Deutsche Unternehmen hinken in Hinblick auf ihre Widerstandskraft im internationalen Vergleich hinterher. Das zeigt ein Report des Softwareanbieters SAS. Sie wären gerne resilient, wissen aber nicht, wie das gelingt.
Resilienz beschreibt die Fähigkeit, Krisen und Katastrophen zu überstehen und sich mit den gemachten Erfahrungen für künftige Ereignisse zu wappnen.
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Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen, Pandemien, politische Unruhen oder Cyber-Angriffe: Unternehmen sind anfällig für Krisen. Wenn ein Material starken Spannungen ausgesetzt ist und trotzdem wieder in seinen Urzustand zurückfinden kann, dann ist es resilient. Es hält extremen Einwirkungen stand, ohne größere Blessuren davon zu tragen. Resiliente Materialien sind vorübergehend elastisch verformbar. Daher kommt der Begriff.
Resiliente Menschen können Stress bewältigen und gestärkt daraus hervorgehen. Resiliente Unternehmen ebenso. Sie verfallen angesichts von Störungen und Veränderungen nicht in Schockstarre, sondern reagieren schnell und sichern die Geschäftskontinuität. Sich nicht verwunden lassen, sondern biegsam und robust bleiben, das bedeutet Resilienz. In der Materialkunde, der Psychologie und mittlerweile auch im wirtschaftlichen Kontext. Doch genau da klaffen Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander.
Deutsche Unternehmen eher vulnerabel als resilient
Weniger als die Hälfte (47 Prozent) der für den "Resiliency Rules Report" befragten 2.400 Führungskräfte von mittleren und großen Unternehmen weltweit halten ihr Unternehmen für gut gewappnet, wenn der Blitz einschlägt. Dabei sind sich fast alle (97 Prozent) einig darin, dass Resilienz geschäftsrelevant ist.
Das weiß man auch in deutschen Chefetagen. Doch zeigen die Ergebnisse für Deutschland, dass Disruptionen und Unsicherheiten der heimischen Wirtschaft noch große Schäden zufügen können. Nur 40 Prozent der Befragten würden ihrer Organisation Resilienz bescheinigen, und jeder Zweite (51 Prozent) findet, dass sein Unternehmen nicht ausreichend auf Störungen vorbereitet ist. Zu den größten Herausforderungen für einen stabilen Betrieb zählen sie:
- Datensicherheit (56 Prozent),
- ausreichendes Fachpersonal (54 Prozent),
- eine weit entwickelte digitale Transformation (52 Prozent),
- die Kundenansprache über verschiedene Kanäle (51 Prozent).
Wie vulnerabel und wenig regenerationsfähig deutsche Industrieunternehmen sind, zeigte schon die Sonderauswertung von Daten, die das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im ersten Jahr der Corona-Pandemie erhob. Nur gut 20 Prozent der 237 befragten Unternehmen aus allen Branchen erwiesen sich darin als robust. Sie mussten bis Winter 2020 weder Kurzarbeit anmelden noch waren sie von Lieferschwierigkeiten betroffen.
Weitere 19 Prozent waren regenerationsfähig genug, um sich nach den Beschränkungen schnell wieder zu erholen. Dem gegenüber steht eine vulnerable Masse von 61 Prozent, die Ende 2020 immer noch nicht zu ihrer alten Produktionsstärke zurückgefunden hatte. Die Welt hat sich seitdem weiter gedreht und an weiteren, durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten Krisen nicht gespart. Haben Unternehmen es mittlerweile geschafft, ihre Schwachstellen zu beseitigen?
In Zukunft widerstandsfähiger?
Zumindest blicken sie optimistisch nach vorn. Die meisten der von SAS befragten deutschen Führungskräfte (85 Prozent) glauben, ihre Resilienzlücken bald schließen zu können und damit ihre Überlebenswahrscheinlichkeit zu steigern. Dafür wünschen sich allerdings die Unterstützung externer Berater (76 Prozent). Von entsprechenden Strategien versprechen sie sich vor allem die schnelle Regeneration ihrer Geschäftsperformance (89 Prozent) und Technologiefunktionalitäten (85 Prozent). Innovation ist für deutsche Führungskräfte mit 59 Prozent Zustimmung das Wichtigste der fünf Resilienzprinzipien (Tempo und Agilität, Innovation, Fairness und Verantwortung, Datenkultur- und -kompetenz, Neugier). Hürden bei der Umsetzung sind allerdings Kosten (36 Prozent) und Cybersecurity-Risiken (35 Prozent) sowie schlecht qualifizierte Arbeitskräfte (31 Prozent). Wie also wird ein Unternehmen resilient?
Resilienz speist sich aus Lehren der Vergangenheit
Disruptive Ereignisse und ein gezieltes Resilienz-Management eröffnen nach Ansicht von Springer-Autor Markus A. Denzel bereits Unternehmen in der Hochfinanz des 16. Jahrhunderts die Chance auf eine höhere Qualität von Resilienz und komparative Wettbewerbsvorteile. Aus seiner historischen Betrachtung kommt er zu dem Schluss, dass "das Resilienz-Management umso erfolgreicher ist, je intensiver der Einsatz innovativer Instrumente und Medien ist, je langfristiger und nachhaltiger die angewandten Strategien sind und je zielorientierter die Durchsetzung des resiliencing ist." Es entsteht ein Modell, in dem drei Faktoren zueinander in Wechselwirkung treten und "jeder/s der Faktoren(bündel) je nach Situation durchaus unterschiedliche Bedeutung als Ursache oder Wirkung" einnehmen kann. Eine entscheidende Rolle kommt dabei der unternehmerischen Resilienz-Affinität zu. Die drei Faktoren sind (Seite 65):
- Resilienzaffinität/-ethos: Macht des Unternehmers
- Resilienzinstrumente und Medien
- Resilienzstrategien
"Strategien, die die Resilienz eines Systems stärken wollen, setzen immer auch auf die Sicherung von Diversität und funktionaler Redundanzen", schreiben die Springer-Autorinnen Andrea Kölbel und Melanie Erckrath in ihrer Einordnung des Begriffs Resilienz (Seite 17). Dabei ist auf die Netzwerkfähigkeit und Inklusion aller relevanten Experten und Anspruchsgruppen zu achten. Strategien für Resilienz müssen anschlussfähig an andere Erkenntnis- und Entscheidungsprozesse sein.
Ebene | Struktur des Systems | Dynamik des Systems |
Management & Governance | polyzentrische Governance fördern Partizipation ausweiten | Lernen und Experimentieren bestärken Verständnis für komplexe Systeme schaffen |
Analyse | Diversität und Redundanz erhalten Anschlussfähigkeit und Vernetzung sichern | langsame Variablen und Rückkopplungen managen |
Darstellung von Strategien für mehr Resilienz (Seite 18)