Reduktion der pluvialen Überflutungsgefahr durch standortangepasste landwirtschaftliche Nutzung
verfasst von:
DDI Miriam Monschein, BSc, Dr. Elmar Schmaltz, BSc MSc, DI Gerald Krebs, D.Sc, Univ.-Prof. DI Dr. Gerald Zenz, DI Christian Harrer, DI Dr. Valentin Gamerith
Aufgrund des Klimawandels treten immer häufiger Starkregenereignisse auf, die im urbanen und im ländlichen Raum durch Überflutungen Schäden verursachen. Um das Gefahrenpotenzial für die bestehende Bebauung und Infrastruktur zu reduzieren, sind Maßnahmen, wie z. B. der flächige Rückhalt von Niederschlagswasser, erforderlich.
In Österreich werden rund 32 % der Gesamtfläche landwirtschaftlich genutzt. Landwirtschaftliche Flächen können damit maßgebend zur Entstehung, aber auch zur Reduktion von pluvialen Überflutungen beitragen. Durch Maßnahmen, wie z. B. die Änderung der Bodenbearbeitung oder der Kulturpflanzen, kann die Infiltrationsrate des Bodens und damit das Ausmaß von Überflutungen und die Grundwasseranreicherung beeinflusst werden. Es besteht jedoch noch Quantifizierungsbedarf, wie stark durch welche landwirtschaftlichen Maßnahmen der oberflächliche Abfluss reduziert werden kann.
Der vorliegende Beitrag diskutiert die Auswirkungen von zwei unterschiedlichen landwirtschaftlichen Nutzungen (konventioneller Maisacker und regenerativ bewirtschaftetes Grünland) auf den Oberflächenabfluss mittels einer numerischen Niederschlags-Abflussmodellierungen von drei unterschiedlichen Starkregenszenarien (1-, 30- und 100-jährlich) basierend auf innerhalb eines Untersuchungsgebiets durch Labor- und Felduntersuchungen ermittelten physikalischen Bodenparameter.
Die Ergebnisse zeigen, dass im Untersuchungsgebiet, durch eine vollflächige Bewirtschaftung als Grünland anstatt Ackerland, das Abflussvolumen, insbesondere bei häufig wiederkehrenden Starkregenereignissen, signifikant (bis zu 87 %) reduziert werden kann.
Eine standortangepasste landwirtschaftliche Nutzung kann damit das Gefahrenpotenzial für angrenzende Siedlungsgebiete potenziell wesentlich reduzieren. Auch bei der Planung und Dimensionierung von technischen Hochwasserschutzmaßnahmen kann die Einbeziehung der Landnutzungsplanung im Einzugsgebiet zielführend sein, um in Summe die Kosten für den Hochwasserschutz (bspw. durch Reduktion des erforderlichen Retentionsvolumens) zu reduzieren.
Hinweise
Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
1 Einleitung
Durch lokale Starkregenereignisse kommt es zu Überflutungen, die Wohn- und Infrastrukturobjekte gefährden können. Niederschlagsintensität und -menge sowie die Flächennutzung (z. B. Versiegelung, Vegetation) beeinflussen das Abflussgeschehen und die Erosion von Bodenmaterial. Im Zuge des Klimawandels ist zu beobachten, dass sich Starkregenereignisse häufen und in ihrer Intensität zunehmen (Ban et al. 2015). Zusätzlich führen klimatische Veränderungen zu einer Veränderung der hydraulischen Bodeneigenschaften: Eine Erhöhung des Wassereintrags in den Boden führt langfristig zu einer erheblichen Verringerung der Infiltrationsrate des Bodens (Caplan et al. 2019). Die Infiltrationsrate beeinflusst das Abflussvolumen, und damit das Ausmaß von Überflutungsereignissen, aber auch den Bodenwasserhaushalt bzw. die Wasserversorgung des Bewuchses sowie die Anreicherung des Grundwassers.
Nur die Natur und den Klimawandel für Katastrophen aufgrund von Starkregenereignissen verantwortlich zu machen lenkt jedoch laut Raju et al. (2022) und Pearce (2022) von der Verantwortung ab. Naturgefahren werden zu Katastrophen, weil die Gesellschaft beispielsweise durch nicht risikobasierte Landnutzungsplanung gefährdet ist. Es ist demnach weitgehend der menschliche Einfluss, der das Schadenspotenzial beeinflusst. Raju et al. (2022) argumentieren, dass ein Diskurs, in dem die Rolle des Menschen bei Katastrophen klar kommuniziert wird – im Gegensatz zur Schuldzuweisung an die Natur oder das Klima –, einem proaktiven, gerechten und letztlich erfolgreichen Ansatz zur Verringerung der Auswirkungen von Katastrophen förderlich sein wird.
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Landnutzungsplanung betrifft einerseits Stadtplanungsprozesse und damit die Planung von Bodenversiegelung durch den Bau von Gebäuden und Infrastrukturobjekten, aber auch die Planung der landwirtschaftlichen Flächennutzung. In Österreich sind 39 % der Gesamtfläche als anthropogen geprägte Fläche (inkl. Landwirtschaft) ausgewiesen (Statistik Austria 2021). Landwirtschaftlich genutzte Flächen beanspruchen 32 % der österreichischen Gesamtfläche (Statistik Austria 2022), liegen häufig in hochwassergefährdeten Bereichen und können selbst zur Hochwasserentstehung beitragen (Wagner et al. 2009b). Daher kann eine risikobasierte Planung und Gestaltung landwirtschaftlich genutzter Flächen das Schadenspotenzial bei Überflutungsereignissen wesentlich beeinflussen und eine möglichst hochwasserreduzierende Landwirtschaft ein integraler Baustein der Klimaanpassungsstrategie sein (Wagner et al. 2009a).
Durch die Stärkung des natürlichen Wasserrückhalts in der Fläche und die Vermeidung der Erosion von wertvollem Oberbodenmaterial können Schäden auf den landwirtschaftlich genutzten Flächen selbst und das Überflutungsrisiko angrenzender Siedlungsgebiete verringert werden (Länderarbeitsgemeinschaft Wasser 2018). Maßnahmen, die den Oberflächenabfluss durch hochwasserverträgliche landwirtschaftliche Bewirtschaftung reduzieren, sind z. B. ein erhöhter Bodenbedeckungsgrad, eine größere Oberflächenrauheit, die Vermeidung von Bodenverdichtungen, stabile Bodengefüge und -aggregate, die Steigerung der Infiltrationsrate sowie die Vermeidung von Regentropfenerosion und Verschlämmung (Wagner et al. 2009a; Woznicki et al. 2020). Zusammenfassend können Maßnahmen in die Art (i) der Nutzungsform (konventionell, biologisch, regenerativ etc.), (ii) der Bodenbearbeitung (Pflugeinsatz, konservierende Bearbeitung, Direktsaat etc.), (iii) der Ausrichtung der Kulturpflanzenreihen und (iv) der Kulturpflanze eingeteilt werden (Winter 2013).
Es besteht jedoch noch Forschungs- und Quantifizierungsbedarf, in welchem Umfang die landwirtschaftliche Bewirtschaftung zu einem dezentralen Hochwasserschutz und damit zur Abschwächung von Überflutungsereignissen beitragen kann. Bei Untersuchungen von Winter (2013) und Erdinata et al. (2021) zeigten sich bereits erhebliche Auswirkungen der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung auf den oberflächlichen Abfluss, jedoch basieren die Berechnungen auf In-situ-Beregnungsversuchen bzw. empirischen Werten, ohne Durchführung von Bodenuntersuchungen im Labor.
In diesem Beitrag werden die Ergebnisse eines Kooperationsprojekts der TU Graz und der Hydroconsult GmbH gezeigt, das in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Wasserwirtschaft durchgeführt wurde. Im Zuge des Projekts „Retentionsboden“ wurden die für die numerische Abflussmodellierung maßgebenden physikalischen Bodenparameter auf zwei unmittelbar aneinander angrenzenden landwirtschaftlich unterschiedlich bewirtschafteten Flächen (konventioneller Maisacker und regeneratives Grünland) in einem Untersuchungsgebiet in der Steiermark mittels Feld- und Laboruntersuchungen bestimmt.
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Auf Basis der ermittelten Bodenparameter wurden die oberflächlichen Abflüsse bei unterschiedlichen Niederschlagsereignissen (1-, 30- und 100-jährlich) im Untersuchungsgebiet numerisch modelliert. Bei der Modellierung wurden die Bodenparameter der Landnutzung „Acker“ bzw. „Grünland“ jeweils vollflächig auf das gesamte untersuchte Einzugsgebiet verteilt. Dadurch konnten die Abflussganglinien und -volumina wie auch die auftretenden Wassertiefen und Schubspannungen zwischen den beiden Landnutzungen unter denselben geländemäßigen Randbedingungen verglichen werden und der Einfluss auf die Überflutung analysiert werden.
2 Methodik
In einem Untersuchungsgebiet in der Steiermark wurden die Abflussprozesse bei Niederschlagsereignissen unterschiedlicher Jährlichkeit für unterschiedliche Flächeneigenschaften (Infiltration, Rauheit) simuliert. Die Berechnung der Abflussbildung und der Abflusskonzentration erfolgte über die direkte Kopplung der Niederschlagsbelastung (unter Berücksichtigung von Anfangsverlusten), eines Infiltrationsmodells und einer 2D-hydraulischen Simulation des Abflusses mittels Hydro_As-2D 5.2.5 (Hydrotec Ingenieurgesellschaft für Wasser und Umwelt mbH 2021). Die Zustandsvariablen der Modelle können bei der Berechnung in jedem Betrachtungszeitschritt variiert werden.
Die Modellparametrierung erfolgte teilweise auf Basis der Ergebnisse der durchgeführten Bodenuntersuchungen (physikalische Bodenparameter), teilweise auf Basis von Literatur- und Erfahrungswerten, die aus Vorort-Begehungen abgeleitet wurden (Anfangsverluste, Rauheit).
2.1 Untersuchungsgebiet
Das Untersuchungsgebiet befindet sich in der Steiermark, südlich von Graz, in der Gemeinde Fernitz-Mellach. Das ca. 0,34 km2 große Gebiet liegt nördlich des bebauten Bereichs der Ortschaft Enzelsdorf und weist eine Geländeneigung von Nordosten (ca. 430 müA) in Richtung Südwesten (ca. 320 müA) auf (Abb. 1). Die untersuchte Fläche wird überwiegend landwirtschaftlich genutzt. Die landwirtschaftliche Nutzung unterscheidet sich in dauerhaft begrünte Flächen und Ackerflächen, die für den Anbau von Hackfrüchten (z. B. Mais) genützt werden. Im südlich an das Untersuchungsgebiet angrenzenden bebauten Bereich führten bei vergangenen Starkregenereignissen der oberflächliche Abfluss und Bodenabschwemmungen aus dem Untersuchungsgebiet zu Schäden an Gebäuden und Infrastrukturobjekten.
×
2.2 Durchgeführte Bodenuntersuchungen im Projektgebiet
Als Datengrundlage für die Modellierungen wurden Bodenuntersuchungen in Form von Stechzylinderproben und gestörten Bodenproben mit anschließender Laboranalytik sowie Infiltrationsmessungen mit einem Doppelringinfiltrometer durchgeführt. Die Bodenprobeentnahme und die Versickerungsmessungen wurden im Juli 2021 an sechs Standorten (drei im Ackerland mit jahreszeitlich typisch entwickeltem Maisbestand und drei auf einem gemähten Grünbestand) durchgeführt.
An allen Standorten wurden dem Oberbodenhorizont in 7 bis 12 cm Tiefe jeweils eine gestörte Probe, fünf Stechzylinderproben sowie drei Proben mit Hypropzylindern (Meter Group AG 2018) entnommen. Die gestörten Proben wurden im Anschluss im Labor auf den Gehalt von organischem Kohlenstoff (TOC) und Kalziumkarbonat (CaCO3) analysiert sowie die Korngrößenverteilung in 7 Feinbodenfraktionen und Grobboden bestimmt. Mittels der ungestörten Stechzylinderproben und den Hypropzylindern (insgesamt 24 Proben je Landnutzung) wurden die Trockenrohdichte und die gesättigte Wasserdurchlässigkeit ermittelt. Die Hypropzylinder wurden weiters zur Bestimmung der pF- und Ku-Kurven, also zur Bestimmung der Beziehung zwischen Druckpotenzial und Wasseranteil (Saugspannungskurve) bzw. Matrixpotenzial und hydraulischer Leitfähigkeit herangezogen.
Obwohl für die Modellkalibrierung die Infiltrationsrate im ungesättigten Zustand nötig ist, wurde die Versickerungsrate im gesättigten Zustand mittels Doppelringinfiltrometer bestimmt. Aus den gegebenen Standortfaktoren (relativ hohe Hangneigung und ungünstiger Grasbewuchs auf den Grünlandstandorten) konnte keine Infiltrationsmessung unter ungesättigten Bedingungen – beispielsweise durch einen Haubeninfiltrometer – stattfinden. Aus diesem Grund wurden die Infiltrationsraten im ungesättigten Zustand aus Erfahrungswerten vergleichbarer Acker- und Grünlandstandorte abgeleitet.
Bei der Analyse der Beprobungsergebnisse aus dem Bereich Grünland wurde bei zwei der 24 Bodenproben eine ca. 170 Mal höhere gesättigte Wasserdurchlässigkeit als bei den restlichen Bodenproben festgestellt. Die Entnahme und Beprobung wurden bei den Proben mit den derart stark abweichenden gesättigten Wasserdurchlässigkeiten ordnungsgemäß durchgeführt und auch die visuelle Überprüfung der betroffenen zwei Proben im Labor gab keinen Aufschluss darüber, ob die Proben beschädigt wurden. Es wird daher davon ausgegangen, dass die Ausreißer auf natürliche Gegebenheiten (Wurmgänge, Wurzeln etc.) und nicht auf Messfehler zurückzuführen sind.
Die Streuung der gemessenen gesättigten Wasserdurchlässigkeiten ließ im untersuchten Grünland, aber auch im Ackerland auf heterogene Bodenverhältnisse schließen (Tab. 1). Eine evtl. unterhalb der obersten Bodenschicht vorhandene Sperrschicht („Pflugsohle“), die die Infiltration behindern kann, wurde in den durchgeführten Bodenuntersuchungen nicht untersucht.
Tab. 1
Ergebnisse der Bodenuntersuchungen in den Bereichen Grünland und Acker der gesättigten Wasserdurchlässigkeiten
Gesättigte Wasserdurchlässigkeit (mm/h)
Grünland
Acker
Minimum:
0,025
0,027
Maximum:
830,83
75,52
Median:
1,86
0,87
Mittelwert:
70,44
4,82
Mittelwert ohne Ausreißer:
4,88
4,82
2.3 Niederschlagsmodellierung
Für die Simulationen wurden die statistischen Werte der Bemessungsniederschläge nach dem für das Untersuchungsgebiet maßgeblichen eHYD-Gitterpunkt 5429 (Bundesministerium für Landwirtschaft und Regionen und Tourismus BMLRT 2020) verwendet. Da aufgrund fehlender Messdaten im Einzugsgebiet keine regional typische zeitliche Verteilung des Niederschlags bekannt war, wurde mit der mittenbetonten Niederschlagsverteilung nach DVWK (1999) ein synthetischer Modellregen für die Niederschlagsmodellierung gewählt. Die mittenbetonte Niederschlagsverteilung ist, basierend auf den Ergebnissen einer vorhergegangenen Sensitivitätsanalyse (Monschein und Gamerith 2021), bei der Modellierung von Hangwasserabflüssen der Verteilung des Euler-Typ-2-Modellregens (z. B. dargestellt in Verworn 1999) und der des Blockregens vorzuziehen.
Das untersuchte Einzugsgebiet weist eine geringe Fläche auf (0,34 km2). Es wurde daher keine räumliche Verteilung des Niederschlags berücksichtigt. Die Niederschlagsbelastung erfolgte im Modell flächig gleichmäßig verteilt auf das gesamte Einzugsgebiet.
Die Simulationen wurden für drei unterschiedliche Niederschlagsjährlichkeiten durchgeführt: Um die möglichen Auswirkungen einer Änderung der Landnutzung bei häufiger auftretenden Starkregenereignissen analysieren zu können, wurden Simulationen für den 1‑jährlichen Bemessungsniederschlag durchgeführt, zur Untersuchung der Auswirkungen bei selten auftretenden Ereignissen wurden die in Österreich üblichen Jährlichkeiten für die Dimensionierung von Schutzmaßnahmen gegen Überflutungen gewählt (30- und 100-jährlicher Bemessungsniederschlag).
Die für die Untersuchungen gewählte Niederschlagsdauerstufe beträgt 30 min. Bei der gewählten Dauerstufe stellte sich in Voruntersuchungen die maximale Abflussspitze am betrachteten Auslaufquerschnitt ein.
2.4 Anfangsverluste
Im Zuge der Untersuchungen wurden Simulationen für die unterschiedlichen Niederschlagsbelastungen sowohl ohne als auch mit Anfangsverlusten durchgeführt. Die Anfangsverluste subsumieren aus hydrologischer Sicht die Prozesse der Interzeption und der Muldenverluste. Die Interzeptionsverluste sind abhängig von Bewuchs, Jahreszeit, Wind, Luftfeuchte und Verdunstung (Maniak 2016). Verworn (1999) gibt für durchlässige Flächen Interzeptionsverluste zwischen 2 und 10 mm, Muldenverluste mit einem üblichen Wertebereich von 2 bis 5 mm an. Muldenverluste sind aufgrund der Modellwahl (trianguliertes Netz auf Basis eines Laserscans) teilweise schon implizit berücksichtigt. Bei der Betrachtung von kurzen Perioden mit Oberflächenabfluss kann die Verdunstung vernachlässigt werden (Maniak 2016).
Da keine unterschiedlichen Bewuchsszenarien betrachtet wurden, wurde der Anfangsverlust in den dargestellten Ergebnissen konstant mit 5 mm angesetzt.
2.5 Infiltrationsmodell
In einem ersten Schritt wurden die Infiltrationsmodelle nach Horton (1939) und Green und Ampt (1911) technisch implementiert. Aufgrund der Ergebnisse der Bodenuntersuchung und der daraus bestimmten Bodenparameter war eine belastbare Ermittlung der für das Modell nach Horten maßgeblichen Parameter Anfangsinfiltrationsrate und Rückgangskonstante nicht möglich. Es wurde daher in weiterer Folge nur das Modell nach Green & Ampt herangezogen.
Im Verfahren nach Green und Ampt (1911) werden die Darcy-Gleichung und die Kontinuitätsgleichung unter der Annahme einer rechteckigen Feuchtefront kombiniert, um die Infiltrationsrate zu berechnen. Von Rossman und Huber (2016) wurde die Gleichung von Green und Ampt (1911) weiterentwickelt für den Zustand, wenn die Wassertiefe auf der Oberfläche gering ist und sich an der Bodenoberfläche eine gesättigte Schicht gebildet hat:
F(t) … bis zum Zeitpunkt t infiltriertes Wasservolumen (mm)
∆θ … Differenz zwischen der Sättigungsfeuchte und Anfangsbodenfeuchte (−)
Ks … gesättigte Wasserdurchlässigkeit (mm/h)
ψ … Saugspannung an der Feuchtefront (mm)
Die Gleichung von Rossman und Huber (2016) wurde für die durchgeführten Untersuchungen verwendet. Die demnach für die Berechnung der Infiltration erforderlichen Bodenparameter sind die gesättigte Wasserdurchlässigkeit des Bodens, der Anfangsbodenfeuchtegehalt, das verfügbare Porenvolumen im Boden und die Saugspannung des Bodens an der Feuchtefront. Im Zuge einer Bodenuntersuchung im Untersuchungsgebiet konnten die erforderlichen Parameter ermittelt werden.
2.6 Hydrodynamisches Modell
Als hydrodynamisches Modell für die Berechnung der Abflusskonzentration kam Hydro_As-2D 5.2.5 zur Anwendung. Die Abflussberechnung basiert dabei auf einer numerischen Lösung der Flachwassergleichungen mit der Finite-Volumen-Methode (Hydrotec Ingenieurgesellschaft für Wasser und Umwelt mbH 2021).
Für die vorliegenden Untersuchungen konnte auf ein bereits bestehendes 3D-Geländemodell aus der Erstellung von Hangwasserkarten (Hydroconsult GmbH 2020, trianguliertes Berechnungsnetz auf Basis eines ALS Laserscans: Auflösung 1 m, Stand 2009/2010, Land Steiermark) zurückgegriffen werden. Das Netz wurde für die aktuellen Berechnungen auf das Untersuchungsgebiet begrenzt und weiterbearbeitet.
2.6.1 Rauheiten
Die natürliche Rauheit der Oberfläche wie auch die Vegetation auf der Oberfläche beeinflussen die Reibungsverluste bei Fließvorgängen. Diese Beeinflussung wirkt sich bei niedrigen Wassertiefen stärker aus als bei hohen Wassertiefen. Der Rauheitsbeiwert (kst-Wert nach Gaukler-Manning-Strickler) ist demnach von der Wassertiefe abhängig.
Um die Abhängigkeit von der Wassertiefe zu berücksichtigen, empfiehlt die Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) im Anhang 1a (2020) zum „Leitfaden Kommunales Starkregenrisikomanagement in Baden-Württemberg“ (2016) für die hydrodynamische numerische Modellierung bei der Erstellung von Starkregengefahrenkarten mit wassertiefenabhängigen Rauheitswerten zu rechnen. Bis zu einer Wassertiefe von 2 cm („Dünnfilmabfluss“) wird empfohlen, reduzierte Rauheitsbeiwerte zu verwenden, ab einer Wassertiefe von 10 cm die Rauheitswerte für den Gerinneabfluss aus der Literatur anzusetzen und zwischen 2 und 10 cm Wassertiefe die Rauheitswerte linear zu interpolieren. Auch Vergleichsrechnungen (Gamerith et al. 2017 und Monschein und Gamerith 2021) zeigten, dass die Verwendung von konstanten Rauheiten für die Untersuchung von Hangwasserabflüssen nur bedingt geeignet ist.
Für die vorliegenden Untersuchungen wurden, in Anlehnung an die von der LUBW (2020) empfohlenen Rauheiten, die kst-Werte lt. Tab. 2 verwendet. Die Landnutzung Grünland wirkt demnach beim Dünnfilmabfluss rauer im Vergleich zum Ackerland und hält mehr Abfluss zurück, bei höheren Wassertiefen wirkt das Grünland glatter (durch das „Umlegen“ der Gräser aufgrund des Abflusses).
Tab. 2
Verwendete Rauheitsbeiwerte (kst-Werte) in Abhängigkeit von der Wassertiefe und der Landnutzung, in Anlehnung an LUBW (2020)
Rauheitsbeiwert kst (m1/3/s) nach Gaukler-Manning-Strickler
Wassertiefe
Landnutzung
Dünnfilm bis 2 cm
Ab 10 cm
Ackerland
8
15
Grünland
5
20
2.6.2 Quell- und Senkterme
In der für diese Untersuchungen verwendeten Version Hydro_AS-2D 5.2.5 können im 3D-Geländemodell für jeden Netzknoten Quell- und Senkterme definiert werden. Dies kann über einen knotenbezogenen, positiven oder negativen Zufluss definiert werden (in m3/s). Zusätzlich können über die Zeit variable Intensitätsganglinien (in mm/h), z. B. für Niederschlag, als Quellterm zugegeben werden. Unter Berücksichtigung der umliegenden Fläche (Kontrollvolumen) des jeweiligen Knotens wird aus der Intensitätsganglinie in jedem Berechnungszeitschritt ein Zufluss (in m3/s) im Knoten errechnet.
2.6.3 Skriptsteuerung
Ausgewählte Netzgeometrien, Modellparameter und Zustandsvariablen können in Hydro_AS-2D 5.2.5 skriptgesteuert in der Programmiersprache Lua 5.3.4. geändert werden. Zu Beginn der Simulation wird ein Skript aufgerufen, das sequenziell abgearbeitet wird. Dabei können Skriptblöcke über die Simulationsdauer i) vor Beginn der Simulation, ii) zu jedem internen Berechnungszeitschritt, iii) zu jedem Ausgabezeitschritt und iv) nach Beendigung der Simulation ausgeführt werden. (Hydrotec Ingenieurgesellschaft für Wasser und Umwelt mbH 2021).
2.7 Modellkopplung
Für die Zugabe des Niederschlags im 2D-hydraulischen Modell wurden Niederschlagszeitreihen erstellt, die auf dem Bemessungswert des maßgeblichen eHYD-Gitterpunkts, Anfangsverlusten, der gewählten Niederschlagsverteilung und der Niederschlagsjährlichkeit basieren. Die Niederschlagszeitreihen wurden in jedem Modellknoten des 2D-hydraulischen Modells als Quellterm (siehe Abschn. 2.6.2) zugegeben.
Das Infiltrationsmodell wurde über ein eigens entwickeltes Skript implementiert. Für jeden Netzknoten kann dabei ein eigener Parametersatz für das Infiltrationsmodell definiert werden. Die Zuweisung erfolgt über eine separate Hashtabelle. Das Infiltrationsmodell wird für jeden Modellknoten mit den zugehörigen Startparametern initialisiert und in jedem Ausgabezeitschritt werden, auf Basis des in dem Zeitschritt gefallenen Niederschlags und der aktuellen Infiltrationsrate, die Modellzustandsvariablen angepasst.
Das verwendete Infiltrationsmodell nach Green und Ampt wird in Abschn. 2.5 mit Gl. 1 beschrieben. Die gesättigte Wasserdurchlässigkeit Ks, die Saugspannung an der Feuchtefront ψ und die Differenz zwischen der Sättigungsfeuchte und der Anfangsfeuchte ∆θ sind über die Simulationsdauer für den jeweiligen Modellknoten konstant.
Für die Ermittlung des bis zum Zeitpunkt t in Summe (kumuliert) infiltrierten Wasservolumens F(t) im jeweiligen Modellknoten werden in jedem Zeitschritt ∆t unterschiedliche Modellzustände berücksichtigt: Ist die Summe der Quell- und Senkterme in einem Knoten größer die aktuelle Infiltrationsrate f(t), nimmt F(t) um f(t) * ∆t zu, ist die Summe kleiner als die aktuelle Infiltrationsrate f(t) und die Wassertiefe im Knoten größer einer Mindestwassertiefe (1 cm), nimmt F(t) ebenfalls um f(t) * ∆t zu. Ansonsten nimmt F(t) um die Summe der Quell- und Senkterme * ∆t zu (null, wenn keine Quellterme vorhanden sind). Daraus wird die aktuelle Infiltrationsrate f(t) für den folgenden Zeitschritt t + 1 ermittelt und als Senkterm bis zum nächsten Ausgabezeitschritt in jedem Modellknoten definiert.
Das Infiltrationsmodell (und die Anpassung der Modellzustandsvariablen) wird demnach auch angewendet, wenn kein Niederschlag fällt, im Knoten jedoch im aktuellen Zeitschritt ein Wasserstand > 1 cm vorliegt.
2.8 Modellparametrierung und Festlegung der Berechnungsszenarien
Die Bodenbeprobungsergebnisse zeigten eine starke Streuung der ermittelten Bodenparameterwerte bei beiden untersuchten Landnutzungen (Acker und Grünland) und damit stark heterogene Bodenverhältnisse.
Der Ansatz eines Parameterwerts (z. B. durch Mittelung oder Wahl des Medians) für die gesamte Fläche des Einzugsgebiets (je untersuchter Landnutzung), schien aufgrund der Streuung der ermittelten Parameterwerte nicht zulässig bzw. zielführend.
Bei dem verwendeten Berechnungsmodell wird durch die Implementierung des Infiltrationsmodells in jedem Modellknoten des triangulierten Netzes des 2D-hydraulischen Modells die Infiltration gesondert berechnet, wodurch jedem Knoten im Modell ein unterschiedlicher Parameterwert zugewiesen werden kann (siehe Abschn. 2.7). Um die Streuung der ermittelten Bodenparameterwerte im Modell zu berücksichtigen, wurde ein Raster (5 × 5 m) mit zufälliger Verteilung der ermittelten Parameterwerte über das Geländemodell gelegt und jedem Knoten innerhalb einer Rasterzelle die jeweiligen Parameterwerte zugewiesen.
Im Bereich Grünland wurde bei der Bodenuntersuchung bei zwei der 24 Bodenproben eine um ein Vielfaches (170 Mal) höhere gesättigte Wasserdurchlässigkeit festgestellt. Im Zuge der durchgeführten Untersuchungen konnte nicht festgestellt werden, ob die Ausreißer auf natürliche Gegebenheiten zurückzuführen sind, oder eine andere Begründung dafür vorliegt (siehe Abschn. 2.2). Es erfolgte daher die Entscheidung, die Ausreißer nicht zu ignorieren, sondern insgesamt drei unterschiedliche Landnutzungsszenarien zu berechnen:
„Acker“: alle 24 gemessenen Parameterwerte werden berücksichtigt
„Grünland“: alle 24 gemessenen Parameterwerte werden berücksichtigt
„Grünland ohne Ausreißer“ (Bezeichnung: „Grünland_oA“): der Parameterwertesatz (24 Werte) wurde um die zwei Ausreißer bereinigt
Zusätzlich wurde eine Referenzberechnung durchgeführt, bei der keine Infiltrationsprozesse berücksichtigt wurden und eine konstante Rauheit von kst = 7 m1/3/s, unabhängig von der Wassertiefe, angesetzt wurde.
3 Ergebnisse
Die im Folgenden dargestellten Ergebnisse wurden mit den im Abschn. 2 beschriebenen Modellen und Parametern berechnet. Die Darstellung erfolgt als Abflussganglinien und flächig für das gesamte Untersuchungsgebiet als farbige Illustrationen der Wassertiefen und Schubspannungen.
3.1 Abflussganglinien
Dargestellt werden die Abflussganglinien des Modellauslaufquerschnitts entlang der südlichen Begrenzung des Untersuchungsgebiets bei den untersuchten Landnutzungsszenarien sowie bei der Referenzberechnung (ohne Berücksichtigung der Infiltrationsprozesse und mit konstanter Rauheit) bei drei unterschiedlichen Niederschlagsjährlichkeiten (1-, 30- und 100-jährlich).
Bei einem 1‑jährlichen Niederschlagsereignis beträgt das Abflussvolumen bei der Landnutzung „Acker“ am betrachteten Auslaufquerschnitt ca. 130 m3. Bei der Landnutzung „Grünland ohne Ausreißer“ wird das das Abflussvolumen im Vergleich zur Landnutzung „Acker“ um 79 % reduziert, bei „Grünland“ um 87 %. Die berechneten Spitzenabflüsse reduzieren sich um 73 bzw. 80 % (Abb. 2 und Tab. 3).
Tab. 3
Abflussvolumina und Spitzenabflüsse am betrachteten Auslaufquerschnitt für die untersuchten Landnutzungsszenarien bei drei verschiedenen Niederschlagsjährlichkeiten (1-, 3‑ und 100-jährlicher Bemessungsniederschlag, Dauerstufe: 30 min)
Landnutzung
Abflussvolumen
Spitzenabfluss
m3
Abweichung zu „Acker“ in %
m3/s
Abweichung zu „Acker“ in %
1‑j
30‑j
100‑j
1‑j
30‑j
100‑j
1‑j
30‑j
100‑j
1‑j
30‑j
100‑j
Acker
129
3728
5279
0
0
0
0,15
3,52
5,10
0
0
0
Grünland_oA
27
3330
4817
−79
−11
−9
0,04
3,20
4,69
−73
−9
−8
Grünland
17
1350
2217
−87
−64
−58
0,03
1,60
2,30
−80
−55
−55
×
Bei einem 30-jährlichen Niederschlagsereignis ergibt sich am betrachteten Auslaufquerschnitt bei der Landnutzung „Acker“ ein Abflussvolumen von ca. 3730 m3. Das berechnete Abflussvolumen beim Landnutzungsszenario „Grünland ohne Ausreißer“ ist um 11 %, bei „Grünland“ um 64 % geringer als bei der Landnutzung „Acker“. Die berechneten Spitzenabflüsse reduzieren sich um 9 bzw. 55 % (Abb. 3 und Tab. 3).
×
Das Abflussvolumen bei einem 100-jährlichen Niederschlagsereignis beträgt bei der Landnutzung „Acker“ am betrachteten Auslaufquerschnitt ca. 5280 m3. Bei der Landnutzung „Grünland ohne Ausreißer“ kommt es zu einer Reduktion des Abflussvolumens um 9 %, bei „Grünland“ um 58 % im Vergleich zur Landnutzung „Acker“. Die berechneten Spitzenabflüsse reduzieren sich um 8 bzw. 55 % (Abb. 4 und Tab. 3).
×
3.2 Wassertiefen
Die Ausweisung und flächige Darstellung der Wassertiefen erfolgt aus Darstellungsgründen und aus Gründen der Detailschärfe ab einer Überflutungstiefe von 2 cm. Die Detailschärfe liegt im Genauigkeitsbereich einer Abflussuntersuchung für Fließgewässer und basiert auf einem Laserscan mit einer Auflösung von 1 m. Dargestellt werden in Abb. 5 die maximalen Wassertiefen des 100-jährlichen Niederschlagsereignisses für die Landnutzungsszenarien „Acker“, „Grünland ohne Ausreißer“ und „Grünland“. Auf die Darstellung der maximalen Wassertiefen des 30- und 1‑jährlichen Ereignisses wird aus Platzgründen verzichtet, die Ergebnisse stellen sich analog zu denen des 100-jährlichen Ereignisses dar.
×
Im Vergleich zu den maximalen Wassertiefen bei der Landnutzung „Acker“ zeigt sich, dass im „Grünland ohne Ausreißer“ eine größere Fläche Wassertiefen > 2 cm aufweist, die maximalen Wassertiefen in den Tiefenlinien jedoch geringer sind. Bei der Modellierung der Landnutzung „Grünland“ ist die Fläche, auf der bei einem 100-jährlichen Niederschlagsereignis Wassertiefen > 2 cm auftreten wie auch die maximalen Wassertiefen in den Tiefenlinien wesentlich geringer als bei der Landnutzung „Acker“.
3.3 Schleppspannungen
Die berechneten maximal auftretenden Schleppspannungen bei einem 100-jährlichen Niederschlagsereignis sind in Abb. 6 flächig ab 2 N/m2 dargestellt. Auf die Darstellung der maximalen Schleppspannungen des 30- und 1‑jährlichen Ereignisses wird aus Platzgründen verzichtet, die Ergebnisse stellen sich analog zu denen des 100-jährlichen Ereignisses dar.
×
Die Berechnungsergebnisse zeigen, dass bei einem 100-jährlichen Niederschlagsereignis bei der Landnutzung „Grünland ohne Ausreißer“ größere Flächen von Schleppspannungen > 2 N/m2 als bei der Landnutzung „Acker“ betroffen sind. In den Tiefenlinien bilden sich jedoch bei der Landnutzung „Grünland ohne Ausreißer“ geringere Schleppspannungen aus, als bei der Landnutzung „Acker“. Die auftretenden Schleppspannungen bei der Landnutzung „Grünland“ sind im gesamten Untersuchungsgebiet geringer als bei der Landnutzung „Acker“.
4 Diskussion
Die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen weisen auf eine starke Heterogenität des Bodens innerhalb der jeweiligen Landnutzung (Grünland bzw. Ackerland) hin. Die ermittelten Werte der gesättigten Wasserdurchlässigkeit unterliegen, insbesondere im Grünland, zwischen den einzelnen Bodenproben einer starken Streuung. Dies kann auf das im Grünland im Vergleich zum Ackerland verstärkt vorhandene Bodenleben (Würmer, Wurzeln etc.) zurückzuführen sein. Es besteht hier noch weiterer Forschungsbedarf darüber, wie stark das Bodenleben und der Humusgehalt die Wasserdurchlässigkeit und damit die Infiltrationsleistung des Bodens beeinflussen können, sowie über die Skalierbarkeit der Ergebnisse der Bodenuntersuchungen, die Punktaufnahmen des Bodens darstellen, auf größere Flächen.
Die direkte Kopplung von hydrologischem und 2D-hydraulischem Modell erlaubt die Ermittlung, Darstellung und Auswertung der Ergebnisse sowohl punktuell in einzelnen Netzkonten (z. B. Wasserstand), linear über ausgewählte Querschnitte (z. B. Abflussganglinien) als auch in der Fläche (z. B. Wassertiefen, Fließgeschwindigkeiten, Schleppspannungen). Damit ermöglichen derartige Modelle eine differenzierte Betrachtung der Auswirkungen auch in kleinräumigen Strukturen bis hin zu Einzelobjekten.
Die Ergebnisse der numerischen Modellierungen zeigen, dass der oberflächliche Abfluss bei Niederschlagsereignissen substanziell von der Landnutzung beeinflusst wird. Dies deckt sich mit den Ergebnissen ähnlicher Untersuchungen (Erdinata et al. 2021 und Winter 2013). Im untersuchten Einzugsgebiet kann das Abflussvolumen laut den Berechnungsergebnissen durch die Nutzung als Grünland im Vergleich zur Nutzung als Ackerland um bis zu 87 % (je nach untersuchtem Niederschlagsereignis und Szenario) reduziert werden. Die Reduktion des Abflussvolumens wirkt sich besonders stark bei Ereignissen mit einer geringen Jährlichkeit (häufig wiederkehrende Ereignisse, die mehrmals im Jahr Schäden verursachen können) aus, da aufgrund der geringeren Niederschlagshöhe die erhöhte Infiltration prozentuell stärkeren Einfluss auf die Abflussbildung hat.
Die auftretenden maximalen Wassertiefen werden einerseits durch die unterschiedliche Infiltrationskapazität und andererseits durch die unterschiedliche Rauheit des Grünlands und des Ackerlands beeinflusst: das Grünland wirkt beim Dünnfilmabfluss (geringe Wassertiefen) rauer, wodurch Oberflächenabfluss flächig zurückgehalten werden kann und im Hangbereich flächig höhere Wassertiefen auftreten können.
Ähnlich zu den Wassertiefen verhalten sich die Schleppspannungen auf der Geländeoberfläche, welche die Erosion und den Transport des Bodenmaterials bestimmen. Der Erosionsvorgang wird neben der Höhe der auftretenden Schleppspannung auch von der kritischen Schleppspannung, ab der sich Feststoffe in Bewegung setzen, bestimmt. Diese ist von der Bodenbedeckung und dem Bodenmaterial abhängig: Schluff setzt sich bereits ab einer Schleppspannung von Τ = 0,05 N/m2 in Bewegung, Sand bei 1,0 bis 6,0 N/m2, bei Rasenbewuchs liegt die kritische Schleppspannung bei zeitlich kurzer Beanspruchung zwischen 20 und 30 N/m2 (Aigner und Bollrich 2021). Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen kritischen Schleppspannungen ist zu erwarten, dass bei den berechneten Schleppspannungen der Erosionsvorgang im Grünland in deutlich geringerem Umfang stattfinden wird als im Ackerland (Boden ohne geschlossenen Bewuchs).
Die Ergebnisse zeigen, dass durch die Änderung der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung von Ackerland zu Grünland das Abflussvolumen und die Menge an erodierendem Bodenmaterial, insbesondere bei häufig wiederkehrenden Niederschlagsereignissen, signifikant reduziert werden.
Insbesondere in Gebieten, in denen häufiger auftretende Niederschlagsereignisse mit geringer Jährlichkeit zu Überflutungen von Siedlungsräumen oder Infrastruktur führen, kann auf Basis der Berechnungsergebnissen eine standortangepasste Änderung der Landnutzung im Einzugsgebiet die Gefährdung potenziell wesentlich reduzieren. Es kann auch angedacht werden, bei der Planung und Dimensionierung von technischen Hochwasserschutzmaßnahmen die Planung der Flächennutzung im Einzugsgebiet einzubeziehen und eventuell anzupassen. Damit könnten erforderliche Retentionsvolumina bei Hochwasserrückhaltebecken reduziert, Linearmaßnahmen, wie z. B. Schutzdämme entlang von Siedlungsräumen, mit geringerer Höhe ausgeführt oder in Teilbereichen auch auf sonst erforderliche technische Maßnahmen verzichtet werden, und damit in Summe die Kosten für den Hochwasserschutz reduziert werden.
Danksagung
Das Projekt „Hangwasserkarten Gemeinde Fernitz-Mellach, Enzelsdorf – Variantenrechnung Retentionsboden“ wurde durch die Gemeinde Fernitz-Mellach beauftragt. Die Finanzierung erfolgte mit Unterstützung von Bund, Land und Europäischer Union.
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Reduktion der pluvialen Überflutungsgefahr durch standortangepasste landwirtschaftliche Nutzung
verfasst von
DDI Miriam Monschein, BSc Dr. Elmar Schmaltz, BSc MSc DI Gerald Krebs, D.Sc Univ.-Prof. DI Dr. Gerald Zenz DI Christian Harrer DI Dr. Valentin Gamerith