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Nachhaltige Verpackungen aus Pilzmyzel und 3-D-Drucker

  • 25.01.2024
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Plastikverpackungen landen oft in der Umwelt und brauchen manchmal Jahrhunderte, um abgebaut zu werden. Brandenburger Forscher haben nun eine Methode entwickelt, wie sie nachhaltig und abbaubar aus Pilzmyzel hergestellt werden können.

Tanja Stahn mit einer Pilzmyzelverpackung, die beim Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) im Projekt PilzPack entwickelt wurde.


Der tägliche Müll auf dieser Welt besteht zu großen Teilen aus Verpackungen. Auch wenn zumindest hierzulande einiges davon mehr oder weniger geregelt entsorgt oder recycelt wird, muss doch die Menge an Folien und Plastikschalen reduziert werden. Dabei ist weniger das Weglassen von Verpackung realistisch als vielmehr neue Materialien einzusetzen, die auch nachhaltig sind.

Nachhaltig und aus der Natur

Man muss also Stoffe nutzen, die aus nachhaltig bewirtschafteten Naturressourcen stammen, so dass sich daraus gefertigte Verpackungen, wieder möglichst rückstandslos zersetzen oder einem Kreislauf zugeführt werden können. Das Institut für Lebensmittel- und Umweltforschung (ILU) der Zuse-Gemeinschaft forscht genau daran.

Am Standort in Bad Belzig werden etwa umweltfreundlichen Verpackungen aus Pilzmyzel erforscht. Diese können sich vollständig zersetzen. Das ILU nutzt die natürlichen Eigenschaften der Pilze, um eine effektive Lösung für das globale Problem von Verpackungsabfällen zu finden.
"Seit zirka einem Jahr gelingen uns Formen in dieser Art", erklärt die Forscherin Tanja Stahn, "Jetzt geht es darum, die Art, wie wir das Pilzmyzel in Form bringen, zu verfeinern. Hier haben wir noch Forschungsarbeit vor uns."

Das Myzel ist der eigentliche Vegetationskörper der Pilze. Er durchzieht als ein schwammartiges, dichtes Netz den Boden. Die Idee, die dichten Myzel-Strukturen für konkrete Gegenstände zu nutzen, stammt vom Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) in Potsdam.

An das war wiederum die Agro Saarmund GmbH, ein Unternehmen mit umfangreicher Bullenmast, herangetreten. Es suchte nach einer umweltfreundlichen Lösung für die Verpackung ihrer Fleischprodukte. Der Betrieb, der sowohl das Futter für die Tiere als auch das Fleisch selbst produziert und vermarktet, kam auf die innovative Idee, Pilzmyzel als Verpackungsmaterial zu nutzen. Die Reststoffe, die bei der Pflege ihrer Felder und dem Anbau von Futterpflanzen anfielen, könnten als Nährboden für das Myzel dienen.

Der perfekte Kreislauf

Auf diese Weise entstand das Konzept des perfekten Kreislaufs: Die Abfallprodukte des Betriebs werden zur Herstellung der Einwegverpackung verwendet, die dann im eigenen Betrieb eingesetzt wird. Aus dieser Idee heraus wurde das Projekt "PilzPack" ins Leben gerufen.

Dieses Projekt, das auf drei Jahre ausgelegt ist, erhält Unterstützung durch das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz Brandenburg (MLUK).

Tanja Stahn hatte als eine ihrer ersten Aufgaben die Herausforderung, das optimale Substrat für die Pilzkultur zu finden. Sie hatte verschiedene Optionen zur Auswahl: Roggen, Hanf, Sonnenblumenkerne, Heu, Stroh, Holzhackschnitzel, Paludi (Schilf von nassen Standorten) und Lavendel. Obwohl Lavendel nicht auf den Feldern des beteiligten Landwirtschaftsbetriebs wuchs, sondern aus einem anderen Projekt stammte, entschied sich das Forschungsteam, auch mit diesem Material zu experimentieren.

Nach ersten Analysen stellte sich Roggen als die beste Basis für das Pilzmyzel heraus. Für die erforderliche Stabilität der Verpackungen waren jedoch auch faserreiche Materialien nötig, weshalb Paludi und Hanf ebenfalls in Betracht gezogen wurden. Um jedoch von den Pilzen besiedelt werden zu können, mussten die Hanfstroh-Schäben und die Paludikultur fein zerkleinert werden.

Zuerst wird das Substrat in einer Labormühle fein zermahlen und dann in einem Autoklaven, einem gasdicht verschließbaren Druckbehälter, für 20 Minuten auf über 120 Grad Celsius erhitzt. Dieser Prozess dient dazu, sämtliche vorhandenen Organismen abzutöten, um ausschließlich dem ausgewählten Pilzmyzel Wachstumsbedingungen zu bieten.

Bei diesem Projekt entschieden sich Tanja Stahn und ihr Team für Ganoderma lucidum, auch bekannt als Glänzender Lackporling, eine Pilzart, die sich einfach züchten lässt. Der bereits auf Roggenkörnern vorkultivierte Pilz wird dann auf das vorbereitete Substrat gegeben. Schon wenige geimpfte Getreidekörner genügen, um das Substrat zu besiedeln. Daraufhin bringt die Forscherin die Substrat-Pilz-Mischung in einen Klimaschrank, wo der Ganoderma lucidum bei angenehmen 25 Grad Celsius für 14 Tage heranwächst.

Wenn man Substrat und Pilz in eine vorgegebene Form bringt, wächst das Myzel nicht wahllos, sondern füllt die Form vollständig aus. Nach 14 Tagen entsteht so das gewünschte Objekt, geformt aus Pilzmyzel. Dieses Geflecht ist sehr leicht und, einmal getrocknet, auch stabil. Das Trocknen ist essentiell, um das Wachstum des Pilzes zu stoppen; andernfalls würde er weiterwachsen.

3D-Drucker hilft

Da die ersten Prototypen der Myzel-Verpackung recht grob waren, entschied sich das ILU für die Anfertigung einer speziellen Form aus Kunststoff. Dabei kam die Zusammenarbeit mit dem eigenen Netzwerk zum Tragen: Die Technische Hochschule Brandenburg sprang ein und erstellte mit einem 3D-Drucker die benötigte Negativform. Diese Form, die einer Gussform ähnelt, besteht aus einer Außenwand und einem herausnehmbaren Innenteil und dient als Schablone für das Wachstum des Myzels.

Die ersten Ergebnisse waren vielversprechend. Das Verfahren muss jedoch weiter perfektioniert werden, insbesondere in Bezug auf die Energieeffizienz. So ist zum Beispiel die Sterilisation des Substrats momentan noch sehr energieintensiv. Ein wichtiger Schritt am Ende des Projekts wird es sein, eine Beschichtung zu finden, die die Schalen lebensmittelecht macht. Diese Aufgabe übernimmt das IAP in Potsdam.

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    Bildnachweise
    Zuse Pilzverpackung Bild/© ILU