Skip to main content

13.05.2013 | Robotik | Schwerpunkt | Online-Artikel

Roboter erobern den Alltag

verfasst von: Dieter Beste

4:30 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Erstmals fand Anfang Mai die weltweit größte Konferenz der Robotik und Automation (ICRA 2013) in Karlsruhe statt. Unter dem Konferenzthema „Anthropomatics - Technologies for Humans“ diskutierten rund 1800 Teilnehmer aus aller Welt den Stand der Forschung und Entwicklung technischer Systeme. Werden Roboter unsere Lebensqualität verbessern können?

In Science-Fiction-Literatur und -Filmen sind Androiden, also künstliche Menschen, und intelligente Maschinen seit jeher ein zentrales Thema, das Jung und Alt gleichermaßen fasziniert. Allerdings verstärkt sich der Eindruck, dass inzwischen die Realität die Fiktion einzuholen beginnt: Wissenschaft und Industrie erzielen enorme Fortschritte dabei, Roboter zu vielseitigen Helfern des Menschen zu machen: Schwärme autonomer Drohnen unterstützen etwa den Wiederaufbau nach Katastrophen, revolutionieren andererseits aber auch die Kriegsführung. In der Logistik setzt man auf mobile Transportroboter, und humanoide Roboter stehen kurz davor, den Bereich der Assistenz in der Produktion und bald sicher auch im Alltag grundlegend zu verändern.

„Die Zahl der eingereichten wissenschaftlichen Beiträge war mit ca. 2300 aus mehr als 60 Ländern noch nie so hoch wie in diesem Jahr“, berichtet Professor Rüdiger Dillmann vom Institut für Anthropomatik des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und unterstreicht als General Chair der erstmals in Deutschland stattfindenden International Conference on Robotics and Automation (ICRA) die Bedeutung des Themas.

Karlsruher Forscher entwickeln humanoide Roboter

Der Begriff Anthropomatik wurde von Informatik-Professoren der damaligen Universität Karlsruhe, heute KIT, geprägt und beschreibt die symbiotische Beziehung zwischen Mensch und Maschine. Allein am KIT arbeiten inzwischen mehr als 250 Wissenschaftler aus verschiedenen Fachbereichen im Schwerpunkt Anthropomatik und Robotik an der Vision, Maschinen mit intelligentem, adaptivem – also anpassbarem – Verhalten auszustatten.

Ihre neuste Entwicklung am KIT, ARMAR IV, hat soeben das Labor verlassen und ist weitaus komplexer als die Schar der Vorgängermodelle. Der humanoide Roboter misst 1,70 m, wiegt 70 kg und verfügt über zwei Beine. Damit ist ARMAR IV der Statur eines Menschen recht ähnlich, bleibt aber unter der Durchschnittsgröße eines erwachsenen Mannes.

Dies soll die Hemmschwellen und mögliche Berührungsängste gegenüber Robotern gar nicht erst entstehen lassen und die Mensch-Maschine-Interaktion erleichtern.

ARMAR IV hat 63 Bewegungsfreiheitsgrade (DoF), die mit Hilfe von elektrischen und pneumatischen Aktuatoren angetrieben werden. Der Roboterkopf verfügt über 9 DoF und ist mit vier Kameras und sechs Mikrofonen ausgestattet. Jeder Arm verfügt über 8 DoF, währende jede Hand 11 DoF besitzt. Die Beine mit jeweils 7 DoF sind mit einer speziellen Kinematik so ausgelegt, dass der Roboter u. a. beim Laufen einen Fuß vor den anderen setzen kann. Damit könnte ARMAR IV einen Catwalk absolvieren.

Schon mit dem Vorgängermodell ARMAR III konnten die Karlsruher Forscher demonstrieren, dass ein Roboter in häuslicher Umgebung sinnvoll agieren kann. Der humanoide Roboter kann Sprachkommandos verstehen und selbstständig umsetzen, kann etwa die Milch aus dem Kühlschrank holen. Dank Kameras und Sensoren findet er sich selbstständig in der Küche zurecht, erkennt Gegenstände und greift sie mit dem notwendigen Feingefühl. Aber auch auf Gesten reagiert er und lernt durch Zuschauen, wie man etwa eine Spülmaschine ausräumt oder die Theke wischt. Nach und nach fügt sich die Maschine auf diese Art immer besser in die Umgebung des Menschen ein.

Roboter – dein Freund und Helfer?

Früher oder später werden wir in unserer Umgebung dem ersten Roboter begegnen, den wir nicht wie eine Kaffeemaschine lediglich als Gerät, sondern als „Akteur“ wahrnehmen werden. Und früher oder später wird sich die Gesellschaft entscheiden müssen, wie und wie weit sie Roboter nutzen möchte, um beispielsweise dem absehbaren Personalmangel in der Altenpflege mit technischen Mitteln abzuhelfen. Ende letzten Jahres diskutierte eine Expertenrunde in der Europäischen Akademie Bad Neuenahr-Ahrweiler GmbH die Konsequenzen dieser Entwicklung.

Der Technikfolgenabschätzer Professor Michael Decker vom KIT vertrat die Ansicht, dass trotz aller Fortschritte den hohen Erwartungen nüchtern zu begegnen sei. Zwar gäbe es in vielfältigen Bereichen vor allem der Industrie, Landwirtschaft und Medizin, im Verkehr und nicht zuletzt beim Militär hoch spezialisierte Robotersysteme, die den Menschen bei ganz konkreten, eng umrissenen Aufgaben unterstützten. Maschinen, die als androider „Freund und Helfer“ ein breiteres Spektrum an Aufgaben auch im Haushalt oder in der Pflege übernähmen, seien aber längst noch nicht praxisreif. Und ob die Entwicklung dann auch auf Akzeptanz in der Gesellschaft treffen werde, hält Decker für durchaus offen. Hier sei eine ethische und soziologische Begleitforschung dringlich und unverzichtbar.

Der Jurist Professor Eric Hilgendorf von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg betonte vor allem Fragen der Verantwortung und der Schadenshaftung: Wer haftet etwa bei Unfällen, die durch selbststeuernde Rollstühle verursacht sind – der Entwickler, der Hersteller oder der Nutzer, der ja eher Passagier als Fahrer ist? Auch entstünden neue Fragen des Datenschutzes: Roboter, die mit Menschen interagieren und die vielleicht sogar lernfähig sein sollen, müssen zahllose Informationen über ihre Umgebung sammeln, speichern und oft auch über längere Distanzen an einen „Operator“ übermitteln. Nicht zuletzt entstünden auch neue Möglichkeiten, über Schadsoftware fremde Systeme zu „kapern“ und zum Beispiel Fahrassistenten vorbeifahrender Autos zu manipulieren.

Fazit: Die gesamtgesellschaftliche Diskussion über das Verhältnis von Mensch und Maschine am Beispiel auch der Rasanz der Entwicklung humanoider Roboter wird spätestens in diesen Tagen eröffnet.

print
DRUCKEN

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.