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14.07.2020 | Rohstoffe | Schwerpunkt | Online-Artikel

Lithium aus Deutschland

verfasst von: Dieter Beste

5 Min. Lesedauer

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Für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien werden jedes Jahr Millionen Tonnen Lithium gefördert – bislang allerdings fernab von Deutschland. Forscher wollen jetzt Lithium aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens gewinnen.

Mit dem Verfahren der Karlsruher Forscher könnten jedes Jahr tausende Tonnen Lithium aus dem deutschen und französischen Oberrheingraben gefördert werden.


Die Entwicklung von Fahrzeugen für die Elektromobilität ist gegenwärtig ohne Lithium (Li) in Gestalt von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Lithium zählt somit zu den strategischen Rohstoffen; und eine Volkswirtschaft, die im Wesentlichen auf Rohstoffimporte angewiesen ist, muss ein besonderes Augenmerk auf die Rohstoffversorgung richten. Deutschland zählt in vielen Fällen zu der Ländergruppe der "Rohstoff-Habenichtse". Das gilt besonders für Lithium: 40.000 Tonnen dieses chemischen Elements werde benötigen, um das Ziel der Bundesregierung von sechs Millionen batterieelektrischen Fahrzeugen bis 2030 zu erreichen, rechnen die Autoren einer aktuellen Studie des Bundesamts für Naturschutz vor. Zu Panik besteht jedoch kein Anlass, denn die gegenwärtig prospektierten weltweit förderbaren Lithiumverbindungen entsprechen rund 40 Millionen Tonnen Li-Metall, wie Hansgeorg Hofmann und Jürgen Spindler in "Aktuelle Werkstoffe" festhalten (Seite 26).

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Lithiumkarbonat (46 % Marktanteil) und Lithiumhydroxid (19 %) sind wesentliche Rohstoffe für Batterien, Keramiken und Gläser, Schmierstoffe, Flussmittel, Polymere und Arzneimittel, zählt Peter Kurzweil in "Chemie" auf (Seite 353): "Bedeutende Vorkommen sind die Salzseen in Chile, Bolivien, Argentinien, China und Tibet. … Europa birgt 4 % der weltweiten Lithiumvorräte." Immerhin, im Erzgebirge komme Zinnwaldit, der Lithium-Eisen-Glimmer vor.

Jedoch nicht nur das geringe Vorkommen von Lithium in Deutschland bereitet Sorgen. Neben der Lieferabhängigkeit ist es die Art und Weise, wie der Rohstoff gewonnen wird. Gegenwärtig, heißt es in der Studie des Bundesamts für Naturschutz, kommt Lithium meist aus Salzseen in der Anden-Region zu uns. Dort wird Sole durch Bohrlöcher an die Oberfläche gepumpt, um sie in Verdunstungsbecken zu konzentrieren, was wiederum zur Dehydrierung der Salzseen führt. Pro Tonne Lithium verdunsten nach diesen Angaben 2.700 Kubikmeter Wasser. Und sowohl diese Wasserverluste als auch damit einhergehende Landnutzungsänderungen wirken sich negativ auf die sehr komplexen und hoch spezialisierten Ökosysteme der Region aus. Die Autoren der Studie fordern deshalb, Möglichkeiten zur Begrenzung der mit der Rohstoffgewinnung verbundenen Umweltprobleme zu identifizieren – etwa durch eine Unterstützung von Forschung und Entwicklung zur Verbesserung der Recyclingtechnologien für Lithium-Ionen-Batterien und Aufbau der notwendigen Infrastruktur für Batteriesammlung und -vorbehandlung.

Rohstoffchemie gewinnt an Bedeutung

Forschung und Entwicklung sind auch Angelpunkt, um die wirtschaftliche Abhängigkeit von Lithium-Importen in Deutschland zu verringern, wie Peter Kausch, Martin Bertau, Jens Gutzmer und Jörg Matschullat in ihrem Vorwort zu "Strategische Rohstoffe – Risikovorsorge" schreiben. Neue wissenschaftliche Entwicklungen beginnen mit verbesserten Modellen zur Bewertung von Rohstofflagerstätten und finden ihren Weg über neue Recyclingstrategien bis hin zu dem Ergebnis, dass der Chemie im 21. Jahrhundert in Form der Rohstoffchemie eine ganz neue, für die Volkswirtschaft elementare Bedeutung für die Rohstoffversorgung zukommt. Daraus ergeben sich wiederum völlig neue Potenziale für die Chemische Industrie, einem starken Motor der hiesigen Wirtschaft."

Bergbau nach dem Bergbau

An Ideen mangelt es nicht. Schon seit längerem ist der "Bergbau nach dem Bergbau", das sogenannte Re-Mining ein Schwerpunkt der Arbeit am Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie, das zum Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) gehört. Alte Bergbauhalden, wie sie etwa auch in Sachsen vorkommen, schätzen die Wissenschaftler als wichtige Rohstoffquelle, denn sie können noch erhebliche Mengen an Wertstoffen wie Zinn, Zink, Silber, Wolfram, Lithium oder Indium enthalten. Die Freiberger Forscher entwickeln und testen unterschiedlichste Technologien zum effizienten Abbau und zur metallurgischen Weiterverarbeitung dieser strategisch wichtigen Rohstoffe.

Verfahren zur Lithiumgewinnung hierzulande

Eine Erfindung aus dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) könnte nun auch hierzulande einen wirtschaftlichen Abbau von Lithium ermöglichen. Denn in tiefen Gesteinslagen unter dem Oberrheingraben befinden sich beträchtliche Mengen des Elements, gelöst in salzigen Thermalwasserreservoiren. Die KIT-Forscher wollen diesen mineralischen Schatz in Geothermie-Anlagen aus den Tiefengewässern des Oberrheingrabens bergen. "Nach unseren Kenntnissen können es bis zu 200 Milligramm pro Liter sein", sagt der Geowissenschaftler Jens Grimmer vom Institut für Angewandte Geowissenschaften (AGW) des KIT: "Wenn wir dieses Potenzial konsequent nutzen, dann könnten wir in Deutschland einen erheblichen Teil unseres Bedarfs decken." 

Gemeinsam mit Florencia Saravia von der Forschungsstelle des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW) am Engler-Bunte-Institut (EBI) des KIT hat Grimmer ein inzwischen zum Patent angemeldetes Verfahren entwickelt, mit dem sich die Ressource in der Tiefe nach eigenen Angaben kostengünstig, umweltschonend und nachhaltig – "minimalinvasiv" – erschließen lässt. "Dabei werden in einem ersten Schritt die Lithiumionen aus dem Thermalwasser herausgefiltert und in einem zweiten Schritt weiter konzentriert, bis Lithium als Salz ausgefällt werden kann."

Minimale Umweltschäden 

Gegenüber den traditionellen Methoden der Lithiumproduktion aus den südamerikanischen Salzseen biete das Grimmer-Saravia-Verfahren einige entscheidende Vorteile, heißt es in einer Mitteilung des KIT: Genutzt wird die bestehende Infrastruktur von Geothermie-Anlagen, durch die pro Jahr bis zu zwei Milliarden Liter Thermalwasser strömen. Im Gegensatz zum klassischen Bergbau fällt deshalb kaum Abraum an und der Flächenverbrauch ist minimal. Weil das Thermalwasser nach Gebrauch wieder in den Untergrund zurückgeleitet wird, werden keine schädlichen Stoffe freigesetzt und auch die geothermische Strom- und Wärmeproduktion wird nicht gestört. Lithium kann im Thermalwasserzyklus der Geothermie-Anlage kontinuierlich innerhalb von Stunden extrahiert werden, wohingegen die Anreicherung in den südamerikanischen Salzseen mehrere Monate dauert und stark wetterabhängig ist. 

Hunderte Tonnen Lithium pro Jahr aus einer Anlage

Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie wollen die beiden Karlsruher Wissenschaftler nun eine Testanlage zur Lithium-Gewinnung entwickeln. In diesem Prototyp, der in einer Geothermie-Anlage im Oberrheingraben aufgebaut werden soll, sollen zunächst einige Kilogramm Lithiumkarbonat und Lithiumhydroxid gewonnen werden. Wenn die Versuche erfolgreich sind, ist der Bau einer Großanlage geplant. Möglich wäre dann eine Produktion von mehreren hundert Tonnen Lithiumhydroxid pro Jahr pro Geothermie-Anlage, ist Grimmer überzeugt. Nach aktueller Datenlage belaufen sich die Potenziale im Oberrheingraben auf deutscher und französischer Seite auf mehrere tausend Tonnen an förderbarem Lithium pro Jahr.

Probenmaterial aus sächsischen Bergbauhalden



 

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