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08.12.2017 | Roboter | Interview | Online-Artikel

Demokratisierung der Künstlichen Intelligenz

verfasst von: Andreas Burkert

7 Min. Lesedauer

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Systeme der künstlichen Intelligenz versprechen sensationelle Erfolge. Wäre da nicht die falsche Erwartungshaltung, wie Clemens Wasner im Interview erklärt. 

Herr Wasner, KI findet in der Öffentlichkeit nur dann Beachtung, wenn es im Zusammenhang mit Robotern oder Spracherkennung geht. Welche Bereiche aber wird die Künstliche Intelligenz Ihrer Ansicht nach wesentlich stärker prägen?

Ich denke, wir sollten uns vom Gedanken verabschieden, dass die künstliche Intelligenz uns in nächster Zeit obsolet machen wird und sich selbstständig in Richtung Singularität weiterentwickeln wird. Nicht umsonst wird von führenden Experten auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz oft die Analogie "AI is automatization on Steriods" genannt. Ich denke dieses Statement trifft auch am besten was heutzutage mit künstlicher Intelligenz möglich ist - die automatische Abarbeitung von repetetiven Tätigkeiten. Das reicht von der Erkennung von Fahrzeugen auf der Autobahn bis hin zum automatischen Einlesen von Rechnungen. 

Oder aber dem Erkennen von gut gewachsenen Gurken?

Das ist im Übrigen ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, mit welch einfachen Mitteln intelligente Anwendungen auf Basis von maschinellem Lernen möglich sind. Der Software-Ingenieur Koike Makoto hat mit sehr geringem Mitteleinsatz eine Gurkensortiermaschine auf Basis eines neuralen Netzwerks entwickelt, das Bilder mit einer sehr hohen Genauigkeit hinsichtlich gewisser Merkmale sortieren kann. 

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Künstliche Intelligenz – Wann übernehmen die Maschinen?

Jeder kennt sie. Smartphones, die mit uns sprechen, Armbanduhren, die unsere Gesundheitsdaten aufzeichnen, Arbeitsabläufe, die sich automatisch organisieren, Autos, Flugzeuge und Drohnen, die sich selber steuern, Verkehrs- und Energiesysteme mit autonomer Logistik oder Roboter, die ferne Planeten erkunden, sind technische Beispiele einer vernetzten Welt intelligenter Systeme. 

Wie viele Bilder von Gurken musste er letztendlich einlernen?

Meiner Kenntnis nach waren es knapp 7000 Bilder. Die Verarbeitung der Aufnahmen überließ er dann Googles Open Source Machine Learning Bibliothek "Tensor Flow". Diese Bibliothek kann im Übrigen jeder benutzen.

Die Demokratisierung des maschinellen Lernens steht damit in greifbarer Nähe?

Das gilt für die Methoden sicher - TensorFlow ist dafür unter anderem der Beweis. Aber auch Amazon, Tesla und Facebook veröffentlichen regelmäßig ihre KI-Bibliotheken und machen sie so der breiten Masse an Entwicklern zugänglich. Die größte Konkurrenzsituation herrscht heute aber weniger im Bereich der Methoden, sondern vielmehr bei den Daten selbst – denn wer diese hat kann neuartige und teilweise einzigartige Lösungen anbieten.

Damit stehen den Unternehmen in Deutschland eigentlich Tür und Tor offen, Verfahren der künstlichen Intelligenz einzusetzen. Warum aber zögern noch so viele Entscheider?

In der Regel sind es die Entwicklungsabteilungen, die sehr schnell von den Erfolgen der KI überzeugt sind. Ihnen aber muss es gelingen, die Chefetage zu überzeugen. Dabei gilt es auch, die Andockbarkeit an interne Strukturen und Prozesse aufzuzeigen. Damit ist nicht nur die Integrierbarkeit in die eigene IT Landschaft gemeint, sondern auch die Möglichkeit, schnell und effizient Daten abteilungsübergreifend zu Verarbeiten und bei Bedarf durch Einbindung externen Daten zu erweitern.

Wenn ich das richtig in Erinnerung habe, scheitern viele sogenannte Big-Data-Projekte am Datenschutz. 

Das ist korrekt und trifft vor allem auch beim maschinellen Lernen zu. Der Datenschutz, hier vor allem die Datenschutz-Grundverordnung DSGVO, stellt sich in unseren Projekten immer wieder als ein potentieller Stolperstein heraus. Immerhin sind die Ziele der EU-DSGVO der Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen ...

… und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten und der freie Verkehr personenbezogener Daten. Experimentierfreudigkeit schadet also eher?

Wenn ich von Experimentierfreudigkeit spreche, dann meine ich nicht, dass man sofort neue Businessmodelle entwickeln muss oder die eigenen Daten monetarisieren. Vielmehr sollten man AI als 2-way-road betrachten. Einerseits kann man mit KI bereits im Unternehmen vorhandene Daten viel besser auswerten und somit Einblicke gewinnen, die sonst - falls überhaupt - nur mit arbeitsintensiven Analysen möglich waren. An dieser Stelle ist durchaus Experimentierfreudigkeit gefragt und sinnvoll. Andererseits sehen wir, dass KI die Firmen dazu bringt, sich erstmals mit dem Thema Big Data und den damit verbundenen internen Prozessen auseinanderzusetzen.

Welche Rolle spielt der Mangel an Fachkräften? In dem Fall an sogenannten Data-Scientists? 

Oh. Das ist eine besondere Herausforderung. Aus arbeitsmarkttechnischer Sicht sind die aktuellen Durchbrüche sozusagen quasi über Nacht passiert. Weder unser Universitäten noch unser Bildungssystem kann mit solch einem rasanten Wechsel Schritt halten. Verstärkt wird die Situation durch die Abwesenheit von privaten Institutionen wie Coding Bootcamps, die im Falle von KI ein rasches Weiterbilden von bereits ausgebildeten IT Kräften erlauben.
Ein weiteres großes Hindernis ist im Übrigen das prinzipielle Verständnis was die KI in einem Unternehmen bewirken kann. Abseits der zuvor genannten High-Flyer-Themen findet kaum eine Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten von KI statt.  

Wie aber erkennen Unternehmen, dass Systeme der künstlichen Intelligenz im Unternehmen hilfreich sind?

Folgt man der Logik "AI is automatization on steroids" gibt es de-facto kein Unternehmen, in dem künstliche Intelligenz nicht zu massiven Verbesserungen führen kann. Wie die Erfahrung zeigt gehen die meisten Unternehmen an das Thema mit einer falschen Erwartungshaltung heran. 

Von welcher Erwartungshaltung sprechen Sie? 

Etwa über jene, die sich um die Daten dreht: Die benötigte Anzahl von Daten, um ein KI Sytem zu trainieren, wird meist unterschätzt. Gleichzeitig werden die Möglichkeiten diese zu synthetisieren unterschätzt. Ein weiterer Irrtum dem viele Unternehmen unterliegen ist, dass eine KI-basierte Lösung automatisch eine Cloud Lösung mit sich bringt. Das aber ist zum Glück nicht so und wäre angesichts diverser Verordnungen und firmeninterner Richtlinien auch nicht umsetzbar.

In welchen Bereichen wird dann die künstliche Intelligenz im Unternehmen hilfreich sein?

Sie sollten an dieser Stelle fragen, in welchen Bereichen KI uns in den nächsten zehn Jahren nicht unterstützen kann. Denn der Einsatz wird vielfach überschätzt. Prädestiniert für den KI-Einsatz sehe ich speziell den Automobilbereich mit seinen riesigen Unternehmen und komplexen Strukturen. Aber lassen Sie mich das am besten anhand von zwei Bespielen aus unseren Projekten erklären. Die Optimierung einer gesamten Fahrzeugplattform wie dem MQB ist mit klassischen Methoden ein nahezu unmögliches Unterfangen, da die baubaren Kombinationen und produktionsseitigen Einschränkungen zu einem extrem großen Lösungsraum führen. 

Und mittels Methoden der KI gelingt dies?

Ja. Etwa durch neuronale Netze in Kombination mit klassischen Such- und Optimierungsmethode ist es uns gelungen, die Anzahl an Teilen in einer Plattform im zweistelligen Prozentbereich zu reduzieren. Ohne die kundenseitig tatsächlich nachgefragte Konfigurierbarkeit zu reduzieren. Ein weiteres Beispiel, bei dem der Einsatz von KI zu einem großen Qualitätssprung führt, ist die Analyse von Anforderungen an Produkt und Produktion etwa anhand von Lastenheften. Dort ermöglicht sogenannntes Natural Language Processing neuartige Auswertungen, die beispielsweise den Zusammenhang zwischen Anforderungen und den damit verbundenen Kosten herstellen.

Nochmals zurück zur Frage zuvor ….

…die ich Ihnen wie folgt beantworten möchte. Oft wird die Faustregel genannt, wonach die künstliche Intelligenz all jene Aufgaben übernehmen kann, für die Menschen etwa eine Sekunde nachdenken müssen. Darunter fällt etwa demnach alles, was mit Klassifizierung zu tun hat.

Wann erwarten Sie eine erkennbare Durchdringung von KI-Systemen in deutschen Unternehmen?

In all jenen Bereichen die direkt mit Produktentstehung und -fertigung zu tun haben, werden wir bereits in zwei, drei Jahren „Applied AI“ sehen. Im Produktionsprozess wird Predictive Maintenance bereits heute eingesetzt, dort gilt es, im nächsten Schritt werksübergreifend Planung und Prozesse zu optimieren. Man kann davon ausgehen, dass Produkte ähnlich schnell KI-powered werden, nicht zuletzt dank der Investitionen in Cloud-Infrastruktur auf der Services laufen.
Bei unterstützenden Geschäftsprozesse hingegen wie dem Reporting, dem Segment Human Resources oder aber der Marktforschung dauert es meiner Ansicht nach noch fünf bis zehn Jahre.

Warum dauert es dort so lange?

Wenn innerhalb der Forschung und Entwicklung Geld für KI benötigt wird, dann kommt es aus dem R&D-Topf. Die Freigabe dauert oftmals nur wenige Monate. Muss allerdings das Budget von IT beziehungsweise von anderen  Abteilungen beansprucht werden, verzögern sich entsprechende Projekte. Dort haben wir einen Delay in der Regel von fünf bis zehn Jahren, wie das Beispiel mit der Einführung von Office 365 zeigt. Seit Ende 2012 ist das Produkt am Markt, und erst heute wird es größtenteils in den Unternehmen eingeführt.

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