Auf dem umkämpften Azubi-Markt bleiben jedes Jahr viele Stellen unbesetzt. Was Arbeitgeber beachten müssen, um passende Kandidaten an Bord zu holen.
In Zeiten des Fachkräftemangels müssen Unternehmen häufiger Bewerber einstellen, die nur bedingt über die geforderten Kompetenzen verfügen. Ein verbessertes Recruiting könnte helfen.
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Viele Branchen in Deutschland suchen jedes Jahr vergebens nach Auszubildenden. Wer keine strahlende Consumer Brand vertritt oder seinen Standort in der Provinz hat, hat es dabei oft besonders schwer. Ganze 73.400 Ausbildungsstellen blieben im Jahr 2023 unbesetzt. Gründe für dieses Problem sind vielseitig. Zum einen wollen viele Schulabgänger immer noch eher studieren, andererseits sind auch die Ansprüche an die Ausbildung gestiegen. Home-Office, Work-Life-Balance, Gesundheit oder Heimatverbundenheit sind dabei wichtige Punkte für junge Menschen.
Umso wichtiger ist es, als Unternehmen zu wissen, wie potenzielle Bewerber angesprochen werden müssen und wie der eigene Betrieb ins richtige Licht gerückt wird. Um strategisch mit den Herausforderungen des Recruitings von Azubis umgehen zu können, müssen sich Unternehmen geläufiger Fehler bewusst werden und alternative Handlungsstrategien entwickeln. Fünf Tipps für zeitgemäßes Azubi-Recruiting werden hier zusammengefasst.
Azubi-Zielgruppen neu denken
Eine zeitgemäße Azubikommunikation darf nicht nur Haupt- oder Realschulabsolventen als Zielgruppe verstehen. Auch deren Eltern müssen berücksichtigt werden, denn sie spielen eine wichtige Rolle bei der Berufswahl junger Menschen. Die gezielte Ansprache von Eltern und anderen Bezugspersonen kann entscheidend sein. Eine weitere interessante Zielgruppe sind Menschen mit Migrationshintergrund, die auf dem Ausbildungsmarkt nicht immer die gleichen Chancen haben. Genauso sollten Studienabbrechende oder Leute, die die Ausbildung wechseln, gezielt angesprochen werden. Der Krankenhauskonzern Vivantes macht es vor, indem er zum Beispiel gezielt Studienabbrecher anspricht. So lassen sich Hemmschwellen abbauen und neue Bewerbergruppen erschließen.
Zielgruppengerechte Ansprache
Als etabliertes Unternehmen Jugendkultur zu benutzen, wirkt auf junge Zielgruppen oft abschreckend. Konservative Arbeitgeber, die sich als jung, dynamisch und am Puls der Zeit präsentieren, empfinden Jugendliche dann unauthentisch oder sogar peinlich. Zielgruppeninhalte oder Sprache nachzuahmen, wird sofort entlarvt und wirkt "cringe", auf Deutsch gesagt "zum Fremdschämen". Besser ist es, sich als Unternehmen des eigenen Images bewusst zu sein und damit zu spielen. Ein gutes Beispiel, wie die Kommunikation zur jungen Zielgruppe auch anders geht, bietet die gesetzliche Unfallversicherung VGB. Diese wirbt damit, dass es bei ihr um sehr sichere Ausbildungsberufe in der Sozialversicherung beziehungsweise im öffentlichen Dienst geht. Anstatt auf Azubi-Raps oder Tiktok-Challenges, die nicht zum Unternehmen passen, setzte die VGB den Fokus auf "besser Safe" - also einen sicheren Ausbildungsplatz bei einem soliden Arbeitgeber. So wirkt das Unternehmen glaubwürdig und spricht gezielt eine bestimmte Zielgruppe an.
Dem eigenen Unternehmen treu bleiben
Oftmals versuchen Arbeitgeber, mit ihrer Kommunikation alle irgendwie anzusprechen und landen dann bei austauschbaren Botschaften. Statt Verallgemeinerungen und Halbwahrheiten sollten Arbeitgeber aber auf Offenheit setzen. Vermeintlich negative Aspekte, wie Schichtdienst, keine Möglichkeit auf Homeoffice, unterdurchschnittliches Gehalt im ersten Lehrjahr oder schlechte Anbindung an den Arbeitsort, müssen klar kommuniziert werden. Mit offenen Karten zu spielen, hilft im Grunde an zwei Fronten: Es macht den Job konkreter und am Ende den Bewerberpool besser. Ehrlich mit den Bedingungen umzugehen, schließt von vorneherein alle aus, die sich diese Arbeitsumstände nicht vorstellen können, und macht das Recruiting effizienter. Arbeitgeberkommunikation ist nicht dazu da, allen zu gefallen, vielmehr geht es darum, die Richtigen anzusprechen. Je spitzer und konkreter, desto besser.
Differenzierte Ansprache der Azubis
Potenzielle Azubis dürfen nicht genauso adressiert werden wie Professionals. Azubis sind in einer anderen Lebenssituation, sie bewegen sich im Entdecker-Modus und denken weniger daran, sich zu etablieren. Doch es muss noch weiter differenziert werden. Schulabgänger brauchen andere Botschaften als Studienabbrecher oder wiederum deren Eltern. Auch die Kommunikation zu männlichen oder weiblichen Interessenten muss unterschiedlich strukturiert sein. Verschiedene Personengruppen setzten unterschiedliche Schwerpunkte, deswegen muss vor dem Kommunizieren geklärt sein, welche der vielen Botschaften welche Unterzielgruppe am ehesten schmeckt. Klar ist auch, dass diese Zielgruppen sich auf unterschiedlichen Kanälen bewegen. 16-Jährige sind dabei weniger auf Facebook unterwegs und deren Eltern seltener auf Tiktok. Das heißt: Für eine Azubikampagne werden drei unterschiedliche Werbemittel mit drei unterschiedlichen Botschaften für drei unterschiedliche Kanäle benötigt.
In Kontakt bleiben
Keinen Kontakt zu ehemaligen Bewerbern zu halten, kann sich ebenfalls als Fehler entpuppen. Immerhin treten 25 Prozent der Auszubildenden die Stelle nicht an - trotz unterschriebenem Ausbildungsvertrag. Hier ist es wichtig, den Gesprächsdraht nicht zu verlieren: Das geht durch einen Talentpool, Newsletter, Social Media oder persönliche Kommunikation zu Geburtstagen oder anlässlich saisonaler Ereignisse.
Auch Mitarbeiterempfehlungen werden zu selten gespielt. Egal ob Angestellte mit erwachsenen Kindern oder fertig ausgebildete Mitarbeitende, die noch Freunde, Bekannte, Nachbarn haben, die eine Ausbildungsstelle suchen: Wichtig ist, dass auch hier die richtige Botschaft mit dem richtigen Tool kombiniert wird, um ohne große Media-Budgets neue Auszubildende zu akquirieren.
Fazit: Proaktives Handeln als Schlüssel
Das Azubi-Recruiting wird zwar zunehmend herausfordernder, doch mit den richtigen Personalmarketing-Strategien können sich Arbeitgeber klarer positionieren. Arbeitgeber, die ihre Strategien jetzt anpassen, verschaffen sich einen Vorteil. Dafür ist es wichtig zu wissen, dass der heutige Ausbildungsmarkt eine solide Kenntnis des eigenen Unternehmens und der eigenen Zielgruppen fordert. Ehrliche und authentische Kommunikation in Form und Inhalt sind die wichtigsten Grundpfeiler auf der Suche nach den idealen Auszubildenden.