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2020 | Buch

Religiöse Kommunikation und weltanschauliches Wissen

Kommunikative Konstruktionen unabweisbarer Gewissheiten und ihre gesellschaftlichen Wirkungen

herausgegeben von: Prof. Dr. Bernt Schnettler, Thorsten Szydlik, Helen Pach

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Wissen, Kommunikation und Gesellschaft

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Über dieses Buch

Der Band exploriert die systematischen Bezüge zwischen Wissens- und Religionssoziologie. Zunächst enthält er daher die deutsche Erstübersetzung des klassischen Aufsatzes zu diesem Thema von Berger und Luckmann aus dem Jahr 1965. Das Spektrum der Beiträge umfasst aktuelle Forschungen über diverse Formen religiöser Kommunikation und weltanschaulichen Wissens aus drei Bereichen: Erstens empirische Studien zu religiösen und weltanschaulichen Kommunikationsgattungen, Veranstaltungsformen und Diskursen, zweitens Beiträge zu methodischen Zugriffen für die Analyse religiöser Kommunikation und die Weltanschauungs-analyse sowie drittens theoretische Beiträge zu wissenssoziologischen Aspekten religiösen und weltanschaulichen Wissens. Dabei werden soziologische sowie religionswissenschaftliche und linguistische Perspektiven eingenommen.

Der Inhalt

Wissens- und Diskursforschung • Staatliche Interventionen • Naturwissenschaft, Sinnkonstruktion und Weltanschauung • Erlösungskommunikation • Transformation religiöser Sinnresiduen • Gattungen der Sinnvermittlung • Rhetoriken der Normativität • Unsichtbare Religion in Massenereignissen

Die Herausgeber*innen

Prof. Dr. Bernt Schnettler ist Inhaber des Lehrstuhls Kultur- und Religionssoziologie an der Universität Bayreuth.

Thorsten Szydlik ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Marburg.

Helen Pach ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Kultur- und Religionssoziologie an der Universität Bayreuth.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Einleitung

Frontmatter
Einleitung: Zur Untersuchung der kommunikativen Konstruktionen unabweisbarer Gewissheiten und ihren gesellschaftlichen Wirkungen
Zusammenfassung
Religiöses Wissen bezeichnet nicht allein Sonderbestände religiöser Traditionen, sondern schließt weltanschauliche Überzeugungen mit ein. Es ist vor allem durch seine Funktion bestimmt, letztgültigen Sinn zu vermitteln. Das Ziel des Bandes besteht darin, sich mit Spielarten derartiger »ultimativer« Wissensformen zu befassen, ganz gleich, ob sie mit dezidiert religiösem oder mit säkular-weltanschaulichem Anspruch auftreten. Der Schwerpunkt wird dabei auf der Frage liegen, in welchen Formen religiöses oder weltanschauliches Wissen kommuniziert wird. Dabei reicht die Spannweite von kommunikativen Mustern und Gattungen über Events und soziale Veranstaltungen bis zu Kommunikationsmedien und breiten diskursiven Formationen.
Bernt Schnettler, Thorsten Szydlik, Helen Pach
Religionssoziologie als Wissenssoziologie
Zusammenfassung
Dieser erstmals 1963 im englischen Original publizierte Aufsatz von Berger und Luckmann ist ein Schlüsseltext der neoklassischen Religionssoziologie, der hier in einer von Hubert Knoblauch angefertigten deutschen Erstübersetzung erscheint. »Sociology of Religion and Sociology of Knowledge« enthält wesentliche Weichenstellungen für eine theoretische Reorientierung der Religionssoziologie. Die Autoren kritisieren die damalige kirchensoziologische Verengung der soziologischen Religionsforschung und schlagen eine Redefinition des Religionsbegriffs im Rahmen wissenssoziologischer Theorie vor. Im soziologischen Sinne reduziert sich Religion nicht auf ihre kirchlich institutionalisierte Form. Vielmehr ist sie als spezifische Form gesellschaftlicher Konstruktion objektiver Legitimierungen zu verstehen und umfasst somit auch Phänomene, welche institutionell jenseits der Kirchen organisiert sind. Vor allem in Hinblick auf die Etablierung von Weltanschauungen in pluralisierenden Gesellschaften plädieren Berger und Luckmann für eine wissenssoziologische Reformulierung des Aufgabenbereichs der Religionssoziologie dergestalt, dass nicht nur traditionelle religiöse Legitimationssysteme in die Analyse einbezogen werden.
Peter L. Berger, Thomas Luckmann

Wissens- und Diskursordnung

Frontmatter
Am Anfang war das Wort? Wenn Welten kollidieren
Zusammenfassung
Aus diskursanalytischer Perspektive diskutiert der Beitrag zunächst allgemein – unter Rückgriff auf einige prominente religiöse und literarische Textstellen – das Verhältnis von Wort und Tat. Daraufhin wird Gesagtes und Gezeigtes fokussiert, das von verschiedenen Instanzen als provokant gewertet wurde und dem neben verschiedenen sprachlichen Handlungen auch mörderische Taten entgegengesetzt wurden. Die herangezogenen exemplarischen Fälle der Rushdie-Affäre und der Konflikte um die Mohammed-Karikaturen aus dem französischen Satiremagazin Charlie Hebdo werden zum Anlass genommen, um die Frage nach der (Um-)Ordnung von Diskursen bzw. der Kontrolle von Sag- und Zeigbarkeiten zu stellen. Dabei zeigen sich strukturelle Ähnlichkeiten bei der Gegenüberstellung von solcherart diskursiven Interventionen, die auf explizit Religiöses Bezug nehmen, und diskurspolitischen Bewegungen ohne religiöse Bezüge, welche aufgrund struktureller Diskriminierung Anerkennung einfordern, wobei besonders die Verletzung von Gefühlen als diskursdisziplinierendes Prinzip in der Aushandlung des Sag- und Zeigbaren herausgestellt werden kann.
Reiner Keller
Historische Wissensordnungen, religiöses Wissen und die Grenzen der Sozialwelt
Zusammenfassung
Nico Lüdtke stellt mit seinem Beitrag über »Religiöses Wissen und historische Wissensordnungen« die Frage nach den Grenzen der Sozialwelt und ihrer spezifischen historischen Konstruktion, wobei er eine vergleichende Perspektive anlegt. Sinnhaft-soziale Praxen der Ordnungsbildung seien, so Lüdtke, immer geschichtlich konstituiert, also in zeitlich-prozessuale Zusammenhänge eingebunden, die insgesamt eine ›Wissensordnung‹ bilden. Lüdtke zeigt dies am Beispiel des Disputs von Valladolid als exemplarischem Fall aus der Frühen Neuzeit.
Nico Lüdtke

Staatliche Interventionen

Frontmatter
Wundermanagement – Gesetz, Autorität und Regulierung religiösen Rundfunks in Nigeria
Zusammenfassung
In seinem aus dem Englischen übersetzten und erstmals 2015 erschienenen Beitrag betrachtet Asonzeh Ukah hinsichtlich der autoritativen Regulierung spezifischer Wissenssysteme die aktuelle Situation religiöser Kommunikation in Nigeria anhand des Rundfunks. Als Fallbeispiel dient dafür das Ausstrahlungsverbot von Wundern, welches vor dem Hintergrund der allgemeinen Rundfunkgesetzgebung zu zwischen Liberalisierung und Regulierung diskutiert wird. Im Anschluss daran werden Strategien der Rundfunkübertragung des Senders Nigeria Television Authority (NTA) herangezogen, anhand derer Ukah aufzeigt, welche Problematiken auf dem Rundfunkmarkt bestehen. Diese lägen nicht in der Gesetzgebung begründet, sondern seien Resultate der selektiven und manipulativen Durchsetzung dieser im Sinne ökonomischer und staatlicher Interessen, wodurch religiöse Konflikte verschlimmert würden, statt Gleichberechtigung auf dem Rundfunkmarkt zu schaffen.
Asonzeh Ukah
Wider den (Aber-)Glauben. Die Durchsetzung der wissenschaftlichen Weltanschauung in der DDR
Zusammenfassung
Der Beitrag der Autoren Schmied-Knittel, Anton und Schetsche rekonstruiert die Auseinandersetzung des Marxismus-Leninismus als Weltanschauung in der DDR mit paranormalen Phänomenen wie Wahrträumen, Spuk-, Geister- oder Jenseitserscheinungen. Wie die Betrachtung sowohl des offiziellen Diskurses als auch der lebensweltlichen Verhandlung des Paranormalen in der DDR mittels Interviews und Dokumentenanalyse zeigt, stand die offizielle Position der Unvereinbarkeit von Wissen und Religion der ostdeutschen Alltagswirklichkeit praktisch entgegen. Die Autoren zeigen, dass der Umgang mit heterodoxen Störungen der weltanschaulich reglementierten Wissensordnung nicht in kausalem Zusammenhang mit der alltagsweltlichen Relevanz dieser steht, da der offizielle Abwehrdiskurs des Sozialismus auch nach Marginalisierung des Paranormalen fortbestand.
Ina Schmied-Knittel, Andreas Anton, Michael Schetsche

Naturwissenschaft, Sinnkonstruktion und Weltanschauung

Frontmatter
Religiöse Kommunikation im Labor: Konstruktionen von letztgültigem Sinn in der Stammzellforschung
Zusammenfassung
Vor dem Hintergrund des Verlustes der Vorrangstellung traditioneller Religion bei ethischen Fragen wirft der Beitrag die Frage auf, wie WissenschaftlerInnen in der ethisch umstrittenen Stammzellforschung ihr eigenes Handeln legitimieren. Dabei steht deren Kommunikation über ihre Arbeit, ihre Motivation und potenzielle ethische Konflikte im Fokus, welche mit religiösen Selbstbeschreibungen in Verbindung gesetzt wird. Ausgehend von erhobenem Interviewmaterial mit StammzellforscherInnen zeigt die Autorin, dass dichotome Sichtweisen wie ›religiös‹ versus ›säkular‹ oder ›Religion‹ versus ›Wissenschaft‹ wenig zur Beschreibung von Legitimationsprozessen dienen. Durch die in der Kommunikation hervorgebrachten Positionierungen lässt sich vielmehr ein weitreichendes Spektrum rekonstruieren, welches offenbart, dass ›religiöse‹ Selbstzuschreibungen keine Prognosen hinsichtlich ethischer Standards in der Arbeit mit Stammzellen zulassen.
Silke Gülker
Wissen als Explanandum: Die Perspektiven von Laien und Professionellen auf Wissenschaft und Religion
Zusammenfassung
Kaden, Jones, Catto und Elsdon-Baker gehen in ihrem Beitrag der Frage nach, auf welche Art und Weise sich das Wissen von Laien über die Relation von Wissenschaft und Religion von dem Professioneller unterscheidet. Dabei gehen sie nicht, wie bisherige Forschung, von dem professionellen Wissen aus, sondern setzen ihren Fokus auf Laienwissen. Basierend auf in einem größeren Forschungskontext erhobenen Interviews diskutieren sie dazu einige Fallbeispiele, anhand derer wesentliche Charakteristika des Laienwissens herausgearbeitet werden, um darauf aufbauend die Struktur und Relevanzsetzung dieses Wissens ursächlich zu erklären. Dabei zeigen sie, dass das Laienwissen ethisch oder moralisch/sozial motiviert ist und dabei einzelne Aspekte eines ganzheitlichen, professionellen Wissenssystems integriert. Zudem wird anhand einiger Referenzfälle aufgezeigt, dass Laienwissen nicht zwangsläufig weniger Kohärenz aufweist, sondern aus individuellen Beweggründen heraus ebenfalls eine Art Laienprofessionalisierung stattfinden kann.
Tom Kaden, Stephen Jones, Rebecca Catto, Fern Elsdon-Baker

Erlösungskommunikation

Frontmatter
Die Sinnlichkeit der Leere – negativsprachliche Figuren in der buddhistischen Befreiungslehre und ihre Verkörperung
Zusammenfassung
Vogd thematisiert vor dem Hintergrund der westlichen Buddhismus-Rezeption eine als »negativsprachlich« bezeichnete Form der Unaussprechlichkeit, hebt deren leiblichen Implikationen hervor und erläutert deren soteriologisches Potenzial. Auf der Grundlage eines systemtheoretisch fundierten Kommunikationsverständnisses gelangt Vogd in der Analyse buddhistischer Heilslehren zu einem spezifischen Verständnis der Verknüpfung von Leiblichkeit mit einer besonderen Erfahrung von »Leere«, die jenseits verbalisierbarer Inhalte retrospektiv eine Sinnaufladung erfahren kann und die als nibbāna bezeichnet wird. Die Differenz von subjektiver Erfahrung und sozial verfügbarer Kommunikationsformen tritt in diesem Beispiel mit großer Deutlichkeit zutage. Die Analyse bietet, über den Fall buddhistischer Heillehren hinaus, erhebliches Übertragungspotenzial auf andere Bereiche, die mit dem Ausdruck »religiöser Erfahrung« kaum mehr zutreffend beschrieben werden können.
Werner Vogd
Das Versprechen von Nibbāna. Habituelle Veränderungsprozesse auf dem buddhistischen Schulungsweg
Zusammenfassung
Anhand des Exempels einer Praktizierenden des Theravāda-Buddhismus bietet Harth in seinem Beitrag einen empirisch geleiteten Zugang zu habituellen Transformationsprozessen, wie sie im Rahmen spiritueller Suchbewegungen auftauchen können. Mit Blick auf die Sinngebungsprozesse sozialer Praxis werden durch die Dokumentarische Methode modi operandi herausgearbeitet, die veränderte Selbst- und Weltbezüge erkennen lassen. Dem Autor zufolge wird dieser transformierte Habitus durch die Kommunikation religiös formatierten Wissens und die Vermittlung des sinnstiftenden soteriologischen Versprechens in der Interaktion mit Lehrern und durch Lektüre einschlägiger Schriften initiiert und zeigt exemplarisch die Integration der buddhistischen Lehren in die spezifische Lebenspraxis.
Jonathan Harth

Transformation religiöser Sinnresiduen

Frontmatter
Katholische Denkformen in der Soziologie
Zum Verhältnis von Religion und Wissenschaft in der Moderne am Beispiel der italienischen Soziologie in Bologna
Zusammenfassung:
Anhand einer wissenssoziologischen Rekonstruktion des Verhältnisses von Religion und Wissenschaft der italienischen Soziologie in Bologna thematisiert Braunisch »Katholische Denkformen in der Soziologie«. Entgegen der gängigen Annahme des modernen Positivismus, die geistige Kraft der Religion sei in der modernen italienischen Soziologie weitgehend marginalisiert worden, erweise sich deren untergründiger Einfluss als ungebrochen. Anhand ihrer Forschungen zu den Hintergrundströmungen der Soziologie in Bologna zeigt sie die anhaltend bedeutsame Rolle auf, die der Katholizismus als kulturelle Formation eines Weltanschauungstypus im wissenschaftlichen Denken und Wissen in Teilen einflussreicher Lehreinrichtungen in Italien bis heute einnimmt.
Lilli A. Braunisch
Textgattungen in der Analyse religiöser Kommunikation und weltanschaulichen Wissens
Zur Konstruktion eines ›internationalen Ethos‹ in den Archiven des Ökumenischen Rats der Kirchen/ÖRK
Zusammenfassung
Anhand eines materialen Beispiels leistet der Aufsatz einen Beitrag zur Diskussion um die kommunikative Konstruktion von Wissensvorräten. Einerseits wird dargestellt, wie weltanschauliches Wissen in institutionellen Kontexten konstruiert wird, die explizit als religiös verstanden und dargestellt werden. Andererseits wird diskutiert, welche Rolle individuellen Sinnkonstruktionen in diesen Prozessen zukommt. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der empirischen Fallanalyse des Versuchs durch die Mitglieder und Mitarbeiter der Kommission der Kirchen für Internationale Angelegenheit/KKIA in den 1950er und 1960er Jahren einen Diskurs vom ›internationalen Ethos‹ im Rahmen des Ökumenischen Rats der Kirchen/ÖRK zu etablieren. Auf einer zeitdiagnostischen Ebene gewähren die Analysen einen Einblick in die zweifache Brüchigkeit von Wirklichkeitskonstruktionen im ÖRK während der 1950er Jahre. Auf einer methodologischen Ebene unterstreichen sie die Bedeutung unterschiedlicher Textgattungen für die Analyse der Konstruktion von Diskursen.
Karsten Lehmann

Gattungen der Sinnvermittlung

Frontmatter
Transzendenz im Diesseits. Zur korrespondierenden Transformation lebensweltlicher und religiöser Sinnangebote
Zusammenfassung
Ausgehend von einer grundlegenden Betrachtung der Transformationsprozesse im Verhältnis von Religion und Gesellschaft am Beispiel der Veränderungen in der Sepulkralkultur zeigt Thorsten Benkel anhand empirisch erhobenen Bildmaterials der wenig erforschten kommunikativen Gattung der Grabsteininschriften die Individualisierung von Transzendenzkonzepten auf. Unter Bezug auf Luckmanns »unsichtbare Religionen« wird das transzendentale Potenzial lebensweltnaher Gegenwärtigkeit herausgestellt. Die Tendenz hin zu einer individualisierten Transzendenz zeigt sich in den auf Grabsteinen als Sinngebung umgedeutet kommunizierten Elementen subjektiver Lebenswelt, wie man sie etwa in Persönlichkeitsimplikationen bei der Grabsteingestaltung durch Verweise auf Hobbys und Artikulation individueller Einstellungen findet.
Thorsten Benkel
»Gott bleibt immer derselbe« – Veranschaulichungen in christlichen Predigten zwischen Altem Testament und 21. Jahrhundert
Zusammenfassung
Basierend auf Videodaten authentischer Predigten liefert der Beitrag von Carolin Dix einen empirisch geleiteten Zugang zu der kommunikativen Gattung der Predigt. Anhand von exemplarischen Transkriptausschnitten werden dabei gesprächsanalytisch Veranschaulichungsverfahren herausgearbeitet, mittels derer traditionelles religiöses Wissen in landeskirchlichen Predigten transformiert und an den aktuellen Referenzrahmen der RezipientInnen anschlussfähig gemacht wird. Durch die Betrachtung stellt sich als zentrale kommunikative Aufgabe dieser Gattung die implizite und explizite Tradierung biblischen Wissens heraus, welche performativ durch sprachliche Szenarios und inter- und intralinguale Übersetzungen vollzogen wird.
Carolin Dix

Rhetoriken der Normativität

Frontmatter
»Bist du parat, mit uns auf diese Entdeckungsreise zu gehen?« – Identitätsarbeit in evangelikalen Bibelgruppen
Zusammenfassung
Müller liefert mit seinem Beitrag eine Beschreibung des charismatischen Evangelikalismus am Beispiel des International Christian Fellowship (ICF). Anhand eigener ethnografischer Beobachtungen evangelikaler Bibelgruppen, sogenannter Smallgroups, sowie Transkriptionen einzelner Predigten zeigt er, wie innerhalb der religiösen Gemeinschaft Identität kommunikativ hergestellt wird. Kritisch beleuchtet er dabei nicht nur die Konstruktion konversionsrelevanter Wendepunkte. Auch nimmt er die biografischen Konversionserzählungen als narrative Rekonstruktionen bzw. kommunikative Gattungen in den Blick und weist auf die zielgruppenspezifische, alltagsnahe Identitätsarbeit innerhalb der Smallgroups hin.
Francis Müller
Unsagbarkeitsbeteuerung, Metapher und Rechtfertigungsspirale. Kommunikation angesichts großer, normativer, weltanschaulicher Fiktionen
Zusammenfassung
Der Beitrag von Herbrik und Kanter widmet sich den kommunikativen Strategien bei der Bewältigung des Imaginären als Entwurf eines weltanschaulichen Ideals. Fokussiert wird daher zum einen Kommunikation über religiöse Emotionen, zum anderen über Nachhaltigkeit, deren transzendente, normative und handlungsorientierende Dimensionen veranschaulicht werden. Ausgehend von empirischem Material, erhoben mittels Leitfadeninterviews und Gruppendiskussionen, zeigen die Autorinnen in ihrer Analyse die Formen und Spezifika dieser sprachlichen Fiktionen auf und können dadurch ›Nachhaltigkeit‹ als weltanschauliches Wissen verorten, liefern mit ihren Ergebnissen darüber hinaus aber auch Anknüpfungspunkte für Analysen anderer normativer kommunikativer Konstruktionen.
Regine Herbrik, Heike Kanter

Unsichtbare Religion in Massenereignissen

Frontmatter
Protestrituale. Inszenierung weltanschaulichen Wissens bei rezenten Protestereignissen
Zusammenfassung
Betz gibt mit seinem Beitrag einen Einblick in die ernährungspolitische Protestbewegung. Mit einer hermeneutischen Interpretation von Bildmaterial als Aufhänger wird in Grundzügen das Diskursuniversum dieser Variante der Ökologiebewegung veranschaulicht und mit ethnografischen Beobachtungen eines zentralen Protestereignisses gegen die Agrarindustrie, des ›Wir haben Agrarindustrie Satt‹-Wochenendes, sowie beispielhaften Interviews ergänzt. Daran anknüpfend werden verschiedene Formen der Darstellung weltanschaulichen Wissens herausgestellt und die durch diese wirksame Inszenierung einer weltanschaulichen Gemeinschaft nachvollzogen. Dabei stellt der Autor zahlreiche Bezüge der Protestveranstaltung zu Formen christlicher Liturgie fest, welche durch die »Prägung unserer Gesellschaft und ihren sedimentierten sozialen Formen kollektiven rituellen Ausdrucks durch das Christentum« ursächlich erklärt werden.
Gregor J. Betz
Hochaltar und Pilgerströme. Verrückung, Verzückung und Erschöpfung bei der »Mayday«
Zusammenfassung
Ausgehend von ethnographisch erhobenem Video- und Bildmaterial der alljährlich stattfindenden Technoveranstaltung »Mayday« in den Dortmunder Westfalenhallen zeigt der Beitrag, dass sich situative Event-Gemeinschaften als Orte spiritueller Sinnproduktion und -distribution erweisen. Das Erleben außeralltäglicher Erfahrung der Feiernden legt der Autor als spirituelles Transzendenzkonzept aus und zeigt Parallelen zwischen dem Vollzug der Großveranstaltung und religiösen Ritualen im Kirchenraum auf. Dabei wird auf Kommunikationsformen und Interaktionsweisen der Event-Gemeinschaft verwiesen, die geteilte Vorstellungen von Außeralltäglichem, Formen des besonderen Leib-Erlebens und spezielle Körperperformanzen erkennen lassen.
Ronald Hitzler

Epilog

Frontmatter
Religionen in pluralen Gesellschaften
Zusammenfassung
In seinem Beitrag diskutiert Soeffner die Diskrepanz zwischen zunehmender Homogenisierung technischer Standards und ökonomischer Verflechtung in einer wachsenden Weltgesellschaft einerseits und der steigenden weltanschaulichen, religiösen, politischen und ethnischen Heterogenität innerhalb einzelner Gesellschaftssysteme andererseits. Als Folge der Pluralisierung religiöser und weltanschaulicher Angebote in pluralen, offenen Gegenwartsgesellschaften diagnostiziert Soeffner neben einem vergrößerten Handlungspotenzial auch einen dadurch fragileren Zusammenhalt. Durch die Verschränkung mehrerer Bezugssysteme nicht nur innerhalb eines Gemeinwesens, sondern innerhalb des Individuums selbst, ist dieses vor besondere Ansprüche gestellt, um vor diesem Hintergrund seine Position zu finden und abzusichern.
Hans-Georg Soeffner
Backmatter
Metadaten
Titel
Religiöse Kommunikation und weltanschauliches Wissen
herausgegeben von
Prof. Dr. Bernt Schnettler
Thorsten Szydlik
Helen Pach
Copyright-Jahr
2020
Electronic ISBN
978-3-658-21785-3
Print ISBN
978-3-658-21784-6
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-21785-3