22.04.2020 | Roboter | Im Fokus | Onlineartikel
Gute Zeiten für Serviceroboter
Serviceroboter im Gesundheitsbereich und in der Pflege haben ein Akzeptanzproblem. Infolge der Corona-Pandemie könnten sich das ändern – solange sie nicht allzu menschlich wirken.
In Zeiten von Social Distancing können medizinische Roboter zusätzlichen Nutzen bringen, beispielsweise in der Rehabilitation
Life Science RoboticsDie durch die Corona-Pandemie verursachten Engpässe in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen beschleunigen eine Entwicklung, die bereits in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen hat: Professionelle Serviceroboter für Reinigung, Medizin oder Rehabilitation werden immer stärker nachgefragt. So sortieren Roboter am Universitätsklinikum Aalborg in Dänemark seit Kurzem täglich tausende Blutproben wie sie auch für Covid19-Tests erforderlich sind, in Altersheimen verbinden Bildschirmroboter Menschen in Quarantäne per Video mit ihren Familien und Autofahrer könnten sich für Covid19-Schnelltests demnächst einem Roboterarm gegenübersehen, der den Rachenabstrich entnimmt. Zuletzt sorgte das dänische Unternehmen Blue Ocean Robotics für Aufsehen, das allein 2000 seiner mobilen UVD-Roboter für die Bodendesinfektion an Krankenhäuser in China verkaufte und damit einen sprunghaften Nachfrageanstieg erfuhr.
In seiner Studie zum weltweiten Absatz von Robotern verzeichnete die International Federation of Robotics (IFR) bereits für das Jahr 2018 271.000 verkaufte Serviceroboter. Das entspricht einem Wachstum von 61 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Fahrerlose Transportfahrzeuge (AGVs) für Logistikanwendungen machen dabei mit 41 Prozent den Löwenanteil aus. Für Medizinroboter verzeichnete das IFR ein Nachfragezuwachs um 50 Prozent auf 3400 verkaufte Einheiten. Diese teuersten aller Serviceroboter werden etwa zur Unterstützung in Krankenhaus-OPs oder für die Rehabilitation eingesetzt. Interessanterweise belegt die Studie jedoch auch, dass die nun so stark nachgefragten professionellen Reinigungsroboter im Jahr 2018 noch auf eine geringe Akzeptanz stießen, während sie im privaten Bereich bereits weit verbreitet waren.
Potenzial für Roboter in der Pflege
Zum Erfolg der Robotersysteme in jüngster Zeit haben verschiedene technische Fortschritte beigetragen, wie Ann-Kathrin Rohde im Kapitel Robotik in der Logistik – Einsatzpotenziale, Herausforderungen und Trends im Buch Robotik in der Logistik erläutert:
- Dank neuer Materialien wurden Roboter leichter und dynamischer.
- Antriebskomponenten wurden bei gleichbleibender Leistung immer kompakter.
- Die Bedienbarkeit wurde durch Fortschritte in der Steuerungstechnik verbessert.
- Die Nutzlast, die Roboter transportieren können, wurde gesteigert.
- Dazu kommen Fortschritte im Bereich der Sensorik und der Identifikation.
In der Pflege wurde der Robotik bereits vor Ausbruch der Corona-Pandemie ein großes Potenzial bescheinigt. So könnten Servicerobotor Pflegekräfte von zeitraubenden Tätigkeiten befreien und sie zugleich von schweren physischen und psychischen Anstrengungen entlasten. Die Roboter könnten dabei etwa Hol- und Bringdienstleistungen übernehmen, Patienten beim Kontakt mit Freunden und Familien oder Ärzten behilflich sein oder sie beim Anlegen von Blutdruckmessgeräten anleiten, wie die Autoren um Dominic Bläsing im Kapitel Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen durch den Einsatz von Servicerobotik (S. 228) im Buch Psychologie und Nachhaltigkeit erläutern. Damit könnten Versorgungsprozesse in Pflegeeinrichtungen rationalisiert und zugleich Pflegekräfte entlastet werden. Diesen technischen Möglichkeiten stehen jedoch auch entschiedene Vorbehalte entgegen, vor allem, wenn sie den interaktiven Kern der Pflege betreffen. Beim Anreichen von Nahrung oder bei der Blutabnahme etwa geht die Akzeptanz für Roboter gegen Null. Hoch ist die Akzeptanz für Serviceroboter jedoch im Bereich der Routinetätigkeiten, wie den genannten Transportleistungen.
Humanoide Roboter sollten nicht allzu menschlich wirken
Womit im Bereich der Pflege auf absehbare Zeit jedoch nicht zu rechnen ist, sind menschenähnliche Roboter – auch wenn dieses Szenario gelegentlich skizziert wird. Zahlreiche solcher humanoider Robotor wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt. Mit dem Modell Actroid-F hat diese Entwicklung vielleicht ihren vorläufigen Gipfel erreicht: Der Roboter imitiert Aussehen und Mimik eines echten Menschen nahezu perfekt.
Genau solche Roboter finden Menschen im persönlichen Umgang jedoch besonders abstoßend, wie Sebastian Feldmann in der Einleitung im Buch Entwicklung des seilgetriebenen, humanoiden Roboterprototyps Humech entschlüsseln, denn das nahezu perfekte Äußere des Roboters ist gepaart mit den unnatürlichen Bewegungsabläufen seiner Gliedmaßen. Elastizitäten sowie Spiel in Gelenken und Getrieben führen zu unvorhersehbaren Bewegungen, wodurch der Roboter eher den Eindruck eines Zombies denn eines freundlichen Helfers vermittelt. Aktuelle Forschungsprojekte versuchen den Humanoiden nun auch einen menschlichen Bewegungsablauf beizubringen, um sie auch in der Pflege einsetzen zu können. Bis es soweit ist, dürften sich die Roboter jedoch mit Aushilfsjobs in Pflegeeinrichtungen begnügen müssen.