Anfang 2019 wurde beim Umweltbundesamt das Regionalnachweisregister ins Leben gerufen, mit dessen Hilfe Energieversorger die Regionalität einer Stromlieferung gegenüber ihren Kunden ausweisen können. Doch auch ohne Regionalnachweisregister wird teilweise mit der Regionalität von Stromtarifen geworben. Dies wirft die Frage auf, wie Regionalstrom aus Sicht von Energieversorgern ökonomisch zu bewerten ist. Im Rahmen dieser Arbeit wurden Experteninterviews mit 17 Vertretern von Energieversorgungsunternehmen durchgeführt. Es zeigt sich, dass viele Energieversorger dem Trend folgen, Regionalstrom anzubieten. Insbesondere sind laut Experten das Unternehmensimage kommunaler Energieversorger und die Produktaussagen von Regionalstrom stimmig. Dennoch sehen fast alle Interviewpartner Regionalstrom in seiner heutigen Form als Nischenprodukt, welches es mit hoher Wahrscheinlichkeit bleiben wird. Die aktuelle Regulatorik, im Rahmen derer Regionalstrom als Premiumprodukt mit einem Aufpreis ggü. nicht regionalem Strom vertrieben wird, mache das Produkt für viele Kunden unattraktiv.
Zeitschrift für Energiewirtschaft (ZfE) ist eine unabhängige Fachzeitschrift mit aktuellen Themen zu Energiewirtschaft, Energiepolitik und Energierecht. JETZT BESTELLEN
In Anlehnung an Hauser et al. (2019, S. 83) werden Stromprodukte definiert als Stromlieferungen, die Endkunden von Energieversorgungsunternehmen in Form eines oder mehrerer Stromtarife angeboten werden. Stromprodukte unterscheiden sich im Portfolio eines Energieversorgungsunternehmens hinsichtlich Eigenschaften, die ebenfalls Bestandteil eines Stromtarifs sein können, z. B. dem Strommix oder der Stromherkunft. Bei Stromtarifen können, müssen jedoch nicht alle Merkmale eines Stromprodukts Teil des Liefervertrags sein. Weiterhin können weitere Eigenschaften hinzukommen, wie bspw. Preise, Preisgarantien oder Mindestvertragslaufzeiten.
Strittig ist, ob das Erfordernis der nachverfolgbaren Lieferkette auch mit Strom aus Anlagen, die sich in der geförderten Direktvermarktung nach § 20 EEG befinden, erfüllt werden kann, ohne gegen das Doppelvermarktungsverbot des § 80 EEG zu verstoßen. Lehnert und Rühr (2019) und Lehnert et al. (2018) vertreten die Auffassung, dass durch die Einführung des RNR nunmehr eine höhere Anzahl an Argumenten für eine unzulässige Vermarktung spricht als dagegen.
Da mittels Regionalnachweisen lediglich die Eigenschaft der Regionalität in Höhe des EEG-Anteils nachgewiesen werden kann, muss für den verbleibenden Anteil der Strommenge ein anderer Nachweis der Regionalität erbracht werden, sofern mit einem 100 % regionalen Ökostromprodukt geworben werden soll (Lehnert und Rühr 2019). Nachweise nach § 80 Abs. 2 EEG umfassen nicht nur Regionalnachweise und Herkunftsnachweise, sondern auch sonstige Nachweise, die die Herkunft des Stroms belegen. Demnach kann seitens eines Energieversorgers ein Verstoß gegen § 5 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) vorliegen, wenn er ggü. dem Kunden mit der Herkunft einer Stromlieferung wirbt, ohne über einen entsprechenden Nachweis der Qualität zu verfügen. Weitere Ausführungen hierzu sind in Lehnert et al. (2018), Maaß et al. (2017) und Lehnert und Sösemann (2016) zu finden.
Der Begriff Involvement (deutsch: Einbeziehung, Beteiligung) bezeichnet im Marketing das Ausmaß der persönlichen Relevanz eines Produkts für den Kunden (van Trijp und Meulenberg 1996, S. 282).
Das Marktpotenzial bezeichnet die mögliche Absatzmenge eines Produkts bei optimaler Entwicklung des betrachteten Marktes (Moutinho und Chien 2007, S. 72).
Produktkannibalisierung bezeichnet den Absatzrückgang eines Produkts der gleichen Marke, Produktlinie oder des gleichen Unternehmens aufgrund der Einführung eines anderen Produkts (Wildemann 2008, S. 71).
Dieser Umstand wurde bereits vor der Einführung des RNR von verschiedenen Seiten kritisiert, siehe bspw. Lehnert und Sösemann (2016) und Conrads et al. (2016).
Es darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass 100 % regionaler Grünstrom aus derjenigen Anlage stammt, welche Regionalnachweise ausstellt, da ansonsten ein Verstoß gegen das Doppelvermarktungsverbot des § 80 EEG vorliegt (Buchmüller 2016). Weiterhin setzt auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) Grenzen bei der Regionalstromvermarktung (Maaß et al. 2017, S. 22).
Die sog. „optionale Kopplung“ des Herkunftsnachweisregisters stellt sicher, dass ein Energieversorger den Strom und die entsprechenden Herkunftsnachweise zusammen beim selben Stromproduzenten einkauft und an den Letztverbraucher liefert (§ 16 Abs. 3 HkRNDV). Zu den Unterschieden zwischen der „optionalen Kopplung“ des Herkunftsnachweisregisters und der Kopplung des Regionalnachweisregisters siehe Maaß et al. (2017, S. 38).
Der OTC-Handel (englisch: Over-The-Counter; deutsch: über den Tresen) beschreibt den außerbörslichen Handel, der entweder bilateral zwischen den Handelspartnern oder über Broker stattfindet (Schumacher und Würfel 2015, S. 19–20).