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10.12.2018 | Recycling | Interview | Online-Artikel

"Recyclingunternehmen fordern Nationalen Rat Recycling"

verfasst von: Nico Andritschke

5:30 Min. Lesedauer

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Geschlossene Stoffkreisläufe sollen geschaffen werden. Wir sammeln, aber politisch hat sich wenig getan, reklamieren Dr. Klaus Hausschulte und Bernd Fleschenberg als Vertreter der Recycling-Industrie.


Springer Professional: Als führende deutsche Metallrecycler haben Sie kürzlich eine Rohstoffwende von der Politik gefordert. Warum diese Forderung von Seiten der Industrie?

Klaus Hauschulte: Knapper werdende Rohstoffe und der Klimawandel warten nicht auf uns. Als eine der führenden Industrienationen müssen wir jetzt endlich handeln und mit Recycling können wir einen verantwortungsvollen Beitrag für Umweltschutz und die Sicherung des Wirtschaftsstandorts leisten. Ich habe vor über 20 Jahren meine Doktorarbeit zum Thema Recycling und Produktentwicklung geschrieben. Seit dem hat es kaum einen Fortschritt gegeben. Recycling ist eine gesamtstaatliche Aufgabe, die die Politik jetzt mit Nachdruck übernehmen muss.

Bernd Fleschenberg: Außerdem ist Deutschland gerade bei Metallen zu 100 Prozent von Importen abhängig. Recycling hält einmal entnommene Rohstoffe in Deutschland, in Europa und spart im Vergleich zu Primärrohstoffen auch erheblich Energie und Emissionen ein. Recycling ist also das entscheidende Bindeglied zwischen Umwelt-, Wirtschafts- und Nachhaltigkeitspolitik. Und das müssen wir alle, vor allem aber die Bundesregierung verstehen.

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Der Handel mit Nichteisen(NE)‐Metallen und ihr Recycling haben eine lange Tradition. Bereits in der Frühgeschichte der Menschheit waren die vielfältigen Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten von NE‐Metallen und die Vorteile einer unbegrenzt wiederholbaren Nutzung bekannt. 

 

Wie reagiert die Politik auf Ihren Vorschlag?

Bernd Fleschenberg: Wir haben mit einem parlamentarischen Abend den Aufschlag gemacht und hoffen damit das Bewusstsein zu schärfen. Das Interesse aus dem Bundestag war gut. Mit Herrn Dr. Matthias Heider (CDU) werden wir von einem Parlamentarier unterstützt, der sich für die Verzahnung von Umwelt und Wirtschaft zukünftig verstärkt einsetzen will. Letztlich ist Recycling aber ein Thema, das auf den Tisch des Kabinetts gehört und dort ressortübergreifend in Angriff genommen werden muss. Deshalb haben wir für den 31. Januar 2019 auch eine Folgeveranstaltung mit der Bundesumweltministerin Svenja Schulze von der SPD geplant.

Klaus Hauschulte: Mindestens genauso wichtig ist aber auch die Beteiligung der Industrie. Wir von Scholz und TSR sind der Meinung, dass wir beide Seiten brauchen. Einerseits muss die Politik mit Anreizen und vielleicht auch Druck Recyclingprodukte fördern. Andererseits müssen wir in der Kreislaufwirtschaft zusammen mit den Herstellern und Produzenten Wege für einen verantwortungsvollen Umgang mit Rohstoffen finden. Deshalb haben wir den Nationalen Rat Recycling gefordert, der alle Akteure an einen Tisch bringt.

Sie regen die Initiierung eines Nationalen Rat Recycling an. Welche Aufgaben sollte er wahrnehmen und wo besteht für ihn dringender Handlungsbedarf?

Klaus Hauschulte: Recycling spart schon jetzt enorm an Energie und Emissionen ein. Dieses Potenzial ist aber kaum genutzt, weil in Deutschland zwar viel gesammelt aber kaum Recyclingprodukte wiedereingesetzt werden. Diese Verschwendung und Lücke muss die Politik schließen. Es braucht neben den vielen einzelnen Verbänden ein Gremium, das Ideen rund ums Recycling zwischen Kreislaufwirtschaft, Umweltverbänden, Wissenschaftlern und der Industrie abstimmt, zusammenfasst und am Ende auch zur Entscheidung bringt. Schnell, effizient und über Einzelinteressen hinweg.

Bernd Fleschenberg: Dringend wird es, weil wir Recycler am Ende des Produktlebens stehen. Je nach Produkt können da schnell bis zu zehn Jahre und mehr vergehen. Das ist für jede Umweltschutzbemühungen und den Klimaschutz viel zu spät. Deshalb ist es uns immens wichtig, auch heute schon mit der Industrie in den direkten Dialog zu treten, um so Recycling beim Produktdesign mitzudenken. Eine Art Think Tank könnte die Lösung sein: Gemeinsam mit Wirtschaft, Industrie, Wissenschaft und Umweltverbänden könnten hier Lösungen zur Recycelbarkeit erarbeitet werden. Gerade Verbundstoffe sind tückisch für das Recycling und können kaum aufbereitet werden, weil wir sie nur schwer trennen können. Denken Sie an die Rotorblätter der Windkraftanklagen. Wir könnten gemeinsam Zeit und Kosten für Forschung und Entwicklung sparen, Förderungen gemeinsam nutzen, wenn wir bei der Neuentwicklung gleichzeitig Ressourceneffizienz und Recyclingfähigkeit berücksichtigen. Schließlich steht Recycling für Ende und Anfang – also einen geschlossenen Kreislauf.

Sie sagen trotz hoher Sammelquoten wird in Deutschland zu wenig recycelt. Was bedeutet diese Aussage in Zahlen?

Klaus Hauschulte: Wir schätzen, dass über alle Stoffe hinweg weniger als 20 Prozent der gesam­melten Materialien tatsächlich wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden. In Deutschland gehen beispielsweise jedes Jahr Rohstoffe im Wert von rund zwei Milliarden Euro verloren, weil nur jedes vierte Altfahrzeug tatsächlich in Deutschland recycelt wird. Dabei können wir durch hochmoderne Anlagen gut 90 Prozent eines Fahrzeuges wieder als neues Ausgangsmaterial in den Kreislauf bringen.

Was sind die Hauptprobleme? Gibt es hierzulande zu wenige Recyclingkapazitäten und wie ist das Interesse von Seiten der Industrie recycelte Rohstoffe in der Produktion wieder einzusetzen?

Bernd Fleschenberg: Nicht nur Scholz und TSR haben Kapazitäten und moderne Anlagen. Wir könnten mehr machen. Aber die zu Recht hohen Umweltauflagen bei Abholung, Lagerung und Verarbeitung machen qualitativ gleichwertige Recyclingprodukte teurer als Primärrohstoffe. Für Unternehmen ist es also schlicht nicht lukrativ auf Recyclingrohstoffe zu setzen, wenn es keine Anreize oder Vorteile  - beispielsweise auf den CO2-Zertifikatehandel – gibt. So kostet das Erz aus einem Entwicklungsland, das unter vielleicht nachlässigeren Umweltauflagen und schlechten Arbeitsbedingungen immer wieder der Natur schadhaft entnommen wird, weniger als die in Deutschland und Europa produzierten Recyclingstoffe. Das ist weder umweltfreundlich noch nachhaltig. Das ist doch paradox und muss sich jetzt ändern.

Gibt es andernorts in Europa oder außerhalb Beispiele, wo die Kreislaufwirtschaft einen besseren Stand hat?

Bernd Fleschenberg: Seit den 1980er Jahren betreiben wir in Deutschland vermehrt Recycling. Und wir rühmen uns dafür, darin Weltmeister zu sein. Doch außer Sammeln hat sich gerade politisch wenig getan. Wir bei TSR und auch bei Scholz investieren in eigene Forschungen und Entwicklungen, damit wir auch Weltmeister im Wiedereinsetzen werden. Damit sind wir als Unternehmen weit vorn, aber nicht als Staat. Und wir werden immer mehr Rohstoffe brauchen. Noch mehr, wenn wir ernsthaft die Infrastruktur für die Energiewende und eine neue E-Mobilität aufbauen wollen.

Klaus Hauschulte: Europa muss gemeinsam deutlich mehr für Recycling machen. Rohstoffe sind globale Werte und da müssen wir uns nur einmal ein Beispiel an China nehmen. China hat die Einfuhr von scheinbar wertlosem Müll gestoppt, schaut aber gezielt nach hochwertigen Recyclingstoffen. Es hat Recycling als strategisches Ziel in Verbindung mit Wirtschaftssicherheit und übrigens auch Umweltschutz bereits implementiert. Wir dürfen uns nicht abhängen lassen und weitere 30 Jahre stehen bleiben. Deshalb brauchen wir jetzt eine Politik die handelt und den Nationalen Rat für Recycling.

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