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Open Access 2021 | OriginalPaper | Buchkapitel

Schaden höhere Gewinnsteuern am Ende den Arbeitnehmern?

verfasst von : Korbinian Wester

Erschienen in: Die Wirtschaft im Wandel

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Wer eine Steuer an das Finanzamt überweisen muss, ist noch längst nicht derjenige, der die Steuer wirtschaftlich tragen muss. Die Betroffenen wehren sich, wo sie nur können, und überwälzen die Steuern gern auf andere. Die Unternehmen müssen Gewinnsteuern zahlen, aber fordern von den Arbeitenden ihren Teil ein, indem sie bei den Lohnerhöhungen sparen. Es passiert auch umgekehrt. Wenn die Lohnsteuern steigen, fordern die Arbeitenden höhere Löhne, um sich wenigstens einen Teil abgelten zu lassen. Dann tragen die Unternehmen und ihre Eigentümer einen Teil der Lohnsteuern mit. Wenn der Staat zugreift und es weniger vom gemeinsam erwirtschafteten Einkommen zu verteilen gibt, müssen eben beide Seiten verzichten. Auch Kunden und Lieferanten müssen oft mitzahlen, wenn die Unternehmen neue Preise durchsetzen, um die Steuerlast weiterzureichen. Wer in diesem Spiel wenig Verhandlungsmacht hat und sich wenig gegen die Überwälzung wehren kann, bei dem bleibt ein besonders hoher Teil der Steuerlast hängen.
Fuest, C., A. Peichl und S. Siegloch (2018), Do Higher Corporate Taxes Reduce Wages? Micro Evidence from Germany, American Economic Review 2018, 393–418.
Relevanz
Wer eine Steuer an das Finanzamt überweisen muss, ist noch längst nicht derjenige, der die Steuer wirtschaftlich tragen muss. Die Betroffenen wehren sich, wo sie nur können, und überwälzen die Steuern gern auf andere. Die Unternehmen müssen Gewinnsteuern zahlen, aber fordern von den Arbeitenden ihren Teil ein, indem sie bei den Lohnerhöhungen sparen. Es passiert auch umgekehrt. Wenn die Lohnsteuern steigen, fordern die Arbeitenden höhere Löhne, um sich wenigstens einen Teil abgelten zu lassen. Dann tragen die Unternehmen und ihre Eigentümer einen Teil der Lohnsteuern mit. Wenn der Staat zugreift und es weniger vom gemeinsam erwirtschafteten Einkommen zu verteilen gibt, müssen eben beide Seiten verzichten. Auch Kunden und Lieferanten müssen oft mitzahlen, wenn die Unternehmen neue Preise durchsetzen, um die Steuerlast weiterzureichen. Wer in diesem Spiel wenig Verhandlungsmacht hat und sich wenig gegen die Überwälzung wehren kann, bei dem bleibt ein besonders hoher Teil der Steuerlast hängen.
Quelle
Fuest, C., A. Peichl und S. Siegloch (2018), Do Higher Corporate Taxes Reduce Wages? Micro Evidence from Germany, American Economic Review 2018, 393–418.
Wer trägt die Last einer Steuer? Auch wenn beispielsweise Unternehmen gesetzlich verpflichtet sind, eine Steuer zu bezahlen, bedeutet dies nicht, dass sie wirtschaftlich die Steuerlast selbst tragen. Sie können diese ganz oder teilweise auf andere überwälzen, z. B. auf die Konsumenten mittels höherer Preise oder auf ihre Mitarbeiter, indem sie niedrigere Löhne zahlen. Gerade bei der Besteuerung von Unternehmen gehen die Ansichten dazu auseinander. Umfragen ergeben typischerweise, dass die meisten Menschen der Meinung sind, eine höhere Gewinnsteuer (Körperschaftssteuer, Gewerbesteuer) treffe vor allem die Unternehmen. Die Unternehmensvertreter argumentieren hingegen gerne, dass eine Steuererhöhung die Investitionen senke und dadurch zu Lohneinbussen führe. Dann ginge die Steuer zulasten der Arbeitnehmer. Die meisten Ökonomen sind sich einig, dass eine zusätzliche Steuerbelastung tatsächlich zwischen Unternehmern und Arbeitnehmern aufgeteilt wird.
Eine kürzlich erschienene Studie von Clemens Fuest, Andreas Peichl und Sebastian Siegloch geht der Frage nach, wie die Last von Unternehmenssteuern zwischen den Unternehmen (d. h., seinen Eigentümern und Kapitalgebern) und den Arbeitnehmern aufgeteilt wird und ob letztere sinkende Löhne in Kauf nehmen müssen. Dazu betrachten die Forscher die Gewerbesteuer in Deutschland. Diese wird von Unternehmen direkt an die Gemeinde bezahlt und soll einen Beitrag zur Finanzierung der lokalen, von der Gemeinde bereitgestellten Infrastruktur darstellen. Jede Gemeinde entscheidet selbst über den Steuersatz, genauer gesagt, über den sogenannten Hebelsatz, welcher mit der vom Bund festgelegten Steuermesszahl in Höhe von momentan 3,5 % multipliziert wird. Legt der Gemeinderat den Hebelsatz beispielsweise auf 4 fest, so liegt der Gewerbesteuersatz bei 14 %.
Die Forscher betonen zunächst, dass die Aufteilung der zusätzlichen Steuerlast von vielen Faktoren abhängt, z. B. von unternehmensspezifischen Eigenschaften wie Grösse, Intensität der Gehaltsverhandlungen, Profitabilität, ob das Unternehmen in ausländischem Besitz ist, und ob es in verschiedenen Gemeinden tätig ist oder nicht. Zum anderen hängt die Aufteilung aber auch von den Eigenschaften der Arbeitnehmer ab. Dabei spielen vor allem Fähigkeiten, Geschlecht und Alter eine Rolle. Solche Eigenschaften können die Auswirkungen der Gewerbesteuer auf die Löhne verstärken oder verringern und damit Einfluss haben, welchen Anteil der Steuerlast die Arbeitenden tragen müssen.
Für die unternehmensspezifischen Eigenschaften gilt grundsätzlich: Je stärker ein Unternehmen Gewinne an andere Orte verschieben und dadurch Gewerbesteuer sparen kann, und je grösser die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmerseite ist, desto schwächer wirkt sich eine höhere Gewerbesteuer auf die Löhne aus. Bei den Eigenschaften der Arbeitnehmer stellt man fest, dass vor allem jene mit niedrigeren Einkommen Lohneinbussen in Kauf nehmen müssen. Dies steht im Gegensatz zur vorherrschenden Meinung, dass Unternehmenssteuern progressiv wirken und somit vor allem höhere Einkommen mit einem hohen Anteil von Kapitaleinkommen treffen. Die Überwälzung auf die Arbeitnehmer schwächt die progressive Wirkung des Unternehmenssteuersystems signifikant ab.
Um festzustellen, wie Veränderungen des Gewerbesteuersatzes die Löhne beeinflussen, verwenden die Wissenschaftler Daten von 1993 bis 2012 aus insgesamt 3522 Gemeinden, für welche Lohndaten verfügbar sind. Sie untersuchen rund 6800 Änderungen des Gewerbesteuersatzes. Der durchschnittliche Gewerbesteuersatz betrug 18,7 %. Eine typische Erhöhung machte rund 0,9 Prozentpunkte aus, lediglich ein Viertel war grösser als 1,1 Prozentpunkte.
Bei einer Erhöhung der Gewerbesteuer tragen die Arbeitnehmer 51 Prozent der zusätzlichen Steuerlast.
Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass bei einer Anhebung der Gewerbesteuer die Arbeitnehmer im Schnitt 51 % der zusätzlichen Steuerlast tragen müssen. Ein Unternehmen, welches 100 € mehr Gewerbesteuer zahlen muss, senkt also seine Lohnausgaben um durchschnittlich 51 €. Wirtschaftlich gesehen belastet eine Gewerbesteuererhöhung die Arbeitnehmer ähnlich stark wie die Unternehmen und ihre Eigentümer. Die empirische Evidenz weist also auf eine erhebliche Steuerüberwälzung hin. Abb. 1 illustriert, wie der mittlere Reallohn auf eine Erhöhung bzw. Senkung der Gewerbesteuer reagiert.
Die Schätzungen zeigen, dass die Überwälzung je nach Unternehmenstyp stark unterschiedlich ausfällt. Demnach müssen Mitarbeiter von kleinen Unternehmen mit weniger als 10 Beschäftigen Lohneinbussen von 124 € in Kauf nehmen, wenn die Gewerbesteuerbelastung um 100 € steigt. Der Lohnrückgang übersteigt sogar den zusätzlichen Steuerbetrag. Ganz anders fallen die Ergebnisse für grössere Unternehmen aus. Jene mit 10 bis 99 Mitarbeitern überwälzen nur noch 31 € auf die Arbeitnehmer. Bei noch grösseren Unternehmen wirkt sich eine Gewerbesteuererhöhung überhaupt nicht mehr signifikant auf die Löhne aus. Die Erhöhung der Gewerbesteuer in einer einzelnen Gemeinde beeinflusst die Kostenstruktur eines grossen Unternehmens mit verschiedenen Standorten typischerweise nur wenig. Deshalb reagiert es meist kaum darauf. Investitionen und Löhne bleiben weitgehend unverändert.
Hat ein Unternehmen weniger als 10 Mitarbeiter, werden 124 Prozent einer Gewerbesteuererhöhung auf die Arbeitnehmer überwälzt. Bei 10-99 Mitarbeitern sind es nur noch 31 Prozent. Bei größeren Unternehmen gibt es keine signifikante Überwälzung.
Auch die Art und Weise, wie die Tarifverhandlungen organisiert sind, beeinflusst die Überwälzung. Finden sie dezentral in jedem Unternehmen separat statt, so tragen die Arbeitnehmer 73 % der zusätzlichen Steuerlast. Bei Verhandlungen für eine ganze Branche sind es nur noch 42 %. In diesem Fall schwächt sich der Effekt ab, da die Erhöhung in einer Gemeinde nur einzelne Unternehmen der gesamten Branche betrifft, nämlich nur jene mit einem Standort in dieser Gemeinde. Gibt es nur zentrale, gemeinsame Tarifverhandlungen für alle Arbeitnehmer und Branchen zusammen, dann werden nur 29 % der Steuer überwälzt. Auch die Profitabilität des Unternehmens spielt eine wichtige Rolle. Während sehr profitable Unternehmen 57 % an die Arbeitnehmer weitergeben, hat eine Steuererhöhung bei sehr wenig profitablen Unternehmen keine Auswirkung auf die Löhne. Ähnliches zeigt der Vergleich der Eigentümerstruktur. Arbeitnehmer, die für ein Unternehmen in deutschem Besitz tätig sind, müssen im Schnitt 45 % der Erhöhung tragen. Bei Unternehmen in ausländischem Besitz kommt es zu keinen signifikanten Lohnrückgängen.
Aber auch innerhalb desselben Unternehmens sind die Mitarbeiter in unterschiedlichem Umfang von der Überwälzung betroffen. Grosse Unterschiede stellt man zum Beispiel fest, wenn man die Angestellten nach ihren Qualifikationen unterscheidet. Bei hochqualifizierten Mitarbeitern beeinflusst die Gewerbesteuer den Lohn kaum. Jedoch sinkt der Lohn von geringer qualifizierten Arbeitnehmern um 38 €, wenn ein Unternehmen um 100 mehr Steuer bezahlen muss. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es deutliche Unterschiede: Während Frauen auf 53 € Gehalt verzichten müssen, sind es bei Männern nur 33 €. Ebenfalls entscheidend ist das Alter. Die Lohnzahlungen an junge Angestellte sinken im Schnitt um 51 €, während ältere Mitarbeiter lediglich auf 33 € verzichten müssen.
Angestellte mit hohen Qualifikationen müssen bei einer Gewerbesteuererhöhung kaum Lohneinbussen befürchten, während schlecht ausgebildete Arbeitnehmer 38 Prozent der zusätzlichen Steuerlast tragen.
Die Studie zeigt, dass bei weitem nicht nur die Unternehmen eine Gewerbesteuererhöhung tragen müssen. Sie können die Steuerlast teilweise auf die Arbeitnehmer überwälzen. Die Steuerlast wird zwischen Unternehmen und Arbeitnehmern aufgeteilt. Eine höhere Gewerbesteuer ist also kein Mittel, das lediglich auf Kosten der Unternehmen und ihrer Kapitalgeber Geld in die öffentlichen Haushalte spült, sondern sie belastet auch Arbeitnehmer. Das Ausmass hängt stark von den Eigenschaften der betroffenen Unternehmen und Mitarbeiter ab. Gerade die gering qualifizierten Arbeitnehmer in kleinen Betrieben leiden besonders stark unter der Überwälzung der Gewerbesteuer.
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Metadaten
Titel
Schaden höhere Gewinnsteuern am Ende den Arbeitnehmern?
verfasst von
Korbinian Wester
Copyright-Jahr
2021
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-31735-5_32