Holz ist einer der ertragsreichsten und nachhaltig verfügbaren Rohstoffe mit enormem Potential für die Bioökonomie. Professor Matthias Zscheile erklärt Perspektiven und das Spitzencluster BioEconomy.
Springer Professional: Für den Begriff Bioökonomie gibt es verschiedene Definitionen. Von welcher gehen Sie aus?
Matthias Zscheile: Eine Vielzahl detaillierter Definitionen beschreiben die Bioökonomie – immer aus der speziellen Sicht des jeweiligen Betrachters. Letztlich können wir uns sehr gut mit der Version des BMBF aus dem Jahre 2014 identifizieren: „Der Wirtschaftszweig der Bioökonomie befasst sich mit einer nachhaltigen Nutzung biologischer Ressourcen. Der Bioökonomie gehören diverse Branchen an, z. B. Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Nahrungsmittelindustrie sowie Holz-, Papier- und Chemieindustrie.“
In Deutschland haben wir den Fall der „ungeliebten“ Buche. Warum eigentlich?
Es sind für die Buche in den nächsten 30 bis 50 Jahren laut offizieller Prognose überproportional zunehmende Ertragszuwächse je Hektar in allen europäischen Ländern zu erwarten. Die Gründe dafür sind vielfältig. So geht die Forstpolitik hin zu stabileren Mischwäldern und einer Naturverjüngung, da man von einer besseren Klimaresistenz gegenüber Nadelhölzern ausgeht. Zudem werden gegenwärtig nur knapp 50 Prozent des nutzbaren, nachhaltig nachwachsenden Buchenholzes geerntet. Von diesen werden wiederum zunehmend große Mengen ausschließlich als Brenn- und Energieholz verwendet. Zentrale Anwendungsfelder für Buchenschnittholz sind dagegen weitestgehend weggefallen oder im Volumen geschrumpft (z. B. Bahnschwellen, Parkett, Möbel oder Gestellbau). Diesen Entwicklungen versucht jetzt ein führendes Buchenholz verarbeitendes Großunternehmen der Branche durch Etablierung einer neuen Verarbeitungstechnologie zur Herstellung von Furnierschichtholzprodukten für den Bausektor entgegen zu wirken. Vielerorts besteht ein immenser Handlungsbedarf, alternative Nutzungskonzepte für die Buche zu entwickeln sowie diese betriebswirtschaftlich effizient einzuschneiden und werkstofflich zu verarbeiten. Die Situation erschwert, dass die Buche einerseits im nativen Zustand eine Reihe von ungünstigen Gebrauchseigenschaften aufweist (wie z. B. starkes Quellen und Schwinden, geringe Feuchteresistenz und eine erhöhte Gefährdung durch den Befall mit mikrobiologischen Holzschädlingen), die bisher eine Außenanwendung verhindern. Andererseits hat Buchenholz einige sehr gute Eigenschaften (u. a. hohe Zug- und Druckfestigkeiten und eine gute Imprägnier- und Verleimbarkeit), die Vorteile gegenüber anderen Materialien bieten. Insgesamt gibt es für die stoffliche Verwertung der großen Mengen verfügbaren Holzes noch keine volkswirtschaftlich befriedigenden, nachhaltigen Lösungen. Die Buche wird absehbar aus forstwirtschaftlicher, vor allem jedoch aus nutzenbezogener Sicht eine Herausforderung bleiben.
Sie betreuen ein Innovationscluster, das nach Alternativen sucht. Worum geht es dabei?
Innerhalb dieser Projekte geht es darum, die gesamte Wertschöpfungskette Forst – Holz – Chemie bis hin zu neuen Werkstoffen und Materialien durch eine stoffliche Nutzung der Buche abzubilden bzw. weiterzuentwickeln. Dazu gehören Themenstellungen zu modernen und bodenschonenden Ernteverfahren, zur Herstellung innovativer Produkte für den Holzbau und das Bauwesen allgemein. Ein wichtiger Schritt zur optimalen Nutzung des verfügbaren Buchenholzes ist der Aufschluss bei der Buchenholzverarbeitung anfallender Reststoffe zu Grundstoffen für die chemische Industrie, die so als neuartige Ersatzrohstoffe für fossile Rohstoffe eingesetzt und u. a. auch zu neuen Werkstoffverbünden verarbeitet werden. Erst die entlang dieser stofflichen Wertschöpfungskette anfallenden, und in keiner anderen Nutzungsform mehr verwendbaren Reststoffe werden letztlich der energetischen Nutzung, v. a. als Prozessenergie, zugeführt.
Das Ganze wird in dem Spitzencluster BioEconomy realisiert. Wie soll dies künftig gestaltet werden?
Die geförderten Aktivitäten des Spitzenclusters BioEconomy sind bis Mitte 2017 ausgelegt. Mit nunmehr über 75 Mitgliedern im Forschungsverbund und über 100 Entwicklungspartnern in mehr als 40 Verbundprojekten wird der Grundstein für die synergetische Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette gelegt. Bis 2017 sollen die wirtschaftlichen und forschungsorientierten Beziehungen aller Partner so gefestigt sein, dass dieser Verbund eigenständig weiterarbeiten und sich nach Bedarf weiterentwickeln und vergrößern kann. Unsere Vision ist die modellhafte Etablierung der biobasierten Wertschöpfung mit allen relevanten Akteuren im Maßstab der Clusterregion Mitteldeutschland.
Wie beurteilen Sie die Verfügbarkeit des Holzes in seiner Nutzungskonkurrenz generell?
Die Verfügbarkeit des Holzes sehe ich in Zukunft durch nichts gefährdet: Auch nicht durch die Zielstellungen unseres Projektansatzes. Wir haben in Deutschland gegenwärtig einen jährlichen Vorratsaufbau von ca. 160 Millionen Kubikmetern ; dies allerdings verbunden mit einer Verschiebung in der Holzartenverteilung ... eben hin zu den großen Mengen Laubholz. Nun stehen wir vor der Fragestellung, wer diese Mengen verfügbaren Holzes nachhaltig nutzen kann und wird. Künftig werden wir mit einer Verschiebung der Nutzungsanteile je Industriebranche zu rechnen haben. Die leistungsstarke Sägeindustrie, der Holzbau und die Verpackungsbranche werden verarbeitungsbedingt auf ihren bewährten und anwendungsfreudigen Rohstoff Fichte/Kiefer setzen. Ob es möglich sein wird, in großem Maße buchenbasierte Holzbauprodukte in den Markt zu bringen, hängt noch von einer Vielzahl zu klärender Faktoren und technischer Fragestellungen ab. Auch die Zellstoffindustrie wird weiterhin prinzipiell auf die Verarbeitung von Nadelholz orientieren. Die Holzwerkstoffbranche wird keine Zuwächse in Mitteleuropa verzeichnen; man folgt den Märkten und der Verfügbarkeit des bevorzugten Nadelholzes in Richtung Osten. Was sich jedoch weiter entwickeln wird, ist die Nutzungskonkurrenz zwischen energetischer Verwendung und z. B. dem Newcomer Chemie. Letztendlich wird diejenige Industriesparte die Rohstoffe bekommen, die aufgrund ihrer höheren Wertschöpfung bessere Preise im Forst zahlen kann. Mit absehbarer Reduzierung der EEG-Zulagen und NAWARO-Zuschläge sowie der wachsenden stofflichen Verwendung lignozellulosehaltiger Rohstoffe durch die chemische Industrie werden die Karten neu gemischt. Man darf gespannt sein.
Welche Chancen sehen Sie für eine Verstärkung des Holzbaues?
Der Einsatz buchenbasierter Halbzeuge im Holzbau steckt derzeit noch in der Entwicklungsphase und bedarf eines erheblichen weiteren Forschungs- und Entwicklungsaufwandes. Auch darf man nicht den Aufwand zur Zulassung, Einführung und Etablierung der neuartigen Holzbauprodukte – mit wirklich erstaunlichen, völlig neuen Verwendungseigenschaften – in den Markt unterschätzen. Wahrscheinlich werden hybride Lösungsansätze, also die Kombination verschiedener Materialien in diversen Holzbauprodukten, die besten Erfolgschancen am Markt aufweisen. Hierzu könnten Verbünde von Buchen- und Fichtenlamellen für Brettschichtholz oder Deckenaufbauten (inkl. der Verwendung moderner Massivbauweisen) eine wesentliche Rolle spielen. Auch Verbundmaterialien aus Holz und Kunststoffen, sogenannte WPC (Wood-Plastic-Composites) müssen in diesem Zusammenhang Erwähnung finden. Der Holzbau kann durch die Verwendung von Laubholz neue, wesentlich Impulse erhalten, aber es bedarf des Augenmaßes und der Kreativität sowie des Durchhaltevermögens aller Beteiligten.
Vielen Dank für das Interview.