Schlechte Wachstumsprognosen und hohe Finanzierungskosten belasten die Kreditverhandlungen der Automobilzulieferer. Zudem fürchtet die Branche eine Insolvenzwelle, zeigt eine aktuelle Umfrage. Zahlreiche Maßnahmen sollen die Betriebe finanziell wieder auf Kurs bringen.
Der steigende Finanzierungsbedarf und mögliche Insolvenzen bereiten der Automobilzulieferindustrie derzeit besonders große Sorgen. Fast die Hälfte der Betriebe aus diesem Sektor sagt, dass die Pleitewelle bereits begonnen hat. Als wichtigste Treiber dieser Krise identifizieren die Unternehmen die straffere Kreditvergaben (67 Prozent), Umsatzverluste durch Insolvenzen von Kunden (50 Prozent) und den Zusammenbruch von Lieferketten (25 Prozent).
Zu diesem Ergebnis kommt das Marktforschungsunternehmen Verian, ehemals Kantar Public, in einer Anfang Oktober veröffentlichten Umfrage für das Beratungshaus FTI Andersch. Grundlage der Studie "German Economic Pulse 2024" bilden Telefoninterviews mit 200 Unternehmen aus den Branchen Automobil, Maschinen- und Anlagenbau, Konsumgüter und Handel mit einem Umsatz von mindestens 50 Millionen Euro pro Jahr.
Auch in den anderen genannten Sektoren gehen die Befragten von steigenden Insolvenzzahlen aus, allerdings nicht im gleichen Umfang. Über alle Bereiche hinweg rechnen 40 Prozent der teilnehmenden Betriebe in den kommenden zwei Jahren mit mehr Schieflagen. Zwölf Prozent fürchten sogar "deutlich mehr".
Zulieferer vor schwierigen Finanzierungsgesprächen
Darüber hinaus belastet der Refinanzierungsbedarf die Zulieferbranche: 28 Prozent müssen bis Ende 2025 notwendige Finanzierungsabschlüsse erzielen, 18 Prozent bis 2026. Das stellt für 45 Prozent der Befragten aus diesem Sektor eine "große", für 14 Prozent sogar eine "sehr große" Herausforderung dar.
"Im Vergleich zu den anderen von uns befragten Branchen bereiten sich die Zulieferer im Automobilbereich gerade deutlich intensiver auf die Refinanzierungen vor", erläutert Ralf Winzer, Vorstand bei FTI-Andersch, das Ergebnis. "Das müssen sie auch, denn die Wachstumsprognosen für ihre Branche sind durchweg mau. Dies wird zu erkennbar höheren Finanzierungskosten führen." Im Gegensatz hierzu habe keines der Unternehmen aus den Sektoren Maschinenbau und Konsumgüter die Finanzierungsherausforderungen als "sehr groß" bezeichnet.
Wachstumsprognosen, Nachfrage, Energiepreise, der chinesische Markt, der Durchhänger beim Absatz von Elektroautos. Es ist wirklich schwer, gerade positive Nachrichten in der Automobilbranche zu entdecken", so der Experte.
Hoher Restrukturierungsbedarf
Diese Entwicklungen führen der Studie zufolge zu einem enormen Restrukturierungsbedarf bei den Automobilzulieferern und entsprechenden Maßnahmen. Jedes dritte Unternehmen (30 Prozent), das sich bereits in dieser Phase befindet, ordnet zum Beispiel derzeit seine Finanzen neu. Im Vergleich dazu sind es in der Konsumgüterindustrie 16 Prozent und im Maschinenbau sogar nur zehn Prozent. 35 Prozent der Zulieferer betrachten die Verfügbarkeit und Kosten von Fremdkapital als größte Hürde für eine erfolgreiche Restrukturierung.
Ihr Heil suchen 72 Prozent der Unternehmen während der Restrukturierung in einer verstärkten Kommunikation mit ihren Finanzierern sowie in Sparmaßnahmen. Im Maschinenbau tun das nur 52 Prozent, im Konsumgütersegment sogar nur 41 Prozent. Um ihre Eigenkapitalbasis zu stärken, wollen alle befragten Zulieferer die Ausgaben in ihren Betriebsabläufen senken. Geringere Einkaufskosten (67 Prozent) und ein verbessertes Cash Management (56 Prozent) sind hierbei die zentralen Hebel. 44 Prozent denken zudem darüber nach, weniger relevante Geschäftsbereiche zu schließen oder zu verkaufen.
Personalabbau zweischneidige Maßnahme
Jedes dritte Unternehmen in der Restrukturierungsphase will zudem Personal abbauen. "Dieser Part ist jedoch heute besonders heikel", so Winzer. Der Arbeitskräftemangel ist von allen befragten Unternehmen als die größte Herausforderung benannt worden. "Wer heute größere Teile seiner Belegschaft entlässt, muss davon ausgehen, diese Verluste bei besserem Geschäftsverlauf nicht mehr ausgleichen zu können. Das ist auch der wesentliche Grund, warum die Rezession bisher kaum in der Lebensrealität der Gesellschaft angekommen ist, auch wenn die Nachrichtenlage seit Monaten so düster ist."
Betriebe, die Jobs streichen, versuchen dies mit der Modularisierung und Standardisierung von Produkten auszugleichen (50 Prozent). 42 Prozent setzen auf Automatisierung und 38 Prozent wollen mit Künstlicher Intelligenz Arbeitskosten senken. "Wir sind in einer Phase, in der sich die Unternehmen erst an die neue Situation auf dem Arbeitsmarkt gewöhnen müssen", resümiert Winzer.
Was mich auf Basis der erhobenen Daten aber auch meiner subjektiven Beobachtung im Markt trotzdem verhalten optimistisch stimmt: Obwohl die Stimmung so schlecht ist, stecken viele Unternehmen nicht den Kopf in den Sand. Sondern sie gehen diese ganzen Probleme, so geballt sie auch erscheinen mögen, direkt an."