimmung des anzuwendenden Rechts stehen die Verordnungen Rom I (Vertragsstatut) und Rom II (Deliktsstatut) im Mittelpunkt der Erörterung. Abgerundet wird die Arbeit durch die Unterbreitung rechtspolitischer Handlungsvorschläge, wie bei grenzüberschreitenden Behandlungen ein hohes Patientenschutzniveau sichergestellt werden kann, ohne dabei die Interessen von Ärzten und Kliniken aus dem Blick zu verlieren.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Rahmenbedingungen des Medizintourismus

Frontmatter
1. Untersuchungsgegenstand
Zusammenfassung
Die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des internationalen Medizintourismus erfordert die vorherige Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes. Es soll daher im Folgenden der Frage nachgegangen werden, welche Sachverhalte als dem Medizintourismus zugehörig anzusehen sind (A). Da zudem nicht alle Auslandsbehandlungssituationen im gleichen situativen Umfeld stattfinden, bietet es sich in einem zweiten Schritt an, juristisch relevante Subdifferenzierungen innerhalb des Medizintourismus herauszuarbeiten (B).
Julian Reisewitz
2. Rechtstatsächliche Bedeutung und Hintergründe des Medizintourismus
Zusammenfassung
Im Anschluss an die Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes soll im Folgenden auf die aktuelle Bedeutung des Medizintourismus (A), seine Hintergründe (B) sowie auf Entwicklungstendenzen und Zukunftsprognosen eingegangen werden (C).
Julian Reisewitz
3. Schutzbedürftigkeit des Patienten
Zusammenfassung
Unter allen Dienstverträgen hebt den ärztlichen Behandlungsvertrag in besonderer Weise hervor, dass ein (bei Operationen häufig abstrakt lebensbedrohlicher) Eingriff in die körperliche Unversehrtheit regelmäßig zentrale Hauptleistungspflicht des Dienstleistenden ist. Der Patient vertraut dem Arzt mit Gesundheit und Leben seine höchsten Rechtsgüter an. Anders als bei den meisten anderen Vertragsverhältnissen mit Auslandsbezug geht es also nicht nur um reine Vermögensinteressen der Parteien, wie es etwa beim internationalen Kauf oder bei Finanzdienstleistungen der Fall ist. Bereits dies macht deutlich, dass der Patient, der sich zu Behandlungszwecken ins Ausland begibt, in besonderer Weise (staatlichen) Schutzes bedarf. Diese Schutzbedürftigkeit soll im folgenden Kapitel anhand der betroffenen Grundrechte des Patienten (A) sowie der spezifischen Gefahren der Auslandsbehandlung (B) herausgearbeitet werden.
Julian Reisewitz
4. Grundbegriffe der Arzt- und Krankenhaushaftung
Zusammenfassung
Im Folgenden sollen für die weitere Untersuchung wesentliche Grundbegriffe der Arzt- und Krankenhaushaftung überblicksartig dargestellt werden.
Julian Reisewitz

Internationale Zuständigkeit bei Klagen des Patienten gegen Arzt oder Einrichtungsträger wegen fehlerhafter Behandlung oder Aufklärung

Frontmatter
5. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach der VO (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO)
Zusammenfassung
Die Anwendung der EuGVVO in Arzt- und Krankenhaushaftungssachen setzt zunächst voraus, dass diese als Zivilsachen i.S.d. Art. 1 Abs. 1 S. 1 EuGVVO anzusehen sind und der Ausschlussgrund des Art. 1 Abs. 2 lit. c EuGVVO (Zugehörigkeit zur sozialen Sicherheit) nicht greift (A). Sodann soll kurz auf die allgemeine Zuständigkeit am Beklagtenwohnsitz gemäß Art. 2 Abs. 1 EuGVVO eingegangen werden (B). Aufgrund der Tatsache, dass Ansprüche wegen Behandlungsund Aufklärungsfehlern sowohl auf vertraglicher als auch auf deliktischer Grundlage erhoben werden können, kommt im Medizintourismus unter den besonderen Gerichtsständen zunächst Art.
Julian Reisewitz
6. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach dem Lugano II-Übereinkommen (Lug II-Ü)
Zusammenfassung
Mit dem Lugano II-Übereinkommen (Lug II-Ü) vom 30.10.2007 ist das zuvor gültige Lugano-Abkommen vom 16.9.1988 an die Vorschriften der EuGVVO angepasst worden. Es regelt gemäß Art. 2 Abs. 1 Lug II-Ü die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegenüber Beklagten mit Wohnsitz in Norwegen, Island oder der Schweiz. Da die für den Medizintourismus interessierenden Zuständigkeitsnormen inhaltlich mit jenen des EuGVVO übereinstimmen und bei ihrer Auslegung gemäß Art. 1 Abs. 1 Protokoll 2 auch die Rechtsprechung des EuGH zur EuGVVO, zum EuGVÜ und zum Lugano-Abkommen von 1988 zu berücksichtigen ist, sollten sich bei der Anwendung des Lug II-Ü keine Unterschiede zur EuGVVO ergeben. Eine gesonderte Auseinandersetzung vermag daher an dieser Stelle mit Hinweis auf die obigen Ausführungen zur EuGVVO zu unterbleiben.
Julian Reisewitz
7. Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach autonomem deutschem Recht (analog §§ 12 ff. ZPO)
Zusammenfassung
Hat der beklagte Arzt oder Einrichtungsbetreiber keinen Wohnsitz in einem der EU-Mitgliedsstaaten, so ist die internationale Zuständigkeit gemäß Art. 4 Abs. 1 EuGVVO vorbehaltlich ihrer Art. 22, 23 nach nationalem Recht zu bestimmen. In Deutschland richtet sie sich damit, soweit weder das Lug II-Ü noch ein anderes völkerrechtliches Abkommen eingreift, nach den §§ 12 ff. ZPO analog. Da es sich insoweit um deutsches und nicht um europäisches Recht handelt, ist bei der Auslegung allein auf das Verständnis der deutschen lex fori zurückzugreifen.
Julian Reisewitz
8. Prorogation und Derogation
Zusammenfassung
Zuständigkeitsvereinbarungen kommt im internationalen Rechtsverkehr eine weitaus größere Bedeutung zu als bei reinen Inlandssachverhalten. Dies liegt zum einen daran, dass die Begründung der internationalen Zuständigkeit – wie gesehen – in vielen Fällen von komplexen Fragen abhängt und damit stets mit einem hohen Prozessrisiko behaftet ist. Wird vor einem unzuständigen Gericht Klage erhoben, so bleibt diesem nur die Zurückweisung aus prozessualen Gründen. Eine Verweisung an das tatsächlich kompetente Gericht kommt – anders als bei rein innerstaatlichen Sachverhalten – nicht in Betracht; der Kläger verliert Zeit und Geld auf seinem Weg zur Rechtsdurchsetzung und muss in einem anderen Land erneut klagen. Hier dient es Rechtssicherheit und Effizienz, wenn sich die Parteien von Anfang an geeinigt haben, eventuelle Streitigkeiten den Gerichten eines bestimmten Staates oder einem bestimmten Forum zu unterwerfen.
Julian Reisewitz
9. Abschließende Bewertung und Handlungsvorschläge
Zusammenfassung
Im Folgenden wird das geltende Zuständigkeitsrecht für Klagen wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern der Bewertung unterzogen, zudem werden Handlungsvorschläge unterbreitet. Dabei ist zwischen den beiden folgenden Konstellationen zu unterscheiden: Im einen Fall ist die Klage des Medizintouristen gegen den Kontrahenten des Behandlungsvertrages gerichtet, sodass der Gedanke eines spezifischen Patientenschutzes als Unterfall des allgemeinen Verbraucherschutzes eine Rolle spielt (A). Im zweiten Fall ist Klagegegner der konkret behandelnde Arzt, mit welchem der Patient keinen Vertrag hat, weshalb die Klage allein auf außervertragliche Ansprüche gestützt werden kann (B).
Julian Reisewitz

Bestimmung des in Deutschland anzuwendenden Rechts

Frontmatter
10. Vertragsstatut
Zusammenfassung
Soweit der Anwendungsbereich der Rom I-VO eröffnet ist (A), bestimmt sich das Vertragsstatut nach deren Vorschriften. Ausgangspunkt ist dabei Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO, welcher den Grundsatz der freien Rechtswahl normiert (B). Diese genießt jedoch auch über die norminternen Beschränkungen in Art. 3 Abs. 3 und Abs. 4 Rom I-VO hinaus keine uneingeschränkte Gültigkeit, schließlich unterfällt sie zusätzlich den spezifischen Rechtswahlschranken für Verbraucherverträge gemäß Art. 6 Abs. 2 Rom I-VO und Art. 46b EGBGB (C). Liegt keine Rechtswahl vor und ergibt sich das Vertragsstatut auch nicht aus der verbraucherschützenden Kollisionsnorm des Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO, so bestimmt sich das auf den Behandlungsvertrag anzuwendende Recht anhand von Art. 4 Rom I-VO (D). Sein Geltungsbereich richtet sich nach den Art. 12 ff. Rom I-VO (E).
Julian Reisewitz
11. Deliktsstatut
Zusammenfassung
Das auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung in Arzt- und Krankenhaushaftungsprozessen anzuwendende Recht bestimmt sich anhand der Vorschriften der Rom II-VO, soweit deren sachlicher Anwendungsbereich gemäß Art. 1 f. Rom IIVO eröffnet ist, andernfalls nach den Art. 40 bis 42 EGBGB (A). Die allgemeine Anknüpfungsregel für außervertragliche Schuldverhältnisse wegen Delikts findet sich in Art. 4 Rom II-VO (B). Nach Eintritt des schadensbegründenden Ereignisses unterliegt auch das Deliktsstatut gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 1 lit. a Rom II-VO der freien Wahl durch die Parteien (C). Abschließend soll auf ausgewählte Aspekte seines Geltungsbereichs eingegangen werden (D).
Julian Reisewitz
12. Schranken der Anwendung ausländischen Rechts
Zusammenfassung
Der Anwendung ausländischen Rechts vor deutschen Gerichten wird durch den Vorrang von Eingriffsnormen gemäß Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Rom I-VO und Art. 16 Rom II-VO (A) sowie durch den Vorbehalt des Ordre public nach Art. 21 Rom I-VO und Art. 26 Rom II-VO (B) Grenzen gesetzt. Zu klären ist daher, ob und gegebenenfalls welche Elemente des deutschen Arzthaftungsrechts als Eingriffsnormen oder Bestandteile des deutschen Ordre public zu qualifizieren sind.
Julian Reisewitz
13. Abschließende Bewertung und Handlungsvorschläge
Zusammenfassung
Zum Zwecke der abschließenden Bewertung der für den Medizintourismus maßgebenden Kollisionsrechtsnormen sowie ihrer Auswirkungen bietet es sich an, zwischen Vertrags- (A) und Deliktsstatut (B) zu unterscheiden. Soweit Defizite vorhanden sind, sollen hieran anknüpfend Handlungsvorschläge unterbreitet werden.
Julian Reisewitz
Backmatter
Metadaten
Titel
Rechtsfragen des Medizintourismus
verfasst von
Julian Reisewitz
Copyright-Jahr
2015
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-45591-3
Print ISBN
978-3-662-45590-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-45591-3