Graphitabbau in den USA bleibt schwieriges Unterfangen
- 16.10.2025
- Rohstoffe
- Im Fokus
- Online-Artikel
Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.
Wählen Sie Textabschnitte aus um mit Künstlicher Intelligenz passenden Patente zu finden. powered by
Markieren Sie Textabschnitte, um KI-gestützt weitere passende Inhalte zu finden. powered by (Link öffnet in neuem Fenster)
Laut einer Studie sind die Vorkommen da, die Technik ebenso – doch Qualität, Kosten und fehlende Infrastruktur machen Unabhängigkeit von China teuer.
Graphit in einer Lagerhalle – der Rohstoff ist ein zentrales Elektrodenmaterial (konkret: Anode) für Batterien in Elektrofahrzeugen.
© Ram / stock.adobe.com / Generated with AI
Die Vereinigten Staaten verfügen über genügend natürliche Graphitvorkommen, um ihren wachsenden Bedarf für Elektrofahrzeuge und stationäre Energiespeicher theoretisch selbst zu decken. Doch ökonomisch ist der Schritt zur Autarkie alles andere als einfach. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Untersuchung der University of Michigan in Zusammenarbeit mit dem Autobauer Ford.
Die Forschenden wollten wissen, ob die USA bis 2040 genügend Graphit abbauen könnten, um ihre erwartete Nachfrage zu erfüllen. Die Antwort lautet: technisch ja, wirtschaftlich jedoch nur unter großen Einschränkungen. Zwar existierten Vorkommen von mehr als 7 Mio. t förderbarem Graphit – der künftige Bedarf wird auf rund 2 Mio. t geschätzt –, doch die Qualität der Lagerstätten und die Kostenstruktur erschwere die Nutzung erheblich.
"China dominiert derzeit die weltweite Graphitversorgung, was in den USA Sicherheitsbedenken in der Lieferkette hervorruft", sagt Studienleiter Gregory Keoleian von der University of Michigan. Die Vereinigten Staaten importieren bislang sämtliches Graphit, das für Batterien in Elektrofahrzeugen und stationären Energiespeichern verwendet wird.
Milliardenförderung für kritische Rohstoffe
Im August hatte das US-Energieministerium Förderprogramme im Umfang von rund 1 Mrd. US-Dollar angekündigt. Ziel ist es, die heimische Förderung und Verarbeitung sogenannter Energy Critical Materials anzukurbeln – darunter Graphit, das in den Elektroden moderner Lithium-Ionen-Batterien eingesetzt wird. Die Maßnahme soll helfen, Abhängigkeiten von chinesischen Lieferketten zu verringern und die inländische Industrie zu stärken.
Doch laut der Studie reichen Fördergelder allein nicht aus. "Es gibt genügend Graphit, aber es wird uns sehr viel mehr kosten, ihn zu produzieren als in China", sagte Stephen Kesler, Co-Autor der Studie und emeritierter Professor für Geowissenschaften an der University of Michigan. Der Grund dafür liege nicht in niedrigeren Löhnen oder schwächeren Umweltauflagen Chinas, sondern in der Qualität der Lagerstätten.
Die prognostizierte Nachfrage nach Graphit in den USA wird in erster Linie durch Batterien für leichte Elektrofahrzeuge (LDV BEVs) angetrieben, aber auch durch leichte Plug-in-Hybridfahrzeuge (LDV PHEVs), mittelschwere Nutzfahrzeuge (MHDV) und stationäre Speicher.
S. Gorman et al. J. Ind. Ecol. 2025 (DOI: 10.1111/jiec.70104). Used under a CC BY 4.0 license.
Geringe Konzentrationen, hohe Kosten
Die Forschenden verweisen auf das bislang bedeutendste Vorkommen am Graphite Creek in Alaska. Dort liege der Graphitgehalt des Gesteins bei rund 5 % – an der unteren Grenze dessen, was wirtschaftlich abbaubar ist. Zum Vergleich: In chinesischen Minen erreiche der Erzgehalt häufig 10 % oder mehr.
"Unsere Lagerstätten sind schlicht weniger ergiebig", erklärt Kesler. "Das bedeutet, dass wir mehr Material bewegen, mehr Energie einsetzen und höhere Kosten tragen müssen, um dieselbe Menge Graphit zu gewinnen."
Aktuell existiert in den USA kein aktiver Graphitabbau. Zwar wurde das Mineral bereits im 17. Jahrhundert gefördert, doch nach dem Zweiten Weltkrieg stellten die Betreiber die Produktion weitgehend ein. Günstige Importe machten eine Wiederaufnahme wirtschaftlich uninteressant. Erst das Unternehmen Graphite One plant, die Mine in Alaska bis Ende des Jahrzehnts wieder in Betrieb zu nehmen.
Zwischen Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz
Die Forschenden betonen jedoch, dass eine inländische Förderung ökologische Vorteile hätte. "Wir haben in den USA ein saubereres Stromnetz und strengere Umweltauflagen", so Keoleian. Dadurch könnten die Treibhausgasemissionen bei der Graphitproduktion deutlich geringer ausfallen als in China. Zudem ließe sich das geopolitische Risiko durch die Abhängigkeit von Importen mindern.
Auch der Einsatz von synthetischem Graphit, das aus sogenannten Needle-Coke-Nebenprodukten der Ölraffination hergestellt wird, wurde in der Studie untersucht. Derzeit überwiegt die Nutzung dieses künstlichen Graphits, doch die US-Kapazitäten zur Herstellung stoßen laut Analyse bald an ihre Grenzen. Insgesamt – also aus natürlichen und synthetischen Quellen – könnte die US-Produktion künftig rund 9 Mio. t erreichen und damit den Bedarf übersteigen.
Abwägung zwischen Autarkie und Vorsorge
Trotz des technischen Potenzials plädieren die Forschenden für eine vorsichtige Strategie. "Wir wissen über viele Lagerstätten in den USA noch viel zu wenig", sagte Kesler. Nur wenige seien bislang detailliert untersucht worden. Daher könne es sinnvoll sein, weiterhin günstigen Graphit zu importieren, während man die heimischen Ressourcen systematisch erschließt und bewertet.
Eine vollständige Abkopplung von internationalen Lieferketten sei kurzfristig kaum realistisch. Vielmehr müsse die USA eine Balance zwischen Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und ökologischen Zielen finden.
"Langfristig sollten wir inländische Produktionskapazitäten aufbauen, aber gleichzeitig den internationalen Handel nutzen, um Zeit für Forschung und Entwicklung zu gewinnen", resümierte Keoleian. Nur so könne das Land eine stabile, nachhaltige und wettbewerbsfähige Batteriewertschöpfungskette aufbauen.
Die Studie wurde im September im Journal of Industrial Ecology veröffentlicht.