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2013 | Buch

Religion und Politik im vereinigten Deutschland

Was bleibt von der Rückkehr des Religiösen?

herausgegeben von: Gert Pickel, Oliver Hidalgo

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

Buchreihe : Politik und Religion

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Über dieses Buch

Seit dem tiefgreifenden politischen Umbruch von 1989/1990 sind zwanzig Jahre vergangen, die scheinbar nicht nur von einem weiteren sozialen Bedeutungsverlust des Religiösen in Westdeutschland geprägt waren, sondern die auch nicht den erwarteten Aufschwung der Religion in den neuen Bundesländern brachten. Dies hat Folgen für die Stellung der Kirchen in der politischen Öffentlichkeit sowie ihre Relevanz als zivilgesellschaftlicher Akteur. Parallel führen Entwicklungen religiöser Pluralisierung und Individualisierung zu sich verändernden kulturellen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Die Beiträge des Bandes beleuchten das Verhältnis von Politik und Religion im Spiegel der Wiedervereinigung, den Islam als Herausforderung für die Integrationskraft der deutschen Gesellschaft, das Zusammenspiel von staatlichen und kirchlichen Akteuren im demokratischen Rechtsstaat sowie die aktuelle Diskrepanz zwischen der medial propagierten Rückkehr des Religiösen und dem faktischen institutionellen Bedeutungsverlust der Religion in Deutschland und Europa.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Einleitung – Religion und Politik in Deutschland zwanzig Jahre nach dem Umbruch
Zusammenfassung
Nach dem Fall der Berliner Mauer und dem Untergang des Warschauer Paktes gingen viele Beobachter der Ereignisse davon aus, dass in Deutschland nun „zusammenwächst, was zusammengehört“ und das Erfolgsmodell der westlichen Demokratie und Marktwirtschaft auch in den neuen Bundesländern seinen unaufh altsamen Siegeszug antritt. In ökonomischer Hinsicht machte zwar schon bald das Wort vom „Kaltstart“ der Wiedervereinigung (Sinn/Sinn 1991) die Runde, ihr politischer Erfolg aber wurde darüber nicht in Zweifel gezogen. Allein die gelegentlich erkennbaren Diff erenzen in den Haltungen zur aktuellen Demokratie beschworen die Gefahr einer „Mauer in den Köpfen“ (Greiff enhagen/ Greiff enhagen 1993: 369ff ) herauf.
Gert Pickel, Oliver Hidalgo

Politik und Religion im Spiegel der Wiedervereinigung

Frontmatter
Christlicher Glaube als Politikum – Eine theologische Deutung der (post-)politischen Dimension der Friedensgebete 1988/89
Zusammenfassung
Im Jahr 2009 wurde an vielen Orten mit bedächtiger oder weniger bedächtiger Inszenierung das 20. Jahresjubiläum in Erinnerung an die Montagsdemonstrationen 1989 begangen. Diese Demonstrationen führten unmittelbar zu den Ereignissen des Mauerfalls und der deutschen Einheit. Im Jahr 2010 wurde ein – nicht weniger wichtiges – Jubiläum deutlich leiser und in einem kleineren Kreise begangen, nämlich v.a. in den Kirchen des Landes: Mit dem Buß- und Bettag 2010 endete die 30. Friedensdekade (vgl. Hohmann 1998). Vor dreißig Jahren trafen sich erstmals, ausgelöst durch das atomare Wettrüsten und den NATO-Doppelbeschluss von 1979, Christinnen und Christen in West- und Ostdeutschland, um gemeinsam für den Frieden zu beten.
Michael Coors
Der politische Protestantismus in Ost und West zwanzig Jahre danach: eine missglückte Wiedervereinigung?
Zusammenfassung
Die EKD-Synode brachte im November 2010 unter anderem folgende Überschrift en in Pressemitteilungen hervor: „EKD warnt vor Entsolidarisierung im Gesundheitswesen“, „Vertiefung der Elbe infrage gestellt“, „Stellungnahme zur Laufzeitverlängerung von Kernkraft werken und zur Endlagerung hochradioaktiver Abfälle“, „Andere Klima- und Energiepolitik gefordert“. Warnen, Infrage stellen, Stellung nehmen, Fordern: so, könnte man sagen, sieht wohl politischer Protestantismus aus, auch wenn diese Begriffe in den Texten der Pressemitteilungen selbst gar nicht vorkommen. Das Online-Portal „evangelisch.de“ meldete zur Neuwahl des Ratsvorsitzenden der EKD: „EKD-Chef Schneider will politisch engagierte Kirche“. Afghanistan, Integration, Hartz IV, Bildung: „Einmischen“ ist das Stichwort.
Klaus Fitschen
Das Verhältnis von Politik und Religion am Beispiel der Friedlichen Revolution. Biographische Fallrekonstruktionen im Religionsunterricht
Zusammenfassung
Das Verhältnis von Politik und Religion ist so vielfältig wie die Politik- und Religionsbegriffe, die in den Politik- und Religionswissenschaft en (und darüber hinaus) diskutiert werden. Umstritten ist u. a. die Frage, inwieweit Religion in diesem Beziehungsverhältnis als eine „abhängige“ oder „unabhängige“ Variable beschrieben werden kann (Pickel 2011: 419). Ungeklärt ist auch die Frage, inwieweit sich ein konfl iktreiches Staat-Kirche-Verhältnis, wie es in der DDR bestand, auf die religiöse Vitalität einer Gesellschaft auswirkt. Bezogen auf die Zeit der Friedlichen Revolution fällt der Befund jedenfalls ambivalent aus: Auf der einen Seite hat die durch die Staatsmacht ‚forcierte Säkularisierung‘ (vgl. Wohrab-Sahr 2011: 160) eine Kultur der Konfessionslosigkeit befördert, die sich bis heute u. a. in niedrigen Tauf- und Konfi rmationsraten widerspiegelt.
David Käbisch

Bedeutungsgewinn der Religion oder Säkularisierung des Politischen?

Frontmatter
Die Situation der Religion in Deutschland – Rückkehr des Religiösen oder voranschreitende Säkularisierung?
Zusammenfassung
Ein zentrales Problemfeld der Betrachtung des Verhältnisses von Politik und Religion in Deutschland, aber auch darüber hinaus im weiteren Europa, ist die Widersprüchlichkeit der Zukunft sbeschreibungen der Entwicklungen des Religiösen. War über Jahrzehnte hinweg die Annahme einer fortschreitenden Säkularisierung kaum umstritten, wurde spätestens seit den 1980er Jahren mit einem Prestigegewinn der Privatisierungs- oder Individualisierungsthese (Luckmann 1991) diese einheitliche Entwicklungsprognose in Zweifel gezogen.
Gert Pickel
Zivilreligion in Deutschland? Transzendenz und Gemeinsinnsstiftung in den Trauerritualen der Bundeswehr
Zusammenfassung
„Ich verneige mich in Dankbarkeit und Anerkennung vor den Toten, die für unser Land im Einsatz für den Frieden gefallen sind.“ Dieser Satz von Verteidigungsminister Franz Josef Jung, den er am 24. Oktober 2008 in Zweibrücken an das Ende seiner Traueransprache für zwei in Afghanistan getötete Bundeswehrsoldaten setzte, ist in seiner Bedeutung für die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland nicht zu unterschätzen. Bis zu diesem 24. Oktober 2008 waren im Auslandseinsatz zu Tode gekommene Soldatinnen und Soldaten in der offi ziellen Sprachregelung stets „getötete“ oder „ums Leben gekommene“ Bundeswehrangehörige gewesen.
Stefanie Hammer, Maik Herold
Politischer Atheismus – Der „neue“ Atheismus als politisches Projekt oder Abbild empirischer Realität?
Zusammenfassung
Der „neue“ Atheismus entstand mit dem obigen Zitat: In einem Portrait-Artikel des „WIRED magazine“ über Richard Dawkins, Samuel Harris und Daniel Dennet prägte der Journalist Gary Wolf den Begriff „neue“ Atheisten
Anja Gladkich, Gert Pickel
Die „säkulare“ Demokratie. Theoretische Überlegungen mit einer speziellen Perspektive auf das Beispiel Deutschland
Zusammenfassung
Die traditionelle Beschreibung der Moderne als Prozess und Signum der Säkularisierung steht gegenwärtig auf dem Prüfstand. Der soziale Bedeutungsverlust der Religion zugunsten eines rationalen, aufgeklärten, epistemologisch fundierten Denkens und Handelns, den einst Auguste Comtes positivistisches Wissenschaft sverständnis oder auch Max Webers Diktum von der „Entzauberung der Welt“ propagierten und der sich so treff end mit dem Begriff des saeculum (lat. Zeit, Zeitalter) assoziieren ließ, insofern letzterer im Kirchenlatein den Gegensatz zwischen zeitlicher und ewiger Welt, Irdischem und Göttlichen markierte – heute wird er von vielen Autoren in Zweifel gezogen.
Oliver Hidalgo

Der Islam als Herausforderung für die Integrationskraft der Gesellschaft

Frontmatter
Islamophobie in Deutschland und Europa
Zusammenfassung
Ziel der nachfolgenden Studie ist es, aktuelle Erscheinungsformen von Islamophobie systematisch zu unterscheiden und deren Wirkung auf die Demokratie zu erörtern. Insofern nimmt dieser Beitrag auf zahlreiche Facetten der aktuellen Debatten um religiösen Pluralismus, Integrationspolitik sowie Fragen der gesellschaft lichen Inklusion und Exklusion Bezug.
Dorothée de Nève
Muslime unerwünscht? Zur Akzeptanz des Islam und dessen Angehörigen. Ein Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland
Zusammenfassung
Ost- und Westdeutschland unterscheiden sich hinsichtlich der Entwicklungen der zweitgrößten Religionsgemeinschaft in Deutschland, dem Islam
Alexander Yendell
Soziale Integration statt Verfestigung von Grenzziehungen. Der zivilgesellschaftliche Dialog zwischen Judentum, Christentum und Islam in Deutschland
Zusammenfassung
In den vergangenen zwanzig Jahren ist Religion wieder zum politischen Faktor geworden. Der öff entliche Diskurs oszilliert zwischen der Th ematisierung ihres Gewaltpotenzials und der „humane[n] Chance, die in religiösen Weltsichten liegt“ (Krech 2003: 50). Er ist anhaltend geprägt von Samuel Huntingtons Th ese vom „Kampf der Kulturen“, die als Interpretationsmuster (nicht nur) im Kontext internationaler Konfl ikte seit den 1990er Jahren weite Verbreitung gefunden hat. Sie dürft e auch Peter Sloterdijk (2006) als Anregung gedient haben, als er seinem Buch über das in seinen Augen intrinsische Gewaltpotenzial von Judentum, Christentum und Islam den (Unter-)Titel „Vom Kampf der drei Monotheismen“ gab.
Eva Maria Hinterhuber
Religiöse Pluralisierung als Konfliktfaktor? Wirkungen religiösen Sozialkapitals auf die Integrationsbereitschaft in Deutschland
Zusammenfassung
Seit einigen Jahren ist eine kontrovers geführte Debatte über den stetig steigenden Multikulturalismus und dessen mögliche Untergrabung der gesellschaft lichen Integration in Deutschland entbrannt. Jüngstes Beispiel bildet die hitzige Auseinandersetzung, die Bundesinnenminister Friedrichs entfachte, als er gezielt Ausschnitte aus der von der Bundesregierung in Auft rag gegebenen Studie „Lebenswelten junger Muslime“ (Bundesministerium des Innern 2011) vorstellte.
Claudia Götze, Yvonne Jaeckel, Gert Pickel

Kirche und Staat – religiöse und politische Akteure in der Demokratie

Frontmatter
Die Legitimität der hinkenden Trennung von Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland
Zusammenfassung
Der vorliegende Sammelband bemüht sich um eine Bestandsaufnahme des Verhältnisses von Religion und Politik zwanzig Jahre nach der deutschen Einheit. Dabei geht die Th emenstellung implizit davon aus, dass sich die gesellschaft lichen Rahmenbedingungen der religionspolitischen Ordnung Deutschlands in diesem Zeitraum nennenswert verändert haben.
Ahmet Cavuldak
Politikfähigkeit des Laienkatholizismus im gesellschaftlichen Wandel: Die Deutschen Katholikentage seit 1978
Zusammenfassung
Die Deutschen Katholikentage gehören zu den traditionsreichsten demokratischen Institutionen in Deutschland. Seit 1848 haben sie die Ausbildung einer weltweit wohl einmaligen, von großer Selbstständigkeit geprägten katholischen Laienkultur in Deutschland entscheidend begünstigt. Heute fi nden diese Treff en mit jeweils mehreren Zehntausend Teilnehmenden alle zwei Jahre an wechselnden Orten statt.
Claudio Kullmann
Schutz vor Diskriminierung wegen der Religion: Zwischen Freiheitsrechten und Machtstrukturen
Zusammenfassung
Unabhängig von der Frage, ob und in welchem Ausmaß in der Bundesrepublik Deutschland als (post-)moderner Gesellschaft Tendenzen der Säkularisierung existieren, ist Religion ein nach wie vor wichtiger Bereich der individuellen und kollektiven kulturellen Entfaltung.
Axel Schulte
Zwischen Kirche und Rathaus. Mehrfachengagierte und ihre subjektive Konzeption der Beziehung von Politik und Religion
Zusammenfassung
Die Beschäft igung mit dem Verhältnis von Politik und Religion hat in den letzten Jahren an wissenschaft licher und gesellschaft licher Aufmerksamkeit gewonnen. Davon zeugen öff entlich geführte Diskussionen wie über das Zölibat in der katholischen Kirche, die Integration des Islam oder den Bau von Moscheen.
Anna-Maria Meuth, Max Schulte
Backmatter
Metadaten
Titel
Religion und Politik im vereinigten Deutschland
herausgegeben von
Gert Pickel
Oliver Hidalgo
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Electronic ISBN
978-3-531-94181-3
Print ISBN
978-3-531-18344-2
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-531-94181-3