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09.05.2022 | Risikomanagement | Schwerpunkt | Online-Artikel

Ukraine-Krieg zwingt Unternehmen in die Verantwortung

verfasst von: Michaela Paefgen-Laß

4 Min. Lesedauer

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Wer mit Russland Geschäfte macht, steht unter Druck. Zu entscheiden ist nun, auf welcher Seite der Geschichte Firmen sich positionieren wollen. Für die Gesellschaft ist die Frage bereits alternativlos beantwortet.

"Es gibt schlicht keine richtigen Geschäfte in einem falschen Krieg". Mit diesem Argument forderten Wirtschaftsethiker jüngst in einem Gastbeitrag für "Die Zeit" westliche Unternehmen zum sofortigen Abbruch ihrer wirtschaftlichen Beziehungen in und mit Russland auf. Die Gesellschaft erwarte eine klare Stellungnahme. Als Corporate Citizen seien Unternehmen zu der gesellschaftspolitischen Verantwortung verpflichtet, durch moralisch richtiges Handeln friedensstiftend zu wirken. 

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Ethisch führen

Führungsethik ist ein führungstheoretisches Konzept, das in der deutschsprachigen Führungsliteratur vor allem als Führungsprinzipienethik diskutiert wird. Die englischsprachige Führungsliteratur behandelt Führungsethik vor dem Hintergrund der Beziehung von Führungskraft und Mitarbeitenden (Ethical Leadership).

Warum Unternehmen raus aus Russland müssen

Wer seine Geschäfte mit Russland allerdings fortführt oder vorübergehend den Kopf in den Sand steckt, macht sich nach Ansicht der Autoren der "stillen Komplizenschaft" verdächtig. Für die Wirtschaftsethiker ist klar: Diese Unternehmen drücken sich darum, praktische Lösungen für gesellschaftliche Probleme zu liefern und "mächtiger Spieler, auch im weltpolitischen Geschehen" zu sein. Der Normalfall sei nun ein Abbruch aller Beziehungen zu Russland und das Einleiten abfedernder Maßnahmen für die Mitarbeitenden in den Ländern. Für Unternehmen bedeutet das, sie müssen ihre ökonomische Perspektive verlassen. 

Geschieht moralisches Handeln allerdings einzig aus Sorge um Reputation und soziale Akzeptanz und geht es nicht darum, eine nachhaltige Wirkung zu erzielen, dann wird Moral an Marketingregeln geheftet, was von der Gesellschaft ebenfalls abgestraft wird. Welche Global Player ihre Russlandgeschäfte beibehalten, noch auf Zeit spielen – nämlich bestehende Projekte aufrechterhalten, auf neue Beteiligungen aber verzichten – oder sämtliche Geschäftsbeziehungen abgebrochen haben, das ist in einer laufend aktualisierten Liste der Yale Universität protokolliert. Die auch "Liste der Schande" genannte Aufzählung setzt unternehmerische Entscheidungen der öffentlichen Bewertung aus. 

Die Gesellschaft will Organisationen mit Haltung

Die Aufgabe von Unternehmen ist jetzt, Stellung zu beziehen und ihr Handeln gegenüber Mitarbeitern, Zulieferern und Kunden zu erklären. Letztere sind sich nämlich grundsätzlich einig: Sie fordern gesellschaftliches Engagement und greifen dafür auch bereitwillig tiefer in die eigene Tasche. Wie eine Umfrage des Bitkom unter 1.000 Verbraucherinnen und Verbrauchern zeigt, werden 77 Prozent der Befragten künftige Kaufentscheidungen davon abhängig machen, wie Unternehmen sich im Ukraine-Krieg verhalten. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommen Daten, die Ende 2021, also knapp vor dem Krieg, erhoben wurden. Für den Forschungsbericht The Corporate Social Mind Report wollten Derrick Feldmann und Michael Alberg-Seberich von jeweils 1.000 Personen aus Deutschland und den USA wissen, welche Erwartungen sie an das Engagement von Unternehmen haben. 

  • 57 Prozent der Deutschen erwarten von Anbietern von Produkten und Dienstleistungen gesellschaftliches Engagement.
  • 45 Prozent verlangen zusätzlich, dass diese Unternehmen auch eine soziale oder politische Haltung einnehmen und sich dafür aktiv einsetzen.
  • 67 Prozent würden beim Kauf von Kleidung für entsprechendes Firmenengagement mehr bezahlen.
  • Den größten Druck üben die deutschen Verbraucher bei Umweltthemen auf Unternehmen aus (28 Prozent)

Firmen in politischer Verantwortung

Der Blick der Gesellschaft auf Unternehmen hat sich verändert. Bewertet werden nicht mehr nur Preis-Leistungsverhältnisse und unternehmerische Kennzahlen. Verbraucher wollen freiwilliges soziales Engagement sehen und erwarten einen verantwortungsvollen Umgang mit Umweltthemen. Fallen Unternehmen hier negativ auf, werden Produkte und Dienstleistungen boykottiert. Westliche Unternehmen können also gar nicht anders, als ihren Verantwortungsbereich zunehmend über das Kerngeschäft auszuweiten und Aufgaben aus dem staatlichen Verantwortungsbereich zu übernehmen. Der Friedman'sche Slogan "The Business of Business is Business" bröckelt vor allem in Zeiten von Krisen und tiefgreifenden Transformationsprozessen von den Unternehmenswänden. 

Corporate Citizenship, die Unternehmensbürgerschaft, beschreibt im weiteren Sinne, wie Unternehmen ihre Position und ihren Einfluss für die Wahrung individueller Recht einsetzen. Zu diesen Rechten gehören (Seite 162): 

  • Soziale Rechte: Die Rechte der Individuen, an der Gesellschaft teilzunehmen (Recht auf Bildung, medizinische Versorgung sowie weiterer Sozialfürsorge).
  • Bürgerrechte: Die Freiheit von Missbräuchen und Eingriffen Dritter (insbesondere der Regierung), Redefreiheit, Recht auf Eigentum, Recht auf Zugang zum “freien“ Markt et cetera.
  • Politische Rechte: Das Stimmrecht, das Recht, ein öffentliches Amt zu bekleiden und auszuüben. Im Allgemeinen, das Recht am bürgerlichen politischen Gestaltungsprozess teilzunehmen.

Allerdings darf auch nach der Legitimation von Unternehmen als gesellschaftspolitische Verantwortungsträger gefragt werden und gegenüber wem sie dann rechenschaftspflichtig sind, wie Springer-Autor Martin Gibson-Kunze in "Corporate Citizenship" anmerkt: "Während die Mandatierung von Unternehmen in der Regel in der impliziten Annahme von Effizienz- und Qualitätssteigerungen gründet, gibt es eine breite Debatte zu der normativen Frage "Do We Really Want Businesses to be Good Corporate Citizens?" (Seite 412).

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