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26.03.2021 | Risikoanalyse | Schwerpunkt | Online-Artikel

Banken brauchen mutige ESG-Ausrichtung

verfasst von: Angelika Breinich-Schilly

7:30 Min. Lesedauer

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Noch sind die Auswirkungen der Corona-Pandemie wichtigstes Aufgabenfeld europäischer Banken. Doch mit dem Megathema ESG rückt der Klima- und Umweltschutz auf den Agenden ganz nach oben. Gefragt sind neue, umfassende Geschäfts- und Risikomodelle.

Trotz der großen Herausforderungen der Covid-19-Pandemie erweist sich die Bankenbranche als noch immer krisenfest. Laut der aktuellen European Banking Study 2021 des Beratungshauses Zeb gingen die Gewinne der 50 größten Banken zwar um mehr als die Hälfte zurück. Und auch das bisherige Problemkind vieler Institute, die Eigenkapitalrentabilität, sank von 6,4 Prozent im Jahr 2019 auf rund drei Prozent im Jahr 2020. Dennoch stelle sich die Kapitalausstattung der Banken im Durchschnitt weiter gut dar. Viele der Institute hätten ihre Eigenkapitalposition erhöhen und damit die entsprechenden Kapitalquoten erneut verbessern können, heißt es in dem Bericht. 

Für diesen wurden die 50 größten Banken nach Gesamtvermögen aus den 27 Ländern der Europäischen Union, Island, Liechtenstein, Norwegen, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich untersucht. Die Daten und Berechnungen stammen vom 1. März 2021.

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2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

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Starker Bankenfokus auf Umwelt- und Klimaaspekte

Dem Report zufolge werden sich Europas Geldhäuser mittel- und langfristig neben der Bekämpfung der Pandemiefolgen vor allem mit zwei Themenbereichen intensiv beschäftigten: Auf ihrer Agenda stehen mit ESG (Environment, Social, Governance) der neue Megatrend sowie die mit diesem einhergehenden Regularien ganz oben. Besonders im Fokus der Institute liegen dabei Umwelt- und Klimaaspekt sowie insbesondere Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Regulatoren und politische Behörden drängten die Banken dazu, ESG-bezogene Anforderungen zu erfüllen.

Die Studie identifiziert drei Schlüsselbereiche für regulatorische Initiativen im europäischen Bankensektor: 

  1. (nicht finanzielle) Berichterstattung & Offenlegung, 
  2. Stresstests und Risikomanagement sowie 
  3. Kapitalanforderungen. 

Bereits seit 2017 müssen in Deutschland große Unternehmen von "öffentlichem Interesse" mit mehr als 500 Mitarbeitern und einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro oder Umsatzerlösen von mehr als 40 Millionen Euro ihre nichtfinanziellen und die Diversität betreffenden Informationen veröffentlichen. Geregelt ist das in der sogenannten CSR-RUG. Katja Mayer stellt im Buchkapitel "Standards der Berichterstattung" (Seite 108 f.) klar, dass mit dieser Regelung vor allem "Unternehmen von öffentlichem Interesse" gemeint sind. Dazu gehören kapitalmarktorientierte Unternehmen sowie Banken und Versicherungen. Die Springer-Autorin führt aus: 

Die Auskünfte umfassen Angaben zu den Nachhaltigkeitskonzepten in der Unternehmensführung, angewandte Due-Diligence-Prozesse und dazugehörige Ergebnisse, Veröffentlichungen vom Management zur Steuerung verwendeter nichtfinanzieller Kennzahlen (sogenannte Key Performance Indicators – KPIs) sowie Risiken und Auswirkungen auf Geschäftsbereiche sowie Geschäftsbeziehungen."

Kapitalzu- und abschläge für grünes Kreditgeschäft

Doch weitere, zum Teil umfangreiche Initiativen und geplante Anforderungen hat der Gesetzgeber bereits in der Pipeline. So werden laut Zeb-Report derzeit unterschiedliche, zusätzliche Kapitalabschläge oder -zuschläge für "grüne" oder "braune" Kreditgeschäfte der Banken diskutiert, die zu einer Veränderung der Kapitalquoten führen würden. 

"Mit einer ersten Outside-in-Analyse zeigt die Studie, dass fundamentale Veränderungen der Kapitalquote erst bei sehr hohen Zu-/Abschlagsfaktoren zu erwarten sind", heißt es weiter. Auf Einzelvertragsebene ergebe sich durchaus ein massiver Einfluss auf das Neugeschäft der Banken.

Die Studie macht dabei allerdings klar, dass die tatsächlichen Klimarisiken der Banken im Gesamtblick sehr heterogen sind. Dafür verantwortlich sei der individuelle Anteil der Banken an den Industriesektoren und Ländern, die stark von klimawandelbedingten Risiken betroffen sind. So seien etwa die nordischen Länder und insbesondere der Immobiliensektor sowie das verarbeitende Gewerbe vergleichsweise stärker von Transitionsrisiken betroffen, also von der Notwendigkeit, Treibhausgase zu reduzieren. In Südeuropa werden die Banken mit höheren physischen Risiken konfrontiert. Diese liegen zum Beispiel in extremen Wetterereignisse und deren Auswirkungen auf den Agrarsektor begründet.

Dünne Datenlage erschwert die Bewertung von ESG-Profilen

Doch rein praktisch stoßen die kommenden Anforderungen an Grenzen, etwa im Hinblick auf unterschiedliche Einschätzungen der ESG-Profile von Banken und Unternehmen durch Ratingagenturen. Zudem sei die Datenlage, vor allem im Mittelstand, noch immer dünn. Christian Kemper, stellvertretender Chefredakteur Bankmagazin, schreibt dazu im Beitrag "Alles grün oder was?" (Ausgabe 12 | 2020): 

Im Rahmen einer öffentlichen Konsultation der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Leitfaden zu Klima- und Umweltrisiken gab die Deutsche Kreditwirtschaf (DK) eine Stellungnahme ab. Generell begrüßt der Spitzenverband das Engagement der EZB, die internationalen und europäischen Entwicklungen im Umfeld von Sustainable Finance eng zu verfolgen und den Finanzsektor auf dem Weg zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu begleiten. [...] Laut DK sollte jedoch noch stärker herausgestellt werden, dass der Leitfaden ein längerfristiges Zielbild und Orientierungshilfe für den aufsichtlichen Dialog sein soll."

ESG-Ausrichtung bietet Banken auch Chancen

Doch eine ökonomisch nachhaltige Ausrichtung biete auch Chancen, die es zu nutzen gelte, zitiert Kemper die Vorsitzende des Beraterstabs von Consileon, Petra Roth. "Nur diejenigen Unternehmen und Banken, die ihr Geschäftsmodell und ihre Organisation nach den Kriterien Umwelt, Soziales und guter Unternehmensführung frühzeitig ausrichten, werden sich Vorteile im immer härter werdenden Wettbewerb verschaffen", konstatiert die ehemalige Oberbürgermeisterin von Frankfurt am Main (CDU) in dem Beitrag.

Auch die Zeb-Studie sieht in den ESG-Herausforderung ein hohes Chancenpotenzial für Banken. Soll bis 2030 eine Reduktion der Treibhausgase um rund 55 Prozent erreicht werden, sind hohe klimarelevante Investitionen über alle volkswirtschaftlichen Branchen hinweg erforderlich. "Die EU-Kommission geht allein in Europa von einem direkten Finanzierungsvolumen in Höhe von jährlich 1.000 Milliarden Euro aus – konservativ geschätzt. Für Banken könnte dies nach Schätzungen von Zeb zusätzliche Erträge von fast 27 Milliarden Euro pro Jahr oder 270 Milliarden Euro bis 2030 bedeuten", heißt es im Report.

Dabei verstünden die meisten europäischen Banken unter ESG-Produkten das sogenannte "dunkelgrüne Geschäft". Gemeint seien Aktivitäten, die schon per Definition grün sind, wie etwa Windkraftanlagen. Dieser Bereich sei aber noch vergleichsweise klein. Zeb-ESG-Experte Axel Hesse führt aus: "Die Konsequenz ist ein harter Wettbewerb um attraktive Angebote bei eher geringen Margen.

Banken müssen Transitionsgeschäft in den Fokus rücken

Wesentlich interessanter dagegen ist das Transitionsgeschäft. Das sei die Unterstützung von Unternehmen auf ihrem Weg zu einem deutlich niedrigeren CO2-Fußabdruck oder einem verbesserten ESG-Profil. Das Segment mache einen Großteil des Gesamtmarkts aus, werde aber noch von vielen Banken vernachlässigt. Doch ist dies laut Hesse "der Schlüsselbereich für ein ertragsorientiertes Geschäft und damit auch der wichtigste Bereich für Banken".

Warum, das belegen Zahlen einer jüngst veröffentlichten Studie des Beratungshauses Bain. Danach hat sich in Europa das Volumen ESG-gebundener Kredite an Unternehmen von 27 Milliarden Euro im Jahr 2017 auf 102 Milliarden Euro im Jahr 2019 mehr als vervierfacht. Die globalen Wachstumsraten des ESG-bezogenen Emissionsvolumens liegen bei 268 Milliarden Euro. Dies entspreche aber erst einem Prozent aller Unternehmensanleihen. 

"Da sich die Ansprüche der Kunden verändern, verankern immer mehr Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit in ihrer Strategie. Sie setzen sich klare Ziele und starten entsprechende Projekte. Und von ihren Kreditinstituten erwarten sie, dass sie passende Finanzierungslösungen bereitstellen", so Bain-Partner Christian Graf zu den Ergebnissen der Analyse. Dies biete Banken die Möglichkeit, sich strategisch neu zu positionieren, um neue Kunden und Marktanteile zu gewinnen.

IOSCO-Papier gibt Orientierung für ESG-Geschäft der Banken

Wie das gelingen kann, zeigt das IOSCO Growth and Emerging Markets Committee (GEMC). Es ist eine Einheit der internationalen Organisation der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO (International Organisation of Securities Commissions). Laut Werner Gleißner und Frank Romeike hat die Organisation im Jahr 2019 ein Papier mit dem Titel "Sustainable finance in emerging markets and the role of securities regulators" veröffentlicht. "So werden in der Publikation nachhaltige Kapitalmarktprodukte, wie beispielsweise grüne und Nachhaltigkeitsfonds, sozialethische Fonds und Investitionen in erneuerbare Energien analysiert", berichten die Springer-Autoren im Buchkapitel "ESG-Risiken und ihre Quantifizierung" (Seite 393).

In insgesamt elf Empfehlungen beschreibt die IOSCO ihre Erwartungen zu Nachhaltigkeitsaspekten an Aufsichtsbehörden, Unternehmen und Produkte. Diese betreffen folgende Schwerpunkte: 

  1. Emittenten und beaufsichtigte Unternehmen sollen ESG-spezifische Aspekte in ihrem Risikoappetit/Risikoakzeptanz und ihrer Unternehmensführung berücksichtigen, 
  2. ESG-spezifische Offenlegungs- und Berichtspflichten, 
  3. Datenqualität ESG-spezifischer Berichterstattung, 
  4. Definition und Taxonomie nachhaltiger Instrumente, 
  5. Mittel, die durch nachhaltige Instrumente aufgebracht werden, sollten für Projekte und Aktivitäten verwendet werden,
  6. Rahmenregelungen für das Angebot nachhaltiger Instrumente, 
  7. laufende Offenlegungsanforderungen,
  8. die ordnungsgemäße Verwendung der Mittel einschließlich Maßnahmen zur Verhinderung, Aufdeckung und Sanktionierung des Missbrauchs der durch die Ausgabe nachhaltiger Instrumente aufgenommenen Mittel, 
  9. Einsatz externer Überprüfungen, 
  10. Integration von ESG-spezifischen Aspekten in die Analyse und Strategien der Investments und die gesamte Unternehmensführung bei institutionellen Investoren 
  11. Aufbau von Kapazität und Expertise für ESG-Belange.

Wettbewerbsvorteil dank mutiger ESG-Strategie

"ESG hat das Potenzial, beides zu sein: sowohl ein enormer Komplexitätstreiber als auch eine einzigartige Chance", kommentiert Zeb-Partner und Studienautor Dirk Holländer die Lage der europäischen Banken. Er ist sich sicher: "Banken, die einen frühen, mutigen Schritt in Richtung ESG machen, indem sie wirksame Risikomanagement-Tools implementieren, Scoring-Expertise und Messmethoden etablieren und Kunden bei der Transformation mit Beratungs-, Finanzierungs- und Investmentlösungen unterstützen, werden einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Instituten erlangen."



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