"Die öffentliche Diskussion zu Energie- und Rohstoffthemen in Deutschland (Mehrheitsmeinung) ist teilweise von Wunschdenken und einer eher rückwärtsgewandten Analyse dominiert. Das stimmt insofern bedenklich, als unser Land weltweit sowohl für technologische Spitzenleistungen als auch für ausgewogene und eher proaktive Bemühungen auf dem Weg zu einer Kreislaufwirtschaft und zu konsequentem Umweltschutz bekannt ist und dafür weitgehend anerkannt wird.", schreibt Jörg Matschullat im Buchkapitel "Mittel- und langfristige Energie- und Rohstoffherausforderungen – die nächsten 50 Jahre". Er setzt sich mit der Frage auseinander, worin die mittel- und langfristigen Herausforderungen bei der Verwendung von Rohstoffen und Energie bestehen.
Wissenschaftler des Öko-Instituts beschäftigen sich seit Sommer 2014 mit einem Konzept für die Rohstoffwende. Im Projekt "Rohstoffwende Deutschland 2049" werden langfristige auf den Abbau, die Verwendung und die Entsorgung von Rohstoffen bezogene politische und rohstoffspezifische Ziele erarbeitet sowie Maßnahmen aufgezeigt, um den Herausforderungen im ökologischen, ökonomischen und sozialen Bereich begegnen zu können. Vor der Präsentation des Gesamtkonzeptes wurde nun das 3. Policy Paper vorgestellt. Darin werden Ziele und Maßnahmen für eine nachhaltige Förderung, Nutzung und Entsorgung von 75 ausgewählten Rohstoffen dargestellt.
75 Rohstoffe im Blick
Bei den Untersuchungen wurden 75 Rohstoffe in die Gruppen Massenrohstoffe (jährlicher Bedarf von mehr als 100.000 Tonnen in Deutschland) und Nicht-Massenrohstoffe eingeteilt. Jede Gruppe wurde in sechs Cluster unterteilt:
Massenrohstoffe | Nicht-Massenrohstoffe | |
Cluster 1 | Heimische Baurohstoffe | Seltene Erden |
Cluster 2 | Baustoffe | Gut recycelbare Rohstoffe |
Cluster 3 | Hauptmassenmetalle | Konflikte & Kleinbergbau |
Cluster 4 | Industriesalze | Besonderes potentielles Landschaftsrisiko |
Cluster 5 | Sonstige Massenmetalle | Phase-out-Materialien |
Cluster 6 | Sonstige Massenrohstoffe | Sonstige Nicht-Massenrohstoffe |
Bandbreite der Rohstoffe verlangt nach passgenauen Zielen und Maßnahmen
Bei der Präsentation des 3. Policy Papers wurde eine zentrale Botschaft des Gesamtprojektes bereits jetzt klar hervorgehoben: Die unterschiedlichen Rohstoffe erfordern passgenaue Ziele und Maßnahmen, die spezifisch auf die Problemlagen der jeweiligen Gruppe abgestimmt sein müssen.
Beispielhaft wurde von den Wissenschaftlern auf das Cluster "heimische Baurohstoffe" in der Gruppe Massenrohstoffe verwiesen. Dieses Cluster beinhaltet die Rohstoffe Kies, Sand, Naturstein und Ton. Hierfür formulieren die Wissenschaftler quantitative Ziele, um den Primärrohstoffeinsatz zu senken. Gebäude sollen dazu länger genutzt und saniert statt abgerissen werden. Die erforderliche Sanierungsrate bis zum Jahr 2049 sollte von heute 0,8 Prozent auf 1 Prozent bei gewerblichen Immobilien und bei Wohnhäusern von heute 1 Prozent auf 3 Prozent steigen. Diese vermeintlich geringe Erhöhung würde den jährlichen Bedarf an Ton, Naturstein und Sand um mindestens 20 Prozent bis 2049 und bei Kies sogar um 45 Prozent senken, haben die Wissenschaftler ermittelt.
Aus der Gruppe der Nicht-Massenrohstoffe wurden die Ergebnisse zum Cluster "Seltene Erden" beispielhaft vorgestellt. Gemeinsame Merkmale dieses Clusters sind nicht nur die Zuordnung im Periodensystem der Elemente sondern auch, dass sie derzeit noch fast nicht recycelt und teilweise unter gesundheitlich riskanten Arbeitsbedingungen gefördert werden. Für den Cluster-Repräsentanten Neodym wurden quantitative Ziele für das Jahr 2049 benannt: Bis dahin sollen mindestens 30 Prozent recyceltes Neodym wiederverwendet werden, IT- und Telekommunikationsprodukte müssen mindestens doppelt so lange wie heutzutage genutzt werden und für mindestens 80 Prozent des Primärmaterials fordern die Wissenschaftler ein Nachhaltigkeitszertifikat zum Nachweis der verantwortungsvollen Förderung.
Der Abschlussbericht des Projekts "Rohstoffwende Deutschland 2049" wird Ende 2016 vom Öko-Institut veröffentlicht.