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11.08.2021 | Robotik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Exoskelette, die tragbaren Roboter

verfasst von: Christoph Berger

5 Min. Lesedauer

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Aus der Medizin sind die maschinellen Assistenzsysteme schon länger bekannt. Vermehrt finden Exoskelette nun jedoch auch in den Arbeitsalltag Einzug. Doch noch gibt es hinsichtlich ihrer Einsatzmöglichkeiten einige Hürden zu überwinden.

Die Robotik hat in vielen Branchen und Produktionsprozessen bereits Einzug erhalten, manches Mal ersetzt sie dabei die menschliche Arbeitskraft vollends. Doch es gibt immer noch viele Bereiche, beispielsweise in der Logistik, im Speziellen in der Luftfrachtabfertigung, in denen Prozesse durch einen hohen Anteil manueller Arbeitsschritte geprägt sind. Bei der Luftfrachtabfertigung gehört für die Mitarbeitenden neben anderen körperlich angstregenden Tätigkeiten vor allem das Heben und Tragen von Frachtstücken zum Arbeitsalltag. Daher untersuchten die Frankfurt University of Applied Sciences und die Technische Universität Darmstadt die intralogistischen Prozesse bei zwei Luftfracht-Abfertigungsgesellschaften im Hinblick auf die Erarbeitung von möglichen Prozessverbesserungen der Arbeitsergonomie. Ziel war es, eine Antwort auf die Frage "Wie können die Mitarbeitenden entlastet und ihre Gesundheit geschützt werden?" zu erarbeiten. Zur ergonomischen Verbesserung prüften die Forschenden verschiedene technische Hilfsmittel auf ihre Eignung. Als Ergebnis wird vor allem die Unterstützung der Mitarbeitenden beim Handling kleiner Frachtstücke durch sogenannte Exoskelette, körpergetragene Hebehilfen, empfohlen.

Empfehlung der Redaktion

2019 | OriginalPaper | Buchkapitel

Towards a Framework for Evaluating Exoskeletons

Framework zur Evaluation von Exoskeletten

Auch im Kapitel "Exoskeletons in Automotive Industry: Investigation into the Applicability Across Regions" des Springer-Fachbuchs "Proceedings of the 21st Congress of the International Ergonomics Association (IEA 2021)" werden Exoskelette als ein vielversprechendes Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter genannt – vorgestellt werden in dem Kapitel die Anwendung von Exoskeletten und Machbarkeitsstudien, einschließlich experimenteller Tests, wichtiger Leistungsindikatoren und rechtlicher Anforderungen bei der Automobilholding Stellantis, einem aus der Fusion der Automobilkonzerne Groupe PSA und Fiat Chrysler Automobiles (FCA) hervorgegangen Unternehmen. "Sogenannte Exoskelette, eine über der Kleidung getragene, kabelbetriebene Mechanik, unterstützt den Arbeiter beim Heben schwerer Lasten", schreibt Andreas Mockenhaupt im Kapitel "Robotik" des Springer-Fachbuchs "Digitalisierung und Künstliche Intelligenz in der Produktion". Auch er führt die Logistik als Einsatzbereich an, nennt darüber hinaus aber auch die Produktion, Rehabilitation und das Militär.

Aktive und passive Exoskelette

Auf den letztgenannten Einsatzbereich ist die Entwicklung von Exoskeletten prinzipiell zurückzuführen, wie es im Kapitel "Rahmenbedingungen der Gestaltung von Fließproduktionssystemen" des Springer-Fachbuchs "Modellbasierte Gestaltung von Fließproduktionssystemen im Spannungsfeld von Ergonomie und Ökonomie" von Christian Weckenborg erklärt wird. Demnach war es in den 1960er-Jahren der Wunsch des United States Department of Defense, einen motorisierten Panzeranzug zur Steigerung der Fähigkeiten von Soldaten zu entwickeln. Inzwischen sei ihre Entwicklung fortgeschritten und Exoskelette könnten im industriellen Umfeld eingesetzt werden, schreibt er weiter. Dabei sei zwischen aktiven und passiven Exoskeletten zu unterscheiden: "Aktive Exoskelette unterstützen die Bewegungen des Trägers durch elektronischen, pneumatischen oder hydraulischen Antrieb und sind daher der Robotik zuzuordnen (Wearable Robotics). Passive Exoskelette hingegen sind durch die Bewegung des Trägers selbst angetrieben und nutzen Gegengewichtskräfte durch den Einsatz von Federn." Unterstützt würden vor allem der untere Rücken sowie die oberen Extremitäten. Um aktive Exoskelette geht es auch im Kapitel "Assistive Soft Exoskeletons with Pneumatic Artificial Muscles" des Springer-Fachbuchs "Haptic Interfaces for Accessibility, Health, and Enhanced Quality of Life".

Die Standardisierung der Systeme fehlt noch

Dass es zwischen den unterschiedlichen Systemen noch eine Vielzahl weiterer Unterscheidungsmerkmale gibt, erklären die Autoren des Kapitels "Towards a Framework for Evaluating Exoskeletons" im Springer-Fachbuch "Production at the leading edge of technology". So sind es nicht nur die zu unterstützten Körperregionen, bei denen sich die Systeme unterscheiden, sondern auch deren morphologische Struktur sowie die spezifischen Funktionalitäten. Und: "Aufgrund einer fehlenden Standardisierung, werden Exoskelette bisher nicht einheitlich evaluiert, worunter die Reliabilität und Vergleichbarkeit leiden." Zudem sei zu beachten, dass Exoskelette unterschiedliche technische und psychologische Auswirkungen auf den Träger haben können.

Dass der Weg zu einer groß angelegten Einführung von Exoskeletten noch weit ist, schreiben auch die Autoren des Kapitels "Occupational Exoskeletons: A New Challenge for Human Factors, Ergonomics and Safety Disciplines in the Workplace of the Future" im bereits aufgeführten Buch "Proceedings of the 21st Congress of the International Ergonomics Association (IEA 2021)". Noch gebe es nur wenig Wissen über die tragbaren Serviceroboter und ihre tatsächlich präventive Wirkung auf Muskel-Skelett-Erkrankungen. Auch technische Probleme und die Benutzerakzeptanz seien zu meisternde Herausforderungen bei der Einführung der Unterstützungssysteme.

Es braucht den menschenzentrierten Design-Ansatz

Wichtig sei vor allem ein menschenzentriertes Design als Ansatz für die interaktive Entwicklung, das darauf abziele, Systeme benutzbar und nützlich zu machen: Die Konzentration auf die Nutzer, ihre Bedürfnisse und Anforderungen sei unabdingbar, anzuwenden seien Kenntnisse und Techniken über die menschlichen Faktoren und Ergonomie sowie die Benutzerfreundlichkeit. Ein solcher Ansatz erhöhe die Effektivität und Effizienz, verbessere das menschliche Wohlbefinden, die Benutzerzufriedenheit, die Zugänglichkeit und Nachhaltigkeit und wirke möglichen negativen Auswirkungen der Nutzung auf die menschliche Gesundheit, Sicherheit und Leistung entgegen. Die EN ISO 9241-210:2019 zielt darauf ab, diese Informationen zur Verfügung zu stellen, um die Entwicklung von Systemen zu unterstützen, schreiben die Autoren. Sie führen zudem weitere internationale Normen für die Konstruktionsmerkmale von sicheren Exoskeletten am Arbeitsplatz auf.

Trotz dieser noch zu erledigenden Aufgaben sind sie sich sicher, dass tragbare robotische Geräte eine der nächsten Veränderungen in vielen Arbeitsszenarien und eine neue Herausforderung für die Disziplinen Human Factors, Ergonomie und Sicherheit darstellen werden. Dazu noch ein aktuelles Praxisbeispiel. Das Medizintechnikunternehmen Bioservo Technologies brachte im Juni 2021 eine neue und verbesserte Version seines Exoskelett-Handschuhs auf den Markt. Das entwickelte System ahme die Greifbewegungen der Hände des Benutzers nach und verleihe dem Griff zusätzliche Kraft und Ausdauer, heißt es in einer dazugehörigen Mitteilung. Dies trage dazu bei, die Kraftanstrengungen des Arbeiters zu schonen und wirke handbezogenen Muskel-Skelett-Erkrankungen entgegen. Parallel dazu lernt der Handschuh von seinem Nutzer. Da das System außerdem die Daten aus den Bewegungen sammelt, können diese analysiert werden, Risikofaktoren erkannt und somit auch vermieden werden.

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