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Open Access 2024 | Open Access | Buch

Rechtsgemeinschaft mit Tieren

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Über dieses Buch

Dieses Open-Access-Buch fragt, ob die alten Begründungen, mit denen Tiere traditionell aus der Rechtsgemeinschaft ausgeschlossen wurden, noch tragen und zeigt, welche Fragen sich heute stellen.Die Grenzen der Rechtsgemeinschaft sind brüchig geworden und werden gegenwärtig neu verhandelt. Welche Konzepte prägen das Recht im Hinblick auf Tiere und wie sind aktuelle Entwicklungen einzuordnen? Das Buch wandelt auf den Spuren, die Tiere hinterlassen haben auf ihrem Weg zum derzeitigen rechtlichen Status und es wagt einen Ausblick auf die Frage, wohin dieser Weg führen könnte oder sollte.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Erster Teil: Tierethik und Recht

Frontmatter

Open Access

Ursprünge der Tierethikdebatte im 20. Jahrhundert
Zusammenfassung
Die tierverachtenden Zustände in der industrialisierten Landwirtschaft rückten im 20. Jahrhundert durch die Publikationen der Britin Ruth Harrison (1920–2000) in den Fokus der Öffentlichkeit. Sie publizierte im Jahr 1964 das Buch Animal Machines – The New Factory Farming Industry, das auch als Serie in einigen britischen Tageszeitungen erschien. Das Buch war mit einzelnen Fotografien versehen und informierte die breite Öffentlichkeit erstmals über die Zustände und Praktiken in der industrialisierten sog. Milch- und Fleischwirtschaft sowie in der Geflügelzucht.
Margot Michel

Open Access

Tierethik hinterfragt Gesellschaftsmoral
Zusammenfassung
Moral meint das Gebilde derjenigen Regeln einer Gesellschaft, die unbedingte normative Geltung beanspruchen und das menschliche Zusammenleben, aber auch das Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zu anderen Lebewesen und zur Umwelt zum Gegenstand haben. Moral ist demnach immer relational. Ihr Gegenstand bildet die soziale und nicht die staatliche Ordnung. «Die Moral» ist damit nicht nur normatives Ordnungselement, sondern auch soziale Tatsache. Sie ist bedingt durch die Lebenswelt einer Gesellschaft und deshalb stark kontextabhängig. Moral ist also geschichtlich entstanden und gewachsen, abhängig von der Gesellschaft, in der sie gilt.
Margot Michel

Open Access

Tiere und Menschen: Die Diskussion um die anthropologische Differenz
Zusammenfassung
Aufschlussreich ist zunächst einmal die Bezeichnung für «die Tiere»: In der Antike, insbesondere von Platon, Aristoteles und ihren Zeitgenossen, wurden Tiere und Menschen in der Regel noch mit dem gleichen Begriff als «die Lebewesen» bezeichnet und damit die Gemeinsamkeiten betont. Waren explizit nur die Tiere gemeint, dann hiessen sie «die anderen Lebewesen». Im Hellenismus und der römischen Kaiserzeit trat der Unterschied zwischen Menschen und Tieren deutlich stärker in den Vordergrund: Parallel zur herausragenden Stellung, welche die Vernunft mittlerweile in der Philosophie einnahm, wurden Tiere als die «Lebewesen ohne Logos» bezeichnet, als die Vernunftlosen und Sprachlosen. Sie wurden mithin fortan über eine als Defizit wahrgenommene, als zentral postulierte Eigenschaft definiert.
Margot Michel

Open Access

Die Konsequenz aus der anthropologischen Differenz: Was folgt aus dem Fehlen der Vernunft bei Tieren?
Zusammenfassung
Ethik beschäftigt sich mit Handlungen. Zum Begriff der Handlung gehört in einem ethischen Kontext Wahlfreiheit: Eine Handlung setzt demnach voraus, dass der oder die Handelnde auch die Option hat, sie zu unterlassen oder eine alternative Handlung zu wählen. Handlungen bedingen folglich Handlungsfähigkeit. Nach derzeitigem Wissensstand sind nur Menschen in der Lage, ihre Handlungen bewusst zu reflektieren und nach übergeordneten normativen Kriterien auszurichten. Nur Menschen sind vernunftfähig und können autonom, d. h. frei, handeln. Diese Fähigkeit ist die Bedingung jeder ethischen Verpflichtung.
Margot Michel

Open Access

Herausbildung eines tierethischen Konsenses im 19. Jahrhundert und die Frage seiner Verrechtlichung
Zusammenfassung
Die Aufarbeitung der Diskussion um die anthropologische Differenz hat die folgenden Punkte deutlich gemacht: Erstens haben die grundlegenden Fragen die Zeiten und Debatten überdauert. Sie sind im Kern dieselben geblieben wie damals: Die Frage, ob sich Menschen von Tieren in einer normativ relevanten Weise unterscheiden, d. h., ob es eine anthropologische Differenz mit normativer Bedeutung überhaupt gibt und was sie für den moralischen Status von Tieren bedeutet. Dabei ist die Problematik virulent, wie Interessenkollisionen zwischen Menschen und Tieren zu lösen sind. Sie kann nur beantwortet werden, wenn vorgängig geklärt wird, welche Interessen als legitim und berechtigt qualifiziert werden und deshalb überhaupt zur Abwägung gebracht werden dürfen, d. h., wann von einem realen Interessenkonflikt ausgegangen werden darf.
Margot Michel

Open Access

Tiere in der Rechtsgeschichte
Zusammenfassung
Im ältesten bekannten Gesetzeswerk, dem auf den babylonischen König Hammurabi (1728–1686 v.Chr.) zurückgehenden sog. Codex Hammurabi, findet sich bereits ein strafbewehrtes Verbot der Überforderung von arbeitenden Tieren. Die Motivation für diese Regelungen dürfte weniger in der Idee des Tierschutzes als im Bestreben zu suchen sein, die tierliche Arbeitskraft in einer stark von der landwirtschaftlichen Nutzung abhängigen Kultur zu erhalten.
Margot Michel

Open Access

Gehören Tiere zur Rechtsgemeinschaft?
Zusammenfassung
Aus der Perspektive vernunftrechtlicher Rechtstheorien ist der Versuch, Tiere über spezielle Tierschutzgesetze zu schützen, in zweierlei Hinsicht problematisch: Zum einen soll eine rechtliche Regelung für einen Bereich geschaffen werden, der vernunftrechtlich zur Sphäre der Moral bzw. Gesinnung gerechnet wird und deshalb – als Folge der Trennung von Recht und Moral – als nicht verrechtlichbar gilt. Zum anderen beschränken Tierschutzgesetze die Macht des Eigentümers im Interesse eines Rechtsobjekts, eines Tieres. In einem liberalen Staatsverständnis, welches das Recht als Freiheitsordnung versteht und ihm die primäre Aufgabe zuweist, die Freiheit von Rechtssubjekten (d. h. Menschen) so weit wie möglich zu schützen, ist dies eine grosse Herausforderung.
Margot Michel

Open Access

Unterschiede zwischen frühen Tierrechtstheorien und Tierschutzansatz
Zusammenfassung
Die ideengeschichtliche Beschäftigung mit der Diskussion um die anthropologische Differenz, mit der Geschichte des Tiers im Recht und vor allem mit den frühen Tierschutz- und Tierrechtsansätzen hat einige Erkenntnisse zutage gefördert, die für den weiteren Verlauf der Untersuchung wichtig sein werden: Erstens ist deutlich geworden, dass die Frage der rechtlichen Exklusion oder Inklusion der Tiere und die hierfür gewählte Rechtskonzeption massgeblich davon abhängt, welcher philosophisch-naturwissenschaftliche Bezugsrahmen das Verhältnis zwischen Menschen und Tieren dominiert.
Margot Michel

Zweiter Teil: Ein Streifzug durch das geltende Recht

Frontmatter

Open Access

Von rechtsethischen Forderungen zum geltenden Recht
Zusammenfassung
Im Anschluss an die im ersten Teil erfolgte Nachzeichnung der Ursprünge der Tierethikdebatte sowie die Aufarbeitung der Diskussion um die anthropologische Differenz und ihre Massgeblichkeit für die rechtliche Stellung des Tieres gilt es nun im zweiten Teil zu untersuchen, wie das geltende Recht auf die aufgeworfenen Fragen antwortet. Es geht im Folgenden also darum zu klären, ob, wie weit und weshalb Tiere rechtlich als berücksichtigungswürdige Wesen aufgefasst werden. Dabei sollen auch die gewählten Modelle der Inklusion von Tieren ins Recht und deren konkrete Implikationen näher betrachtet werden.
Margot Michel

Open Access

Der Schutz des Tieres um seiner selbst willen: Der sog. ethische Tierschutz
Zusammenfassung
Mit dem auf den ersten Blick etwas irreführenden Begriff des «ethischen Tierschutzes» wird dasjenige Konzept des rechtlichen Tierschutzes bezeichnet, bei dem das Tier um seiner selbst willen geschützt wird. Es geht hier also trotz des Namens um rechtlichen Tierschutz, der sich aber auf ethische Erwägungen, auf ausserrechtliche Wertvorstellungen, stützt. Schutzzweck und Referenzpunkt des Rechts ist im ethischen Tierschutz das Tier an sich und nicht etwa ökonomische Interessen am Tier oder die gefühlsmässige Verbindung des Menschen mit dem Tier.
Margot Michel

Open Access

Tierschutzkonzepte
Zusammenfassung
Stellt man die Frage nach dem Grund der Berücksichtigung von Tieren im geltenden Recht, lassen sich zwei Konzepte unterscheiden, welche die europäische Tierschutzgesetzgebung prägen. Dies ist zum einen das pathozentrische Tierschutzkonzept, das hier in einem weiten Sinne verstanden wird. Es knüpft an die Leidens- bzw. Empfindungsfähigkeit von Tieren an (Pathozentrismus bzw. Sentientismus). Zum anderen lässt sich in der Tierschutzgesetzgebung der deutschsprachigen Länder eine Hinwendung zum (eingeschränkten) Biozentrismus beobachten, d. h. zum Gedanken, dass Tiere als Lebewesen zu schützen sind, ohne hierfür begründend auf ihre Leidens- oder Empfindungsfähigkeit abzustellen.
Margot Michel

Open Access

Tierschutzrecht
Zusammenfassung
Zum Tierschutzrecht in einem weiten Sinne gehören nach hier vertretener und wohl mittlerweile auch weitgehend h.M. jene Normen, welche massgeblich zumindest auch – freilich nicht immer nur – den Schutz des Lebens, der Unversehrtheit, des Wohlergehens und der Würde von Tieren bezwecken. In diesem Sinne verstehen auch Liliane Schärmeli und Alain Griffel die verfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung zur Regelung des Tierschutzes an den Bund gemäss Art. 80 BV: Wenn der Bund Vorschriften über den Schutz der Tiere erlassen kann und muss, sind demnach Vorschriften gemeint, welche auf den «Schutz des Wohlergehens und der Würde des Tieres» zielen. Zudem geht es in tierschutzrechtlichen Normen regelmässig um den Schutz der Tiere vor Menschen, teilweise auch vor anderen Tieren, Krankheiten oder Umweltereignissen wie Hitze, Trockenheit, Kälte etc. Damit gehören Vorschriften, welche sich mit dem Schutz der Menschen vor unter Umständen gefährlichen Tieren befassen, nicht zum Tierschutzrecht. 
Margot Michel

Open Access

Tiere haben eine Würde …
Zusammenfassung
Die schweizerische Bundesverfassung garantiert die Berücksichtigung der Würde der Kreatur. Art. 120 BV, welcher der «Gentechnologie im Ausserhumanbereich» gewidmet ist, lautet:
1 Der Mensch und seine Umwelt sind vor Missbräuchen der Gentechnologie geschützt.
2 Der Bund erlässt Vorschriften über den Umgang mit Keim- und Erbgut von Tieren, Pflanzen und anderen Organismen. Er trägt dabei der Würde der Kreatur sowie der Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt Rechnung und schützt die genetische Vielfalt der Tier- und Pflanzenarten.
Margot Michel

Open Access

… aber keinen Schutz ihres Lebens
Zusammenfassung
Das schweizerische Tierschutzgesetz schützt gemäss seiner Zweckbestimmung die Würde und das Wohlergehen des Tieres, nicht aber sein Leben. Dies beruht auf einem klaren gesetzgeberischen Entscheid. Verboten sind somit lediglich die tierquälerische Tötung, d. h. die Tötung «auf qualvolle Art» (Art. 26 Abs. 1 lit. b TSchG), sowie die Tötung «aus Mutwillen» (Art. 26 Abs. 1 lit. b TSchG) und die Veranstaltung von Tierkämpfen, bei denen Tiere getötet werden (Art. 26 Abs. 1 lit. c TSchG).
Margot Michel

Open Access

Tiere sind keine Sachen…
Zusammenfassung
In den letzten dreissig Jahren haben einige zentraleuropäische Länder Tiere aus dem traditionellen zivilrechtlichen Status als blosse Sachen herausgelöst. Die «Entsachlichung» der Tiere wird aus einer tierrechtswissenschaftlichen Perspektive denn auch als einer der zentralen Trends der europäischen Rechtsentwicklung identifiziert. Sie nahm ihren Ausgang von Österreich und Deutschland, die beide Tiere bereits im Jahr 1988 (Österreich) bzw. 1990 (Deutschland) per Deklaration im bürgerlichen Recht aus der im römischen Recht wurzelnden Personen/Sachen-Dichotomie befreiten. Dem Vorbild folgten im Jahr 2003 die Schweiz, die gut zehn Jahre zuvor der verfassungsrechtlichen Verankerung der Würde der Kreatur zugestimmt hatte, und – im gleichen Jahr – Liechtenstein. Schliesslich nahm die französische im Jahr 2015 eine entsprechende Norm in den Code Civil auf.
Margot Michel

Open Access

… aber Eigentum
Zusammenfassung
Grundsätzlich können über Tiere weiterhin gleich wie über unbelebte Gegenstände schuldrechtliche Verträge abgeschlossen und sachenrechtliche Verfügungen getroffen werden – denkbar sind also beispielsweise Kaufverträge, Mietverträge oder Pachtverträge mit ihren jeweiligen zivilrechtlichen Wirkungen. In der Regel sind die allgemeinen obligationenrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden, beim Kaufvertrag somit etwa die Normen zum Fahrniskauf (Art. 187 ff. OR). Freilich sind hier die Vorgaben der Tierschutzgesetzgebung sowie allfällige Spezialvorschriften zu beachten. So ist der Handel mit gentechnisch veränderten Tieren bewilligungspflichtig (Art. 11 Abs. 1 TSchG), ebenso der gewerbsmässige Tierhandel (Art. 13 Abs. 1 TSchG) und der gewerbsmässige internationale Tiertransport (Art. 15a TSchG). Aus Tierschutzgründen kann zudem die Ein-, Durch- und Ausfuhr von Tieren an Bedingungen geknüpft, eingeschränkt oder ganz verboten werden (Art. 14 Abs. 1 TSchG).
Margot Michel

Open Access

Gegenwärtige Konzeption, Wertungswidersprüche und Inkonsistenzen
Zusammenfassung
Die Analyse der tierschutzrechtlichen Bestimmungen zeigt: Tiere zählen etwas im Recht, ihr Eigenwert wird anerkannt, ihre Interessen werden geschützt. Sie gehören damit mindestens in einem weiten Sinne zur Rechtsgemeinschaft, wenngleich in keiner Weise als gleichberechtigte Mitglieder: Wie viel oder zum Teil auch wie wenig sie zählen, wie weit ihr Schutz reicht oder wie eng er begrenzt bleibt, bestimmt sich nämlich nach wie vor fast ausschliesslich nach menschlichen Interessen. In den geltenden Normen zum Tier spiegelt sich überdeutlich der bereits eingangs der Untersuchung thematisierte Konflikt zwischen dem rechtsethischen Anspruch, Normen an übergeordneten Prinzipien der Gerechtigkeit auszurichten, und der Funktion bzw. Rolle des Rechts, bestehende Herrschaftsverhältnisse abzusichern, rechtlich zu legitimieren und zu perpetuieren.
Margot Michel

Dritter Teil: Auf dem Weg zu einer Rechtsgemeinschaft mit Tieren

Frontmatter

Open Access

Diesseits des Sachenrechts
Zusammenfassung
Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass das geltende schweizerische Recht Tiere auch im 21. Jahrhundert strukturell im Status eines Rechtsobjekts belässt. Tiere bleiben als «sachähnliche» Rechtsobjekte weiterhin dem Anwendungsbereich des Sachenrechts unterstellt: Sie bleiben insbesondere eigentumsfähig und damit mögliches Objekt weiterer dinglicher Rechte. Die nominelle «Ent-Sachlichung» entfaltet somit keine grundlegende Wirkung auf die Verortung der Tiere im Sachenrecht.
Margot Michel

Open Access

Menschliche und tierliche Körper: (K)eine Sache?
Zusammenfassung
Im schweizerischen Zivilgesetzbuch findet sich keine Legaldefinition der «Sache». Die Lehre geht allerdings davon aus, dass der schweizerischen Dogmatik der Sachbegriff zugrunde liegt, der von Friedrich Carl von Savigny (1779–1861) entwickelt wurde. Danach bildet die Körperlichkeit einer Entität grundsätzlich das zentrale Kriterium des Sachbegriffs – dies im Unterschied zu den meisten romanischen Rechtsordnungen sowie dem österreichischen Recht, welche den Sachbegriff nicht mit der Körperlichkeit verknüpfen. Nach der schweizerischen Auffassung ist eine Sache demgegenüber «ein körperlicher, von anderen abgegrenzter Gegenstand, der tatsächlicher und rechtlicher Beherrschung zugänglich ist».
Margot Michel

Open Access

Das Reich der Zwecke nimmt neue Bewohner auf: Die Ausweitung der Rechtsträgerschaft auf Tiere
Zusammenfassung
Aus den vorangehenden Gedanken ergibt sich, dass Rechte nicht direkt an das Haben bzw. an das «Sein» eines Körpers anknüpfen, sondern an die Person. Der menschliche Körper ist also deshalb rechtlich privilegiert, weil er mit einer Person verbunden ist, zu einer Person gehört. Allerdings fallen die Begriffe (natürliche) Person und Mensch im geltenden Recht zusammen: Weder setzt das Recht für den Status als Person besondere menschliche Fähigkeiten noch eine bestimmte (menschliche) Erscheinung voraus. Der Mensch ist also Person und damit Rechtsträger, weil er Mensch ist – und der Körper des Menschen fällt unter das Personenrecht und nicht unter das Sachenrecht, weil es ein menschlicher Körper ist.
Margot Michel

Open Access

Sollen und können Tiere Rechtsträger sein?
Zusammenfassung
Die Frage, ob Tiere Rechtssubjekte sein sollen, ob ihnen mithin Rechtspersönlichkeit bzw. der Status als Rechtsperson zuerkannt werden soll, ist eine normative und damit letztlich rechtsethische Frage. Eine blosse rechtsphilosophische bzw. -theoretische Analyse des Begriffs der Rechtsperson vermag diese Frage jedenfalls nicht zu beantworten. Sie läuft schon deswegen ins Leere, weil sich der Begriff der Rechtsperson mittlerweile von seinem philosophischen Bezugsrahmen gelöst hat. Dies hat sich bereits bei der Auseinandersetzung mit der Ausdehnung des Rechtediskurses im Zuge der menschenrechtlichen Diskussion gezeigt.
Margot Michel

Open Access

Gibt es notwendige Eigenschaften von Rechtssubjekten?
Zusammenfassung
Rechtssubjekte sind definitionsgemäss rechtsfähig, das heisst, sie haben Rechte, welche ihnen als Individuen zustehen (sog. subjektive oder individuelle Rechte). Die Fähigkeit, Rechte zu haben, trennt Rechtssubjekte von Rechtsobjekten. Sie wird von Eugen Bucher als die «Fähigkeit, im Rechte Existenz zu haben», umschrieben. Eugen Bucher und Regina Aebi-Müller verstehen die Rechtsfähigkeit denn auch formal als Voraussetzung oder Vorbedingung für die Rechtsträgerschaft.
Margot Michel

Open Access

Integritätsrechte als subjektive Rechte: Zwischen Willensfreiheit und Interessen
Zusammenfassung
Über die Frage, was subjektive bzw. individuelle Rechte schützen, besteht ebenso wenig Einigkeit wie über die Frage, wie sie theoretisch zu fassen sind. Bis heute prägen jedoch die Willenstheorie und die Interessentheorie sowie auf diesen Theorien basierende Kombinationsvorschläge die Diskussion um das Wesen des subjektiven Rechts. Dabei handelt es sich um ursprünglich aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammende Modellvorstellungen dafür, worin der Zweck individueller Rechte liegt. Die Diskussion hat sich mittlerweile vielfach und auch international beinahe unüberblickbar aufgefächert. Sie kann und soll hier nicht in ihrer rechtsphilosophischen und rechtsdogmatischen Breite und Tiefe wiedergegeben werden.
Margot Michel

Open Access

Der freie Wille, die Interessen und die Rechtsträgerschaft
Zusammenfassung
Der Einblick in die Diskussion der Willens- und Interessentheorie hat verdeutlicht, dass willensbasierte Rechtstheorien nur menschliche Rechtsträger inkludieren. Der Schutzzweck des subjektiven Rechts – Raum für die eigene Willensmacht zu erhalten – wirkt direkt auf die notwendigen Eigenschaften des Rechtsträgers zurück: Es kann keine Rechtsträger geben, welche nicht über die Fähigkeit zur autonomen Willensbildung verfügen. Nur Menschen haben aber einen freien Willen im geforderten Sinn. Also kommen Tiere als Rechtsträger ohnehin nicht infrage. Eine Theorie der Tierrechte lässt sich in eine Rechtstheorie, welche subjektive Rechte ausschliesslich als geschützte Willensmacht eines autonom handelnden Subjekts begreift, jedenfalls nicht widerspruchlos integrieren.
Margot Michel

Open Access

Wer hat Interessen?
Zusammenfassung
Geht man davon aus, dass ein interessentheoretischer Ansatz in der Lage sein sollte, den Kreis der Rechtsträger ohne Rekurs auf vortheoretische Kriterien zu bestimmen, ist der verwendete Interessenbegriff von fundamentaler Bedeutung. Er entscheidet letztlich darüber, wer überhaupt als potentieller Rechtsträger infrage kommt und wer nicht. Dies wurde bereits daran deutlich, dass verschiedene Interessentheoretiker wie Nelson, Feinberg oder Merkel unterschiedliche Entitäten als Rechtsträger anerkennen. Insofern haben interessenbasierte Ansätze nicht durchwegs eine «limitierende Stossrichtung» wie Kurt Seelmann befürchtet.
Margot Michel

Open Access

Welche Interessen zählen?
Zusammenfassung
Interessentheoretische Ansätze anerkennen regelmässig nicht alle faktisch möglichen Interessen als ausreichend, um Rechte zu legitimieren. Joseph Raz formuliert dies folgendermassen:
«,x has a right‘ if and only if x can have rights, and, other things being equal, an aspect of x’s well-being (his interest) is a sufficient reason for holding some other person(s) to be under a duty.»
Margot Michel

Open Access

Zählen alle Interessen gleich viel?
Zusammenfassung
Selbst wenn man anerkennt, dass Rechte wichtige bzw. grundlegende Interessen oder Bedürfnisse schützen, als Rechtsträger damit alle diejenigen Wesen in Frage kommen, die solche Interessen haben, ist damit noch nicht entschieden, ob alle Interessen auch gleich viel zählen sollen. Sowohl hierarchische als auch egalitaristische Konzepte sind denkbar. Sie können entweder an den Rechtsträger selbst anknüpfen oder aber an das im konkreten Fall betroffene Interesse.
Margot Michel

Open Access

Fazit: Der Schutzzweck von Rechten
Zusammenfassung
Zusammenfassend bleibt nach diesen Überlegungen fraglich, ob alle subjektiven Rechte mittels einer einheitlichen Rechtstheorie erfasst werden können. Weder die exklusive Anwendung der Willenstheorie noch die der Interessentheorie liefert für alle Rechtsträger und Kontexte befriedigende Resultate. Beide Theorien sind hilfreich, um den Schutzzweck bestimmter Rechte in bestimmten Konstellationen zu verdeutlichen.
Margot Michel

Open Access

Schluss
Zusammenfassung
Menschen und Tiere teilen die körperliche Verfasstheit ihres Lebens. Damit geht eine besondere Verletzlichkeit einher. Menschen und mindestens diejenigen Tiere, die nach unserem Wissen empfindungsfähig sind, erleben Gutes und Schlechtes, das ihnen widerfährt als ihr eigenes.
Margot Michel

Open Access

Einleitung
Zusammenfassung
Die Missstände in der Tierhaltung führen auch in der Schweiz immer wieder zu Schlagzeilen: So wurden etwa im Frühling 2023 die Urteile in einem der grössten Tierschutzfälle der Schweiz, dem «Fall Hefenhofen» breit diskutiert, im Herbst 2022 machten vestörende Videos aus der Geflügelzucht Schlagzeilen und im Sommer 2019 erschien in verschiedenen Medien der TA-Gruppe eine ganze Artikelserie zu den «skandalösen Zuständen auf Schweizer Bauernhöfen», zur Problematik der Direktzahlungen des Bundes an Tierhalter, die wegen Tierquälerei verurteilt wurden, und zu den fehlenden Kontrollen und damit auch der mangelhaften Durchsetzung des schweizerischen Tierschutzgesetzes aufgrund von Personalmangel.
Margot Michel
Backmatter
Metadaten
Titel
Rechtsgemeinschaft mit Tieren
verfasst von
Margot Michel
Copyright-Jahr
2024
Electronic ISBN
978-3-658-44447-1
Print ISBN
978-3-658-44446-4
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-44447-1

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