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Erschienen in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft 2-4/2020

Open Access 27.01.2021 | Original Article

Risikoberichterstattung in der deutschen Versicherungswirtschaft: Eine empirische Untersuchung von Konzernlageberichten

verfasst von: Michael Dobler, Felix Schwartze

Erschienen in: Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft | Ausgabe 2-4/2020

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Zusammenfassung

Dieser Beitrag untersucht erstmals empirisch die Ausgestaltung und die Determinanten der Risikoberichterstattung von deutschen Versicherungsunternehmen in den obligatorischen Konzernlageberichten nach dem Deutschen Rechnungslegungs Standard Nr. 20 (DRS 20) „Konzernlagebericht“ hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Güte. Die Risikoberichterstattungspraxis erweist sich als heterogen und bleibt trotz beträchtlichem Umfang oft hinter den von DRS 20 vorgesehenen Angaben zurück. Über einen üblichen Size-Effekt hinaus scheinen Umfang und Güte der Risikoberichterstattung von diversen unternehmensspezifischen Einflussfaktoren geprägt zu sein. Wie branchenunabhängig von Dobler (2008) postuliert, erweist sich die Risikoberichterstattungspraxis deutscher Versicherungsunternehmen, trotz ausgeprägter Regulierung, von Publizitätsanreizen getrieben. Die Befunde bergen Implikationen für die Praxis, Regulierung und Forschung im Feld der branchenspezifischen Risikoberichterstattung.

1 Einleitung

Versicherungsunternehmen betreiben Geschäft mit dem Risiko. So kann es nicht verwundern, dass sie zum Zwecke der Information und Rechenschaft über ihre Risiken und deren Management faktisch berichten und obligatorisch zu berichten haben. Neben den jüngst durch die Solvency II-Richtlinie im Rahmen des Regular Supervisory Reporting (RSR) sowie des Solvency and Financial Condition Report (SFCR) geschaffenen Berichtspflichten (May 2018; Kraft 2019) bestehen in Deutschland seit zwei Dekaden handelsrechtliche Pflichten zur Risikoberichterstattung. Diese fokussieren – flankiert durch risikoorientierte Angaben in den Anhängen der Abschlüsse nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) oder nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) – auf den sog. „Risikobericht“ (Küting und Hütten 1997, S. 251) im handelsrechtlichen (Konzern‑)Lagebericht. So gilt der Konzernlagebericht allgemein als vorrangiges Instrument der Risikoberichterstattung gegenüber einem breiten Adressatenkreis (Kraft und Nolte 2005; Velte et al. 2011; Schlüter et al. 2014; Völker 2014).
Der Inhalt der Risikoberichterstattung im deutschen Konzernlagebericht gründet heute im Kern gesetzlich auf § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB und wird mittels des Deutschen Rechnungslegungs Standards Nr. 20 (DRS 20) „Konzernlagebericht“ (DRSC 2012) konkretisiert, dessen Anhang 2 Spezifika für Versicherungsunternehmen bereitstellt. Vorausgegangen waren – selbst im internationalen Kontext – bemerkenswerte Meilensteine nationaler Regulierung. Dazu zählen die explizite handelsrechtliche Verankerung einer Risikoberichtspflicht durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich sowie deren Konkretisierung durch privatrechtlich erarbeitete Standards des Deutschen Standardisierungsrats (DSR). Folglich gilt die deutsche Regulierung zur Risikoberichterstattung als ausgeprägt und international als Vorreiter (Dobler 2005; Velte et al. 2011). Selbst dieses stark regulierte Regime bietet erhebliche Flexibilität. Das liegt an teils unscharfen Regelungen, die gewollt individuelle Lösungen ermöglichen, der untergesetzlichen Bindungswirkung der DRS sowie am teils subjektiven und prospektiven Charakter risikoorientierter Berichtsgegenstände (Dobler 2004, 2008; Elshandidy und Shrives 2016). In der Konsequenz wird die Risikoberichterstattung selbst von deutschen Versicherungsunternehmen unweigerlich von Publizitätsanreizen abhängen.
Die empirische Forschung hat sich zwar facettenreich mit der Ausgestaltung, den Determinanten und auch den Wirkungen der Risikoberichterstattung befasst (zum Überblick Khlif und Hussainey 2016; Elshandidy et al. 2018a). Überraschenderweise liegen aber international wie national nur sehr begrenzt Befunde zur Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen vor (Kraft und Nolte 2005; Höring und Gründl 2011; Klumpes et al. 2014; Völker 2014; Malafronte et al. 2016, 2018). Keine der branchenspezifischen Untersuchungen liefert Ergebnisse für Geschäftsjahre nach 2012. Nur zwei Studien widmen sich den Determinanten der Risikoberichterstattung. Allein Kraft und Nolte (2005) fokussieren auf Deutschland und liefern deskriptive Befunde zur Ausgestaltung der Risikoberichterstattung. Bis dato fehlt eine Analyse der Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen nach DRS 20.
In diese Forschungslücken stößt der vorliegende Beitrag. Zentrales Ziel ist es, aktuelle empirische Befunde zur Ausgestaltung und zu den Determinanten der Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen in Deutschland zu liefern. Dazu wird die Risikoberichterstattung von 49 deutschen Versicherungskonzernen in den Konzernlageberichten des Jahres 2016 hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer – mittels eines an DRS 20 ausgerichteten Offenlegungsindex’ bestimmten – Güte untersucht. Das verspricht aktuelle und neue Befunde, die Implikationen für die Praxis, die Regulierung und die Forschung bergen. Die Ergebnisse tragen insbesondere in dreierlei Hinsicht zum Forschungsstand bei. Erstens geht die Analyse methodisch deutlich über die rein deskriptive Auswertung von Kraft und Nolte (2005) für Deutschland hinaus, die unter einem anderen Offenlegungsregime erfolgt ist. Zweitens werden – im Gegensatz zu allen bestehenden branchenspezifischen Studien – sowohl der Umfang als auch die Güte der Risikoberichterstattung analysiert. Drittens werden – anders als in den bestehenden internationalen Studien zu Determinanten der Risikoberichterstattung (Höring und Gründl 2011; Malafronte et al. 2016) – vorrangig nicht-kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen untersucht, für die im deutschen Setting ähnliche Risikoberichterstattungspflichten wie für kapitalmarktorientierte Versicherungsunternehmen bestehen.
Im Weiteren gliedert sich der Beitrag wie folgt. Abschn. 2 diskutiert den Bezugsrahmen. Abschn. 3 entwickelt die Hypothesen. Abschn. 4 stellt die verwendete Forschungsmethodik, Abschn. 5 die Ergebnisse der eigenen empirischen Untersuchung dar. Abschn. 6 resümiert und bündelt die Implikationen.

2 Bezugsrahmen

Als Bezugsrahmen der eigenen empirischen Untersuchung gilt es, (i) die relevante Regulierung der Risikoberichterstattung im Konzernlagebericht und (ii) die bestehenden empirischen Befunde zur Risikoberichterstattung zu beleuchten. Aufgrund des Forschungsziels kann die Diskussion internationale Regulierungsquellen (weitgehend) vernachlässigen (Dobler 2005; Völker 2014).

2.1 Regulierung der Risikoberichterstattung im Konzernlagebericht

Deutsche Versicherungsunternehmen unterliegen rechtsform- und größenunabhängig der Pflicht, einen Konzernabschluss und Konzernlagebericht aufzustellen (§ 341i Abs. 1 Satz 1 HGB) und von einem Abschlussprüfer prüfen zu lassen (§ 341k Abs. 1 Satz 1 HGB). Die Inhalte des Konzernlageberichts sind in den §§ 315–315d HGB, 60 RechVersV verankert und werden durch DRS 20 konkretisiert (Freiling 2018, Tz. 143–155). Im gegebenen Kontext ist § 315 Abs. 1 Satz 4 HGB von zentraler Bedeutung, wonach „im Konzernlagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern“ ist.1 Angesprochen sind damit Prognose‑, Chancen- und Risikoberichterstattung. Letztgenannte steht als Berichterstattung über Risiken im engen Sinn im Zentrum der weiteren Betrachtung.
Die konkrete Ausgestaltung der Risikoberichterstattung ist nicht gesetzlich, sondern in DRS 20 „Konzernlagebericht“ geregelt. Der Standard ging aus den früheren Standards DRS 5 „Risikoberichterstattung“, DRS 5-10 „Risikoberichterstattung von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten“, DRS 5-20 „Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen“ und DRS 15 „Lageberichterstattung“ hervor und war erstmals auf Geschäftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.2012 beginnen (Müller et al. 2012). Seither wurde er dreifach an das sich wandelnde Handelsrecht angepasst. Als vom privatrechtlichen Standardsetzer DSR verabschiedeter Standard entfaltet DRS 20 keine gesetzliche Bindungswirkung. Auch stellt er selbst – wie teils fälschlich unterstellt – keinen Grundsatz ordnungsmäßiger Buchführung dar, sondern birgt mittels Bekanntmachung durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz lediglich die Vermutung, die „die Konzernrechnungslegung betreffenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung“ (§ 342 Abs. 2 HGB) zu beachten.2 Eine Durchsetzung der Regelungen des DRS 20 ergibt sich – trotz differenzierter Bedenken (Lorson et al. 2015) – schon aufgrund ihrer Bedeutung im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 201.12 (IDW 2000); IDW PS 350.14, .116 n. F. (IDW 2006)) und des Enforcement durch die als „Bilanzpolizei“ bekannte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Letztgenannte hat mehrfach Prüfungsschwerpunkte im Bereich der Konzernlageberichterstattung nach DRS 20 gelegt (Prüfungsschwerpunkte 2014 (DPR 2013), Prüfungsschwerpunkte 2015 (DPR 2014), Prüfungsschwerpunkte 2016 (DPR 2015)).
DRS 20.11 definiert Risiko wirkungsbezogen im engen Sinn als „[m]ögliche künftige Entwicklungen oder Ereignisse, die zu einer negativen Abweichung von Prognosen bzw. Zielen des Konzerns führen können“. Die Berichterstattung über Risiken kann im Konzernlagebericht getrennt oder integriert mit der Berichterstattung über Chancen und Prognosen der voraussichtlichen Entwicklung erfolgen (DRS 20.117). Die geforderten Angaben betreffen (DRS 20.135)
1.
das Risikomanagementsystem,
 
2.
die einzelnen Risiken sowie
 
3.
das Gesamtbild der Risikolage des Konzerns.
 
Hinsichtlich des Risikomanagementsystems beschränken sich die Angabepflichten (DRS 20.K137–K145) allgemein auf Konzernmutterunternehmen, die gemäß § 264d HGB kapitalmarktorientiert sind (DRS 20.6). Diese haben die Merkmale des konzernweiten Risikomanagementsystems mitsamt den Zielen, Strategien, Strukturen und Prozessen darzustellen. Damit geht DRS 20 über die gesetzlichen Berichtspflichten hinaus. DRS 20.146–159 befassen sich mit Angaben zu einzelnen Risiken. Risiken sind – einem informationsökonomischen Leitbild folgend (Dobler 2008) – berichtspflichtig, wenn sie „die Entscheidungen eines vernünftigen Adressaten beeinflussen können“ (DRS 20.146). Wesentliche Risiken sind einzeln darzustellen; die Auswirkungen von Risiken – sei es in einer Brutto- oder Nettobetrachtung – und deren Schadenpotenzial sind zu beurteilen (DRS 20.149, .157). Eine Quantifizierung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich (DRS 20.152–153). Bestandsgefährdende Risiken sind als solche zu kennzeichnen (DRS 20.148). Insgesamt muss aus der Darstellung die Bedeutung der Risiken für den Konzern oder bedeutsame Konzernunternehmen deutlich werden (DRS 20.150). Zusammenfassend gilt es, ein Gesamtbild der Risikolage darzulegen, indem die einzelnen Risiken in eine Rangfolge geordnet, segmentspezifisch gebündelt oder in Kategorien zusammengeführt werden (DRS 20.160–164).
Anlage 2 des DRS 20 umfasst ergänzende und branchenspezifisch vorrangige Sonderregelungen für die Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen. Diese sind in den drei oben genannten Bereichen strenger als die branchenunabhängigen Regelungen. So müssen alle – also nicht nur kapitalmarktorientierte – Versicherungsunternehmen, die Mutterunternehmen sind, die Merkmale des konzernweiten Risikomanagementsystems darstellen (DRS 20.A2.1). Statt einer Rangfolge von Risiken ist eine Kategorisierung von Risiken obligatorisch (DRS 20.A2.3–A2.19). Diese umfasst mindestens (i) versicherungstechnische Risiken, getrennt nach Schaden‑/Unfallversicherung und Lebensversicherung, (ii) Risiken aus dem Ausfall von Forderungen aus dem Versicherungsgeschäft, (iii) Risiken aus Kapitalanlagen sowie (iv) operationelle Risiken. Dabei sind auch weitergehende und quantitative Angaben gefordert. Schließlich muss die Darstellung des Gesamtbilds der Risikolage Angaben zu aufsichtsrechtlichen Solvabilitätsanforderungen sowie vorhandene Eigenmittel zu deren Deckung unter Angabe der Berücksichtigung von Bewertungsreserven umfassen (DRS 20.A2.20).3
Letztgenanntes spannt den Bogen zu der 2016 in Kraft getretenen Solvency II-Richtlinie (Richtlinie 2009/138/EG). Im Rahmen der dritten Säule zur Transparenz und Berichterstattung von Versicherungsunternehmen wurden zwei vom handelsrechtlichen (Konzern‑)Lagebericht getrennte Berichtsinstrumente mit stark risikoorientiertem Charakter implementiert (Heep-Altiner und Rohlfs 2018; May 2018): (i) ein an die Versicherungsaufsicht gerichtetes RSR sowie (ii) ein an die Öffentlichkeit gerichteter SFCR.4 Deren Anforderungen an die Risikodarstellung weisen zwar einige Parallelen zu DRS 20 Anhang 2 auf, gehen aber auch darüber hinaus (Kraft 2019).

2.2 Bisherige empirische Forschung

Im Wesentlichen über die letzten zwei Dekaden hat sich ein reichhaltiger Bestand empirischer Forschung zur Risikoberichterstattung entwickelt, der sich – branchenunabhängig – in drei Stränge gliedern lässt (Höring und Gründl 2011; Dobler und Luckner 2018):
1.
deskriptive Untersuchungen der Ausgestaltung der Risikoberichterstattung, etwa hinsichtlich Umfang, Gliederung und Berichtsgegenständen (z. B. Carlon et al. 2003; Lajili und Zéghal 2005; Abraham und Shrives 2014; für Deutschland z. B. Kajüter et al. 2015; Hölscher et al. 2018);
 
2.
Untersuchungen der Determinanten der Risikoberichterstattung (z. B. Abraham und Cox 2007; Miihkinen 2012; Cordazzo et al. 2017; Oliveira et al. 2018; zum Überblick Khlif und Hussainey 2016);
 
3.
Untersuchungen der Wirkungen der Risikoberichterstattung, etwa auf Kapitalmärkten oder Preise von Finanzinstrumenten (Kravet und Muslu 2013; Campbell et al. 2014; Bravo 2017; Chiu et al. 2018; zum Überblick Elshandidy et al. 2018a).
 
Das Gros der bestehenden Untersuchungen ist – wie auch die vorliegende Analyse – den Strängen (1) und (2) zuzurechnen. Auffällig ist, dass selbst hier die Untersuchungen üblicherweise auf kapitalmarktorientierte Unternehmen abstellen und ein Gutteil der Untersuchungen die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland nutzt (Dobler und Luckner 2018; zu einem Überblick über deutsche Untersuchungen Velte et al. 2011).
Hinsichtlich der Messung von Risikoberichterstattung ist der Bestand empirischer Forschung von zwei Ansätzen geprägt (Buckby et al. 2015; Khlif und Hussainey 2016). Der erste misst den Umfang der Risikoberichterstattung im Sinn von „Quantität“. Dies erfolgt überwiegend auf Basis der als Risikoberichterstattung – etwa nach Linsley und Shrives (2006) – identifizierten Anzahl von Sätzen, seltener auf Basis der Anzahl von (Schlüssel‑)Wörtern. Der zweite Ansatz misst die Güte der Risikoberichterstattung im Sinn von „Qualität“. Dies erfolgt üblicherweise anhand eines Offenlegungsindex’, der auf definierten risikobezogenen Items beruht, die gegebenenfalls nach der Spezifität der Offenlegung gewichtet werden.5 Während der bloße Umfang nicht voraussetzungsfrei auf Güte der Risikoberichterstattung schließen lässt, hängt die Güte mithin vom Umfang ab (Botosan 2004; Dobler 2008). Selten verwenden Untersuchungen zur Risikoberichterstattung sowohl umfangs- als auch gütebezogene Maße (z. B. Ewelt et al. 2009; Elshandidy et al. 2018b).
Anders als für Kreditinstitute (z. B. Helbok und Wagner 2006; Maffei et al. 2014; Schlüter et al. 2014; Scannella und Polizzi 2019; zum Überblick Elshandidy et al. 2018a) sind für Versicherungsunternehmen empirische Befunde zur Risikoberichterstattung ausgesprochen dünn gesät. Während einige branchenübergreifende Studien am Rande Ergebnisse zu Versicherungsunternehmen liefern (z. B. für Deutschland Vielmeyer 2004; Filipiuk 2008),6 fokussieren die in Tab. 1 gebündelten Untersuchungen speziell auf die Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen.
Tab. 1
Bisherige empirische Studien zur Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen
Strang
Studie
Stichprobe
Messung der Risikoberichterstattung
Wesentliche Ergebnisse
(1)
Kraft und Nolte (2005)
22 VU
Deutschland
1999–2003
Gütebezogen, mittels 13 spezifitätsgewichteter Items
Anstieg der Güte im Zeitablauf
Seltene Quantifizierungen
Statische und unkonkrete Betrachtung von Risiken
(1)
Klumpes et al. (2014)
13 börsennotierte VU
International
2006–2012
Gütebezogen, mittels 5 verschiedener Bewertungsmodelle
Anstieg der Güte im Zeitablauf, insb. während Finanzkrise
Relativ hohe Güte der Risikoberichterstattung europäischer VU
(1)
Völker (2014)
13 börsennotierte VU
Europa
2007–2009
Gütebezogen, mittels insg. 12 gewichteter Items
Relativ schwache Güte der Risikoberichterstattung deutscher VU
Änderungen der Güte der Risikoberichterstattung während Finanzkrise
(2)
Höring und Gründl (2011)
31 börsennotierte VU
Europa
2005–2009
Gütebezogen, mittels 45 spezifitätsgewichteter Items
Anstieg der Güte im Zeitablauf
Positiver Zusammenhang zwischen Güte sowie Unternehmensgröße, Risiko, US-Listing und Eigentümerstreuung
Negativer Zusammenhang zwischen Güte und Profitabilität
(2)
Malafronte et al. (2016)
47 börsennotierte VU
Europa
2005–2010
Gütebezogen, mittels 30 spezifitätsgewichteter Items,
auch lesbarkeitsbezogen
Anstieg der Güte im Zeitablauf, insb. während Finanzkrise
Positiver Zusammenhang zwischen Güte und Unternehmensgröße
Negativer Zusammenhang zwischen Güte und Ausmaß versicherungstechnischer Rückstellungen
Einfluss von Ländercharakteristika auf die Güte
Schlechte Lesbarkeit
(3)
Malafronte et al. (2018)
47 börsennotierte VU
Europa
2005–2010
Gütebezogen, mittels 30 spezifitätsgewichteter Items
Positiver (negativer) Zusammenhang zwischen Güte und Volatilität der Aktenrenditen bei VU mit schlechter (guter) Performance
Kein Einfluss der Finanzkrise auf diesen Zusammenhang
Wie Tab. 1 zu entnehmen ist, existieren zu allen drei oben genannten Forschungssträngen empirische Untersuchungen zu Versicherungsunternehmen. Dabei überwiegen deskriptive und auf Determinanten bezogene Analysen (Stränge (1) und (2)), die sich der Risikoberichterstattung anhand der Güte widmen. Keine der Untersuchungen umfasst aktuelle Geschäftsjahre nach 2012. Vorrangig werden börsennotierte Versicherungsunternehmen herangezogen. Nur Kraft und Nolte (2005) untersuchen speziell die branchenspezifische Risikoberichterstattung in Deutschland, wobei die Analyse im Jahr 2003 endet und rein deskriptiv ausgerichtet ist. Insofern bestehen branchenspezifisch erhebliche Forschungslücken. In diese stößt die vorliegende Untersuchung mit dem Ziel, erstmals die Ausgestaltung und die Determinanten der Risikoberichterstattung von – nicht nur kapitalmarktorientierten – Versicherungsunternehmen in Deutschland nach DRS 20 hinsichtlich Umfang und Güte empirisch zu analysieren.

3 Hypothesen

Informationsökonomische Erwägungen legen nahe, dass die tatsächliche Risikoberichterstattung selbst angesichts ausgeprägter Regulierung, der mithin deutsche Versicherungsunternehmen unterliegen, von Publizitätsanreizen geprägt ist (Dobler 2004, 2008). Wie umfangreich Versicherungsunternehmen Risikoberichterstattung betreiben, inwiefern sie den Kanon von Angaben nachkommen, die DRS 20 vorsieht, und welche unternehmensspezifischen Faktoren den Umfang und die Güte der Risikoberichterstattung determinieren, sind empirisch zu klärende Fragen. Über bloße deskriptive Analyse hinausgehend gilt es, wesentliche Determinanten des Umfangs und der Güte der Risikoberichterstattung zu beleuchten.7 Dazu werden vier Hypothesensets zum Einfluss unternehmensbezogener Faktoren – Profitabilität, Unternehmensgröße, Kapitalmarktorientierung und vorrangige Versicherungssparte – formuliert.8

3.1 Profitabilität

Als üblicher Einflussfaktor auf die Unternehmensberichterstattung gilt die Profitabilität. Agency-theoretisch wird zum einen argumentiert, dass niedrigere Profitabilität mit einem höheren wahrgenommenen Risiko und höheren Agency-Kosten einhergehen, welche Anreize zu ausgeweiteter Offenlegung bedingen, um Informationsasymmetrien zu reduzieren (Helbok und Wagner 2006). Andererseits implizieren die Agency-Theorie und ebenso die Legitimacy-Theorie, dass Versicherungsunternehmen mit hoher Profitabilität ausgeprägte Risikoberichterstattung betreiben, um ihre derzeitige Ertragslage zu rechtfertigen (Elzahar und Hussainey 2012). Auch die Signaling-Theorie legt nahe, dass Versicherungsunternehmen mit hoher Profitabilität durch ausgeweitete Risikoberichterstattung Qualität und Fähigkeit im Umgang mit Risiken signalisieren und das Vertrauen nicht zuletzt der Versicherungsnehmer stärken möchten (Elshandidy et al. 2013; Malafronte et al. 2016). Die empirischen Befunde sind gemischt. Während branchenspezifisch bislang kein signifikant positiver Zusammenhang dokumentiert ist (Höring und Gründl 2011; Malafronte et al. 2016), zeigt die Metaanalyse von Khlif und Hussainey (2016) einen Zusammenhang zwischen Profitabilität und Risikoberichterstattung, der übergreifend positiv ist. Das erste Hypothesenset lautet daher:
H1a
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Umfang der Risikoberichterstattung und der Profitabilität des Unternehmens.
H1b
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Güte der Risikoberichterstattung und der Profitabilität des Unternehmens.

3.2 Unternehmensgröße

Verschiedene Theoriestränge legen einen positiven Zusammenhang zwischen der Unternehmensgröße und der Risikoberichterstattung nahe (Healy und Palepu 2001; Linsley und Shrives 2006). So sind z. B. für größere Versicherungsunternehmen die mit der Risikoberichterstattung verbundenen Kosten relativ geringer. Auch stehen größere Versicherungsunternehmen eher im Fokus und unter dem Druck der Öffentlichkeit, Regulierungsbehörden und Politik. Beides schafft Anreize zu ausgeprägter Risikoberichterstattung gegenüber kleineren Versicherungsunternehmen. Die Ergebnisse der empirischen Forschung zur Risikoberichterstattung sind im Wesentlichen konsistent mit diesem sog. Size-Effekt (Khlif und Hussainey 2016); das gilt auch für branchenspezifische Befunde für Versicherungsunternehmen (Höring und Gründl 2011; Klumpes et al. 2014; Malafronte et al. 2016). Dies führt zum zweiten Hypothesenset:
H2a
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Umfang der Risikoberichterstattung und der Größe des Unternehmens.
H2b
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Güte der Risikoberichterstattung und der Größe des Unternehmens.

3.3 Kapitalmarktorientierung

Die zum Einfluss der Unternehmensgröße angeführten Argumente implizieren ferner, dass kapitalmarktorientierte Versicherungsunternehmen ausgeprägter über Risiken berichten als andere (Dobler und Luckner 2018). Speziell werden kapitalmarktorientierte Versicherungsunternehmen regelmäßig von Finanzanalysten beobachtet und unterliegen dem Druck der Informationsinteressen des Kapitalmarkts, die Anreize zu ausgeprägter Risikoberichterstattung schaffen (Bhushan 1989). Zudem unterliegen kapitalmarktorientierte Versicherungsunternehmen strengerer Regulierung mit Blick auf die Publizität, Abschlussprüfung, Aufsicht und Enforcement durch die DPR. Allgemein hat die empirische Forschung zur Risikoberichterstattung auf kapitalmarktorientierte Unternehmen fokussiert (Dobler und Luckner 2018). Daher sind Befunde zum Zusammenhang zwischen Kapitalmarktorientierung bzw. Börsennotierung und Risikoberichterstattung sehr dünn gesät. So finden Oliveira et al. (2011) für portugiesische Nichtfinanzdienstleister einen positiven Zusammenhang mit der Börsennotierung. Für Versicherungsunternehmen ist ein solcher Zusammenhang bislang nicht untersucht worden. Das dritte Hypothesenset lautet:
H3a
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen dem Umfang der Risikoberichterstattung und der Kapitalmarktorientierung des Unternehmens.
H3b
Es besteht ein positiver Zusammenhang zwischen der Güte der Risikoberichterstattung und der Kapitalmarktorientierung des Unternehmens.

3.4 Vorrangiges Lebensversicherungsgeschäft

Typischerweise unterscheidet sich die Risikoberichterstattungspraxis zwischen Branchen, was auf uneinheitliche ökonomische und rechtliche Rahmenbedingungen sowie Imitationsverhalten innerhalb einzelner Branchen zurückgeführt werden kann (Dobler 2008; Khlif und Hussainey 2016). Auch innerhalb der Versicherungsbranche vermuten Höring und Gründl (2011) Unterschiede zwischen den vorrangigen Sparten und argumentieren wie folgt. Einerseits scheinen im Lebensversicherungsgeschäft aufgrund der Langfristigkeit, der Komplexität und des besonderen öffentlichen Interesses Agency- und Informationskosten eher hoch zu sein. Das legt ausgeprägte Risikoberichterstattung von Versicherungsunternehmen nahe, die stark im Lebensversicherungsgeschäft engagiert sind. Andererseits schafft die proprietäre Natur von Risikoinformation im Lebensversicherungsgeschäft – konsistent mit analytischen Befunden von Dobler (2008) – Anreize zu zurückhaltender Risikoberichterstattung. Trotz teilweise unterschiedlicher Risikoberichtsanforderungen für Schaden‑/Unfall- und Lebensversicherung erscheint der mögliche Einfluss spartenbezogen differenzierter Regelungen auf die Risikoberichterstattungspraxis nach DRS 20 a priori gering. Während Höring und Gründl (2011) empirisch zeigen, dass sich die Risikoberichterstattung mit der Bedeutung des Schaden‑/Unfallgeschäfts für ein Versicherungsunternehmen sogar ausweitet, finden Malafronte et al. (2016) keinen Zusammenhang zwischen der Risikoberichterstattung und der vorrangigen Versicherungssparte. Vor diesem Hintergrund wird das letzte Hypothesenset ungerichtet formuliert:
H4a
Es besteht ein Zusammenhang zwischen dem Umfang der Risikoberichterstattung und der vorrangigen Tätigkeit im Lebensversicherungsgeschäft.
H4b
Es besteht ein Zusammenhang zwischen der Güte der Risikoberichterstattung und der vorrangigen Tätigkeit im Lebensversicherungsgeschäft.

4 Konzeption der empirischen Analyse

Um die Untersuchungsziele zu erfüllen und die Hypothesen zu testen, gilt es, (i) eine geeignete Stichprobe konzernlageberichtspflichtiger Mutterunternehmen der Versicherungsbranche abzugrenzen. Ferner sind (ii) Maße für den Umfang und die Güte der Risikoberichterstattung im Zuge der inhaltsanalytischen Erhebung festzulegen und (iii) ein multivariates Regressionsmodell – unter Berücksichtigung immanenter Grenzen (Fn. 8) – zu formulieren.

4.1 Stichprobe

Ausgangspunkt der Abgrenzung der Stichprobe bildet die „Statistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – Erstversicherungsunternehmen und Pensionsfonds“ für das Jahr 2016, die 208 Schaden‑/Unfall- und 87 Lebensversicherungsunternehmen führt (BaFin 2018). Davon können 111 Schaden‑/Unfall- und 67 Lebensversicherungsunternehmen – unter Berücksichtigung fehlender Konzernierung und Befreiungstatbeständen (§§ 290 Abs. 5, 296 Abs. 2 HGB) – 49 Versicherungskonzernen zugeordnet werden, deren Mutterunternehmen ihren Sitz in Deutschland haben und deren Konzernlagebericht für das nach dem 31.12.2015 beginnende Geschäftsjahr im Bundesanzeiger verfügbar ist.9 Diese 49 Mutterunternehmen bilden die Stichprobe der Untersuchung. Die Stichprobe umfasst mehr unterschiedliche Versicherungsunternehmen als jede bisherige Studie zur Risikoberichterstattung.

4.2 Inhaltsanalytische Erhebung der Risikoberichterstattung

Inhaltsanalytisch erhoben wird die Risikoberichterstattung aus den im Bundesanzeiger veröffentlichten Konzernlageberichten in deutscher Sprache. Dies erfolgt händisch und – ergänzt durch einzelne formale Kriterien – bezogen auf den Umfang und die Güte.
Der Umfang der Risikoberichterstattung wird auf Basis der veröffentlichten risikobezogenen Sätze erhoben. Dies erfolgt im Einklang mit Linsley und Shrives (2006) und den Anforderungen von DRS 20. Sätze statt Wörter werden gewählt, weil ein Wort nicht ohne den Kontext des Satzes interpretiert werden kann (Srnka und Koeszegi 2007). Statt der absoluten Anzahl der Sätze (#Sätze) wird deren natürlicher Logarithmus in den Regressionsanalysen als Maß für den Umfang der Risikoberichterstattung verwendet (RDUmfang).
Die Güte der Risikoberichterstattung wird in dieser Studie auf Basis eines Offenlegungsindex’ gemessen, der teils nach der Spezifität der von DRS 20 vorgesehenen Angaben gewichtet ist. Wie im Anhang dargelegt, umfasst dieser Index insgesamt 63 Items, die aus den Anforderungen des DRS 20 für Versicherungsunternehmen abgeleitet sind. Die Items werden entweder binär oder ordinal nach der Spezifität der Offenlegung bewertet. Bei binärer Bewertung wird einem Item der Wert 1 zugewiesen, wenn es offengelegt ist, ansonsten der Wert null. Bei ordinaler Bewertung wird einem Item der Wert 2 zugewiesen, wenn eine ausführliche, unternehmensspezifische Offenlegung erfolgt, der Wert 1, wenn eine knappe oder allgemeine Offenlegung erfolgt, und ansonsten der Wert null. Im Übrigen verzichten wir auf eine Gewichtung der einzelnen Items des Offenlegungsindex’. Insofern unterstellen wir zwar implizit, dass jedes Item gleich wichtig ist, vermeiden aber subjektive Einflüsse, die einer anderen Gewichtung zwangsläufig innewohnen würden. All das folgt üblichen Vorgehensweisen der empirischen Offenlegungsforschung, auch im Bereich der branchenspezifischen Risikoberichterstattung (Höring und Gründl 2011; Malafronte et al. 2016). Durch Addition der Bewertungen über alle Items kann der – im Anhang dargestellte – Offenlegungsindex (unstandardisiert) absolute Werte zwischen null und 102, für Versicherungsunternehmen, die ausschließlich im Schaden‑/Unfall- oder Lebensversicherungsgeschäft engagiert sind, absolute Werte zwischen null und 92 annehmen. Zur Vergleichbarkeit des Maßes der Güte der Risikoberichterstattung wird der Offenlegungsindex für die Regressionsanalysen so normiert, dass er spartenunabhängig Werte zwischen null und 1 annehmen kann. Dabei repräsentiert ein Indexwert von null die Offenlegung keines Items und ein Indexwert von 1 die vollständige Offenlegung aller Items mit jeweils hoher Spezifizität im Fall ordinal kodierter Items.10
Die inhaltsanalytische Erhebung erfolgt händisch und birgt daher unweigerlich Probleme der Reliabilität (Linsley und Shrives 2006). Diese Probleme erscheinen in der vorliegenden Studie jedoch begrenzt. Denn aufbauend auf einem ursprünglichen Kategorienschema haben beide Autoren unabhängig voneinander die Risikoberichterstattung von fünf Versicherungsunternehmen kodiert, alle Divergenzen diskutiert und ein Kodierhandbuch erstellt. Auf dieser Basis hat einer der Autoren alle Risikoberichte kodiert und Einzelfragen mit dem anderen Autor geklärt.11 Insofern ist davon auszugehen, dass die Erhebung üblichen Maßstäben der Reliabilität genügt.

4.3 Regressionsmodell

Die Hypothesen werden getestet, indem jeweils die Variable für den Umfang (RDUmfang) bzw. die Güte (RDGüte) der Risikoberichterstattung auf die Forschungsvariablen und Kontrollvariablen regressiert wird. Dazu findet folgendes OLS-Modell Anwendung:12
$$RD=\beta _{0}+\beta _{1}PROF+\beta _{2}SIZE+\beta _{3}LIST+\beta _{4}LIFE+\beta _{5}RISK+\beta _{6}BIG4+\varepsilon$$
(1)
Signifikant positive Koeffizienten β1, β2 bzw. β3 wären dabei jeweils konsistent mit dem ersten, zweiten bzw. dritten Hypothesenset; signifikant von Null verschiedene Koeffizienten β4 wären konsistent mit dem vierten Hypothesenset. Profitabilität (PROF) wird als Eigenkapitalrendite im Sinn des Return on Equity und Unternehmensgröße (SIZE) als natürlicher Logarithmus der Bilanzsumme gemessen. LIST und LIFE sind binäre Variablen. LIST nimmt den Wert 1 an, wenn das Mutterunternehmen kapitalmarktorientiert im Sinn von § 264d HGB ist, ansonsten Null. LIFE nimmt den Wert 1 an, wenn für ein Versicherungsunternehmen das Verhältnis der Bruttobeiträge aus dem Lebensversicherungsgeschäft zu den gesamten Bruttobeiträgen über dem Median des Verhältnisses der gesamten Stichprobe liegt, also das Versicherungsnehmen einen höheren Erlösanteil in der Lebensversicherungssparte erzielt als der Stichprobendurchschnitt. Diese Forschungsvariablen gründen auf den in den Konzernabschlüssen des Jahres 2016 veröffentlichten Daten.
Das Regressionsmodell kontrolliert für das Risiko (RISK) sowie die Konzernabschlussprüfergröße (BIG4). RISK stellt die aus den SFCR erhobene Solvabilitätsquote auf Gruppenebene dar.13 Aufgrund widerstreitender theoretischer (Linsley und Shrives 2006) und uneinheitlicher empirischer Zusammenhänge (Khlif und Hussainey 2016; Malafronte et al. 2016) zwischen Risikoberichterstattung und Risiko, postulieren wir keine Erwartung hinsichtlich des Koeffizienten β5. BIG4 ist eine aus den Bestätigungsvermerken erhobene binäre Variable, die den Wert 1 annimmt, wenn der Konzernabschlussprüfer eine Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist, ansonsten null. Auch im Bereich der Risikoberichterstattung wird diese in der empirischen Rechnungslegungsforschung gängige Variable als Maß für die „Prüferqualität“ verwendet und lässt positive Koeffizienten β6 erwarten (Mokhtar und Mellett 2013; Dobler und Luckner 2018).14

5 Empirische Ergebnisse und Diskussion

Im Folgenden werden die Ergebnisse der empirischen Untersuchung zu der Ausgestaltung sowie den Determinanten der Risikoberichterstattung dargestellt und diskutiert. Abschn. 5.4 analysiert die Robustheit der empirischen Befunde.

5.1 Deskriptive Befunde

Tab. 2 bündelt Charakteristika der untersuchten Stichprobe bezogen auf die im Regressionsmodell verwendeten Regressoren. Anhand der Unternehmensgröße (SIZE) zeigt sich, dass die Konzernbilanzsumme der einbezogenen Versicherungsunternehmen breitgefächert zwischen 179 Mio. € und 883 Mrd. € liegt. Im Durchschnitt beträgt die Eigenkapitalrendite (PROF) 7 % und die Solvabilitätsquote (RISK) 314 %. Während die Stichprobe hinsichtlich der vorrangigen Versicherungssparte ausgewogen erscheint, ist jeweils die Mehrheit der 49 Mutterunternehmen nicht kapitalmarktorientiert (45) und hat eine Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Konzernabschlussprüfer (42). Letztgenannter Befund impliziert eine starke Konzentration von Konzernabschlussprüfern in der Versicherungsbranche.15
Tab. 2
Charakteristika der Stichprobe
Variable
Mittelwert
StdAbw
Median
Min
Max
PROF
0,070
0,078
0,075
−0,242
0,290
SIZE
22,988
1,689
22,999
19,004
27,508
RISK
3,141
1,402
2,715
1,370
8,560
LIST
0,082
0,277
0
0
1
LIFE
0,510
0,505
1
0
1
BIG4
0,857
0,354
1
0
1
Die Variablen sind in Abschn. 4.3 definiert
N = 49
Formal weist die Mehrheit (also 37 oder 76 %) der untersuchten Konzernlageberichte die Risikoberichterstattung in einem separaten Abschnitt aus.16 Innerhalb der Konzernlageberichte nimmt die Risikoberichterstattung einen wesentlichen Teil des Umfangs ein. Gemessen an der Anzahl an Seiten sind 38 %, gemessen an der Anzahl an Sätzen 36 % des Konzernlageberichts der Risikoberichterstattung gewidmet. Der gegenüber früheren branchenunabhängigen Befunden deutscher börsennotierter Unternehmen (Eisenschmidt 2011; Lackmann et al. 2015) höhere relative Anteil scheint dem branchenspezifisch immanenten Geschäft mit dem Risiko geschuldet.
Tab. 3 zeigt deskriptive Befunde zum Umfang und zur Güte der Risikoberichterstattung. Insgesamt wurden 11.124 Sätze Risikoberichterstattung identifiziert. Der absolute Umfang beträgt durchschnittlich 227 Sätze (RDUmfang = 5,223) in einer breiten Spanne zwischen 68 und 893 Sätzen. Im Durchschnitt räumen die Versicherungsunternehmen der Darstellung einzelner Risiken mit 165 Sätzen das Gros der Risikoberichterstattung und umfangsbezogen deutlich den Vorrang vor der Darstellung des Risikomanagements ein (53 Sätze).17 Mit durchschnittlich nur neun Sätzen fällt die zusammenfassende Darstellung des Gesamtbilds der Risikolage recht knapp aus. In sieben Fällen umschließt sie weniger als drei Sätze. In zwei Fällen fehlt sie gänzlich. Letztgenanntes dürfte aus Adressatensicht ein erhebliches Defizit darstellen und ist selbst unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten nur schwer mit den Angabepflichten gemäß DRS 20 in Einklang zu bringen.
Tab. 3
Deskriptive Befunde zu Umfang und Güte der Risikoberichterstattung
Variable
Mittelwert
StdAbw
Median
Min
Max
RDUmfang
5,223
0,609
5,176
4,220
6,795
#Sätze
227,020
171,790
177
68
893
#Sätze zu Risikomanagement
52,959
48,948
39
6
254
#Sätze zu einzelnen Risiken
165,102
130,710
124
53
624
#Sätze zum Gesamtbild
8,959
7,047
7
0
34
RDGüte
0,442
0,101
0,441
0,225
0,667
RDGüte zu Risikomanagement
0,422
0,165
0,429
0,143
0,762
RDGüte zu einzelnen Risiken
0,432
0,105
0,432
0,203
0,662
RDGüte zum Gesamtbild
0,606
0,211
0,571
0,000
1,000
Die Variablen sind in Abschn. 4.3 definiert
N = 49
Die durch RDGüte gemessene Güte der Risikoberichterstattung beträgt durchschnittlich 0,422 in einer Spanne zwischen 0,225 und 0,667. Das legt nahe, dass die von DRS 20 vorgesehenen Angaben – möglicherweise aufgrund von Wesentlichkeitserwägungen – übergreifend nicht vollständig erbracht werden.18 Für die Berichterstattung über das Risikomanagement und über die einzelnen Risiken nimmt RDGüte ähnliche Mittelwerte an.
Die Häufigkeiten der Kodierung der einzelnen Items des verwendeten Offenlegungsindex’ sind dem Anhang zu entnehmen. Etliche der von DRS 20 vorgesehenen Angaben spiegeln sich in der tatsächlichen Berichtspraxis selten wider. So werden 18 Items in weniger als der Hälfte der Fälle ausgewiesen. Das betrifft mithin die Darstellung der wesentlichen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr (Items I.12 und II.6.6, DRS 20.K139, .159). Ob die Darstellung unterbleibt, weil keine oder keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem Vorjahr bestehen, ist aus der Außenperspektive schwerlich zu beurteilen.19 Auffällig sind ferner die seltenen Angaben zu nicht erfassten bzw. vermiedenen Risiken (Item I.2, DRS 20.K140) und zum Beurteilungszeitraum (Item I.13, DRS 20.156). Innerhalb der einzelnen Risikokategorien finden sich selten ausgewiesene Items, die in den Kategorien operationelle Risiken, aber auch der versicherungstechnischen Risiken gehäuft auftreten. Diese Beispiele können auf mögliche Defizite in der Erfüllung von DRS 20 hindeuten. Allerdings gebietet schon der Wesentlichkeitsgrundsatz, der der Risikoberichterstattung nach DRS 20 ausdrücklich unterliegt, eine vorsichtige Interpretation des Nichtausweises einzelner Items.
Insgesamt erweist sich die Risikoberichterstattungspraxis in der deutschen Versicherungswirtschaft trotz der detaillierten Vorgaben des DRS 20 in Umfang und Güte als recht heterogen. Dies leitet zur Frage über, welchen Determinanten die branchenspezifische Risikoberichterstattung selbst im stark regulierten deutschen Setting unterliegt.

5.2 Korrelationsanalyse

Tab. 4 zeigt die Pearson-Korrelationen zwischen den Variablen des Regressionsmodells. Alle vier Forschungsvariablen sind positiv – und mit Ausnahme von LIFE auch signifikant – sowohl mit dem Umfang (RDUmfang) als auch der Güte (RDGüte) der Risikoberichterstattung korreliert. Einige Korrelationen zwischen den erklärenden Variablen sind bemerkenswert hoch. Gleichwohl beträgt der maximale Varianzinflationsfaktor (VIF) nur 1,885. Das deutet – entsprechend gängiger Forschung – darauf hin, dass Multikollinearität kein ausgeprägtes Problem darstellt (Backhaus et al. 2018, S. 100).
Tab. 4
Pearson-Korrelationen
 
SIZE
LIST
LIFE
RISK
BIG4
RDUmfang
RDGüte
PROF
0,017
0,061
−0,068
−0,023
0,279*
0,298**
0,298**
SIZE
0,564***
0,136
−0,074
0,063
0,648***
0,456***
LIST
−0,304**
−0,184
0,122
0,519***
0,343**
LIFE
0,305**
−0,283**
0,006
0,061
RISK
−0,363**
−0,171
−0,110
BIG4
0,289**
0,409***
Die Variablen sind in Abschn. 4.2 und 4.3 definiert
N = 49
***, ** bzw. * bezeichnet Signifikanz auf dem 1‑%-, 5‑%- bzw. 10-%-Niveau

5.3 Ergebnisse der multiplen Regressionen

In Tab. 5 sind die Ergebnisse der Regressionsanalysen dargestellt. Interessanterweise fallen diese für die beiden abhängigen Variablen – Umgang (RDUmfang) und Güte (RDGüte) der Risikoberichterstattung – zum Teil unterschiedlich aus.
Tab. 5
Ergebnisse der Regressionen
 
Erw.
RDUmfang
RDGüte
VIF
PROF
+
1,808**
(0,046)
0,244
(0,110)
1,095
SIZE
+
0,177***
(<0,001)
0,019**
(0,040)
1,758
LIST
+
0,496
(0,295)
0,063
(0,413)
1,885
LIFE
+/−
0,107
(0,433)
0,036
(0,244)
1,469
RISK
(?)
−0,023
(0,749)
0,002
(0,810)
1,237
BIG4
(+)
0,295
(0,232)
0,108**
(0,023)
1,313
Konstante
(?)
0,758
(0,475)
−0,124
(0,515)
\(Adj. R^{2}\)
0,500
0,336
\(F\)
9,005***
(<0,001)
5,041***
(0,001)
\(N\)
49
49
Die Tabelle zeigt – abseits der letzten Spalte – die standardisierten Koeffizienten und in Klammern den p-Wert
Die Variablen sind in Abschn. 4.2 und 4.3 definiert
Die letzte Spalte zeigt die VIFs, welche nahelegen, dass Multikollinearität kein ausgeprägtes Problem darstellt (Backhaus et al. 2018, S. 100)
Es werden heteroskedastierobuste Standardfehler (HC3) verwendet (MacKinnon und White 1985; Long und Ervin 2000)
***, ** bzw. * bezeichnet Signifikanz auf dem 1‑%-, 5‑%- bzw. 10-%-Niveau
Hinsichtlich der Profitabilität (PROF) zeigt sich zwar – wie erwartet – ein signifikant positiver Zusammenhang mit dem Umfang, jedoch kein signifikanter Zusammenhang mit der Güte der Risikoberichterstattung. Das stützt die Hypothese H1a, wohingegen H1b abzulehnen ist. Inwiefern die untersuchten Versicherungsunternehmen die von DRS 20 vorgesehenen Angaben erfüllen, scheint insofern nicht mit ihrer Profitabilität zusammenzuhängen. Dies ist konsistent mit in internationalen Settings erarbeiteten Befunden von Höring und Gründl (2011) sowie Malafronte et al. (2016), die jedoch den Umfang der Risikoberichterstattung nicht untersucht haben.
Für beide abhängigen Variablen ergibt sich jeweils ein signifikant positiver Zusammenhang mit der Unternehmensgröße (SIZE). Das stützt die Hypothesen H2a und H2b und passt zum Size-Effekt, den Höring und Gründl (2011), Klumpes et al. (2014) sowie Malafronte et al. (2016) für internationale Stichproben börsennotierter Versicherungsunternehmen bereits dokumentiert haben.
Gleichwohl legen die Koeffizienten von LIST nahe, dass mit der Kapitalmarktorientierung ceteris paribus zwar höherer, aber nicht signifikant höherer Umfang und Gütegrad der Risikoberichterstattung einhergeht. H3a und H3b sind daher abzulehnen. Der Befund überrascht insoweit, als sich der vermeintliche Druck, dem kapitalmarktorientierte Versicherungsunternehmen ausgesetzt sind, nicht – wie von sozio-politischen Theoriesträngen postuliert – signifikant in Umfang oder Güte der Risikoberichterstattung widerspiegelt. Dies mag von der geringen Anzahl kapitalmarktorientierter Versicherungsunternehmen in der Stichprobe begünstigt sein.
Die Koeffizienten von LIFE sind für beide abhängigen Variablen nicht signifikant von null verschieden. Insoweit scheint ceteris paribus kein wesentlicher Unterschied in Umfang und Güte der Risikoberichterstattung zwischen Versicherungskonzernen mit überwiegenden Lebensversicherungsgeschäft und anderen zu bestehen. Anders als bei Höring und Gründl (2011) scheinen sich insoweit für Versicherungsunternehmen im deutschen Setting keine spartenabhängigen Unterschiede zu ergeben. Die Hypothesen H4a und H4b sind abzulehnen.
In Bezug auf die Kontrollvariablen ergibt sich nur ein signifikanter Zusammenhang. Dieser besteht zwischen der Güte der Risikoberichterstattung und der Prüfung durch eine Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (BIG4). Das mag darauf hindeuten, dass große Abschlussprüfer in besonderem Maße auf die Einhaltung der Regelungen zur Risikoberichterstattung gemäß DRS 20 drängen. Hingegen scheint das mittels der Solvabilitätsquote gemessene Risiko (RISK) nicht mit dem Ausmaß und der Güte der Risikoberichterstattung deutscher Versicherungsunternehmen zusammenzuhängen. Dies mag an widerstreitenden Publizitätsanreizen liegen. Mit adjustierten Bestimmtheitsmaßen von 0,500 bzw. 0,336 weisen die empirischen Modelle einen im Forschungsfeld gängigen Erklärungsgehalt auf.

5.4 Robustheitstests und zusätzliche Analysen

Um die Robustheit der dargestellten Ergebnisse der Regressionsanalysen zu prüfen, werden (i) alternative Variablen verwendet, (ii) zusätzliche unabhängige Variablen zur Verantwortlichkeit für das Risikomanagement ergänzt und (iii) die Stichprobe angepasst.20 Keine qualitativen Änderungen der Befunde ergeben sich, wenn die Gesamtkapitalrendite als Return on Assets als Maß für Profitabilität, der natürliche Logarithmus der gesamten Bruttobeiträge als Maß für Unternehmensgröße oder der Verschuldungsgrad als Maß für Risiko verwendet wird. Das gilt auch, wenn als abhängige Variable ein standardisierter Offenlegungsindex verwendet wird, in dem zur Beschränkung des subjektiven Einflusses bei der Kodierung alle Items binär kodiert sind.
Um die Robustheit der Befunde gerade hinsichtlich des vierten Hypothesensets zu prüfen, wird erstens die binäre Variable LIFE so umdefiniert, dass sie dann den Wert 1 annimmt, wenn mindestens 50 %, 67 %, oder 75 % des gesamten Bruttobeitragsvolumens auf das Lebensversicherungsgeschäft entfallen oder nur Lebensversicherungsgeschäft betrieben wird. In keinem Fall ergibt sich ein signifikant von null verschiedener Koeffizient für die umdefinierte Variable, und die Ergebnisse bleiben stabil. Weil die Normierung des Maßes für Güte der Risikoberichterstattung dazu beitragen kann, mögliche Unterschiede zwischen den Sparten zu unterschätzen, wird ferner das Regressionsmodell mit dem absoluten, unstandardisierten Wert des Offenlegungsindex’ als abhängige Variable geschätzt. Selbst dann ändern sich die qualitativen Befunde zu den Determinanten nicht.
Weitergehend wird der Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit für das Risikomanagement in der Governance der Versicherungsunternehmen geprüft. Dazu wird das Regressionsmodell um jeweils eine binäre Variable erweitert, die den Wert 1 annimmt, wenn die Verantwortlichkeit (i) dem Vorstandsvorsitzenden (N = 16), (ii) dem Finanzvorstand (N = 17) oder (iii) einem eigenen Risikomanagementvorstand (N = 6) der Muttergesellschaft zugewiesen ist, und ansonsten null. Für keine dieser zusätzlichen Variablen ergibt sich ein signifikant von Null verschiedener Koeffizient, während die übrigen Ergebnisse stabil bleiben.
Da nur wenige Mutterunternehmen kapitalmarktorientiert sind oder keine Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Konzernabschlussprüfer haben, wird das Regressionsmodell schließlich nur für nicht-kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen (LIST = 0; N = 45) und nur für solche mit Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (BIG4 = 1; N = 42) geschätzt. Wiederum zeigen sich keine qualitativen Änderungen gegenüber den in Abschn. 5.3 dargestellten Ergebnissen.

6 Resümee und Implikationen

Dieser Beitrag liefert empirische Befunde zur Ausgestaltung und zu den Determinanten der Risikoberichterstattung gemäß DRS 20 für Versicherungsunternehmen in Deutschland. Trotz ausgeprägter Regulierung sind erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Umfangs und der Güte der Risikoberichterstattung zu konstatieren. Dies stützt die informationsökonomisch abgeleitete These von Dobler (2004, 2008), Risikoberichterstattung sei in besonderem Maße eine Funktion von Regulierung und Publizitätsanreizen.
Die Versicherungswirtschaft scheint zwar gegenüber nicht-finanziellen Branchen umfangreichere Risikoberichterstattung im Konzernlagebericht zu betreiben, was dem Geschäft mit dem Risiko geschuldet sein mag. Gespiegelt an den von DRS 20 vorgesehenen Angaben zeigt sich jedoch eine übergreifend nur moderate Güte der Risikoberichterstattung. Diese scheint in geringerem Maße von üblichen unternehmensspezifischen Einflussfaktoren getrieben zu sein als der bloße Umfang der Risikoberichterstattung. Hinsichtlich der Hypothesen zu den Determinanten des Umfangs und der Güte der Risikoberichterstattung ergeben sich die in Tab. 6 gebündelten Ergebnisse.
Tab. 6
Zusammenfassende Befunde der Hypothesentests
Forschungsvariable
Erw
Befunde hinsichtlich Umfang (RDUmfang)
Befunde hinsichtlich Güte (RDGüte)
Profitabilität
(PROF)
+
Positiver Zusammenhang
Annahme von H1a
Kein Zusammenhang
Ablehnung von H1b
Unternehmensgröße
(SIZE)
+
Positiver Zusammenhang
Annahme von H2a
Positiver Zusammenhang
Annahme von H2b
Kapitalmarktorientierung
(LIST)
+
Kein Zusammenhang
Ablehnung von H3a
Kein Zusammenhang
Ablehnung von H3b
Bedeutung des Lebensversicherungsgeschäfts
(LIFE)
+/−
Kein Zusammenhang
Ablehnung von H4a
Kein Zusammenhang
Ablehnung von H4b
Die Variablen sind in Abschn. 4.2 und 4.3 definiert
Die empirischen Ergebnisse bergen Implikationen für (i) die Praxis, (ii) die Regulierung und (iii) die Forschung. In praxi mögen die aufgezeigten Defizite gerade im Hinblick auf die Erfüllung der von DRS 20 vorgesehenen Angaben Handlungsbedarf anzeigen. Allerdings sind die Befunde insofern vorsichtig zu interpretieren, als die Risikoberichterstattung – worauf selbst DRS 20 verweist – unter dem Vorbehalt der Wesentlichkeit steht. Verbesserungspotenzial besteht unzweifelhaft in Fällen, in denen auf eine zusammenfassende Darstellung der Gesamtrisikolage (nahezu) gänzlich verzichtet wird. Hier dürften kaum gewichtige Unwägbarkeiten bestehen, die von DRS 20 durchaus flexibel vorgesehenen Angaben zu liefern, ohne proprietäre Kosten fürchten zu müssen.
Regulatorisch können die vorgelegten Befunde die Debatte um eine weitergehende Standardisierung der Risikoberichterstattung und Durchsetzung von Angabepflichten befruchten. Das gilt nicht nur auf nationaler Ebene, etwa für den DSR und die DPR. So steht die Risikoberichterstattungspraxis international im Rahmen der Überarbeitung des IFRS Practice Statement „Management Commentary“ (IASB 2010, 2019) und auf europäischer Ebene im Rahmen der Überprüfung der Solvency II-Richtlinie (LTG-Review) auf dem Prüfstand (Rae et al. 2018; Europäische Kommission 2019).
Gerade vor diesem Hintergrund bestehen vielfältige Möglichkeiten weiterer Forschung. Wir gehen davon aus, dass sich die branchenspezifische empirische Analyse der Risikoberichterstattung auf das neue Instrument des SFCR verlagern wird. Dadurch werden erstens internationale Analysen auf Basis vergleichbarer Publizitätsanforderungen und zweitens vergleichende Analysen zwischen öffentlich verfügbaren Berichtsinstrumenten möglich. Drittens bergen Längsschnittanalysen gerade insofern weitere Forschungspotenziale. So kann weitere Forschung an den Grenzen der vorliegenden Analyse anknüpfen, die auf Deutschland, die Risikoberichterstattung im Konzernlagebericht und eine Periode beschränkt ist. Dazu besorgen unsere aktuellen und detaillierten Befunde zur Risikoberichterstattung in der deutschen Versicherungswirtschaft eine mögliche Referenzgrundlage.
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Anhänge

Anhang

Tab. 7
Von DRS 20 vorgesehene Angaben im Rahmen der Risikoberichterstattung und deren Kodierung
Nr
Kategorie/Item
DRS 20
Bewertungsskala
Häufigkeit der Bewertung
0
1
2
I Risikomanagementsystem
I.1
Beschreibung der Ziele und Strategie
K137
Ordinal
11
28
10
I.2
Angabe zu nicht erfassten bzw. vermiedenen Risiken
K140
Binär
46
3
I.3
Beschreibung der Strukturen
K137
Ordinal
1
25
23
I.4
Angabe zum Risikokonsolidierungskreis
K142
Binär
41
8
I.5
Beschreibung des Identifikationsprozesses
K144
Ordinal
11
24
14
I.6
Beschreibung des Bewertungsprozesses
K144
Ordinal
20
10
19
I.7
Beschreibung des Steuerungsprozesses
K144
Ordinal
29
17
3
I.8
Beschreibung des Kontrollprozesses
K144
Ordinal
7
33
9
I.9
Beschreibung des Prozesses der internen Überwachung
K144
Ordinal
12
26
11
I.10
Angabe zur Prüfung durch interne Revision
K144
Binär
14
35
I.11
Angabe zur Chancenerfassung, ob lediglich Risiken erfasst werden
K137
Binär
35
14
I.12
Darstellung der wesentlichen Veränderungen ggü. dem Vorjahr
K139
Ordinal
31
9
9
I.13
Angabe zum Beurteilungszeitraum
156
Binär
43
6
II Einzelne Risiken
II.1 Versicherungstechnische Risiken der Schaden‑/Unfallversicherung
II.1.1
Beschreibung der versicherungstechnischen Risiken
A2.4
Ordinal
7
31
8
II.1.2
Beschreibung des Prämien‑/Schadenrisikos
A2.6
Ordinal
15
23
8
II.1.3
Gesonderte Beschreibung der Risiken aus Naturkatastrophen
A2.6
Binär
26
20
II.1.4
Gesonderte Beschreibung der Kumulrisiken
A2.6
Binär
30
16
II.1.5
Darstellung des Reserverisikos
A2.6
Binär
18
28
II.1.6
Angabe der Schadenquote für einen 10-jährigen Beobachtungsraum
A2.7
Binär
7
39
II.1.7
Angabe der Schadenquote mit und ohne Naturkatastrophen und Kumulrisiken
A2.7
Binär
34
12
II.1.8
Angabe der Abwicklungsergebnisse für einen 10-jährigen Beobachtungszeitraum
A2.7
Binär
12
34
II.2 Versicherungstechnische Risiken der Lebensversicherung
II.2.1
Beschreibung der versicherungstechnischen Risiken
A2.8
Ordinal
14
19
9
II.2.2
Beschreibung der biometrischen Risiken
A2.8
Ordinal
9
21
12
II.2.3
Angabe zur Angemessenheit des biometrischen Risikos
A2.9
Binär
26
16
II.2.4
Beschreibung des Stornorisiko
A2.8
Ordinal
12
26
4
II.2.5
Angabe zur Angemessenheit des Stornorisikos
A2.9
Binär
39
3
II.2.6
Beschreibung des Zinsgarantierisikos
A2.9
Ordinal
19
18
5
II.3 Risiken aus dem Ausfall von Forderungen aus dem Versicherungsgeschäft
II.3.1
Beschreibung der forderungsbezogenen Ausfallrisiken
A2.10
Ordinal
3
27
19
II.3.2
Angabe der ausstehenden Forderungen, deren Fälligkeit mehr als 90 Tage zurückliegt
A2.10
Binär
15
34
II.3.3
Angabe der durchschnittlichen Ausfallquote der vergangen drei Jahre
A2.10
Binär
16
33
II.3.4
Angabe der Forderungen gegenüber Rückversicherern
A2.10
Binär
13
36
II.3.5
Gliederung der Forderungen gegenüber Rückversicherern nach externen Ratingklassen
A2.10
Ordinal
17
8
24
II.4 Risiken aus Kapitalanlagen
II.4.1
Beschreibung der Risiken aus Kapitalanlagen
A2.11
Ordinal
12
28
9
II.4.2
Angabe zur Einhaltung der Vorschriften zur Mischung und Streuung
A2.11
Binär
21
28
II.4.3
Beschreibung der Marktpreisrisiken
A2.14
Ordinal
11
24
14
II.4.4
Beschreibung des Zinsänderungsrisikos
A2.14
Ordinal
23
23
3
II.4.5
Beschreibung der Risiken aus Aktien
A2.14
Ordinal
29
15
5
II.4.6
Beschreibung der Risiken aus sonstigen Eigenkapitalpositionen
A2.14
Ordinal
23
24
2
II.4.7
Beschreibung der Währungsrisiken
A2.14
Ordinal
17
20
12
II.4.8
(i) Quantifizierung nach Konzernmethoden [oder]
A2.12
Ordinal
1
0
3
II.4.8
(ii) (a) Quantifizierung der Auswirkung eines wesentlichen Kursverlustes [und]
A2.14
Binär
8
37
II.4.8
(ii) (b) Quantifizierung der Auswirkung einer wesentlichen Verschiebung der Zinskurve
A2.14
Ordinal
10
13
22
II.4.9
Beschreibung des Ausfallrisikos aus Kapitalanlagen
A2.15
Ordinal
17
20
12
II.4.10
Gliederung des Ausfallrisikos nach Art der Emittenten
A2.15
Ordinal
15
29
5
II.4.11
Darstellung der externen Ratingklassen beim Ausfallrisiko
A2.15
Ordinal
8
14
27
II.4.12
Darstellung des Liquiditätsrisikos
A2.16
Ordinal
1
22
26
II.5 Operationelle Risiken
II.5.1
Beschreibung der Erfassung der operationellen Risiken
A2.19
Ordinal
34
13
2
II.5.2
Beschreibung der Begrenzung der operationellen Risiken
A2.19
Ordinal
5
27
17
II.5.3
Beschreibung der Handhabung und Überwachung der operationellen Risiken
A2.19
Ordinal
14
34
1
II.5.4
Beschreibung der Risiken in der Verwaltung
A2.17
Ordinal
34
13
2
II.5.5
Beschreibung der Risiken im Personalwesen
A2.17
Ordinal
20
20
9
II.5.6
Beschreibung der Risiken der technischen Ausstattung
A2.17
Ordinal
12
17
20
II.6 Allgemeines und sonstige Einzelrisiken
II.6.1
Darstellung der versicherungsspezifischen Risikokategorien
A2.3
Binär
0
49
II.6.2
Analyse und Beurteilung der erwarteten Konsequenzen
149
Ordinal
35
14
0
II.6.3
Darstellung der Bedeutung für den Konzern und wesentliche Konzernunternehmen
150
Ordinal
43
6
0
II.6.4
Beschreibung der Auswirkung der Risiken
157
Ordinal
39
10
0
II.6.5
Beschreibung der Risikobegrenzungsmaßnahmen
157
Ordinal
20
29
0
II.6.6
Darstellung der wesentlichen Veränderungen ggü. dem Vorjahr
159
Ordinal
49
0
0
III Gesamtbild der Risikolage
III.1
Gliederung der Risikoberichterstattung in die vorgesehenen Abschnitte
135
Binär
4
45
III.2
Zusammenführung der einzelnen Risiken
160
Ordinal
7
34
8
III.3
Darstellung der Risiken in Kategorien
162/A2.3
Binär
5
44
III.4
Darstellung der aufsichtsrechtlichen Solvabilitätsanforderungen und ihrer Deckung
A2.20
Ordinal
12
22
15
III.5
Angabe zur Berücksichtigung von Bewertungsreserven
A2.20
Binär
32
17
Fußnoten
1
Flankierend treten mithin besondere Berichtspflichten zu Risiken und Risikomanagement in Bezug auf die Verwendung von Finanzinstrumenten (§ 315 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB), im Fall der Kapitalmarktorientierung zu wesentlichen Merkmalen des Risikomanagementsystems in Bezug auf den Konzernrechnungslegungsprozess (§ 315 Abs. 4 HGB) sowie gegebenenfalls im Rahmen der erst durch das Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz geschaffenen nichtfinanziellen Konzernerklärung (§§ 315b, 315c HGB) hinzu.
 
2
Die Beschneidung auf die Konzernrechnungslegung ist dem Standardisierungsauftrag des DSR gemäß § 342 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB geschuldet. Folgerichtig vermag DRS 20.2, eine entsprechende Anwendung der Regelungen auf den einzelgesellschaftlichen Lagebericht nur zu empfehlen.
 
3
Der Anhang des vorliegenden Beitrags bündelt die wesentlichen Risikoberichterstattungserfordernisse des DRS 20, welche das Raster für die empirische Untersuchung bilden.
 
4
Beide Berichte fußen grundsätzlich auf einer normierten Gliederung und gleicher Datengrundlage, können sich jedoch aufgrund von Schutzinteressen der Versicherungsunternehmen und einem möglichen „information overload“ der Öffentlichkeit im Detailliertheitsgrad der bereitgestellten Informationen unterscheiden (Probst 2019). Versicherungsunternehmen sind verpflichtet, für jede Risikokategorie gesondert das Gefährdungspotenzial, die Risikokonzentrationen, die Risikominderungsmaßnahmen sowie die Risikosensitivität zu beschreiben (§ 40 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 VAG). Konkret wird von den Versicherungsunternehmen verlangt, in Abschnitt C „Risikoprofil“ der Berichte ihre versicherungstechnischen Risiken, Markt‑, Kredit‑, Liquiditätsrisiken, operationellen und anderen wesentlichen Risiken darzustellen sowie in Abschnitt B.3‑4 über das Risikomanagementsystem und das interne Kontrollsystem zu berichten (Delegierten Verordnung (EU) 2015/35, Anhang XX).
 
5
Qualität der Berichterstattung ist ein Konstrukt, das in vielfältiger Weise gemessen werden mag und in der Rechnungslegungsforschung oft anhand von Offenlegungsindizes gemessen wird (Beattie et al. 2004). Ähnlich wie bisherige versicherungsspezifische Studien zur Risikoberichterstattung, verwendet auch die vorliegende Studie einen Offenlegungsindex. Dieser ist aufgrund des Forschungsziels an den Items ausgerichtet, die DRS 20 für Versicherungsunternehmen vorsieht (vgl. Abschn. 4.2). Alternativ ließe sich die Qualität der Risikoberichterstattung zum einen auch wirkungsbezogen auffassen und etwa durch Bezugnahme auf subjektive Einschätzungen von Analysten (Beattie et al. 2004) oder auf Kapitalmarktgrößen (wie im Forschungsstrang (3)) operationalisieren. Zum anderen ließe sich – zumindest konzeptionell – die tatsächliche Risikolage oder die von Versicherungsunternehmen nach Sorgfaltsmaßstäben verfügbare Information mit der Risikoberichterstattung abgleichen. Letzterem sind schon aufgrund des Zukunftsbezugs immanent Grenzen gesetzt (Dobler 2004, 2008).
 
6
Deskriptive Befunde von Vielmeyer (2004, S. 315–319) für fünf deutsche börsennotierte Versicherungsunternehmen zwischen 1999 und 2002 weisen auf eine Ausweitung der Risikoberichterstattung im Zeitablauf und eine ausgeprägte Berichterstattung über Risiken aus Kapitalanlagen gegenüber anderen versicherungstechnischen Risiken hin. Filipiuk (2008, S. 241–244) zeigt für die Jahre 2002–2005, dass innerhalb des DAX Banken und Versicherungsunternehmen gegenüber anderen Unternehmen ausgeprägter Risikoberichterstattung betreiben.
 
7
Güte wird auch in unserer Studie anhand eines Offenlegungsindex’ gemessen, gründet also weder auf einem Abgleich mit der tatsächlichen Risikolage noch auf Wirkungen der Risikoberichterstattung (vgl. Fn. 5 und Abschn. 4.2).
 
8
Obwohl für weitere mögliche Einflussfaktoren kontrolliert wird, ergeben sich gegenüber den Studien von Höring und Gründl (2011) sowie Malafronte et al. (2016) immanent zwei Einschränkungen. Erstens können aufgrund der Fokussierung auf Deutschland keine länderspezifischen Determinanten untersucht werden. Zweitens sind durch den vorrangigen Einbezug nicht-kapitalmarktorientierter Versicherungsunternehmen keine Kapitalmarktvariablen verfügbar und die Datenverfügbarkeit beschränkt.
 
9
Die Fokussierung auf die beiden genannten Sparten korrespondiert mit teilweise differenzierten Berichtspflichten gemäß DRS 20 und folgt Kraft und Nolte (2005). Das Untersuchungsjahr korrespondiert mit dem Inkrafttreten des neuen Versicherungsaufsichtsgesetzes zum 01.01.2016 (BGBl. I 2015 S. 434). In allen 49 Fällen stimmt das Geschäftsjahr mit dem Kalenderjahr überein.
 
10
Im Rahmen der Robustheitstests in Abschn. 5.4 wird diese Standardisierung aufgehoben, um insbesondere die Sensitivität auf die Befunde zum vierten Hypothesenset zu prüfen.
 
11
Ähnlich gehen Linsley und Shrives (2006), Ntim et al. (2013) sowie Dobler und Luckner (2018), vor. Im Rahmen von Robustheitstests in Abschn. 5.4 wird ein nicht nach Spezifizität gewichteter Offenlegungsindex verwendet.
 
12
Weil White- und Breusch-Pagan-Tests auf Heteroskedastizität hindeuten, werden heteroskedastierobuste Standardfehler (HC3) verwendet (MacKinnon und White 1985; Long und Ervin 2000).
 
13
Die Daten sind dem Quantitative Reporting Template (QRT) „S.23.01.01 Eigenmittel“, Zeile R0620 für das Jahr 2016 entnommen.
 
14
Weder Malafronte et al. (2016) noch Höring und Gründl (2011) verwenden diese Variable. Letztgenannte verweisen darauf, dass in ihrer Stichprobe ausschließlich Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften tätig sind.
 
15
Im Einzelnen entfallen 31 Mandate auf KPMG, sieben auf PwC und jeweils zwei auf Deloitte und EY. Gemessen an der Mandatszahl sticht Mazars mit vier Mandaten unter den Nicht-Big-4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften hervor.
 
16
Dabei wird in 21 Fällen die Überschrift „Risikobericht“ gewählt. Nur selten erfolgt eine integrierte Darstellung der Risiko‑, Chancen- und Prognoseberichterstattung.
 
17
Unter den Einzelrisiken wird durchschnittlich am ausführlichsten über Risiken der Kapitalanlagen (59 Sätze) und versicherungstechnische Risiken (58 Sätze) berichtet, während durchschnittlich 22 Sätze operationellen Risiken und nur neun Sätze Risiken aus dem Ausfall von Forderungen gewidmet sind.
 
18
Allerdings sind die Bestätigungsvermerke der Abschlussprüfer in allen Fällen uneingeschränkt und attestieren eine zutreffende Darstellung der Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung.
 
19
Konzeptionell könnten sog. Negativanzeigen die Unsicherheit aufgeben (Dobler 2008). Gleichwohl sind Negativanzeigen von DRS 20 nicht ausdrücklich vorgesehen. Bemerkenswert ist, dass zwar kein Versicherungsunternehmen explizit auf die bekannte Existenz bestandsgefährdender Risiken verweist, aber in 18 Fällen eine Negativanzeige bezüglich bestandsgefährdender Risiken vorliegt.
 
20
Auch unsere Regressionsanalyse ist nicht gegen mögliche Probleme der Endogenität gefeit, die neben umgekehrter oder simultaner Kausalität gerade aus Vernachlässigung relevanter Variablen oder aus Messfehlern erwachsen können (Gow et al. 2016). Mögliche Bedenken hinsichtlich der beiden letztgenannten Aspekte versuchen wir, mit den Maßnahmen (i) und (ii) zumindest teilweise zu adressieren.
 
Literatur
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Metadaten
Titel
Risikoberichterstattung in der deutschen Versicherungswirtschaft: Eine empirische Untersuchung von Konzernlageberichten
verfasst von
Michael Dobler
Felix Schwartze
Publikationsdatum
27.01.2021
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft / Ausgabe 2-4/2020
Print ISSN: 0044-2585
Elektronische ISSN: 1865-9748
DOI
https://doi.org/10.1007/s12297-021-00491-3

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