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30.06.2025 | Rohstoffe | Interview | Online-Artikel

"Chinas neue Exportregeln verschärfen die Lage"

verfasst von: Christiane Köllner

5 Min. Lesedauer

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Chinas neue Exportregeln für schwere Seltene Erden halten die Weltwirtschaft in Atmen. Matthias Rüth von Tradium ordnet die Markt- und Versorgungslage ein. 

Matthias Rüth ist Geschäftsführer und Gründer der Tradium GmbH in Frankfurt am Main. Tradium versorgt Kunden aus Industrie und Handel mit Technologiemetallen, Seltenen Erden und Edelmetallen.


China setzt im Handelskonflikt mit den USA Seltene Erden als Verhandlungsmasse ein. Als Reaktion auf die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle hat Peking am 4. April neben Gegenzöllen Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte Seltene Erden sowie Magnete aus diesen Rohstoffen angeordnet. Welche Akteure sind vor allem von dieser Maßnahme betroffen und wie sehen die Beschränkungen konkret aus?

Seit dem 4. April gelten für sieben Seltene Erden Exportauflagen. Konkret geht es dabei um Dysprosium, Terbium, Yttrium, Gadolinium, Samarium, Lutetium, Scandium sowie deren Verbindungen. Weltweit müssen Unternehmen detaillierte Angaben zum Anwendungsgebiet und Endprodukt machen. Von den Regelungen sind alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette gleichermaßen betroffen: Lieferanten, Einkäufer aus der Industrie, aber auch Magnethersteller. 

Im Einzelnen treffen die neuen Exportauflagen auch eine Reihe von US-Unternehmen aus dem Rüstungsbereich: Die chinesische Regierung hatte diese auf eine Blacklist für die betroffenen Seltenen Erden gesetzt. Am 14. Mai hat China diese Regelung jedoch für 90 Tage pausiert. 

China hat im Zusammenhang mit den Beschränkungen ein Lizenzverfahren für die Ausfuhr dieser Seltenen Erden eingeführt, in dem sich Lieferanten und Unternehmen für den Export der Materialien registrieren müssen. Wie ist der aktuelle Stand hinsichtlich der Vergabe von Exportlizenzen?

Ausfuhrgenehmigungen für kritische Metalle aus China zu beantragen ist in der Rohstoffwelt nichts Neues: Vor fast zwei Jahren hat Peking schon einmal Exportlizenzen eingeführt, damals für Gallium, Germanium und Antimon. In der Konsequenz kamen die Exporte für fast drei Monate komplett zum Erliegen. Die Bearbeitung der Anträge wurde mit 45 Arbeitstage angegeben, in der Realität brauchte man aber länger. 

Im Fall der Seltenen Erden zeigt sich dieses Muster erneut. Erste Lizenzen wurden inzwischen zwar erteilt, u. a. darf ein Zulieferer von Volkswagen bereits Seltenerdmagnete exportieren. Für die Mehrheit der Anträge ist jedoch frühestens in drei bis sechs Monaten mit einer Genehmigung zu rechnen. Aktuelle Zolldaten zeigen auch, dass die Magnetexporte insgesamt stark zurückgegangen sind. Deutlicher werden die Auswirkungen der neuen Regeln bei Terbium und Dysprosium: Im Mai fielen die Exporte der beiden Rohstoffe auf null.

Wie wirtschaftlich nachhaltig ist Chinas Strategie der Exportauflagen angesichts globaler Handelsinteressen? 

China verfolgt eine langfristig ausgerichtete Industriepolitik mit dem Ziel, eigene Schlüsseltechnologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette zu entwickeln. Der Eigenbedarf an strategischen Rohstoffen ist entsprechend hoch, insbesondere in den nachgelagerten Stufen wie der Herstellung und Nutzung technologischer Endprodukte. In Bereichen wie Permanentmagneten für Elektroautos oder für Windkraftanlagen ist China in einer dominierenden Position.

Pekings Exportkontrollen sind aus unserer Sicht nach wie vor ein Instrument im geopolitischen Spannungsfeld insbesondere mit Blick auf das Verhältnis zu den USA. Zwar gab es zuletzt eine Annäherung, etwa durch die bilateralen Verhandlungen in London, doch an den konkreten Auflagen hat sich bislang nichts geändert. China handelt hier vor allem aus wirtschaftlichem Eigeninteresse und dürfte darauf bedacht sein, seine über Jahrzehnte aufgebaute Stellung am Seltenerdmarkt nicht zu gefährden. Von einer weiteren strategischen Positionierung ist fest auszugehen. 

Welche Auswirkungen haben Chinas Exportkontrollen und -regeln bei den Seltenen Erden auf die Markt- und Versorgungslage?

Chinas neue Exportregeln für schwere Seltene Erden verschärfen die Lage auf einem ohnehin angespannten Markt. Die Reaktionen reichen von Nervosität bis hin zu Panik. Viele Unternehmen suchen den direkten Kontakt zu chinesischen Stellen, um schneller an Material zu kommen. Auch diplomatische Kanäle werden Medienberichten zufolge genutzt, etwa von europäischen, japanischen oder indischen Autobauern. Das verknappte Angebot schlägt sich deutlich in den Preisen nieder: Der Preis für Dysprosium-Oxid hat sich fast verdreifacht, Terbium-Oxid ist zweieinhalbmal so teuer wie zuvor. 

Inzwischen wird nicht mehr nur über Preis verhandelt, sondern über Verfügbarkeit. Im Bereich der Permanentmagnete handelt es sich zudem oft um hochspezialisierte, kundenspezifische Produkte, die auf dem freien Markt kaum verfügbar sind. Eine strategische Planung und Bevorratung für drei, wenn nicht sogar sechs Monate hätte die aktuellen Engpässe womöglich relativieren können.

Wird China perspektivisch seine Exportauflagen für Seltene Erden aufheben oder in anderer Form beibehalten?

Die Erfahrung zeigt, dass Chinas Exportkontrollen Bestand haben: So gibt es die Lizenzpflichten für Gallium, Germanium und Antimon bereits seit fast zwei Jahren. Das deutet darauf hin, dass solche Maßnahmen langfristig Teil der Außen- und Wirtschaftspolitik bleiben. Zunehmend rückt dabei die sicherheitspolitische Dimension in den Vordergrund: Denn die Kategorie der Dual-Use-Rohstoffe, also die für militärische und zivile Zwecke einsetzbar sind, lässt sich prinzipiell auf fast alle strategischen Rohstoffe ausweiten. Europäische Abnehmer spüren die Auswirkungen der Auflagen ebenfalls: Unternehmen werden vermutlich auch weiterhin zum Teil sensible Daten für die Exportlizenzen offenlegen müssen. Zudem ist es nicht ausgeschlossen, dass weitere Seltene Erden, von denen es insgesamt 17 gibt, ebenfalls unter Ausfuhrkontrolle gestellt werden. 

Es ist nicht das erste Mal, dass China die Ausfuhr von kritischen Rohstoffen beschränkt. Sie hatten bereits die Exportauflagen für Gallium, Germanium angesprochen. Wie stellt sich die Versorgungslage derzeit bei diesen Rohstoffen dar?

Auch fast zwei Jahre nach Einführung der Exportauflagen für Gallium und Germanium ist die Situation immer noch äußerst kritisch. Bei Gallium meldet die Zollbehörde für Mai ebenfalls einen vollständigen Exportausfall. Germanium bewegt sich weiterhin auf einem historisch niedrigen Niveau. Zumal in China die Gesamtproduktion eines Jahres auf Lager genommen wurde. Damit vergrößert sich die Versorgungslücke für wichtige Rohstoffe, die etwa in Hochleistungschips und Glasfasertechnik benötigt werden. Deswegen rechnen wir damit, dass es bei vielen strategischen Rohstoffen, die aus China kommen, zu langfristigen Beeinträchtigungen kommen wird.

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