Gut 60 Prozent aller Deponieabfälle stammt auf dem Bauwesen – eine Kreislaufwirtschaft ist hier daher umso wichtiger. Ein Projekt nahe Hannover zeigt nun, wie auch alte Fassaden recycelt und wiederverwendet werden können.
Alte Fassaden aus Hannover werden Teil eines Leuchtturmprojekts, das neue Nachhaltigkeitsstandards für die Baubranche setzen will. In Laatzen bei Hannover werden zwei Hochhäuser nicht nur optisch aufgewertet. Ihre alten Fassaden bilden auch das Fundament eines großangelegten Versuchs, um ressourcenschonend und nachhaltig mit alten Dämmmaterialien umzugehen.
Fassaden zu Ziegelsteinen
Dabei werden die Fassaden der Gebäude an der Karlsruher- und Eichelkampstraße sowohl thermisch als auch stofflich genutzt, um beispielsweise neue Ziegelsteine herzustellen. Die temps GmbH Malereibetriebe aus Neustadt am Rübenberge kooperiert hierfür mit dem Baustoffhersteller Sto aus Baden-Württemberg. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt vom Institut für Infrastruktur, Wasser, Ressourcen und Umwelt der Fachhochschule Münster (IWARU).
"Nachhaltigkeit im Bauwesen ist eine Herausforderung, der wir uns nur gemeinsam stellen können. Zusammen mit unseren Projektpartnern haben wir einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu nachhaltigem Wohnen gemacht", sagt Kay Faulhaber, Meisterbereichsleiter und Prokurist bei temps.
Die Idee hinter dem Projekt ist es, alte und abgebrochene Verbundsysteme in entsprechenden Anlagen aufzutrennen. Das enthaltene EPS (expandiertes Polystyrol) wird als Brennstoff thermisch genutzt, während die mineralischen Bestandteile in Armierungen und Putzen zerkleinert und für die Herstellung neuer Baustoffe wie Ziegelsteine oder Zement verwendet werden. Um zu prüfen, ob diese Recycling-Methode bundesweit von Zementwerken im Regelbetrieb anwendbar ist, werden große Mengen dieser Stoffe benötigt.
Bei der aktuellen Fassadenerneuerung der Hochhäuser in Laatzen werden genau diese Stoffe abgetragen. Dies macht die gesetzlich vorgeschriebene Sanierung der Hochhäuser zu einem Teil eines nachhaltigen Recyclingprozesses, von dem auch die Eigentümergemeinschaft profitiert, da die alte Fassade umweltgerecht und kostengünstiger entsorgt werden konnte.
"Bei diesem Projekt gehen wir über eine thermische Nutzung hinaus und erreichen eine stoffliche Verwertung. So schließen wir den Materialkreislauf lückenlos und nutzen das Material nach dem Rückbau der Fassade vollumfänglich", erklärt Dirk Meier-Plate, Regionalleiter Projektmanagement bei Sto.
Verbundsysteme zurückgebaut
Die Fassaden der beiden Gebäude sind die ersten, die auf diese Weise recycelt wurden. Da die Häuser aus den Anfängen der Wärmedämmverbundsysteme stammen, benötigen sie einen vollständigen Rückbau inklusive Entsorgung der alten Dämmung. Die damit verbundenen Kosten konnten durch das Pilotprojekt deutlich reduziert werden.
Die Fassadensanierung bringt zudem weitere Vorteile mit sich: Neben der Erfüllung aktueller Anforderungen an die Wärmedämmung trägt das neue Erscheinungsbild zur Aufwertung des gesamten Grundstücks bei.
„In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit im Bauwesen immer wichtiger wird, zeigen wir mit diesem Projekt, dass es möglich ist, alte Fassaden nicht nur zurückzubauen, sondern sie zu recyceln und so neue Energie und Produkte zu gewinnen,“ betont Kay Faulhaber. Das Sanierungsprojekt demonstriere eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft, Handwerk und Industrie und setze damit einen Meilenstein für mehr Nachhaltigkeit in der Bauwirtschaft.