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07.02.2023 | Risikomanagement | Im Fokus | Online-Artikel

Kriminellen Mitarbeitern auf der Spur

verfasst von: Annette Speck

4 Min. Lesedauer
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In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Betrugsfälle in Unternehmen deutlich gestiegen. Die größten Schäden verursachten dabei die eigenen Mitarbeitenden. Wie sich Firmen besser schützen können.

Derzeit geht es beim Thema Wirtschaftskriminalität vor allem um Hackerangriffe, wie etwa den im August 2022 auf zahlreiche Industrie- und Handelskammern in Deutschland. Die bei weitem häufigste Wirtschaftsstraftat ist jedoch Betrug. Und die Täter von Wirtschaftsdelikten kommen laut der Schadensstatistik-Analyse von Allianz Trade mehrheitlich auch gar nicht von außen. 57 Prozent seien "Innentäter", belegt die Auswertung der aggregierten Daten aus den Schadensfällen in der Vertrauensschadenversicherung des Kreditversicherers der vergangenen fünf Jahre.

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Immer mehr externe Täter 

Zwar nahmen die Betrugsfälle von internen Tätern in den letzten fünf Jahren nur um zehn Prozent und die Schadenshöhe um 23 Prozent zu, gegenüber einem Zuwachs von 40 Prozent mehr Fällen und 56 Prozent höheren Schäden durch externe Täter. Nichtsdestotrotz stellen kriminelle Mitarbeiter für Unternehmen das deutlich teurere Risiko dar, denn sie sind für fast Dreiviertel der finanziellen Schäden (73 Prozent) verantwortlich.

Wer die Lücken im Kontrollsystem kennt…

"Kriminelle Mitarbeiter sind nach wie vor eine unterschätzte Gefahr in Unternehmen", warnt Rüdiger Kirsch, Betrugsexperte bei Allianz Trade. "Die schwarzen Schafe in den eigenen Reihen richten mit vermeintlichen 'Alltagsdelikten' wie Betrug, Untreue oder auch Diebstahl und Unterschlagung nach wie die größten Schäden an - auch, weil sie mangels Kontrollen oft über viele Jahre unentdeckt bleiben." Allianz-Trade-Schätzungen zufolge werden jedes Jahr etwa zehn Prozent der Unternehmen von ihren eigenen Beschäftigten betrogen.

Die typischen firmeninternen Täter sind laut Analyse männlich, zwischen 40 und Mitte 50, gebildet, in gehobener oder leitender Position im Finanzbereich und seit mindestens zehn Jahren im Betrieb tätig. Durch ihre lange Betriebszugehörigkeit genießen sie hohes Vertrauen und kennen alle Lücken in den Kontrollsystemen. Sie schlagen selten zu, richteten aber oft hohe Schäden an. Jüngere Mitarbeitende begingen hingegen häufiger Delikte. Allerdings sei der finanzielle Schaden geringer, weil sie meist schneller auffliegen.

Motive reichen von Spielsucht bis Rache

Doch was treibt Mitarbeitende dazu, ihre Firma zu betrügen? Die häufigsten Motive sind der Allianz-Trade-Analyse zufolge Spielsucht, Habgier, luxuriöser Lebensstil sowie finanzielle Notlagen. Die weiteren Beweggründe reichen von Geltungssucht und mangelnder Wertschätzung über Rache bis zur Erlangung persönlicher Vorteile.

Würden Unternehmen diese Motive rechtzeitig erkennen, ließe sich manche Straftat wohl verhindern. Springer-Autorin Sonja Stirnimann listet in dem Buchkapitel "Erfolgsfaktor Handlungsfähigkeit" die Frühwarnindikatoren auf, die Unternehmen beachten sollten:

Frühwarnindikatoren interner Täter

Veranlagung

Stressoren

Auffälliges Verhalten

Problematische Reaktion des Unternehmens

  • Medizinische oder psychiatrische Disposition
  • Persönlichkeits- oder soziale Probleme
  • Frühere Straftaten
  • Risikoreiches soziales Umfeld
  • Persönlich
  • Beruflich
  • Finanziell
  • Zusammenarbeit
  • Technisch
  • Sicherheit
  • Finanziell
  • Persönlich
  • Psychische Gesundheit/Sucht
  • Soziales Umfeld
  • Reisen
  • Unaufmerksamkeit
  • Fehlende Risikobeurteilung
  • Unverhältnismäßige Untersuchung
  • Massenentlassungen

Quelle: Sonja Stirnimann, Der Mensch als Risikofaktor bei Wirtschaftskriminalität, Springer Fachmedien 2021, Seite 299

Unter Berufung auf Forschung und Praxis stellt Stirnimann fest, "dass die Wahrscheinlichkeit schädigender Aktionen gegen das Unternehmen durch einen gefährdeten Mitarbeiter mit der Akkumulierung der Faktoren über einen gewissen Zeitraum steigt." (Seite 299) Kommt es zur Straftat, blenden die Täter die persönlichen und beruflichen Konsequenzen meist aus, bis sie erwischt werden.

Hinweisgeber brauchen geschützte Kanäle

Laut Allianz Trade führen am häufigsten interne Kontrollsysteme zur Aufdeckung, gefolgt von Whistleblowing. Letzteres zeigt auch die große Bedeutung des Hinweisgeberschutzgesetzes. Es verpflichtet Firmen und Organisationen, geeignete interne Kanäle einzurichten, die es ermöglichen, Auffälligkeiten zu melden, ohne Repressalien fürchten zu müssen und soll im Mai den Bundesrat passieren.

Neben geschützten Whistleblowing-Kanälen spielt für die Prävention firmeninterner Wirtschaftsstraftaten generell eine vertrauensvolle Unternehmens- und Fehlerkultur eine wichtige Rolle. Zum einen, weil zufriedene Mitarbeiter in der Regel loyaler sind, zum anderen, weil Missstände und Schwachstellen eher angesprochen werden.

Handeln bevor es zu spät ist

Darüber hinaus empfiehlt Allianz Trade folgende Maßnahmen zum Schutz vor schwarzen Schafen in der eigenen Firma:

  • Implementierung von Kontroll- und Compliance-Systemen (vor allem Vier-/Mehr-Augen-Prinzip)
  • Mitarbeitersensibilisierung und -Schulung für interne Richtlinien, kritische Situationen und Detektion von Auffälligkeiten
  • Regelmäßige Routinekontrollen, Audits, Revisionen, gegebenfalls Prüfungen durch Externe
  • Präventives Risikomanagement und regelmäßige Prozessoptimierung mit Schwachstellen-Checking sowie Überprüfung von Zugangs- und Zugriffskontrollen
  • Wachsamkeit und Beobachten von Auffälligkeiten
  • Untersuchung von Verdachtsmomenten
  • Überprüfung von Bewerbern
  • Gegebenfalls Bestimmung von Personenfaktoren für besonders sicherheitsrelevante Positionen (etwas Hannoversche Korruptionsskala)

Gut vorbereitet mit Deliktszenarien

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen lassen sich firmeninterne Wirtschaftsstraftaten natürlich nicht gänzlich ausschließen. Für die Schadensbegrenzung ist deshalb eine gute strategische Vorbereitung auf mögliche Deliktszenarien hilfreich. "Gute Leader und fähige Führungskräfte erkennt man daran, wie sie sich im Moment der Kenntnisnahme bei Unregelmäßigkeiten verhalten und wie sie den weiteren Verlauf des Prozesses gestalten", erklärt Springer-Autorin Sonja Stirnimann. (Seite 293)

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