Die aktuellen Krisen setzen Wirtschaft und Verbrauchern zu. Die Gefahr von Kreditausfällen wächst. Doch steigen die Vergabestandards der Banken, schmälert das die Erträge. Die Institute brauchen nun die richtige Balance.
"Die Wirtschaft schwächelt. Das belastet viele deutsche Unternehmen. Und kann auch für die mit ihnen verbundenen Kreditinstitute zur Gefahr werden. Noch ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen gering, aber sie steigt stetig", bringt Adam Ketessidis, Leiter des Bereichs Risikoanalyse, Systemaufsicht und Krisenmanagement bei der Finanzaufsicht Bafin, die Lage der Bankenbranche in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Bafin Journal" auf den Punkt.
Kreditverlängerungen auf dem Prüfstand
Neben Inflation und steigenden Lohnkosten zählen vor allem hohe Energiepreise und wachsende Handelsbeschränkungen zu den zentralen Belastungen der Wirtschaft. "Das alles kann sich auf die Kreditportfolios der Banken und Sparkassen auswirken." Der Wegfall der staatlichen Corona-Hilfen könne außerdem die Kreditausfallraten gestützter Unternehmen steigen lassen.
Aber auch Retail-Institute sollten die Entwicklung bei den Wohnimmobilien genau verfolgen, rät Ketessidis. "Das schwächere Neugeschäft könnte die Erträge der Institute verringern. Und wenn die Konjunkturflaute auf die Einkommen der Verbraucherinnen und Verbraucher drückt, werden die Kreditausfälle steigen", so Ketessidis.
Auch Prolongationen, also Verlängerungen von Darlehen nach Ablauf der Laufzeit, werden für die Institute unter diesen Voraussetzungen zunehmend riskant, so der Experte.
Geopolitische Risiken steigen
Verschärft wird diese Situation laut Ketessidis noch durch geopolitische Herausforderungen. "Menschlich haben diese Kriege und Konflikte ohnehin katastrophale Folgen. Wirtschaftlich wirkt sich der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine über Zweitrundeneffekte auf Banken und Sparkassen aus: Zum Beispiel über noch höhere Energiepreise oder eine schrumpfende Nachfrage", so der Bafin-Experte.
Er bezieht sich dabei unter anderem auf den Konflikt zwischen China und Taiwan, der mittelfristig die Mikrochip-Produktion stören und damit auch deutsche Unternehmen zusätzlich belasten könnte. Aber auch im Krieg zwischen Israel und der Hamas liege noch immer die Gefahr eines regionalen Flächenbrands, "der für adverse Zweitrundeneffekte sorgen könnte". Vor diesem Hintergrund müssten die deutschen Banken und Sparkassen auf "neue Schlechtwetterperioden" einstellen.
Kreditrisikovorsorge ist ein Balanceakt
So ist bereits Ende 2023 die Kreditrisikovorsorge sprunghaft gestiegen und die Institute haben ihre Vergabestandards verschärft. Doch während laxe Kredithürden zu vermehrten Kreditausfälle führen, können zu strenge Zugangsvoraussetzungen zu Ertragseinbußen vor allem im Firmenkundengeschäft führen.
Eine schwierige Ausgangslage für kommende Herausforderungen, der sich die Institute stellen müssen. "Der Gegenwind für die Banken wird härter", so Ketessidis.
Positive Wirkung der Zinssenkung fraglich
Für Erleichterung könnte die von der EZB jüngst beschlossene Zinssenkung sorgen. Denn ein günstigeres Zinsumfeld sorgt in der Regel für eine steigende Nachfrage von Groß- und mittelständischen Unternehmen nach frischen Kapital von der Bank. Das zeigt unter anderem die von der Förderbank KfW im Rahmen der Ifo-Konjunkturumfragen vierteljährlich erhobenen Kredithürde für das erste Quartal 2024. Dieser hatte bereits im Herbs 2023 "erste leichte Zinssenkungen" bei Darlehen im Firmenkunden festgestellt.
Das bedeutet aber auch, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen im Firmenkreditgeschäft die aktuelle Zinssenkung bereits ganz oder zumindest teilweise vorweggenommen haben. Und ob dieser weitere Zinsschritte folgen werden, ist laut vieler Experten nicht ausgemachte Sache.
"Die EZB nimmt den Fuß nur etwas von der Bremse. Die Inflationsentwicklung bleibt das Maß aller Dinge. Inwiefern Spielraum für weitere Lockerungsmaßnahmen besteht, hängt nicht zuletzt von den ausstehenden Lohnabschlüssen ab", betont beispielsweise Iris Bethge-Krauß vom Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB).