Empfehlungen unter Geschäftspartnern können die Umsätze immens in die Höhe schrauben, wissen Quirin Graf Adelmann und Michael Rassinger. Im Interview mit Springer Professional beleuchten die Springer-Autoren die strategische Basis.
Springer Professional: Herr Rassinger, über Geschäftsbeziehungen neue Kunden zu gewinnen, klingt attraktiv. Welches Potenzial birgt strategisches Empfehlungsmarketing?
Michael Rassinger: Niemand sollte das Potenzial von Empfehlungsmarketing unterschätzen. Wer sich strategisch klug aufstellt und mit den richtigen Geschäftspartnern interagiert, kann theoretisch bis zu 100 Prozent des Umsatzes über Empfehlungen generieren. Man kann sich das Ganze wie einen "Inner Circle" im geschäftlichen Sinn oder sogar wie eine Art Symbiose vorstellen: Eine Gruppe von Unternehmern verschafft sich durch Empfehlungen gegenseitig Aufträge, weil deren Kunden wiederum Bedarf an Produkten und Dienstleistungen anderer haben.
Dieses Vorgehen findet konstant Anwendung, denn die Unternehmer kennen und vertrauen sich gegenseitig und handeln im Sinne des ehrbaren Kaufmanns. Man darf dabei aber nicht vergessen, dass der Beziehungsaufbau genau wie die Pflege der Beziehungen viel Zeit kostet. Wir empfehlen deshalb, Empfehlungsmarketing als ein wesentliches Standbein einzusetzen, andere Akquisemethoden und Netzwerke deshalb aber nicht zu vernachlässigen.
Graf Adelmann, Empfehlungen flattern meist nicht einfach so ins Haus. Was also müssen Unternehmen investieren und selbst leisten, um zum Ziel zu gelangen?
Quirin Graf Adelmann: Man wartet heute nicht am Faxgerät auf Aufträge oder hofft auf diese eine Gelegenheit, die ausreicht, um erfolgreich zu sein und reich zu werden. Die meisten Wendungen im Leben kommen ungeplant oder unerwartet. Nichtsdestotrotz ist die Basis immer der persönliche Einsatz im beruflichen Umfeld. Natürlich braucht es einen Plan, wohin man mit seinem Unternehmen und seinen eigenen Fähigkeiten hinwill und welche strategischen Partner dazu passen könnten.
Im ersten Schritt allerdings braucht jeder Unternehmer offene Ohren und ausreichend Zeit, sich mit anderen Unternehmern und Netzwerken auszutauschen. Die eigenen Leistungen und Verbindungen für Dritte zu öffnen, ohne hieran direkte Erwartungen zu knöpfen, vertieft die Vertrauensbasis und beschleunigt damit Möglichkeiten, selbst in erweiterte Netzwerke einzusteigen, um wiederum das eigentliche Ziel zu erreichen. Es bedarf also zunächst der Investition in Zeit und Vertrauen in andere, um selbst mittelbar und nachhaltig davon zu profitieren.
Ganz konkret: Wie lassen sich neue Geschäftsbeziehungen in Zeiten wie der Corona-Krise aufbauen, in der Messen und andere wichtige Networking-Veranstaltungen ausgefallen sind?
Quirin Graf Adelmann: Jeder von uns hat ein unglaublich breites Netzwerk. Freunde, so sagt man, kann man nur maximal eine Handvoll haben. Ein gutes Netzwerk besteht aber nicht nur aus den durchschnittlich 500 Adressbuch-Kontakten, sondern aus einem Kern guter Unternehmenskontakte hieraus. 2020 sind viele Veranstaltungen in neuem Format geführt worden. Unternehmernetzwerke wie beispielsweise BNI finden online statt. Die Teilnahme bei solchen Online-Veranstaltungen ist leichter, öfter und mit weniger Aufwand zu betreiben. Die Nachverfolgung der kürzeren persönlichen Kontaktmöglichkeiten wird danach natürlich zum Schwerpunkt.
Gleichzeitig liegt der Vorteil auf der Hand: Man spricht nur mit denjenigen, die zu einem passen. Die Zeit wird also effizienter eingesetzt. Weiterhin möglich sind natürlich projektbezogene Netzwerke. Man konzentriert sich auf ein Projekt und baut mögliche Netzwerkpartner ganz konkret um dieses potenzielle Projekt herum auf. Der Zugang entsteht dann sachbezogen. Die Herangehensweise ist eine andere, neu und sicher horizonterweiternd. 2021/2022 kann man dann die Veränderungen auswerten und Formate weiterführen, die erfolgreich waren.
Herr Rassinger, Empfehlungsmarketing ist die smarteste und nachhaltigste Methode der Neukundengewinnung, wie Sie schreiben. Wo liegen dennoch die Grenzen?
Michael Rassinger: Empfehlungsmarketing im Sinne unseres Buches ist ein People-to-People-Business. Sobald es um große nationale und internationale Märkte geht, verliert Empfehlungsmarketing an Effektivität, weil Absatzkanäle in großer Zahl und weitgehend automatisiert bespielt werden müssen. Nehmen Sie als aktuelles Beispiel die immer größer werdende Zahl von Start-ups, die nachhaltig produzierte Riegel als gesunden Snack anbieten. Mit Anzeigen auf Social-Media-Plattformen erreicht man wesentlich mehr Menschen, als wenn Geschäftsführer oder Vertriebsmitarbeiter über das eigene Netzwerk und unter Einsatz der Ressource Zeit ihr Produkt vermarkten.
Neben der Zeit ist das Netzwerk selbst der limitierende Faktor, denn es ist als solches in sich begrenzt. Man sollte deshalb mehrere Netzwerke haben und deren Stärken nutzen. Gleichzeitig ist der Erfolg von Empfehlungsmarketing an den Netzwerker selbst gekoppel. Investiert er nicht genügend Zeit oder hält sich nicht an Regeln, kommt er schnell an die selbst errichtete Grenze.