25.05.2022 | Reporting | Im Fokus | Online-Artikel
Controlling sorgt mit Nudging für mehr Rationalität
Nicht immer beruhen wichtige Entscheidungen auf rationalen Gedanken. Auch in Unternehmen spielt der Faktor Mensch eine große Rolle. Allerdings können Controller mit dem sogenannten Nudging dafür sorgen, dass die Rationalität in Entscheidungsprozessen nicht verloren geht.
Controller können Entscheidungen durch verschiedene Methoden beeinflussen.
alphaspirit / stock.adobe.com
Viele Faktoren spielen bei unternehmerischen Entscheidungen eine Rolle. Und Controller haben einen maßgeblichen Einfluss auf diesen Prozess. Sie sind "die zentrale Informationsdrehscheibe für führungsrelevante Information", heißt es hierzu im Buch "Management Reporting" (Seite 1) von laut Springer-Autor Andreas Taschner. Das Controlling liefert also wichtige Daten und Fakten.
Das heißt aber nicht automatisch, dass das Management immer rationale Entscheidungen trifft. So werden beispielsweise immer wieder Projekte vorangetrieben, obwohl die Kostenseite bereits erahnen lässt, dass der wirtschaftliche Erfolg nicht erreicht werden kann. Wenn also das Controlling die wesentlichen Daten zu den entstehenden Kosten geliefert hat, jedoch die Entscheidung auf der Basis eines anderen Impulses getroffen wurde, kann das zu einem schlechten Ergebnis führen. Controller müssen sich deshalb Gedanken machen, wie sie eine solche Entwicklung vermeiden können.
Behavioral Accounting berücksichtigt menschliches Verhalten
Deshalb berücksichtigt das sogenannte Behavioral Accounting auch den "Faktor Mensch". Taschner erklärt auf Seite 19 hierzu: "Ein verhaltensorientiertes Rechnungswesen berücksichtigt, dass die Akteure über begrenzte Fähigkeiten zur Aufnahme und Verarbeitung von Information verfügen, von Eigennutz geleitet werden und nicht unbedingt immer die Unternehmensziele verfolgen."
Um sicherzustellen, dass bei einer Entscheidung die Fakten im Vordergrund stehen und nicht etwa emotionale Faktoren, lässt sich das sogenannte Nudging einsetzen. Nico Rose definiert diesen interessanten Ansatz in seinem Beitrag "Ein Stupser für die Rationalitätssicherung" in der Zeitschrift Controlling & Management Review (Ausgabe 3/2022):
Menschen werden in Richtung eines bestimmten Verhaltens 'geschubst', ohne dass alternative Wahlmöglichkeiten verboten werden."
Mit Nudging zu rationalen Entscheidungen
Dieses Anstupsen oder Schubsen ist hierbei ein wesentliches Kriterium: Es geht nicht darum, das Gegenüber zu einer Entscheidung zu zwingen. Alternative Möglichkeiten werden bei Nudging nicht verboten.
Die verschiedene Formen und Varianten fasst Rose beispielhaft zusammen:
- Defaults: Zur Vermeidung von (kognitivem) Aufwand entscheiden sich Menschen für jene Option, die systemseitig vorgegeben ist.
- Design: Zur Vermeidung von (kognitivem) Aufwand entscheiden sich Menschen für jene Handlungsoption, die zuerst ins Blickfeld rückt oder am einfachsten zu erreichen ist.
- Reminder: Menschen reagieren auf das, was "jetzt gerade" in ihre Aufmerksamkeit gerückt wird.
- Lokale Normen: Menschen verhalten sich so, wie es die (hypothetische) Mehrheit tut.
- Absichtserklärungen: Menschen verhalten sich konsistent in Bezug auf ihre Intentionen, wenn sie diese mit anderen Menschen teilen.
Auch das Controlling kann sich bei der Rationalitätssicherung der Unternehmenssteuerung diesen verschiedenen Formen des Nudgings bedienen. Laut Rose können Controller zum Beispiel einen wesentlichen Einfluss im Management Reporting durch eine entsprechende Visualisierung haben. Sie rücken bestimmte Daten in den Vordergrund, auf die die Aufmerksamkeit gelenkt werden soll. Allerdings wird in der Praxis genau dieser Hebel häufig noch kaum genutzt.
Kostensicht rechterftigt die Manipulation
Einen anderen Menschen bei einer Entscheidung in eine bestimmte Richtung zu schubsen, mag mancher Finanzprofi als unangenehm empfinden. Manipulieren Controller das Management, wenn sie Nudging einsetzen? Allerdings liegt insbesondere beim Management Reporting immer eine gewissen Beeinflussung vor. Laut Rose argumentieren Befürworter der Methode, dass der ethische Einsatz von Nudging sehr wohl seine Berechtigung habe. "Es scheint gerechtfertigt, wenn Controller durch behutsames Nudging darauf hinwirken, dass Kosten nicht aus dem Ruder laufen."
Als gegensätzlichen Konzept nennt Rose das sogenannte Sludge. Dies beschreibt Prozesse, Regeln und Strukturen, die Mitarbeitern von Unternehmen ihre Arbeit unnötig verkomplizieren. Der Autor empfiehlt als dem Controlling daher: "Falls sich Controller also nicht sehr wohl mit dem Konzept des Nudgings fühlen, dann könnten sie sich alternativ zumindest auf die Fahne schreiben, mit Engagement, Hartnäckigkeit und wachsamen Augen gegen den Sludge in ihrer Organisation vorzugehen."