Man hat oft von der Revolution im Weltbild der Physik gesprochen, die durch die Relativitätstheorie und die Quantentheorie ausgelöst worden ist. Bücher über das Naturbild der heutigen Physik beschränken sich meist nicht auf die Darstellung von Grundstrukturen und Ergebnissen der Physik in einer Sprache, die einem größeren Kreis von Leserinnen und Lesern zugänglich ist, sondern thematisieren auch die Folgen, die die neuen physikalischen Theorien für allgemeinere Fragen haben. Zeigt die Quantentheorie z. B., dass der Determinismus der klassischen Physik aufgegeben werden muss? Können Teilchenbahnen und zeitlich sich verändernde Felder weiter als grundlegende Werkzeuge zur Beschreibung von Bewegungen verwendet werden? Müssen wir uns vielleicht sogar von der Vorstellung der objektiven Realität der Elementarteilchen verabschieden? Zweifellos sind Relativitätstheorie und Quantentheorie relevant für die Naturphilosophie und wichtig, wenn man nach einer kohärenten Gesamtsicht der Natur strebt. Aber sind die Änderungen in den metaphysischen, erkenntnistheoretischen und methodischen Annahmen, die in die naturwissenschaftliche Forschung eingehen, wirklich so einfach aus den Theorien der Physik ablesbar?
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Eine Ausnahme ist vielleicht Ernst Cassirer (Determinismus und Indeterminismus in der modernen Physik, 1937, vgl. Stöckler 1989, S. 115). Kritik an subjektivistischen Folgerungen der Quantentheorie wurde aus dem Umkreis des logischen Empirismus geübt, vgl. Stöckler (1989, S. 116).
Im Detail wird dazu weiter unten mehr gesagt werden. Außerdem ist zu beachten, dass der Begriff ‚Lokalität‘ in der Physik in verschiedenen Bedeutungen verwendet wird.
Zustandsbeschreibung und Schrödinger-Gleichung werden in Nortmann (2008) ausführlicher, aber ohne Voraussetzung fortgeschrittener Mathematikkenntnisse erläutert.
Bei Orts- und Impulsoperatoren ergeben sich allerdings spezielle mathematische Probleme, die mit der Überabzählbarkeit der möglichen Messwerte zu tun haben, aber hier nicht wichtig sind.
Eine Sonderrolle spielen Interpretationen, die eigentlich Abänderungen der Quantentheorie sind, wie etwa die Theorien von de Broglie-Bohm und GRW, vgl. Friebe et al. (2018, Abschn. 2.4 und 5.1).
Etwas anders sieht es Hodgson (2011, S. 77–78). Vgl. auch die Diskussion, ob nichtlineare Prozesse Quanteneffekte verstärken können (Bishop 2011, S. 90–95).
Viele Beiträge in dem Handbuch Kane (2011a) zeigen das. Eine von meiner Position abweichende Auffassung vertritt Hodgson (2011), bei dem es aber vor allem um die besondere Bedeutung der Quantentheorie für das Verständnis des menschlichen Bewusstseins geht.
Wir kommen bei der Besprechung von WBR 4 unten noch einmal ausführlicher darauf zurück. Zum physikalischen Hintergrund vgl. Näger und Stöckler (2018), darin auch Details zu verschiedenen Bedeutungen von „Lokalität“. Zur speziellen Verwendung von „Realismus“ in diesem Kontext vgl. Stöckler (1986), S. 87.
Kutschera (2017), S. 66 f. Ich glaube allerdings aufgrund physikalischer Überlegungen nicht, dass Kutschera hier recht hat, weder in der Quantentheorie noch in der klassischen Physik. Wenn man hinreichend genau hinschaut, verändert auch in der klassischen Physik eine Messung oft den Zustand des Systems, allerdings kann man diese Veränderung berechnen.
Vgl. die vor allem auf Paul Näger zurückgehenden Überlegungen zum Verhältnis von Nichtlokalität und Relativitätstheorie in Näger und Stöckler (2018), S. 148–170.
Ich danke Dieter Kupferschmidt, Niels Linnemann, Anne Thaeder und insbesondere Helmut Fink für viele hilfreiche kritische Anmerkungen zu früheren Versionen dieses Beitrags.