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Erschienen in:

01.06.2022 | Rechnungswesen

Rücklagen

verfasst von: Meinrad Lippach

Erschienen in: Bankfachklasse | Ausgabe 6/2022

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Auszug

Einordnung
■ Rücklagen sind Bestandteile des Eigenkapitals von Unternehmen. Zu unterscheiden sind offene Rücklagen, die in eigenen Positionen auf der Passivseite der Bilanz ausgewiesen werden, und stille Rücklagen, die für den Bilanzleser nicht erkennbar verdeckt in einzelnen aktiven oder passiven Posten der Bilanz enthalten sind.
■ Offene Rücklagen resultieren in erster Linie aus thesaurierten, das heißt nicht ausgeschütteten Gewinnen.
■ Stille oder verdeckte Rücklagen entstehen, wenn Vermögenswerte unterbewertet oder Schulden überbewertet werden.
■ Die Bildung offener Rücklagen ist vornehmlich in Unternehmen üblich, die in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft beziehungsweise Genossenschaft geführt werden. In Kapitalgesellschaften sind sie variable Teile des Eigenkapitals im Gegensatz zur konstanten Größe des gezeichneten Kapitals, das bis auf seltene Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen keinen Veränderungen unterliegt.
■ Bei Personengesellschaften werden in der Regel keine offenen Rücklagen ausgewiesen. Einbehaltene Gewinne und Kapitalzuführungen werden dort direkt den variablen Eigenkapitalkonten der Gesellschafter zugebucht.
■ Rücklagen dürfen nicht mit Rückstellungen verwechselt werden. Im Gegensatz zu Rücklagen sind Rückstellungen kein Bestandteil des Eigen-, sondern des Fremdkapitals (siehe Bankfachklasse 1-2/2022, Seite 22-23).
Funktionen von Rücklagen
Rücklagen stärken die Eigenkapitalbasis und festigen so die Unternehmenssubstanz. Wichtige Funktionen sind:
Risikovorsorge
Durch Auflösung von Rücklagen können unerwartete und außergewöhnliche Verluste aufgefangen werden, ohne dass das Nennkapital angegriffen werden muss.
Gläubigerschutz
Rücklagen verbessern die Haftmittelbasis des Unternehmens. Dadurch sind sie auch eine Voraussetzung für die Aufnahme von Fremdkapital.
Selbstfinanzierung
Rücklagen ermöglichen Investitionsvorhaben ohne Aufnahme von Fremdkapital mit eigenen Mitteln.
Dividendenkontinuität
In Aktiengesellschaften (AGs) ermöglichen Rücklagen eine gleichmäßige Gewinnausschüttung an die Anteilseigner, indem sie in ertragsstarken Geschäftsjahren gebildet und in ertragsschwachen Jahren wieder aufgelöst werden.
Eigenkapitalanforderungen
In Kreditinstituten tragen Rücklagen dazu bei, die Vorgaben über die Angemessenheit der Eigenmittel zu erfüllen. Im Zusammenhang mit der Eigenkapitalunterlegung von Risikopositionen sind sie Grundlage für eine Geschäftsausweitung und Wachstum.
Arten offener Rücklagen
Nach § 266 Abs. 3 Handelsgesetzbuch (HGB) müssen Kapitalgesellschaften offene Rücklagen in der Bilanz auf der Passivseite als Kapitalrücklage und Gewinnrücklagen ausweisen. Für Geldhäuser sieht das Bilanzformblatt der Verordnung über die Rechnungslegung der Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute (RechKredV) unabhängig von der Rechtsform die gleiche Unterteilung vor. Beide Rücklagenarten unterscheiden sich durch die Art und Weise, wie sie entstehen.
Kapitalrücklage
■ § 272 Abs. 2 HGB legt fest, welche Beträge einzustellen sind. Angeführt werden unter anderem das Agio, das heißt der Betrag, der bei Neuemissionen oder Kapitalerhöhungen bei der Ausgabe von Aktien über den Nennbetrag hinaus erzielt wird, sowie Zuzahlungen, die Gesellschafter für ihre Anteile gegen die Gewährung eines Vorzugs leisten.
■ Die in die Rücklage einzustellenden Beträge fließen dem Unternehmen durch die Anteilseigner von außen zu. Kapitalrücklagen sind somit eine Form der Außenfinanzierung.
Gewinnrücklagen
■ Sie beinhalten alle Beträge, die von im laufenden oder einem früheren Geschäftsjahr erzielten Jahresüberschüssen nicht ausgeschüttet, sondern einbehalten wurden. Gemäß § 272 Abs. 3 HGB fallen darunter gesetzliche oder auf Gesellschaftsvertrag beziehungsweise Satzung beruhende Rücklagen sowie andere Gewinnrücklagen. Eine entsprechende Untergliederung sehen auch die RechKredV und § 266 Abs. 3 HGB für den Ausweis in der Bilanz von Kreditinstituten beziehungsweise Kapitalgesellschaften vor.
■ Gewinnrücklagen sind eine Form der Innenfinanzierung, weil sie nicht von außen zufließen, sondern im Unternehmen selbst erwirtschaftet wurden.
Arten von Gewinnrücklagen
Gesetzliche Rücklage
■ § 150 Aktiengesetz (AktG) ordnet ihre Bildung für Unternehmen in der Rechtsform einer AG oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) an und legt auch ihre Höhe fest.
■ Jedes Jahr ist beim Abschluss der Rechnungsperiode der zwanzigste Teil, das heißt fünf Prozent, des um einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr geminderten Jahresüberschusses einzustellen, bis die Summe aus Kapitalrücklage und gesetzlicher Rücklage dem zehnten Teil, also zehn Prozent, des Grundkapitals entspricht. Die Satzung kann einen höheren Teil bestimmen.
■ Ist die Summe erreicht, können auf freiwilliger Basis weitere Zuführungen erfolgen.
■ In Verlustjahren ist die Rücklage nicht zu bilden.
■ Genossenschaftsbanken müssen ebenfalls eine gesetzliche Rücklage bilden. Einzelheiten regelt § 7 Genossenschaftsgesetz (GenG).
Satzungsmäßige Rücklagen
■ Sie sind verpflichtend, wenn der Gesellschaftsvertrag oder die Unternehmenssatzung eine entsprechende Bestimmung enthält.
■ Unterliegen sie einer Zweckbindung, dürfen Entnahmen nur für den vorgesehenen Zweck erfolgen. Ohne Zweckbindung dürfen sie dagegen frei verwendet werden.
Andere Gewinnrücklagen
■ Sie sind eine Sammelposition für sonstige aus dem Jahresüberschuss gebildete Reserven.
■ Da sie nach freiem Ermessen gebildet werden können, werden sie auch als freie Rücklagen bezeichnet.
■ Bei einer AG werden Vorstand und Aufsichtsrat durch § 58 Abs. 2 AktG ermächtigt, sofern sie und nicht die Hauptversammlung den Jahresabschluss feststellen, bis zur Hälfte des um einen Verlustvortrag und Zuführungen in die gesetzliche Rücklage verminderten Jahresüberschusses in die anderen Gewinnrücklagen einzustellen.
Abweichend von der Unterteilung nach § 266 Abs. 3 HGB werden die Gewinnrücklagen in Sparkassen in Sicherheitsrücklagen und andere Rücklagen unterteilt und in Genossenschaftsbanken als Ergebnisrücklagen bezeichnet. Eine Kapitalrücklage gibt es in Sparkassen nicht.
Verwendung von Rücklagen
■ Die Möglichkeiten der Auflösung und der Verwendung hängen von der Rücklagenart ab.
■ Die gesetzliche Rücklage und Kapitalrücklagen dienen hauptsächlich dazu, einen Jahresfehlbetrag oder einen Verlustvortrag aus dem Vorjahr auszugleichen, sofern dies nicht durch die Auflösung von anderen Gewinnrücklagen erreicht werden kann. Wenn der durch Gesetz oder Satzung vorgeschriebene Anteil am Grundkapital erreicht ist, ist ferner eine Verwendung zur Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln möglich (§ 150 AktG, Abs. 3 und 4).
■ Satzungsmäßige und andere Gewinnrücklagen dürfen frei verwendet werden, sofern sie nicht einer bestimmten Zweckbindung unterliegen.

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Metadaten
Titel
Rücklagen
verfasst von
Meinrad Lippach
Publikationsdatum
01.06.2022
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
Bankfachklasse / Ausgabe 6/2022
Print ISSN: 0170-6659
Elektronische ISSN: 2192-8665
DOI
https://doi.org/10.1007/s35139-022-0741-8

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